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Postfundamentalismus
Postfundamentalismus




Sara Gebh, Sergej Seitz

Facultas
EAN: 9783825263256 (ISBN: 3-8252-6325-8)
144 Seiten, paperback, 12 x 18cm, November, 2024

EUR 16,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Postfundamentalismus bezeichnet ein breites Debattenfeld innerhalb der Politischen Theorie und Demokratietheorie. Ausgehend von der Einsicht, dass es keine letzten, unhinterfragbaren Grundlagen sozialen Zusammenlebens gibt, rücken postfundamentalistische politische Theorien die Kontingenz, Konflikthaftigkeit und radikale Gestaltbarkeit gesellschaftlicher Verhältnisse in den Fokus.

Sara Gebh ist Post-Doc im ERC-Projekt "Prefiguring Democratic Futures".

Dr. Sergey Seitz ist Post-Doc im ERC-Project "Prefiguring Democratic Futures" am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.
Rezension
Das Gefühl der Desorientierung scheint z.Zt. weit verbreitet und fordert das Begehren nach autoritärer Reorientierung und festen Fundamenten. Die Fundamente politischen Zusammenlebens sind brüchig geworden. Wissenschaftliche, moralische und politische Autoritäten verlieren ihre stabilisierende Kraft. Mit dem weltweiten Erstarken rechtsextremer Bewegungen kommt es zu Polarisierung und gesellschaftlicher Entzweiung. Angesichts des Überhandnehmens ‚alternativer Fakten‘, gefühlter Wahrheiten und Verschwörungserzählungen gehen manche Kommentator/innen so weit, von einer Krise der Wahrheit sowie von einem bevorstehenden Untergang der Demokratie zu sprechen. Als Kehrseite der Medaille beobachten wir einen globalen Aufschwung neuer Fundamentalismen: vom neoliberalen Fundamentalismus des Marktes über Ideologien völkischer Reinheit bis hin zu religiösen Fundamentalismen. Dabei streben alle diese neuen Fundamentalismen nach Eindeutigkeit und Klarheit in einer Welt, die ihren Orientierungssinn verloren hat. Wenn wir weder relativistische Orientierungslosigkeit akzeptieren noch den Verführungen neuer Fundamentalismen nachgeben, dann ist es erforderlich, den Sinn politischer Grundlagen, Fundamente und Begründungen neu zu bestimmen, ohne in eine der beiden Fallen zu tappen. Diese Themen und Problemfelder stehen im Zentrum der politischen Theorie des Postfundamentalismus. Als politische Theorie geht der Postfundamentalismus von der Beobachtung aus, dass unser politisches und demokratisches Leben vom Streit um Gründe und Grundlagen geprägt ist. Die fundamentalistische Antwort lautet, dass wir nach letzten Gründen suchen müssen, die sich nicht kritisieren lassen und als sicheres Fundament politischer Ordnung fungieren: Eine autoritative Letztbegründung soll den Streit um Gründe und Grundlagen beenden. Die antifundamentalistische Antwort lautet, dass wir das Begehren nach Begründungen aufgeben müssen.
Postfundamentalistische Theorien halten beide Antworten für unbefriedigend. Zwar stimmen sie der antifundamentalistischen Zurückweisung von Letztbegründungen zu, aber sie folgern daraus nicht, dass Praktiken des Gründens und Begründens in der Politik keine Rolle spielen. Im Gegenteil, gerade weil es keine letzten Gründe gibt, müssen wir um die Grundlagen politischen Zusammenlebens streiten. Damit bejaht der Postfundamentalismus die konflikthafte Natur des Politischen.
(Aus der Einleitung)

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Es gibt keine letzten Gründe. Zugleich sind wir im politischen Zusammenleben stets auf Begründungen und Grundlagen angewiesen. Der Postfundamentalismus unterstreicht die Notwendigkeit provisorischer Fundamente sowie die Kontingenz und Konflikthaftigkeit gesellschaftlicher Verhältnisse. Der Band gibt Einblick in die ideen- und philosophiegeschichtlichen Vorläufer:innen, die zentralen Vertreter:innen sowie die wichtigsten Konzepte und Argumente postfundamentalistischer politischer Theorien.
Inhaltsverzeichnis
Warum Postfundamentalismus?
Eine politische Theorie des Gründens und Begründens 7

Postfundamentalismus im Profil

1 Grundlagen des Postfundamentalismus 17

1.1 (Be)Gründung zwischen Philosophie und Rhetorik: Postfundamentalismus als radikale Aufklärung 17
1.2 Ein realistisches Verständnis des Gründens und Begründens 23
1.3 Postfundamentalistische Grundbegriffe 24

2 Krisen des Begründens 27

2.1 Das Unbehagen der Vernunft: Freiheit als Revolte gegen den Begründungszwang (Schiller, Dostojewski, Melville) 27
2.2 Hermeneutiken des Verdachts: Begründung als Ideologie, Herrschaft und Rationalisierung (Marx, Nietzsche, Freud) 33
2.3 Ohne Gründe handeln: Die pragmatistische Alternative (Wittgenstein, Austin, Rorty) 45

3 Pluralisierungen des Begründens 57

3.1 Feminismus: Begründung und Beziehung (Gilligan, Irigaray, Haraway) 57
3.2 Postkoloniale Theorie: Repräsentation und Neueinschreibung (Mohanty, Spivak, Bhabha) 66
3.3 Politische Ökologie: Die Gründe der Dinge (Latour, Bennett) 70

4 Aporien des (Be)Gründens 77

4.1 Phänomenologische Einsatzpunkte: Von der ontologischen zur politischen Differenz (Heidegger, Marchart) 77
4.2 Phänomenologie der Gründe: Von der Argumentationzur politischen Gründung (IJsseling, Ahmed) 82
4.3 Das Paradox der Institution (Arendt, Derrida) 88

5 Politiken des (Ent)Gründens 97

5.1 Politiken der (Ent)Gründung: Störung statt Ordnung (Davis, Rancière, Wolin) 99
5.2 Periodisches Gründen: Revisionsoffene Ordnungen (Abensour, Lefort, Kalyvas, Honig) 106
5.3 Hegemoniales Gründen: Politiken strategischer Ordnungsbildung (Mouffe, Laclau) 116

6 Ausblick 123

Anhang

Endnoten 129
Literaturverzeichnis 133
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