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Goethe zum Beispiel
Goethe zum Beispiel




Hans Blumenberg

Suhrkamp
EAN: 9783518586242 (ISBN: 3-518-58624-6)
248 Seiten, kartoniert, 15 x 22cm, Dezember, 2014

EUR 25,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Der Philosoph und Münsteraner Philosophieprofessor Hans Blumenberg (1920-1996) erlangte Bekanntheit durch voluminöse Bücher wie „Die Legitimität der Neuzeit“(1966), „Die Genesis der kopernikanischen Welt“(1975), „Arbeit am Mythos“(1979), „Die Lesbarkeit der Welt“(1981), „Lebenszeit und Weltzeit“(1986) oder „Höhlenausgänge“(1989). Er war zudem ein Meister der kleinen Form, des Essays und der Miniatur. Davon zeugen nicht nur seine philosophischen Aufsätze, sondern auch seine zur Literatur. In dem Vortrag „Das Problem des Nihilismus in der deutschen Literatur der Gegenwart“ aus dem Jahre 1950 vertritt er die Behauptung, dass Dichtung vielfach lange vor der philosophischen Analyse Probleme identifiziert und sich an diese herangetastet habe.
Dabei mag Blumenberg insbesondere an einen Dichter gedacht haben, an Johann Wolfgang von Goethe, auch wenn er im Vortrag nicht explizit erwähnt wurde. Dessen Œuvre bildete, wie der Philosoph in seiner letzten Vorlesung im Sommersemester 1985 selbst bekannte, lebenslang sein „privater basso continuo“. Blumenberg arbeitete an einem Goethe-Buch, dessen Fragment sich in seinem Nachlass im Deutschen Literaturarchiv Marbach findet. 2014 erschienen im Suhrkamp Verlag diese lesenswerten Texte, herausgegeben vom Hans Blumenberg-Archiv in Verbindung mit Manfred Sommer, unter dem Titel „Goethe zum Beispiel“.
Blumenberg beleuchtet in ihnen gekonnt phänomenologisch einzelne Werke, Zitate und Lebensstationen Goethes sowie die Rezeption des Dichters. Dabei reflektiert der Philosoph in seinen Annäherungen auch über folgende existenzielle Themen: die Ortwechsel, das Alter, die Langeweile, den Tod oder den Zeitgeist. Explizit geht Blumenberg ein u.a. auf Goethes „Die Leiden des jungen Werther“, „Faust“, „Prometheus“, „Dichtung und Wahrheit“ sowie seine Abhandlungen zur „Farbenlehre“. Aufschlussreich sind auch die Ausführungen des Philosophen über die Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte von Goethes Leben und Œuvre. Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Deutsch werden durch das Buch des Philosophen motiviert, sich in ihrem Unterricht mit den Schriften Goethes und dessen Weltanschauung auseinanderzusetzen.
Fazit: Die Lektüre des Fragments „Goethe zum Beispiel“ von Hans Blumenberg verdeutlicht nicht nur die Relevanz des Dichters für das Blumenbergsche Œuvre, sondern erschließt Leser:innen zugleich kaleidoskopartig das Werk Goethes.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Verlagsinfo
Hans Blumenberg
Goethe zum Beispiel
In Verbindung mit Manfred Sommer herausgegeben vom Hans-Blumenberg-Archiv
Für Hans Blumenberg bedeutete Fragen nach Goethe eine unablässige, vor allem aber genußvolle Auseinandersetzung. In seinem facettenreichen, aus dem Nachlaß veröffentlichten Goethe-Buch zu Leben, Werk und Wirkung entsteht ein ebenso sympathetisches wie respektlos-witzig zugespitztes Bild des Olympiers.
In eindringlichen Analysen beschreibt Blumenberg den allmählichen »Verfall der Beziehung zwischen Goethe und seiner Zeit«; er zeigt, wie Goethe seinen ästhetischen Weltbegriff entfaltet, wie kunstvoll er seine Existenz balanciert, wie er den Kampf gegen den Zeitgeist führt bei aller Geschmeidigkeit dessen, der doch selbst auf den Zeitgeschmack anspricht. Zugleich formuliert Blumenberg scharfzüngig seine Beobachtungen zur Goethe-Rezeption, u. a. bei Schopenhauer, Thomas Mann und Heine.

Inhaltsverzeichnis
Werther - ein Opfertod? 7
Wolfs Tod 10
Das Hohelied der Rezeption 16
Angesichts eines überlebenden Vaters 18
»Mon Faust« in Erfurt 21
Die Schneebrücke 39
Goethejahr 1932 41
Wirkungen 43
Eckermann liest in der Bibel 46
»Geheimnisse des reifen Lebens« - ein Goetheanum 51
Das Alter 53
In Venedig: Goethe und Fontane 54
Am Rheinfall von Schaffhausen 59
In der Altersfreundschaft Goethes mit Zelter ... 61
Die Versteifung 63
Goethes Horizont: Welterfahrung auf dem Meer 67
Das unerlebbare Letzte 70
Die Umwelt von Palermo 72
Santa Maria della Minerva 76
Parität des Vergessens 79
Zeitgeist 81
Goethe, zum Beispiel 83
Unseliger Faustvergleich 85
Lichtenberg gegen den »Werther« 86
Das Paradox des letzten Wortes Jesu 88
Kein Tod am Lake Mohonk - Ein anderes Nachspiel Goethes 89
Selbstentmythisierung 92
Fontanes Fausttelegramm 95
Heine in Konkurrenz mit Goethes Italienreise: der beschriebene
Eidechs 98
Letzte Worte Wielands 101
Goethes Sterblichkeit 103
Abneigung gegen die Philosophie ... 107
Wollte er noch Ulrikens Menschenbildner werden? 109
Beispiele für den Aufstand gegen den Willen 110
Ein Geschlecht das mir gleich sey 112
Wenn von Goethes vermeintlichen >Erfolgen< ... 139
Langeweile bei Goethe 147
Gelübde auf dem Rückzug 153
Die Vorfrage 160
An der Quelle der Farbenlehre 164
Langeweile in Pempelfort: Paradox und Realismus 172
>Existenz< und >Papier< 177
Faustisches, unfaustisch 180
Ins Meer strömende Lava 187
Eine Korrektur der Schöpfungskorrekturlegende Alfons des
Weisen 191
Goethes Erniedrigung 196
Die Zumutungen des Zeitgeistes 199
Ergötzen und zu schaffen machen 204
>Fauste< zu schreiben ist immer schwieriger geworden 205
Höllenverbot für Fauste 206
Voltaire dürfte den »Faust« nicht verstanden haben 208
Auch ihn einmal weinen gesehen 210
Als letzten der zwischen Goethe und Zelter gewechselten
Briefe ... 212
Unerwartete Verifikation 213
Die Frisuren des Zeitgeistes 216
Zuerst Unendlichkeit, dann Klarheit 218
Wozu noch dieses und jenes, dieser und jene? 221
Der große Menschenverbraucher 236
Editorische Notiz 239
Anmerkungen 240