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Kristus Das unerhörte Leben des Jan Beukels
Kristus
Das unerhörte Leben des Jan Beukels




Robert Schneider

Aufbau-Verlag
EAN: 9783746622637 (ISBN: 3-7466-2263-8)
602 Seiten, paperback, 12 x 19cm, 2006

EUR 9,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Er wollte das Paradies und brachte die Hölle



Die Zeit scheint aus den Fugen im 16. Jahrhundert, als Luther wider den Papst predigt und verzweifelte Menschen nach Münster strömen, wo die Wiedertäufer den Gottesstaat verwirklichen. Ihr prophetischer König ist Jan Beukels.

Die düstere Geschichte vom Gottsucher, der zum Despoten wird, hat in Robert Schneider ihren sprachmächtigen Autor gefunden.



"Fesselnd, farbenprächtig und reich an historischen Details." Brigitte



"Robert Schneider hat die historische Geschichte des Jans Beukels zu einem gewaltigen Roman geformt. Es ist ihm dabei ein Lehrstück über die Mechanismen und das Wesen von Diktaturen gelungen." Münchner Merkur



"Schneider bleibt weiterhin ein Stilmagier." Die Welt
Rezension
Verpackt in einen historischen Mittelalter-Roman, - die freilich z.Zt. einige Konjunktur haben -, geht es wohl weniger um eine Darstellung dicht an den geschichtlichen Tatsachen der Wiedertäufer in Münster im 16. Jhdt., sondern um das Aufzeigen der Schattenseite der menschlichen Seele wie sie bis heute aktuell ist; in Jan Beukels (alias Jan van Leyden) zeigt sich der Werdegang eines Psychopathen in exemplarischer Weise ebenso wie Strukturen der Tyrannei schlechthin: subtil zeigt Robert Schneider die Stationen des Wahnsinns, beginnend mit der Suche nach Lebenssinn und der Verzweiflung, dem Verlust der Realität, der Hoffnung auf paradisische Visionen, der Entstehung des absoluten Meinungsmonopols und die endlose Bekämpfung der inneren Feinde: „Sie wollten das Paradies und brachten die Hölle" (Schneider im Vorwort) - typisch für alle totalitären Systeme bis in die Gegenwart ...

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Robert Schneider
Robert Schneider, geboren 1961, lebt als freier Schriftsteller in Meschach, einem Bergdorf im vorarlbergischen Rheintal. Sein Debütroman "Schlafes Bruder" wurde zum Welterfolg (Übersetzungen in 32 Sprachen). Zuletzt erschien der Roman "Schatten" (2003).

In den Wirren des 16. Jahrhunderts sucht der junge Niederländer Jan Beukel, der sich als Kind nichts sehnlicher wünschte, als Krystus zu werden, seine Bestimmung: erst als Schneiderlehrling in Leyden, später als Kaufmann in Portugal. Während der Predigt des großen Mathys, Prophet der Wiedertäufer, findet Jan seine wahre Bestimmung: Er muß den neuen Glauben verbreiten, gegen Ablaßhandel und Götzenkult, gegen den Papst und auch gegen Luther reden, und er muß nach Münster pilgern, um dort das Himmlische Jerusalem zu errichten. Doch Idealisten werden zu Fa-natikern. Jan von Leyden wird König der Wiedertäufer, und schon bald brennen Kirchen und Bü-cher. Eine wahre Geschichte, erzählt in den Worten ihrer Zeit, sprachgewaltig, düster und bizarr und in ihrer Thematik von beständiger Aktualität.

»Einer aus dem Dorf« - Kindheit und Jugend
Robert Schneider, geboren 1961 im österreichischen Bregenz, kommt als Säugling in ein SOS-Kinderdorf und wird im Alter von zwei Jahren von dem Bergbauernehepaar Schneider adoptiert. Der Junge wächst im Bergdorf Meschach in den rheintalischen Alpen auf. »Bergbauern arbeiten und reden nicht«, beschreibt Schneider die wortkarge Bergbevölkerung, und: »Ich habe gelitten darunter, in einem Haus aufgewachsen zu sein, in dem es weder Bücher noch Musik gab. Die einzige Musik, die ich während meiner Kindheit hörte, war die des Dorforganisten, sonntags in der Kirche. Und der hat ganz abscheulich gespielt.«

