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Metzler Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft Ansätze - Personen - Grundbegriffe
Metzler Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft
Ansätze - Personen - Grundbegriffe




Helmut Schanze (Hrsg.)

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476017611 (ISBN: 3-476-01761-3)
380 Seiten, hardcover, 17 x 24cm, Oktober, 2002

EUR 39,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Dieses Lexikon gibt einen umfassenden Überblick über alle Bereiche der Medientheorie und Medienwissenschaft. Die rund 250 Einträge informieren u.a. über Medienästhetik, Medienanalyse, Medienökonomie, Medienpolitik und Medienpsychologie sowie über Produktionsformen und Wirkungsweisen der einzelnen Medien. Dazu gehören neben traditionellen Medien wie Buch, Fotografie, Phonographie, Kinematographie sowie Hörfunk und Fernsehen, die modernen digitalen Speicher- und Distributionsmedien, insbesondere die Neuen Medien und das Internet.
Rezension
Der Metzler-Verlag ist bekannt für renommierte Nachschlagewerke. Ausgewiesene Autoren haben in diesem Lexikon ca. 250 Artikel zu Personen, Ästhetiken, medienhistorischen Stichworten, einzelnen Medien, Theorien und Disziplinen verfasst. Die Artikel sind umfangreich, gut verständlich und mit weiterführender Literatur versehen und umfassen Schwerpunktgebiete wie Medienpraxis, -ästhetik und -geschichte und aktuelle wie traditionelle Medien. Der Leser gewinnt einen Überblick über die vielen Fragestellungen und die einzelnen Forschungskomplexe der Medienwissenschaft.
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„Das … im Metzler-Verlag erschienene „Lexikon Medientheorie / Medienwissenschaft“ stellt sich … der Aufgabe, die bislang sehr disparaten Theorien und Theoretiker unter einem Konzept zu vereinen. Die rund 250 Einträge des Bandes versammeln Personen (in Hinblick auf ihre theoretischen Leistungen), Ästhetiken, Medienhistorische Stichworte, Artikel zu einzelnen Medien, Theorien und Disziplinen und besonders auffällig Stichworte zum Film, seinen Ästhetiken und Theorien. Dadurch, dass die Medienwissenschaft sich als Schnittmenge transdisziplinärer Art versteht, finden sich im Lexikon auch Stichworte aus der Philosophie, Soziologie und Literaturtheorie. Darüber hinaus werden aber auch erstmals knappe und präzise Darstellungen zu in der deutschen Publizistik (nicht nur unter diesem Aspekt) eher vernachlässigten Denker angeboten (Baudrillard, Enzensberger, Maletzke, KretzerShannon u. a.). Die Darstellung innerhalb der einzelnen Artikel ist mit bis zu fünf Spalten ausführlich und zeichnet sowohl die historischen Aspekte als auch die Kritik und Wirkung der jeweiligen Positionen nach.

Eine über die reine Lexikografie hinausgehende Leistung des Bandes sind Stichworte wie z. B. „Medien und Beschleunigung“, „Literatur und neue Medien“ oder „filmischer Blick“, in dem wichtige Debatten nachgezeichnet werden und damit das für die Medienwissenschaft eigentümliche Inter- und Transdiziplinäre betont wird. Jedem Artikel ist keine kurze Auswahlbibliografie angefügt, die im Anhang durch ein ausführliches Quellenverzeichnis ergänzt wird. Das „Metzler Lexikon Medienwissenschaft / Medientheorie“ ist vor allem für Studierende und diejenigen, die einen Einstieg in das jeweilige theoretische Konzept suchen, ein ideales Nachschlagwerk. Darüber hinaus bildet es eine wichtige Ergänzung und Disziplinen übergreifende Eingrenzung der noch im Aufbau befindlichen medienwissenschaftlichen Kulturtheorie.“

Zitat aus einer Rezension von Stefan Höltgen, in: www.filmforen.de
Verlagsinfo
Autoreninformation
Herausgeber:
Helmut Schanze, geb. 1939; 1972 Professor für Neuere Literaturgeschichte; seit 1987 an der Universität Siegen; von 1992 bis 2000 Sprecher des Sonderforschungsbereichs "Bildschirmmedien". Veröffentlichungen zur deutschen Literaturgeschichte des 18. bis 20. Jahrhunderts, zur Rhetorik, Computerphilologie und zur Medientheorie und -geschichte.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort

1-368 Artikel A - Z

369 Weiterführnede Literatur

379-380 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Leseprobe: Artikel "Werbung"

Werbung.

