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Kurze Geschichte des Antisemitismus  Peter Schäfer
Kurze Geschichte des Antisemitismus


Peter Schäfer
Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406755781 (ISBN: 3-406-75578-X)
335 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, August, 2020

EUR 26,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Antisemitismus ist wieder sichtbar, teils offen, teils versteckt hinter «unbedachten » Äußerungen und Israelkritik. Doch wo beginnt der Antisemitismus, und wie neu ist, was wir heute erleben? Peter Schäfer beschreibt klar und konzise, wie sich seit der Antike antisemitische Stereotype verbreiteten, zu Verfolgung und Vernichtung führten und auch nach der Shoah virulent sind. Sein umfassender, souveräner Überblick macht eindringlich deutlich, warum der Antisemitismus so alt und zugleich so aktuell ist.
Rezension
Gab es einen vorchristlichen Antisemitismus? Ist der Antijudaismus als antisemitisch zu identifizieren? Wurden in der Spätantike und im christlichen Mittelalter Juden als Juden ausgegrenzt? War Luther ein überzeugter Antisemit? Kann das deutsche Kaiserreich als eine „antisemitische Konsensgesellschaft“ bezeichnet werden? Unterscheidet sich der Holocaust von anderen Genoziden durch Unizität? War die Schoah das „Ende der Zivilisation“? Ist Israelkritik, die das Existenzrecht des Staats Israels bestreitet, antisemitisch?
Peter Schäfer (*1943) zufolge sind alle diese Fragen mit „Ja“ zu beantworten, folgt man seinem Buch „Kurze Geschichte des Antisemitismus“, das bei C.H. Beck erschienen ist. Der ehemalige Professor für Judaistik an der Princeton University, der von 2014 bis 2019 Direktor des Jüdischen Museums Berlin war, geht in seinem Werk aus von einem weiten – in der Forschung umstrittenen - Begriff von „Antisemitismus“. Er benutzt ihn für „alle ausgeprägten Formen von Judenhass und Judenfeindschaft“, da alle Varianten des Antisemitismus gemeinsame Elemente enthalten. Dadurch geraten historische Kontinuitäten des Antisemitismus von den Anfängen bis zur Gegenwart in den Blick. In seiner Darstellung deckt der Judaist zahlreiche in der Öffentlichkeit präsente Mythen auf. Zum Beispiel kann er fundiert nachweisen, dass nicht das Christentum mit dem Vorwurf des Gottesmordes den Antisemitismus in die Welt setzte, sondern dessen Ursprünge in vorchristlicher Zeit liegen. Außerdem widerlegt er den Mythos, der Islam sei per se antisemitisch. Dazu erinnert er an die rechtliche Stellung der Juden unter der islamischen Herrschaft, die sich fundamental von der in der Spätantike und des christlichen Mittelalters unterschied. In dem Zusammenhang stellt auch Schäfer klar: „Elemente eines islamischen Antisemitismus […], die über den Israelbezug hinausgehen, sind keine Eigengewächse des Islam, sondern stammen aus einem christlich determinierten Antisemitismus.“(S. 284)
Schäfers souveräner historischer Überblick über den Antisemitismus, den er als „vielköpfige Hydra“ charakterisiert, zeichnet sich durch exzellente Quellen- und Literaturkenntnis sowie durch eine konzise und sachliche Darstellung aus. Dabei hätte noch eingegangen werden können auf die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt, die gegen den verbreiteten Antisemitismus Stellung genommen haben, oder auf die Beschneidungsdebatte um die männliche Zirkumzision in der Bundesrepublik im Jahre 2012. Angesichts eines in Deutschland zunehmenden Antisemitismus, erinnert sei nur an den Anschlag auf die Synagoge in Halle am 9.10.2019, besitzt Schäfers Buch zu den unterschiedlichen Ausprägungen des Antisemitismus höchste Aktualität. Mögen seine differenzierten Ausführungen zur Versachlichung mancher innen- und außenpolitischen Debatte beitragen. Lehrkräfte der Fächer Geschichte, Religion und Ethik werden durch seine historischen Erkenntnisse aufgefordert, in ihrem Unterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt sich mit dem Judentum und dem Antisemitismus differenziert auseinanderzusetzen.
Fazit: Peter Schäfer leistet mit seinem Buch „Kurze Geschichte des Antisemitismus“ einen wichtigen Beitrag zur historischen Aufklärung. Daher verdient es gelesen zu werden, auch von Politikerinnen und Politikern sowie von Journalistinnen und Journalisten.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schäfer, Peter
Kurze Geschichte des Antisemitismus
Antisemitismus ist wieder sichtbar, teils offen, teils versteckt hinter «unbedachten » Äußerungen und Israelkritik. Doch wo beginnt der Antisemitismus, und wie neu ist, was wir heute erleben? Peter Schäfer beschreibt klar und konzise, wie sich seit der Antike antisemitische Stereotype verbreiteten, zu Verfolgung und Vernichtung führten und auch nach der Shoah virulent sind. Sein umfassender, souveräner Überblick macht eindringlich deutlich, warum der Antisemitismus so alt und zugleich so aktuell ist.