Musik und Literatur - Ausbildung und Berufung
1981 zieht Robert Schneider nach Wien und studiert Komposition, Kunstgeschichte und Theaterwissenschaft. Nebenbei arbeitet er als Fremdenführer und Organist. »Musik hat mir eine Ausdrucksmöglichkeit geboten. Später kam dann noch die Literatur hinzu. Ein gutes Stück Musik treibt mir die Tränen in die Augen. Da weine ich. Die Literatur vermag das nicht.« Dennoch bricht Schneider, der bereits seit 1984 literarisch tätig ist, 1986 sein Studium ab und beschließt Schriftsteller zu werden. Er kehrt zurück nach Meschach, wo er bis heute lebt: »Ich bin Vorarlberger, Meschacher, hier bin ich zu Hause, mit diesen Leuten muß ich leben.«

Preise und Stipendien - Stationen eines Autors
Robert Schneider erhält 1988 sein erstes Stipendium, das Dramatikerstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst der Stadt Wien, und bald schon Preise für Theaterstücke und Drehbücher, unter anderem den Preis des Landes Baden-Württemberg für Volkstheaterstücke (1990), den Abraham-Woursell-Award zur Förderung junger europäischer Autoren (1990), den Dramatikerpreis der Potsdamer Theaterwerkstattage (1993), den Alemannischen Literaturpreis (1993), das Robert-Musil-Stipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst der Stadt Wien (1993-1996), den Eliette-von-Karajan-Literaturpreis der Salzburger Osterfestspiele (1994) und den Premio Grinzane Cavour Turin (1994).

»Schriftsteller der großen Gefühle« - Der Welterfolg »Schlafes Bruder«
Schneiders Debütroman »Schlafes Bruder« erscheint 1992 im Leipziger Reclam Verlag, nachdem 23 Verlage - darunter sehr namhafte literarische Häuser - das Manuskript abgelehnt hatten. Die Geschichte des Musikers und Genies Johannes Elias Alder erzielt in wenigen Monaten vier Auflagen und wird, übersetzt in 32 Sprachen, zum Welterfolg. Mit diesem Buch wird Schneider als sprachmächtiger Autor der großen Gefühle bekannt: »Wozu Phantasie fähig ist, wie sie uns versetzen und verführen kann - Schneider schildert Gefühle, die in mir zu entdecken mich erschreckte.« (August Everding). - »Robert Schneider ist jemand, der sich immer wieder zumutet, große Gefühle zu erzählen. Für mich ist das Literatur von hoher Musikalität in Sprache und Komposition. Denn die Musik ist die zweite Wurzel seines Schreibens.« (Michael Hametner, MDR) - »Auch die Sprache Robert Schneiders ist zu rühmen, die Fülle von exakten Begriffen für Tätigkeiten, Eigenschaften, Regungen; der genau kalkulierte Griff nach archaischen und dialektalen Formen: Sie zerstreuen jeden Zweifel an der Authentizität dieser Geschichte, bringen den Roman aber nie in die Nähe des literarischen Regionalismus.« (Erich Hackl)

»Schlafes Bruder« - der Film
1995 dreht Regisseur Joseph Vilsmaier in Zusammenarbeit mit Robert Schneider (Drehbuch) »Schlafes Bruder« mit André Eisermann, Dana Vávrová und Ben Becker in den Hauptrollen. Der Film wird unter anderem für den Golden Globe nominiert.

»Ich bin besessen von meinen Figuren« - der neue große Roman »Kristus«
»Ich arbeite mit Figuren, wo es lebende Vorbilder gibt«, so Robert Schneider. »Aber neben den persönlichen Biographien interessiert es mich, aus dem Kleinen das Ganze herauszuarbeiten. Ich liebe die Menschen, ich bin besessen von meinen Figuren.« Jan Beukels, die Hauptfigur aus Robert Schneiders neuem Roman »Kristus«, ist selbst ein Besessener, der für seine - größtes Unheil bringende - Überzeugung in den Tod geht. Mit Beukels schuf Schneider einen ebenso starken Charakter wie einst in »Schlafes Bruder« den Elias. Zwei Figuren zwischen Genialität und Wahnsinn? »Es geht im Leben nur darum, alles zu riskieren und keine Angst zu haben«, hat Robert Schneider einmal gesagt. Jan Beukels läßt er einen solchen Weg gehen.
Robert Schneider lebt heute als freischaffender Autor in Meschach im voralbergischen Rheintal.

