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Gespräche 1958-2015
Ausgewählt und mit einem Nachwort von Timm Niklas Pietsch
Günter Grass
Steidl
EAN: 9783958295858 (ISBN: 3-9582958-5-1)
896 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, August, 2019
EUR 38,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
"Tanzen Sie noch? Leiden Sie unter dem Alter? Was war das größte Unglück in Ihrem Leben? Wären Sie lieber eine Frau?" – Es ist bemerkenswert, mit welcher Ausdauer Günter Grass über sechs Jahrzehnte auf die unterschiedlichsten Fragen seiner Gesprächspartner eingegangen ist, mal mit Humor, mal kompromisslos, stets auf hohem Sprach- und Reflexionsniveau. Ob als Schriftsteller, Bildhauer oder Grafiker, ob als gelernter Sozialdemokrat, Staatsbürger mit besonderer Reputation oder Literaturnobelpreisträger, immer wieder wurde er bis an sein Lebensende wie kaum ein Zweiter »ausgefragt«. Und stets nahm er in wechselnden Rollen Stellung zu ästhetischen, gesellschaftspolitischen und tagesaktuellen Problemen. Jederzeit auskunftsfreudig erläuterte der engagierte Zeitgenosse seine künstlerischen Ansätze und bewährte Arbeitsprozesse, äußerte sich zu Fragen der Poetik und zu Vorbildern seines Schaffens in Literatur und Politik, sprach offen über Frühprägungen, späte Einsichten und anhaltend belastende Traumata.
Timm Niklas Pietsch, geboren 1976 in Neuss, studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Medienwissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und promovierte dort mit einer Arbeit unter dem Titel "Wer hört noch zu?" Günter Grass als politischer Redner und Essayist. Er lebt mit seiner Familie im Rheinland.
Rezension
„Die Blechtrommel“(1959), „Katz und Maus“(1961), „Hundejahre“(1963), „Das Treffen in Telgte“(1979), „Im Krebsgang“(2002), „Beim Häuten der Zwiebel“(2006) sind international bekannte Werke von Günter Grass (1927-2015). Der Literaturnobelpreisträger war aber nicht nur Epiker, sondern auch Lyriker, Dramatiker, Grafiker, Maler, Bildhauer und im höchsten Maße politisch engagiert für die Sozialdemokratie. Er zählt zu den bedeutendsten deutschen Intellektuellen, nahm er doch in seinen Essays und Reden zu politischen und gesellschaftlichen Fragen bereitwillig Stellung und trug damit zur „Aufklärung“ der Öffentlichkeit bei. Für die mediale Multiplikation seiner Positionen waren auch die zahlreichen mit ihm seit den 1960er Jahren geführten Gespräche bedeutsam, die in Zeitungen, Zeitschriften, Sammelbänden abgedruckt oder im Hörfunk gesendet wurden.
50 von ihnen liegen nun erstmals gesammelt vor in dem bei Steidl erschienenen Band „Günter Grass. Gespräche 1958-2015“, ausgewählt von dem Literaturwissenschaftler Timm Niklas Pietsch. Der voluminöse Gesprächsband gibt u.a. Aufschluss über die Poetik von Grass, über Entstehung, Rezeption, einzelne Motive, Metaphern und Stilmittel seiner Werke, über die Nachkriegsliteratur und Literaturkritik, über sein eigenes Menschenbild und Geschichtsdenken, über seine biographischen Prägungen, Zäsuren und Fehler, über seine Wahlkämpfe für die SPD, über seine Sichtweisen auf politische, gesellschaftliche Entwicklungen und einzelne Politiker.