Es handelt sich bei der professionellen W. um ein relativ junges Kulturphänomen. Ende des 19.Jh. verfügt noch kein dt. Unternehmen über eine eigene Werbeabteilung. Erst zu Beginn des 20. Jh. etabliert sich W. als eigenständig ausdifferenzierte Kommunikation zwischen Produzenten und Konsumenten. Parallel dazu beginnt eine Rezeptionsgeschichte, die in zwei Lager zerfällt: einerseits in einen fachlichen Sektor (Fragen der Optimierung von Strukturen, von Werbeträgern, Innovationen im Bereich der Konzeptualisierung von Kampagnen etc.), andererseits in eine kritische Metaebene. Hier dominiert in den 1950er und 1960er Jahren die kulturkritische Theorie Horkheimers// Adornos, welche in der Dialektik der Aufklärung (1947) die Reklame als »reine Darstellung der gesellschaftlichen Macht« (Horkheimer/Adorno 1988, S. 172) denunziert, sowie ähnlich gelagerte Standpunkte (V. Packard: The hidden persuaders, 1957). W. wird hier im Rahmen antiaufklärerischer Tendenzen begriffen: Eine profitorientierte / Kulturindustrie bedient sich ihrer zur Erzeugung »falscher Bedürfnisse«, die das Begehren der Konsumenten in Abhängigkeit halten, um so die Fest- und Fortschreibung gesellschaftlicher Hegemonien zu ermöglichen. Diese Kritik spitzt H. Marcuse 1964 in seiner Studie The one-dimensional man mit der These zu, dass erst die Abwesenheit werbewirksamer Bilder in den /Massenmedien eine wirkliche (emanzipative) Reflexion des Individuums über seine sozialen Umstände zulasse. In diesem Sinne erfolgt der kritische Einspruch gegen die W. im Namen eines einseitigen Sender-Empfänger-Verhältnisses. Doch indem u.a. die Vertreter der Frankfurter Schule von einem geschlossenen Medienverbund ausgehen, Warenproduzenten und -konsumenten agieren auf einer manifesten Stimulus-Response-Basis, verlieren sie das produktive Potenzial der W. aus dem Blick. Letzteres hatte W. / Benjamin in seinem Passagen-Werk als die »List« erkannt, mit der »der Traum sich der Industrie aufdrängt« (1983, S. 232). Indem diese These der W. ein traumhaftes Element zuschreibt, bezieht sie jene auf eine nicht mehr eindeutig reziproke Struktur. Ausweis wachsender Akzeptanz dieser Annahme einer strukturellen Unscharfe im Gefüge der Bewußtseinsindustrie (H. M. / Enzensberger 1964) ist eine Umorientierung des Werbediskurses in den 1970er Jahren. In ihr erfährt der mediale Status der Konsumenten eine generelle Aufwertung. Statt diese zum Opfer ökonomischer Machtentfaltung zu stilisieren, rückt jetzt das Potenzial der Verbraucher, bestimmte Werbebotschaften zu ignorieren, andere zu privilegieren in den Vordergrund. Diesem Konzept eines Zuwachses an »Konsumentensouveränität« (Schmidt/Spieß 1995) entspricht die sich weiter steigernde Präsenz, Finesse und Subtilität der W. (Product Placement, Sponsoring, Merchandising etc.), die sich innerhalb der Werbelandschaft ebenso in einer verstärkten Rezeptionsforschung niederschlägt. Denn hier zeigt sich bald die Notwendigkeit einer Media-Planung, die vor allem auf eine sich in hybrider Form rasch ausdifferenzierende Medienlandschaft reagiert: Diverse Medienformate erfordern ebensolche Werbestrategien und -träger, die sich nicht mehr zu einem umfassenden oder übergeordneten Schema akkumulieren lassen. Fortan wird W. als kommunikative Schnittstelle innerhalb gesellschaftlich-massen-medialer Wandlungen gedacht und gehandhabt, die als Bildkommunikation (Kroeber-Riel 1996) weniger Überzeugungsarbeit leistet als vielmehr »Identifikationsangebote« bereitstellt: Durch Identifikation verwandeln die Rezipienten die anfängliche Kontingenz der Werbebotschaften in eine Praxis der Geschmacksurteile (>Life-style<). W. referiert so nicht länger auf ein tatsächliches Warensortiment, sondern markiert primär die Repräsentation eines Produktimages in Differenz zu anderen Produktimages; Slogans reagieren nur mehr mit und auf Slogans. Diese Idee eines >Marketings< des Imaginären ermöglicht nun eine doppelte Überlegung: Zum einen wird W. als »Imagerystrategie« (ebd.) kenntlich, die als solche immer auch Verführung zu einem Markenbewusstsein ist. Zum anderen bezieht sie sich auf ein dynamisches Moment der Unterscheidungskompetenz, das nicht in einer Struktur der Überredung aufgeht. Insofern verbindet sich die W. in ihrer Medialität einem irreduziblen Risiko, das in ihr selbst als einer im Grunde asymmetrischen Kommunikationsstruktur liegt. W. wird auf diese Weise nicht mehr nur linear, d.h. als Merkmal und Vehikel eines Konsumzwangs oder der Versklavung des Unbewussten zum Zwecke ökonomischer Machtentfaltung, sondern differenzierter, d.h. im Kontext einer Mythologie des Alltagslebens (R. / Barthes) lesbar. Ähnliches hatte auch M. / McLuhan bereits in Understanding Media (1964) mit der Hypothese thematisiert, dass die »Historiker und Archäologen« eines Tages entdecken werden, dass »die Werbung unserer Zeit die einfallsreichsten und tiefsten täglichen Betrachtungen darstellt, die eine Kultur je über ihr ganzes Tun und Lassen angestellt hat« (McLuhan 1994, S. 355).