Werke (Auswahl)
Romane & Erzählungen
Schlafes Bruder. Roman. Leipzig: Reclam, 1992.
Die Luftgängerin. Roman. München: Blessing, 1998.
Die Unberührten. Roman. München: Knaus, 2000.
Der Papst und das Mädchen. Erzählung. Leipzig: Reclam, 2001.
Schatten. Roman. Leipzig: Reclam, 2002.
Kristus. Roman. Berlin: Aufbau-Verlag, 2004.
Stücke
Der falsche Prinz. Komödie nach dem gleichnamigen Märchen von Wilhelm Hauff. Bühnenbearb.: R. Schneider. Wien: Theater der Jugend, 1983.
Hitler mein. Eine Liebesrede. Regie: Robert Schneider. Götzis: Die Schaukinder, 1989.
Dreck. Monolog. Regie: W. Starczewski. Hamburg: Thalia Theater, 1993.
Traum und Trauer des jungen H. Regie: Jochen Fölster. Hannover: Schauspielhaus, 1993.
Alte Tage. Regie: Robert Schneider. Götzis: Spielkreis Götzis, 1994.
Komödie vom deutschen Heimweh. Zürich: Schauspielhaus, 1999.


Jan van Leiden (1509-1536) und die Wiedertäufer in Münster

1509
Jan Beukels (Bockelson) alias Jan van Leiden wird bei Leiden/Niederlande geboren. Der gelernte Schneider arbeitete in Flandern und England, heiratete die Witwe eines Schiffers und fuhr als Kaufmann auf Handelsfahrten bis nach Lübeck und Lissabon. Später betrieb er eine Gastwirtschaft in Leiden und betätigte sich als Reimdichter und Schauspieler.

Sommer 1533
Van Leiden hört in Münster die Predigten von Bernhard Rothmann, Kaplan der Stiftskirche St. Mauritz, und schließt sich in Amsterdam den Täufern um den Bäcker Jan Matthys aus Haarlem an.

November 1533
Van Leiden läßt sich als einer der ersten von Matthys taufen.

Januar 1534
Van Leiden reist als Apostel des Matthys nach Münster, gefolgt von Matthys und Laienpredigern. Die Führer der Wiedertäufer erlangen die Mehrheit im Rat, der Kaufmann Bernt Knipperdolling wird Bürgermeister, Münster, das verheißene »Neue Jerusalem«, zur Hochburg des Wiedertäufertums. Innerhalb weniger Tage empfangen 1400 Menschen die Wiedertaufe, ca. 2000 Menschen, die sie verweigern, werden vertrieben.

28. Februar 1534
Münsters Belagerung durch Bischof Franz von Waldeck beginnt. März 1534 Abschaffung des Geldverkehrs, Einführung der Gütergemeinschaft.

4. April 1534
Matthys tritt den Belagerern unbewaffnet entgegen, da er auf Gottes Hilfe vertraut, und stirbt. Jan van Leiden wird Oberhaupt der Wiedertäufer und nennt sich König.

Mitte Mai 1534
Jan van Leiden führt eine neue Verfassung ein und stellt »zwölf Älteste der zwölf Stämme Israels« an die Spitze seines Reiches. Bernt Knipperdolling wird Statthalter und Stellvertreter des Königs, Bernhard Rothmann oberster Prediger, Hermann Tillbeck Hofmeister und Heinrich Krechting Kanzler. Erstellung eines Sündenkatalogs: Neben sittlichen Verfehlungen wie Hurerei, Ehebruch, Ungehorsam, Geiz, Raffgier, Diebstahl, Betrug werden - dem Belagerungszustand entsprechend - auch Sünden wie »Verleumdungen, Murren und Aufruhr im Volke Gottes« sowie das Fluchen gegen die Obrigkeit mit der Todesstrafe geahndet.

Juli 1534
Gestützt auf das alte Testament (»Seid fruchtbar und mehret Euch«), führt Jan die Ehepflicht für Frauen und die Mehrehe für Männer ein, hat selbst 17 Frauen, unter anderem die Witwe von Jan Matthys, die er zur Königin macht. Während Münsters Einwohner bereits hungern, errichtet van Leiden sein »Königreich Zion« mit einem glänzenden Hofstaat.

August 1534
Bischof Franz von Waldeck legt mit der finanziellen Unterstützung der drei nächstgelegenen Reichskreise einen engen Belagerungsring um Münster.

Februar 1535
Münster ist vollständig von der Außenwelt abgeschnitten. Hunger und Elend - es werden Pferde und Hunde verspeist - führen zu ersten Fluchtwellen. Die Fliehenden, die den Belagerern in die Hände fallen, werden getötet, ihre Leichname zur Schau gestellt. Seine Kritiker läßt van Leiden öffentlich hinrichten.

23. Mai 1535
Münster Bürgern gelingt die Flucht, indem sie zu Franz von Waldeck überlaufen und strategische Informationen weitergeben. Unter ihnen ist der Schreiner Heinrich Gresbeck.