In den auch sprachlich gelungenen Dialogen zeigt sich Grass als äußerst genauer Zeitdiagnostiker, der sich durch differenziertes politisches und historisches Urteilsvermögen auszeichnet. Man erhält durch die Gespräche nicht nur einen sehr guten Zugang zu seinem literarischen Werk, sondern wird zugleich auf eine Zeitreise durch die deutsche (Nachkriegs-)Geschichte mitgenommen. Einige tiefsinnige Aussagen des Intellektuellen haben in Zeiten des Neoliberalismus und kultureller Amnesie nichts an Aktualität eingebüßt, zum Beispiel seine Kritik der Panökonomisierung aller Lebensbereiche („Am Neoliberalismus ist nichts ‚neo‘, das ist eine Rückkehr zum Manchester-Kapitalismus“[2005, S. 722]) und seine Betonung des kulturellen Gedächtnisses („Erinnern […] ein Wegräumen von Geröllhalden“[1981, S. 247]). Selten zeichnete sich ein Gesprächsband mit einem Schriftsteller durch ein solch hohes Reflexionsniveau aus, was auch an den Gesprächspartnern liegt, nämlich u.a. Günter Gaus, Heinz Ludwig Arnold, Siegfried Lenz, Salman Rushdie und Pierre Bourdieu.
Einzelne Gesprächsausschnitte und (provokante) Zitate können von Deutsch-, Geschichts-, Politik- und Ethiklehrkräften produktiv im Unterricht eingesetzt werden, zum Beispiel zu den Themen: Sinn von Literatur, Phantasie und Wirklichkeit, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, 68er-Bewegung, Ostpolitik, SPD, Wiedervereinigung, Verfassungspatriotismus, Politik und soziale Gerechtigkeit, Bildung und Schule, Erinnerung und historische Verantwortung. Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer lädt der lesenswerte Gesprächsband dazu ein, mit Schülerinnen und Schülern ausgewählte Schriften von Grass im Unterricht zu lesen und zu interpretieren.
Fazit: Das monumentale Werk „Günter Grass. Gespräche 1958-2015“ ist ein Muss für alle Freundinnen und Freunde seine Literatur. Der Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle liefert mit seinen (Selbst-)Deutungen einen exzellenten Zugang zu seinem zeitlosen Œuvre, was der Auftakt zu einer „Grass-Renaissance“ sein könnte.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
"Tanzen Sie noch? Leiden Sie unter dem Alter? Was war das größte Unglück in Ihrem Leben? Wären Sie lieber eine Frau?" – Es ist bemerkenswert, mit welcher Ausdauer Günter Grass über sechs Jahrzehnte auf die unterschiedlichsten Fragen seiner Gesprächspartner eingegangen ist, mal mit Humor, mal kompromisslos, stets auf hohem Sprach- und Reflexionsniveau. Ob als Schriftsteller, Bildhauer oder Grafiker, ob als gelernter Sozialdemokrat, Staatsbürger mit besonderer Reputation oder Literaturnobelpreisträger, immer wieder wurde er bis an sein Lebensende wie kaum ein Zweiter »ausgefragt«. Und stets nahm er in wechselnden Rollen Stellung zu ästhetischen, gesellschaftspolitischen und tagesaktuellen Problemen. Jederzeit auskunftsfreudig erläuterte der engagierte Zeitgenosse seine künstlerischen Ansätze und bewährte Arbeitsprozesse, äußerte sich zu Fragen der Poetik und zu Vorbildern seines Schaffens in Literatur und Politik, sprach offen über Frühprägungen, späte Einsichten und anhaltend belastende Traumata.
Ausgewählt von Timm Niklas Pietsch
896 Seiten
Fester Einband / Leineneinband
14 x 21.3 cm
Deutsch
ISBN 978-3-95829-585-8
1. Auflage 08/2019
€ 38.00 inkl. MwSt.
