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Religionsbeschimpfung Der rechtliche Schutz des Heiligen
Religionsbeschimpfung
Der rechtliche Schutz des Heiligen




Josef Isensee (Hrsg.)

Reihe: Wissenschaftliche Abhandlungen und Reden zur Philosophie, Politik und Geistesgeschichte (PPG)


Duncker & Humblot
EAN: 9783428124916 (ISBN: 3-428-12491-X)
140 Seiten, paperback, 14 x 21cm, 2007

EUR 42,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Gotteslästerung - bislang in europäischen Augen ein atavistischer Tatbestand aus versunkenen, finsteren Zeiten - erlangt jäh schockierende Aktualität, seit sich in der islamischen Welt Massenprotest wider die Beleidigung ihrer religiösen Gefühle durch westliche Medien erhebt und heiliger Eifer in Zorn, Haß und Gewalt entlädt. Die Empfindlichkeit der Muslime, die zu Recht oder Unrecht ihren Glauben geschmäht sehen, kontrastiert der Gleichgültigkeit westlicher Gesellschaften gegenüber der Schmähung des Christentums. Seit der Aufklärung gilt es in "liberalen" Kreisen als Ausweis von Witz und Intellektualität, sich über Christentum und Kirche zu mokieren. "Ecrasez l'infâme" tönt als Parole der Toleranz. Christophobie präsentiert sich heute als politisch korrekt.

Der säkulare Staat tut sich schwer, mit rechtsstaatlichen Mitteln religiöse Gefühle zu schützen. Die noch immer geltende Strafdrohung für Religionsbeschimpfung greift praktisch ins Leere. Zwar hat auch die moderne Gesellschaft ihre Tabus. Doch der Schutz religiöser Gefühle gehört nicht dazu. Taugen denn auch bloße Gefühle des einen zum Maß der Freiheit des anderen? Unter den Bedingungen grundrechtlicher Freiheit muß jedermann ein bestimmtes Quantum an lästigem zwischenmenschlichen Verhalten ertragen, an Unmoral und Geschmacklosigkeit, soweit sie nicht in Verletzung von Rechtsgütern umschlagen. Als schutzwürdiges Rechtsgut gilt der innere Friede der Gesellschaft. Folgt daraus, daß, wer die Macht hat, die Straße zu mobilisieren und die Öffentlichkeit einzuschüchtern, die Freiheit aller beschränken darf?

Der freiheitliche Staat stößt an die Grenzen seiner Möglichkeiten, wenn er das Heilige schützen soll. Eben deshalb ist es angebracht, diesen Grenzen nachzugehen. Im europäischen Verfassungsstaat verlaufen sie anders als in der Rechtswelt des Islam. Der Zündstoff, der sich wegen dieses Unterschiedes anhäuft, zwingt dazu, das Verhältnis des Verfassungsstaates zum Phänomen der Blasphemie neu zu überdenken. Diese Rückbesinnung führt zu den Fundamenten, auf denen die Kultur des Westens, in ihr sein Rechtssystem, baut. Das komplexe Thema wird aus verschiedenen fachlichen Perspektiven betrachtet, denen der Theologie und der Geschichte, der Staats- und Verfassungstheorie, des Verfassungsrechts sowie des Strafrechts.
Rezension
Religionsbeschimpfung oder Blasphemie (altgr. "Rufschädigung") meint das öffentliche, Ärgernis erregende Verhöhnen bestimmter Glaubensinhalte einer Weltreligion (Gotteslästerung). Der freiheitliche Staat stößt an die Grenzen seiner Möglichkeiten, wenn er das Heilige schützen soll. Eben deshalb ist es angebracht, diesen Grenzen nachzugehen. Im europäischen Verfassungsstaat verlaufen sie anders als in der Rechtswelt des Islam. Insbesondere durch Islamisten dringt die Thematik wieder in unser Bewußtsein, während in aufgeklärten europäischen Staaten durch verfassungsmäßig garantierte Toleranz der Religions-, Meinungs- und Gewissensfreiheit der Blasphemie-Vorwurf weitgehend obsolet geworden ist. Können Gott und der Glaube überhaupt beleidigt werden? Deckt die Meinungsfreiheit jede Äußerung ab? Braucht Religion den Schutz durch den Staat? Besonders fundamentalistische Gruppen sehen oft bereits Dinge als Blasphemie an, die in westlichen Staaten explizit durch die Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Redefreiheit geschützt sind. Das komplexe Thema wird in diesem Band aus verschiedenen fachlichen Perspektiven betrachtet, denen der Theologie und der Geschichte, der Staats- und Verfassungstheorie, des Verfassungsrechts sowie des Strafrechts.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Pressestimmen:

»Ein lesenswerter Band, der aufklärt, nicht zuletzt über Stärken und Schwächen der Aufklärung selbst!« Winfrid Brugger, in: Der Staat, 1/2008
Inhaltsverzeichnis
Gottesfrevel. Ein Kapitel aus der Geschichte der Staatsaufgaben
Von Professor Dr. Arnold Angenendt,Münster 9