Schon in der vorchristlichen Antike gab es Judenhass, Ghettos und Pogrome, doch erst die neutestamentlichen Schriften schufen mit ihrer Gegnerschaft zum Judentum die Voraussetzungen für Ritualmordlegenden und Verfolgungen im christlichen Mittelalter. Luther rief zur Auslöschung der «Teufelskinder» auf, die Aufklärer fanden das Judentum unvernünftig, Wissenschaftler begründeten den Judenhass rassistisch, und allzu viele waren bereit, sich an der «Endlösung der Judenfrage» zu beteiligen oder schauten lieber weg. Man könnte meinen, dass der Schock des Massenmordes heilsam war, doch Antizionismus und rechte Ideologien dringen seit Jahren mit antisemitischem Gepäck in die Mitte der Gesellschaft vor und bereiten den Boden für neue Gewalt. Peter Schäfers erhellendes Buch ist Pflichtlektüre für alle, die besser verstehen wollen, warum der Antisemitismus so alt und zugleich so aktuell ist und was er für Juden in der Nachbarschaft, in Israel und überall auf der Welt bedeutet.
Inhaltsverzeichnis
VORBEMERKUNG 9
1 GRIECHISCH-RÖMISCHE ANTIKE
Die Diffamierung der Juden als Menschen- und Fremdenfeinde 19
Identitätsstiftende Merkmale des jüdischen Ethnos 20
Persien und das Buch Esther:
Ein Plan zur Ausrottung aller Juden 24
Ägypten: Eine Gegenerzählung vom Exodus 26
Syrien-Palästina: Eselskult und Menschenopfer 28
Rom: Hass und widerwillige Bewunderung 32
Alexandria: Das erste Pogrom der Geschichte 37
Tacitus: Die Summe des antiken Judenhasses 40
2 DAS NEUE TESTAMENT
Von innerjüdischer Polemik zu christlichem
Antisemitismus 43
Paulus: Angriff auf das traditionelle Judentum 45
Das Matthäusevangelium: Die Schuld des ganzen
jüdischen Volkes 50
Das Johannesevangelium: Die Juden als Söhne der Finsternis 58
3 DIE CHRISTLICHE SPÄTANTIKE
Der jüdische Stachel im Fleische des Christentums 67
Die Zerstörung des Jerusalemer Tempels und die Folgen 67
«Adversus Judaeos»: Die christliche Umdeutung der
Hebräischen Bibel 71
Justin: Dialog mit dem Juden Trypho 73
Die Göttlichkeit Jesu und seine Menschwerdung 77
Jüdische Polemik gegen das Christentum 81
Arius und das Nizänische Glaubensbekenntnis 83
Chrysostomus: Hasspredigten gegen die Juden 86
Ambrosius: Die Kirche im Kampf gegen die Juden 89
Augustinus: Die Juden als «Rest Israels» 92
Die antijüdische Gesetzgebung der Spätantike 95
4 DER ISLAM
Juden und Christen als Schutzbefohlene 101
Muhammad und die Juden: Allianzen und Kriege 103
Der Koran: Die Religion Abrahams und ihre Entstellungen 107
Die Ausbreitung des Islam: Jerusalem 114
Die rechtliche Stellung der Juden 117
5 DAS CHRISTLICHE MITTELALTER
Schutz, Ausbeutung und Verfolgung 121
Kirchliche Judengesetzgebung: Vom Schutz zur Unterdrückung 122
Weltliches Recht: Die Juden als Besitz des Herrschers 128
Angst vor selbstbewussten Juden 132
Kreuzzüge und Judenverfolgungen 137
Die Legende vom jüdischen Ritualmord 142
Die Pariser Talmudverbrennung von 1242 147
Der Vorwurf des Hostienfrevels 150
Das Motiv der Judensau 153
Pest und Pogrome 155
Vertreibungen aus West- und Mitteleuropa 157
6 FRÜHE NEUZEIT
Zwischen Hebraismus und Antisemitismus 165
Johannes Reuchlin: Die neue Wissenschaft und
das Recht der Juden 166
Martin Luther: Das wahre christliche und das
teuflische Judentum 170
Der späte Luther: Hass und Aufruf zur Vernichtung 177
Christlicher Hebraismus und Philosemitismus 183
7 DAS ZEITALTER VON AUFKLÄRUNG, EMANZIPATION UND NATIONALISMUS
Gesellschaftlich akzeptierter Antisemitismus 187
Aufklärung: Das Judentum als Inbegriff der Intoleranz 187
Anfänge der Emanzipation 191
Emanzipation und Nationalismus 196
Das Kaiserreich als antisemitische Konsensgesellschaft 202
Juden in Wirtschaft und Gesellschaft des Kaiserreichs 206
Rassentheorie als Leitdisziplin 214
Politische Parteien und Verbände im Deutschen Reich 219
Das antisemitische Europa: Von der Dreyfus-Affäre zu den
«Protokollen der Weisen von Zion» 223
8 VON DEN WELTKRIEGEN BIS ZUR GEGENWART
Vernichtungsantisemitismus und die Wiederkehr
des Verdrängten 229
Weimarer Republik: Im Vorhof zur Hölle 229
NSDAP: Der Kampf gegen die Juden als Programm 236
Das «Dritte Reich»: Vom «Judenboykott» bis zur «Kristallnacht» 243
Krieg und Schoah 251
Nach der Schoah: Kontinuität und Verdrängung 262
Aufklärung über die Schoah und die Wiederkehr alter Muster 268
Kritik an Israel – und wo sie antisemitisch wird 271
Zurück in die Mitte der Gesellschaft 274
Islamischer Antisemitismus 280
Israelboykott: Die Diskussion um den BDS 288
AUSBLICK 295
ANHANG
Anmerkungen 305
Literatur 321
Personen- und Ortsregister 329