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Inhaltsverzeichnis
Den Menschen entlarven. Der Bildhauer-Dichter
Günter Grass (Februar 1958) 5
Ich sehe keinen Grund, den Schauplatz
Danzig zu wechseln (März 1962) 6
Ein Reduzieren der Sprache auf die Dinglichkeit hin (Dezember 1963) 24
Manche Freundschaft zerbrach am Ruhm
(September 1965) 35
Gespräch über Deutschland (Dezember 1966) 58
Terror taucht auf, wenn Angst erzeugt wird
(Oktober 1967) 63
Als ich siebzehn war (Mai 1968) 70
Die Ideologien haben versagt (Februar 1969) 82
Ein Tempus kann auch ein Stilmittel sein (Mai 1969) 87
Ich und meine Rollen (September 1969) 95
Ich bin Sozialdemokrat, weil ich ohne Furcht leben will (Dezember 1970) 103
Ein Gegner der Hegelschen Geschichtsphilosophie
(Mai 1971) 124
Die Verzweiflung arbeitet ohne Netz (September 1974) 142
Ich kann mir die Themen nicht aussuchen (März 1975) 184
Die Ambivalenz der Wahrheit zeigen (September 1975) 194
Im Ausland geschätzt - im Inland gehaßt
(Oktober 1977) 206
Die liegengebliebenen Themen (Januar 1980) 219
Von morgens bis abends mit dem deutschen
pädagogischen Wahn konfrontiert (Mai 1980) 231
Phantasie als Existenznotwendigkeit (Januar 1981) 244
Einsicht ist nicht immer gerade
eine christliche Tugend gewesen (August 1982) 277
Wir sind die Verfassungsschützer (Dezember 1983) 291
Sisyphos und der Traum vom Gelingen Quni 1985) 306
Fiktionen sind Lügen, die die Wahrheit erzählen
(Juni 1985) 329
Mir träumte, ich müßte Abschied nehmen (März 1986) 339
Die Zeit heilt alle Wunden oder Die Schuld hört nie auf (September 1989) 371
Viel Gefühl, wenig Bewußtsein (November 1989) 384
Deutschland, einig Vaterland? (Februar 1990) 396
Gegen meinen Willen setzt bei mir
so eine Art Absonderung ein (Juli 1990) 418
Mit Johnson konnte man handwerklich sprechen
(März 1991) 433
Der Autor und sein verdeckter Ermittler (Januar 1996) 456
Die Disziplin wechseln, beim Gegenstand bleiben
(März 1996) 494
Eine Verführung für Nichtleser (März 1997) 510
Aus dem Bildnerischen ins Wörtliche (Sommer 1997) 518
Nicht von der Bank der Sieger aus (Oktober 1997) 533
Ich bin ein lebenslustiger Pessimist (Juni 1999) 571
Zivilisiert endlich den Kapitalismus! (Dezember 1999) 582
Kein Raum für Spekulationen (April 2002) 599
Vor falschem Beifall habe ich nie Angst gehabt
(Mai 2002) 612
Helden? Ach was, die brauchen wir nicht (Juni 2003) 627
Es ist nicht meine Aufgabe als Schriftsteller,
Hosianna zu rufen (Oktober 2003) 634
Die in sich geschlossene Idylle nehme ich wahr
im Verhältnis zu ihrer Gefährdung (2004) 655
Wir werden uns veröstlichen (Mai 2004) 676
Mein Verhältnis zum polnischen Gdansk
ist mit den Jahren gewachsen (August 2004) 682
Das gesprochene Wort ist Teil der Literatur
(Februar 2005) 695
Immer noch ein weites Feld (Juli 2005) 710
Ich stand zwischen den Fronten (Mai 2006) 732
Warum ich nach sechzig Jahren mein Schweigen breche
(Juli 2006) 755
Im Vakuum heiter bleiben ... (Juli 2009) 773
Leisetreter gab es genug (März 2010) 788
Der Sozialdemokratie fehlen konsequente Personen
(April 2013) 795
Der Schriftsteller darf nie auf Seiten des Siegers stehen (Sommer 2013) 818
Ich bin ein umgänglicher Mensch (April 2014) 827
Ursache ist im Grunde immer der Schmerz (März 2015) 844
Timm Niklas Pietsch: Ich bewege mich zwischen
allen Stühlen. Nachwort 853
Bibliographische Nachweise 863
Personenregister 874
Editorische Notiz 895
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