Der strafrechtliche Schutz des Heiligen
Von Professor Dr. Michael Pawlik, Regensburg 31

Grundrechtsfreiheit zur Gotteslästerung?
Von Professor Dr. Andreas von Arnauld de la Perrière, Hamburg 63

Nachwort – Blasphemie im Koordinatensystem des säkularen Staates
Von Professor Dr. Josef Isensee, Bonn 105



Vorwort des Herausgebers

Gotteslästerung – bislang in europäischen Augen ein atavistischer
Tatbestand aus versunkenen, finsteren Zeiten – erlangt
jäh schockierende Aktualität, seit sich in der islamischen
Welt Massenprotest wider die Beleidigung ihrer religiösen
Gefühle durch westliche Medien erhebt und heiliger Eifer in
Zorn, Haß und Gewalt entlädt. Die Empfindlichkeit der Muslime,
die zu Recht oder Unrecht ihren Glauben geschmäht
sehen, kontrastiert derGleichgültigkeit westlicher Gesellschaften
gegenüber der Schmähung des Christentums. Seit der Aufklärung
gilt es in „liberalen“ Kreisen als Ausweis von Witz
und Intellektualität, sich über Christentum und Kirche zu
mokieren. „Ecrasez l’infâme“ tönt als Parole der Toleranz.
Christophobie präsentiert sich heute als politisch korrekt.
Der säkulare Staat tut sich schwer, mit rechtsstaatlichen
Mitteln religiöse Gefühle zu schützen. Die noch immer geltende
Strafdrohung für Religionsbeschimpfung greift praktisch
ins Leere. Zwar hat auch die moderne Gesellschaft ihre
Tabus. Doch der Schutz religiöser Gefühle gehört nicht dazu.
Taugen denn auch bloße Gefühle des einen zum Maß der Freiheit
des anderen? Unter den Bedingungen grundrechtlicher
Freiheit muß jedermann ein bestimmtes Quantum an lästigem
zwischenmenschlichen Verhalten ertragen, an Unmoral
und Geschmacklosigkeit, soweit sie nicht in Verletzung von
Rechtsgütern umschlagen. Als schutzwürdiges Rechtsgut gilt
der innere Friede der Gesellschaft. Folgt daraus, daß, wer die
Macht hat, die Straße zu mobilisieren und die Öffentlichkeit
einzuschüchtern, die Freiheit aller beschränken darf?
Klammheimliche Freude, besserwisserisches Überlegenheitsgefühl
ziehen im Herbst 2006 durch die weltoffene, aufklärungsfreudige
Gesellschaft, als Papst Benedikt XVI. durch
ein historisches Zitat in seiner Regensburger Rede, wider seine
Intention und wider den Sinn des Zitats, eine islamische
Protestwelle auslöst (die er freilich bald zu glätten versteht).
Als kurz darauf die Deutsche Oper Berlin eine Operninszenierung
absetzt, die ohne Bezug zu Libretto und Partitur als
willkürliche Zugabe des selbstherrlichen Regisseurs die Stifter
der Weltreligionen verhöhnt, darunter Jesus und Mohammed,
nimmt sie nicht etwa Rücksicht auf beleidigte Gefühle von
Christen. Vielmehr fürchtet sie Repressalien von muslimischer
Seite. Die Kulanz, welche die europäische Gesellschaft gegenüber
dem Islam übt, entspringt keineswegs nur dem Takt und
der Courtoisie, sondern zunehmend der latenten Furcht vor
dem Terror. Werden demnächst die Grundrechte in Deutschland
nur noch nach Maßgabe der Scharia anwendbar sein?
Würde eine Reaktivierung des strafrechtlichen Verbots der
Blasphemie am Ende einer Islamisierung der Gesellschaft den
Weg bereiten?
Der freiheitliche Staat stößt an die Grenzen seiner Möglichkeiten,
wenn er das Heilige schützen soll. Eben deshalb ist es
angebracht, diesen Grenzen nachzugehen. Im europäischen
Verfassungsstaat verlaufen sie anders als in der Rechtswelt des
Islam. Der Zündstoff, der sich wegen dieses Unterschiedes anhäuft,
zwingt dazu, das Verhältnis des Verfassungsstaates zum
Phänomen der Blasphemie neu zu überdenken. Diese Rückbesinnung
führt zu den Fundamenten, auf denen die Kultur des
Westens, in ihr sein Rechtssystem, baut. Das komplexe Thema
wird aus verschiedenen fachlichen Perspektiven betrachtet,
denen der Theologie und der Geschichte, der Staats- und Verfassungstheorie,
des Verfassungsrechts sowie des Strafrechts.
Die Abhandlungen des vorliegenden Bandes gehen zurück
auf die Veranstaltung der Rechts- und Staatswissenschaftlichen
Sektion der Görres-Gesellschaft auf deren Generalversammlung
in Regensburg am 25. September 2006.

Bonn, am 2. Januar 2007 Josef Isensee