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Geschichte des pädagogischen Denkens
Geschichte des pädagogischen Denkens



Oldenbourg Wissenschaftsverlag
EAN: 9783486580341 (ISBN: 3-486-58034-5)
382 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, 2006

EUR 34,80
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Während Historische Pädagogik bis Mitte der 1970er Jahre im Zentrum des Pädagogik-Studiums stand, hat dieses Teilfachgebiet der Erziehungswissenschaft in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Dabei gilt es zunächst zwischen verschiedenen Ansätzen innerhalb der historischen Pädagogik zu unterscheiden. nämlich zwischen einem ideengeschichtlichen, einem sozialgeschichtlichen, einem problemgeschichtlichen, einem kulturgeschichtlichen oder einem wissenschaftsgeschichtlichen. Heinz-Elmar Tenorth, einer der führenden Forscher der historischen Erziehungswirklichkeit, plädiert für den eine empirisch-statistisch ausgerichtete "Historische Bildungsforschung". Gegenwärtig droht die Gefahr einer Marginalisierung der Geistes- bzw. Ideengeschichte der Pädagogik.
Umso mehr ist es begrüßen, dass wissenschaftlich ausgewiesene Vertreter der Erziehungswissenschaft, der Privatdozent Hans-Ulrich Musolff und die Münsteraner Professorin Stephanie Hellekamps im Jahre 2006 eine >Geschichte des pädagogischen Denkens< vorgelegt haben. Beide Wissenschaftler stammen aus der Schule des renommierten Bildungstheoretikers Dietrich Benner, was sich auch in dem von ihnen gewählten Ansatz ihrer Pädagogikgeschichte widerspiegelt. Ihre >Geschichte des pädagogischen Denkens< ist keine im Stile des geisteswissenschaftlichen Pädagogen Albert Reble, dessen Klassiker "Geschichte der Pädagogik" seit den 1950er Jahren immer wieder aufgelegt wird, sondern die Benner-Schüler sehen sich in ihrem Buch dem problemorientierten Ansatz ihres Lehrers verpflichtet. Sie gliedern ihre fundierte Darstellung historischer Pädagogik in drei Epochen, nämlich in die Zeit der ersten beiden Jahrhunderte der Frühen Neuzeit, in die Epoche des 18. und frühen 19. Jahrhundert sowie in die gegenwärtige Zeit. Bei der Darstellung Geisteswissenschaftlicher Pädagogik hätten die Autoren noch genauer auf die Anfänge dieser Hauptrichtung des 20. Jahrhundert eingehen können. Immerhin entwickelte der Pädagoge und Philosoph Max Frischeisen-Köhler, der im Buch von Musloff/Hellekamps nur in einem Satz berücksichtigt wird (S. 143), in den 1910er Jahren ein Konzept moderner interdisziplinärer Pädagogik, das sich von den Entwürfen anderer geisteswissenschaftlicher Pädagogen unterscheidet.
In ihrer Abhandlung zur Geschichte der Pädagogik gehen die beiden Erziehungswissenschaftler Musolff und Hellekamps auch auf ein postmodere Variante von Pädagogik ein, nämlich die einer "reflexiven Erziehungswissenschaft" des Berliner Pädagogen Dieter Lenzen. Positiv hervorzuheben ist weiterhin, dass das letzte Kapitel des Buches, in der die Autoren auch der >Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit< einer Allgemeinen Pädagogik nachgehen. Während andere Erziehungswissenschaftler der ehemaligen Leitdisziplin ihr Ende prophezeit haben und diese durch eine Sozialwissenschaft meinen ersetzen zu können, halten Musolff und Hellekamps an der Notwendigkeit Allgemeiner Pädagogik fest. Sie wehren sich dagegen, dieser Disziplin permanent selbstreflexiv eine Krise zu attestieren.
Fazit: Bei dem Buch von Musloff/Hellekamps, erschienen im "Oldenbourg Wissenschaftsverlag" handelt sich um eine problemgeschichtliche Darstellung des pädagogischen Denken, die dem neuesten Forschungsstand entspricht und jedem Pädagogiklehrer nur zur Lektüre empfohlen werden kann.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Das Verhältnis zur Tradition bestimmt die Reichweite und Tiefe des pädagogischen Denkens. Wichtige pädagogische Denker der Gegenwart wie Dietrich Benner, Dieter Lenzen, Klaus Mollenhauer, Klaus Prange und Horst Rumpf werden in diesem Buch in der für die moderne Pädagogik charakteristischen Spannung von Aufklärung, Aufklärungskritik und Romantik dargestellt. Die im Mai 1968 beginnende neue Epoche pädagogischen Denkens wird in ihren langfristigen Ergebnissen analysiert. Dabei werden die charakteristischen Merkmale der emanzipatorischen Pädagogik und der postmodernen Pädagogik herausgearbeitet.

Die reformpädagogische Hoffnung auf das Werden des starken, individuellen Selbst der autonomen Lebensführung steht indes vor allem unter dem Einfluss Friedrich Nietzsches und seines Kontrahenten Richard Wagner. Dies wird in diesem Buch in einem Kapitel über Hermann Lietz, Paul Geheeb und Eduard Spranger gezeigt. Die Diskussion um die ‚neue Erziehung' bildet das Zentrum der zweiten Epoche des pädagogischen Denkens. Weitere Pädagogen, deren Beiträge zur modernen Pädagogik in diesem Buch ausführlich dargestellt werden, sind Martin Buber, Wilhelm Flitner, Herman Nohl, Theodor Litt, Peter Petersen, Wilhelm Rein, Erich Weniger und Tuiskon Ziller.

Wichtige Themen der modernen Pädagogik wie das Werden der sittlichen Person (des moralischen Charakters), Freiheit als Autonomie, Bildung als Selbstbildung, die Übung der Urteilskraft stehen freilich in der älteren Überlieferung des Humanismus. Deshalb beginnt dieses Buch mit der Darstellung der ersten Epoche des pädagogischen Denkens von Pierpaolo Vergerio und Desiderius Erasmus bis Jean-Jacques Rousseau und Johann Friedrich Herbart. In dieser Darstellung wird zunächst die Pädagogik der Frühen Neuzeit beschrieben; sodann wird die Veränderung der Spielregeln beschrieben, denen das traditionelle pädagogische Denken im 18. und frühen 19. Jahrhundert unterlag. Trotz veränderlicher Spielregeln wird aber der Fortgang des pädagogischen Spiels über die Jahrhunderte verdeutlicht. Dieses Buch ist eine Einladung zur Teilnahme am pädagogischen Spiel und ein Angebot, seine Spielregeln zu erlernen.

Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis


Einleitung 1

I. Pädagogik der Frühen Neuzeit: Gelehrsamkeit und Tugend 5
II. Kritik der Tradition, Paradoxie der Erziehung 43
III. Pädagogik als abgeleitete Wissenschaft und Unterrichtslehren 105
IV. Individualität, Geschichtlichkeit und erzieherisches Verhältnis 135
V. Die ‚neue Erziehung‘: Reformpädagogische Entwicklungen 205
VI. Zwischen Reformhoffnungen und Selbstreflexion 285
VII. Allgemeine Pädagogik am Ende des 20. Jahrhunderts: die Frage nach den Bedingungen ihrer Möglichkeit 353

Quellen- und Literaturverzeichnis 367
Personenregister 377
Sachregister 379