27. Mai 1535
Van Leiden köpft seine Frau Elisabeth Wandscherer, die ihn kritisiert hatte, beruft sich auf Gottes Wille und initiiert einen Totentanz, der das Volk in einer religiös-hysterischen Euphorie mitreißt.

24. Juni 1535
Gresbeck zieht schwimmend eine Laufbrücke über den Graben am Kreuztor und macht damit die Eroberung der Stadt möglich. Obwohl sich van Leiden ergibt, metzeln die Landknechte des Bischofs 650 Täufer nieder. Van Leiden, Knipperdolling, Krechting, Kerckerinck und von Wullen werden gefangen genommen.Trotz mehrmonatiger Folter schwören Van Leiden, Knipperdolling und Krechting nicht ihrem Glauben ab.

22. Januar 1536
Die Stadtrichter von Münster und Paderborn verurteilen Van Leiden, Knipperdolling und Krechting wegen Entweihung der Kirche, Organisation von Aufruhr und Auflehnung gegen die Obrigkeit zum Tode. Die Exekution auf dem Prinzipalmarkt in Münster dauert vier Stunden an. In offenen Eisenkäfigen hängt man die toten Wiedertäufer zur Abschreckung am Turm der Lambertikirche auf - jener Kirche, in der die Reformation in Münster einst ihren Anfang nahm.

Vom Ende einer Heilsideologie
Michael Hametner (MDR) über »Kristus«

»Schlafes Bruder« - der Roman über den großen Organisten Elias Alder - trug alle Züge eines Erfolgs. Das verkannte Genie, der unverstandene Künstler als Hauptperson in einem romantischen Märchen voller Tragik und Melancholie. Der Roman lebte in der vorarlberger Heimat des Autors, wo er als Adoptivkind aufgewachsen ist und noch heute sein Zuhause hat. Dort besaßen die Menschen für manche Gefühlsregung einfach kein Wort - auch für Liebe nicht. Diese Verschlossenheit war die Quelle ihrer Ablehnung des großen Gefühlsmenschen Elias Alder. - Solche Passionsgeschichte kann man nur einmal schreiben, nur einmal mit dem postmodernen Rückgriff auf die Sprache der Romantik den Leser überraschen. Und so war es nur logisch, daß der heute 43jährige Schneider einige Jahre brauchte, um wieder einen tragfähigen Erzählton zu finden. In »Kristus«, seinem neuen Roman, hat er ihn.

»Kristus« läßt das Täuferreich von Münster, das 1534/35 in Deutschland und Europa von sich reden machte, und seinen Protagonisten Jan Beukels auferstehen. Über die Jahre und Romane hat sich Robert Schneider beständig auf das Genre des historischen Romans zubewegt. In »Die Unberührten«, dem letzten Band seiner rheintalischen Trilogie, zeigte sich das Schicksal der Amerikaauswanderer in historische Bilder gebettet. In »Kristus«, dem Roman, mit dem er jetzt zum Aufbau-Autor geworden ist, sind die Bilder noch intensiver. Der Leser könnte bei mancher Szene glauben, er blicke auf Gemälde des älteren Breughel. Bäuerliche Genrebilder, Kleinstadtszenen. Mit dem Haarpinsel gemalt, tummeln sich darauf die Eisläufer und Wirtshäusler. Darunter - so mag man glauben - Jan Beukels aus dem niederländischen Leyden.

Robert Schneider bietet seinem Leser im ersten Teil von »Kristus« einen Entwicklungsroman: Jan besucht die Lateinschule, befreundet sich - als er zehn oder elf Jahre alt ist - mit dem Christus-Darsteller der Palmsonntags-Prozession, bezeugt in der Menge der Schaulustigen als einziger laut die Unschuld eines Nachbarn, als dieser gebrandmarkt wird. Anstatt dem unschuldigen »Sünder« Hilfe zu bieten, zeigt sich die Kirche versessen auf Pfründe und verhilft dem Ablaßhandel von der Kanzel aus zur Konjunktur. Eine Kirchenpolitik, die einem, der Unrecht noch empfinden kann, Augen und schließlich Mund öffnet. So wird Jan zum Prediger eines neuen Gottesstaates. Und den - erfährt der 23jährige - will man im westfälischen Münster errichten. Ein Himmlisches Jerusalem, in dem die Welt nicht mehr getrennt ist in arm und reich, wo Alte umsorgt und Kinder fröhlich sind. Luthers Reformation acht Jahre zuvor war gegen die Wiedertäufer von Münster nur ein Stühlerücken. Die Männer um Jan Beukels wollen Revolution.