Lit.:
V. Packard: The hidden persuaders. Ldn 1957 (dt. Die geheimen Verführer. Der Griff nach dem Unbewußten in jedermann. Düsseldorf 1958). - H.M. Enzensberger: Bewußtseinsindustrie. FfM 1964. - H. Marcuse: The one-dimensional man. Boston 1964 (dt. Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft. Neuwied 1967). - M. McLuhan: Understanding Media. The extensions of man. N.Y. u.a. 1964 (dt. Die magischen Kanäle. Basel u.a. 1994). - H. Schanze: Medienkunde für Literaturwissenschaftler. München 1974. - W. Benjamin: Das Passagen-Werk, 2. Bde., hg. von Rolf Tiede-mann. FfM 1983. - Th.W. Adorno/M. Horkheimer: Dialektik der Aufklärung [1947]. FfM 1988. - A. Wernick: Promotional Culture. Advertising, ideology and symbolic expression. Gage 1991. - D. Reinhardt: Von der Reklame zum Marketing. Geschichte der Wirtschaftswerbung in Deutschland. Bin 1993. - S.J. Schmidt/B. Spieß: Werbung, Medien und Kultur. Opl. 1995. - W. Kroeber-Riel: Bildkommunikation. Ima-gerystrategien für die Werbung. München 1996. -G. Schwering: »Reklame«. In: N. Pethes/J. Ruchatz (Hg.): Gedächtnis und Erinnerung. Ein interdisziplinäres Lexikon. Reinbek 2001.

G.Sch. (Gregor Schwering)