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Neue Unterrichtskultur - veränderte Lehrerrolle
Neue Unterrichtskultur - veränderte Lehrerrolle




Herbert Gudjons

Verlag Julius Klinkhardt
EAN: 9783781514577 (ISBN: 3-7815-1457-9)
204 Seiten, paperback, 15 x 21cm, 2006

EUR 19,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Der erste Teil behandelt die Themen:



Neue Unterrichtskultur – veränderte Lehrerrolle



Methoden im Wandel – Auf dem Weg zum Selbstgesteuerten Lernen



„Da lernt man wenigstens was!“ – Sieben Merkmale effektiven Unterrichtes nach Ergebnissen empirischer Forschung



Was ist eigentlich „offen“ am Offenen Unterricht? – Eine Warnung vor Naivität



Handlungsorientierter Unterricht – Begriffskürzel mit Theoriedefizit?



Kleine Schritte zu Freiarbeit und Projektunterricht – Kein Verrat am Ziel



In Gruppen lernen – warum nicht?



Frontalunterricht im Wandel – Integration in offene Unterrichtsformen



Die gute Schüler-Präsentation: „Man lernt ja nicht für sich allein!“ – Ein neues Verständnis von Lernen



Feedback-Techniken – Wege zu Schülerbeteiligung und Unterrichtsentwicklung



Üben und Wiederholen – Von öder Routine zu intelligenten Strategien



Die Angst vor der Prüfung abbauen – Wie Lehrkräfte helfen können





Der zweite Teil:



Das Lehrerbild im Wandel der Zeit – Vom Unterrichtsbeamten zum Lernberater?



Arbeitsökonomie und Gesundheit – Kräfte sparen, sinnvoll planen, Stress abbauen



Am Ende des Lehrerberufes – Lohnender Rückblick und optimistischer Ausblick ins Alter
Rezension
Eine Reihe bildungspolitisch relevanter empirischer Studien bis hin zu PISA 2000-2006 haben gezeigt: Die Unterrichtskultur in Deutschland ist veraltet und führt nicht zu den gewünschten Erfolgen. Dem Autor geht es mithin um eine Reform der Lernkultur. Das Buch versucht, traditionelles reformpädagogisches Denken, aktuelle empirische Unterrichtsforschung und gegenwärtige konzeptionelle Innovationen zu integrieren. Neue Unterrichtskultur ist mehr als ein modernistisches Schlagwort: Es geht um eine ebenso grundlegende wie praktische Reform des deutschen Bildungswesens. - Das Buch fasst verschiedene bereits veröffentlichte Beiträge des Autors überarbeitet zusammen.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Neue Unterrichtskultur? 7

Erster Teil: Auf dem Weg zu einer neuen
Unterrichtskultur und veränderten Lehrerrolle 13


1. Neue Unterrichtskultur — Veränderte Lehrerrolle 15

2. Methoden im Wandel — Auf dem Wegzum Selbstgesteuerten Lernen 27

3. „Da lernt man wenigstens was!"
Sieben Merkmale effektiven Unterrichts nach Ergebnissen empirischer Forschung 41

4. Was ist eigentlich „offen" am Offenen Unterricht?
Eine Warnung vor Naivität 53

5 . Handlungsorientierter Unterricht
Begriffskürzel mit Theoriedefizit? 61

6. Kleine Schritte zu Freiarbeit und Projektunterricht
Kein Verrat am Ziel 71

7. In Gruppen lernen — warum nicht? 81

8. Frontalunterricht im Wandel
Integration in offene Unterrichtsformen 91

9. Die gute Schüler-Präsentation: „Man lernt ja nicht für sich allein!" —
Ein neues Verständnis von Lernen 105

10. Feedback-Techniken -
Schülerbeteiligung und Unterrichtsentwicklung 113

11. Üben und Wiederholen -
Von der Routine zu intelligenten Strategien 131

12. Die Angst vor der Prüfung abbauen
Wie Lehrkräfte helfen können 139

Zweiter Teil: Das Lehrerbild im Wandel 157

13. Das Lehrerbild im Wandel der Zeit —
Vom Unterrichtsbeamten zum Lernberater? 159

14. Arbeitsökonomie und Gesundheit
Kräfte sparen, sinnvollplanen.Stress abbauen 173

15. Am Ende des Lehrerberufes
Lohnender Rückblick und optimistischer Ausblick ins Alter 193

Quellenverzeichnis 203


Leseprobe:

Einleitung: Neue Unterrichtskultur?
Das Fragezeichen ist berechtigt. Schon wieder ein neuer Begriff, eine wissenschaftliche
Schreibtischerfindung? Alter Wein in neuen Schläuchen? PISA-Panik?
Nicht ganz. Spätestens seit dem Einsetzen der Fülle bildungspolitisch relevanter
empirischer Studien (von BIJU, IGLU, LAU und MARKUS über TIMSS, SCHOLASTIK
und SALVE bis hin zu PISA 2000-2006, Übersicht bei Helmke 2004,
133ff.) kann es niemand mehr überhören: Unsere Unterrichtskultur in Deutschland
ist veraltet, sie führt nicht zu den gewünschten Erfolgen, im Gegenteil: Sie
beschert Deutschland untere Plätze im internationalen Vergleich. Wenn es stimmt,
„dass es gut drei Viertel der Kinder und Jugendlichen nicht in den Sinn kommt,
dass Lernen zu den positiven Erfahrungsmöglichkeiten in der Schule gehören könnte“
(Zinnecker u.a. 2003, 43), dann wird es höchste Zeit für eine Reform der Lernkultur.
Inzwischen haben sich viele Pädagogen, Praktiker wie Theoretiker, in andern Ländern
umgesehen – von Finnland über Schweden bis Kanada – und die Unterrichtskultur
dort studiert. Gleichzeitig aber hat in Deutschland eine Besinnung auf die
eigenen reformpädagogischen Traditionen stattgefunden, die heute zu einer neuen
Unterrichtskultur weiter entwickelt werden können und müssen. Die Suche nach
einer neuen Unterrichtskultur ist damit älter als der sogenannte PISA-Schock. Hier
liegt der Ansatzpunkt des vorliegenden Buches: Es versucht, traditionelles reformpädagogisches
Denken, aktuelle empirische Unterrichtsforschung und gegenwärtige
konzeptionelle Innovationen zu integrieren.
So wertvoll Einzelinitiativen engagierter Lehrkräfte sind, sie reichen nicht. Eine
neue Unterrichtskultur ist Mittelpunkt der Schulentwicklung, sie muss und kann
die ganze Schule erfassen, wie zahlreiche gelungenen Beispiele zeigen (exemplarisch
sei auf die in Reinhard Kahls Filmen vorgestellten Schulen verwiesen, die er
„Treibhäuser der Zukunft“ nennt, außerdem auf die zahlreichen „best-practice“-
Bücher über deutsche Reformschulen).
Die Begriffe „Neue Lernkultur“ und „Neue Unterrichtskultur“ werden in der aktuellen
didaktischen Diskussion und Literatur zunehmend selbstverständlich gebraucht
– von führenden Didaktikern (z. B. M. Meyer 2005) bis zu den bekanntesten Vertretern
der empirischen Unterrichtsforschung (z. B. Helmke 2004, 65 ff.).
Eine neue Unterrichtskultur (ich verwende den Begriff lieber als den der Lernkultur,
weil er sich nicht auf allgemeine Lernprozesse bezieht, sondern explizit den
Unterricht in der öffentlichen Schule meint) enthält einige immer wieder geforderte
Kernelemente, z. B.
• das selbstständige, selbstorganisierte und selbstverantwortete Lernen der Schüler;
• Aufbau arbeits- und lernmethodischer Kompetenz;
• offene Unterrichtsformen;
• handlungsorientierte Unterrichtselemente;
• situiertes Lernen (d. h. lebensnahes und kooperatives Lernen);
• Berücksichtigung der neueren Kognitions- und Lernpsychologie bei der
Entwicklung didaktischer Konzepte;
• eine stärkere Beachtung der empirischen Unterrichtsforschung;
• schließlich aber auch die Einführung von Bildungsstandards einschließlich deren
Überprüfung in einer elaborierten Evaluationspraxis.
Dieses letzte Element allerdings ist nicht ungefährlich, weil eine neue Unterrichtskultur
leicht von Bildungsmanagern und -politikern als funktionale Steuerungsgröße
entdeckt werden kann, um die deutsche Bildungskrise zu Beginn des dritten
Jahrtausends in den Griff zu bekommen (Meyer/Sander 2005, 3).
Für die Lehrerrolle bedeutet eine solche veränderte Unterrichtskultur einen grundlegenden
Wandel: Weg vom Lehren im frontalen Gleichschritt, hin zur Gestaltung
von Lernarrangements, weg vom bookisch learning hin zur Schaffung von learning
environments (M. Meyer 2005, 8), weg vom Nürnberger Trichter, hin zur Unterstützung
individueller, aktiver Lernprozesse. Die Beiträge beschreiben konkrete
Aufgaben im Rahmen dieser grundlegenden Wandlungsprozesse; zudem werden
im zweiten Teil zentrale Aspekte eigens in gesonderten Beiträgen dargestellt.
Allerdings wird auch gewarnt vor Gefährdungen und Schieflagen einer neuen Lernbzw.
Unterrichtskultur (Helmke 2004, 67):
• Sie verleite dazu, die moderne Berufsrolle von Lehrenden nicht mehr als