An dieser Stelle spätestens wird der Leser, der am Ende des 20. Jahrhunderts den Kommunismus scheitern und manch anderen Fundamentalismus aufziehen sah, hellhörig. Das verordnete Glück des Jan Beukels trägt alle Züge einer Heilsideologie, die beim Versuch, sie auf ein Gemeinwesen zu übertragen, in Despotismus ausartet. Ein Fehler der Wiedertäufer-Propheten jagt den nächsten. Erst wird die Vielweiberei ausgerufen, dann das Eigentum konfisziert. Am Ende finden sich Hab und Gut der Wiedertäufer von Münster bei Jan Beukels wieder, der sich zum König über den Erdenkreis ausrufen läßt. Der Autor nennt bereits in einem Vorspruch des Romans das Ende eine lehrreiche Tragödie.

Erst in seinem fünften Roman verrät Robert Schneider - so will es scheinen - bei seiner schier unerschöpflichen Detailausbreitung, daß er eigentlich gar nicht unser Zeitgenosse, sondern einer des 16. Jahrhunderts ist. Mehr als vier Jahre Vorbereitung und Archivstudien holen eine versunkene Welt ins Leben zurück, bei der noch das kleinste Detail - ob Kleidungsstil oder Speisenfolge - verbürgt sein dürfte. Sie lassen der Moral des Romans, der die Fundamentalisten aller Couleur des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts bloßstellen will, ihren Platz im Hintergrund und das Herz des Lesers historischer Romane höher schlagen. Schneider, der als Autor immer ein bißchen zum Predigen neigt, hat seinen Stoff glücklich gewählt. Glaubensfragen streiten in den Dialogen. Überhaupt die Sprache! Bisweilen hat man das Gefühl, als stiegen Schneiders Sätze als Musik auf.


Inhaltsverzeichnis
Dies ist die Geschichte des Jan Beukels, der mit acht Jahren seinen Schulmeister mit dem Wunsch empört, »Kristus« werden zu wollen, der sich mit 25 zum König der Wiedertäufer krönen läßt und dessen Leben mit 27 erbärmlich in einem Eisenkäfig am Lamberti-Kirchturm endet. Ganz Kind seiner Zeit, ist Jan maßlos, selbstgerecht, von Visionen gepeinigt, vor allem aber auf der Suche nach Wahrheit und einer Aufgabe. Nach mannigfachen Irrwegen hört er von den Wiedertäufern. Von Stund an weiß er, was seine Bestimmung ist. Mit ihnen will er Münster zu einer Stadt der Frommen, der Gleichheit und der Freiheit machen. Dann aber wird die Stadt belagert, und statt eines Himmlischen Jerusalems wird sie eine Hölle der Lebenden und Jan ihr grausamer Despot. Obwohl sich diese unglaubliche Geschichte einst zugetragen hat, ist sie in ihrer Bizarrheit, Abenteuerlichkeit und Düsternis aus dem Stoff, aus dem Romane sind. In Robert Schneider hat sie ihren Autor gefunden. Seine Wortgewandtheit und sprachliche Musikalität beschwören Zeit und Akteure kongenial herauf.

Vorspruch 7

I. Weg ohne Aufgabe

Der Duft der Alit 13
Der große Umgang 22
Das Antlitz eines Jungen verfinstert sich 45
Eine Aufgabe haben 53
Beweinung 66 Der Eigensinn, die Zähren und der Schweiß 82
Vom Nutzen 104
Brich an, du schönes Morgenlicht 113
Valet will ich dir geben 135
Das Regnum der Leere 141
Unter deinen Schirmen 169
Bei der Welt ist gar kein Rat 193
Nur ein Wink von seinen Händen 227

II. Aufgabe ohne Weg

Lauten und Geigen soll'n auch nicht schweigen 255
Seinen Schafen ein guter Hirte 278
Die Stadt der Frommen 287
Dein Name steht in mir geschrieben 323
Empfind ich Höllenangst und Pein 331
Zertrümmre, verderbe, verschlinge, zerschelle! 353
Von dem Sinn, zu spüren 366
Die Gewaltmeister 375
Es kann leicht auf Erden vor abends anders werden 401
Ob es itzt gleich kracht und blitzt 421
Die Angst vor den Frauensleuten 438
Im Bauch des Grafen 460
Mein kleiner Herzog 469
Ich wollt, daß ich daheime war 488
Weichet nur, betrübte Schatten 506
Wenn wir in höchsten Nöthen sein 528
Die Handlanger des Elends 554
Verzage nicht, du Häuflein klein 561
Mein junges Leben hat ein End 582
Die Müh ist aus 593