kompetente und verantwortliche Unterrichtsexperten, sondern als bloße Moderatoren
autonomer Lerngruppen (miss)zu verstehen.
• Es drohe eine Romantisierung des lernenden Kindes, eine Idealisierung seiner
Motivation und Neugier, seiner Lernfreude und seines Interesses. Können Heranwachsende
wirklich autonom interessiert und motiviert sein, all das zu lernen,
was sie lernen müssen, um später den vielfältigen Anforderungen in der modernen
Welt gerecht werden zu können?
• Außerdem: Wird nicht der Lehrer stigmatisiert zu einer autoritären Kontrollinstanz
des kindlichen Lernens? Wird der Lehrer dann womöglich das vermeiden, was er
kompetenterweise tun sollte: der nachwachsenden Generation den Weg zur
Bewältigung der aktuellen gesellschaftlichen, sozialen, ökonomischen und
kulturellen Herausforderungen zu weisen?
• Und schließlich: Droht eine Dogmatisierung sogenannter „progressiver“
Unterrichtsmethoden, – obwohl empirisch bewiesen ist, dass es kein Lehrverfahren
und keine Lernstrategie gibt, die für alle und für alles gleichermaßen geeignet ist?
Bringt also die Chiffre einer neuen Unterrichtskultur lediglich einen neuen pädagogischen
Dilettantismus? Mit diesem Buch möchte ich den Gegenbeweis antreten.
Eine neue Unterrichtskultur lässt sich solide begründen, überzeugend didaktisch
legitimieren und in der Praxis sehr wohl fein differenziert entfalten. Dabei
werde ich allerdings instruktionale Ansätze und selbstorganisierte Lernprozesse der
SchülerInnen miteinander verbinden. Neue Unterrichtskultur ist also mehr als ein
modernistisches Schlagwort: Es geht um eine ebenso grundlegende wie praktische
Reform des deutschen Bildungswesens. In diesem Buch werden über den Tag hinaus
reichende Perspektiven aufgezeigt:
Der erste Teil behandelt die Themen:
• Neue Unterrichtskultur und veränderte Lehrerolle
• Methoden des Unterrichts im Wandel der Zeit – und der Weg zum selbstgesteuerten Lernen
• Merkmale effektiven Unterrichts, empirisch abgesichert
• Offener Unterricht – nicht nur naiv durchgeführt
• Handlungsorientierter Unterricht – nur ein Begriffskürzel mit Theoriedefizit?
• Freie Arbeit und Projektunterricht – ein Annäherung in kleinen Schritten
• In Gruppen lernen – warum nicht?
• Was wird in der Reform aus dem Frontalunterricht? Ein neues Konzept
Weiterführend für die Unterrichtspraxis sind folgende Aspekte:
• Wie können Präsentationen von Schülern gut gestaltet werden?
• Feedback-Techniken als Hilfe zur Entwicklung einer neuen Unterrichtskultur
• Intelligentes Üben – wie geht das?
• Wie können Lehrkräfte helfen, wenn Schüler unter Prüfungsangst leiden?
Um den historischen Wandel des Lehrerbildes geht es im zweiten Teil:
• Das Lehrerbild im Wandel der Zeit – was bedeutet dies für uns heute?
• Wie können Lehrer Kräfte sparen und Stress abbauen? Eine gute Arbeitsökonomie
erhält die Lehrergesundheit
• Am Ende des Berufes: die Pensionierung – Ein lohnender Rückblick und ein
optimistischer Ausblick in das Alter
Die Beiträge dieses Buches sind in sehr weit verstreuten, z. T. schwer zugänglichen
Veröffentlichungen bereits publiziert worden. Für dieses Buch wurden sie allerdings
stark überarbeitet, neu formuliert, ergänzt und auf die neuere Diskussion bezogen.
Der Beitrag über Feedback-Techniken ist ein Originalbeitrag. Ich habe absichtlich
einzelne Überschneidungen riskiert und Wiederholungen nicht gestrichen, weil
nicht zu erwarten ist, dass alle Leser sämtliche Beiträge lesen. Mein Anliegen mit
dieser Zusammenfassung ist es, den Aufbau einer neuen Unterrichtskultur gezielt
zu unterstützen, – in einer Schule, „die sich immer recht sperrig und resistent gegenüber
reformpädagogischen Bemühungen um eine neue Lernkultur“ zeigt (M.
Meyer 2005, 3).
Die Texte sollen nachdenklich machen und Anregungen vermitteln, die zu mehr
Berufszufriedenheit führen, – Impulse, die Lehrersein auch heute noch sinnvoll
und befriedigend erscheinen lassen.

Hamburg, Jahresanfang 2006
Herbert Gudjons

Literatur
Helmke, A.: Unterrichtsqualität erfassen, bewerten, verbessern. Seelze 2004, 3. Aufl.
Meyer, M. A.: Stichwort: Alte oder neue Lernkultur? In. Z. f. Erz.wiss. H.1/2005, S. 5-27
Meyer, M.A./Sander, U.: Editorial. In: Z. f. Erz.wiss. H.1/2005, S. 3
Zinnecker, J. u.a.: null zoff & voll busy: Die erste Jugendgeneration des neuen Jahrhunderts. Opladen
2003