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Feindanalysen. Über die Deutschen
Feindanalysen. Über die Deutschen




Herbert Marcuse

zu Klampen! Verlag
EAN: 9783866740037 (ISBN: 3-86674-003-4)
169 Seiten, kartoniert, 14 x 21cm, Juni, 2007

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
"Als der Nationalsozialismus die deutsche Gesellschaft durchorganisierte, um sie auf den totalen Eroberungskrieg vorzubereiten, hat er die dergestalt mobilisierte Bevölkerung mit einer Rationalität durchtränkt, die alles an den Kriterien von Effizienz, Erfolg und Nützlichkeit mißt." Herbert Marcuse
Rezension
Herbert Marcuse (1898-1979) zählt neben Theodor W. Adorno und Max Horkheimer zu den Hauptvertretern der älteren Kritischen Theorie. Während jene in die Bundesrepublik Deutschland zurückkehrten und Lehrstühle in Frankfurt innehatten, lebte Marcuse seit seiner Emigration 1934 in den USA. Bei der 1968er-Generation avancierte er mit seinen Büchern „Triebstruktur und Gesellschaft“(1955) und „Der eindimensionale Mensch“(1964) zu einer Art Kultfigur.
Während des Zweiten Weltkriegs arbeitete Marcuse, der 1933 zum Frankfurter Institut für Sozialforschung kam, für den US-amerikanischen Geheimdienst, genau für das Office of Strategic Services, das, worauf Detlev Claussen in seiner Einleitung hinweist, einen „qualitativ völlig unterschiedlichen Charakter“(S. 19) als der CIA besaß. In diesem Zeitraum entstanden Marcuses Schriften zur Analyse des Nationalsozialismus und zur politischen Neuorientierung nach 1945. Diese Texte des Sozialphilosophen erschienen im Jahre 2007 als fünfter Band der „Nachgelassenen Schriften“ Herbert Marcuses im „zu Klampen Verlag“. Die vorliegende Neuausgabe, deren Beiträge aus dem Amerikanischen von Michael Haupt übersetzt wurden, unterscheidet sich von dem im Jahre 1999 erschienen Buch „Feindanalysen. Über die Deutschen“ durch den Abdruck des erstmals zugänglichen Textes „State and Individual under Nationalsocialism“.
Der fünfte Band der Nachlass-Schriften Marcuses ist in mehrfacher Hinsicht von Bedeutung, nämlich in wissenschaftsgeschichtler als Dokumentation zur Geschichte der Kritischen Theorie während des Weltkriegs und in zeithistorischer Hinsicht als Quelle über das Wissen der Exilianten über den Nationalsozialismus. So analysiert Marcuse in seinem Memorandum aus dem Jahre 1942 „Die neue deutsche Mentalität“, um die „psychologischen Grundlagen des Nationalsozialismus“ zu erfassen. Dabei unterscheidet er zwischen einer „pragmatische[n] Schicht“, die geprägt von Rationalitätsdenken ist, und einer „mythologische[n] Sicht (Heidentum, Rassismus, Sozialdarwinismus).“(S. 31) Marcuse deutet den Nationalsozialismus „als typisch deutsche Form der ‚Technokratie’, d.h. als nationalspezifische Anpassung der Gesellschaft an die Erfordernisse der Großindustrie“(S. 34). Aufschlussreich ist auch Marcuses Analyse der nationalsozialistischen Sprache (S. 38-43). In seinen 1947 verfassten „33 Thesen“ entwickelt Marcuse einen Ansatz, wie nach der für die Entwicklung der Kritischen Theorie konstitutiven Erfahrung der „gescheiterten Revolution“(S. 12) dennoch eine Revolution möglich wäre: „Die politische Aufgabe würde darin bestehen, in den kommunistischen Parteien die revolutionäre Theorie wiederherzustellen und für die ihr entsprechende Praxis zu arbeiten.“(S. 139) Von philosophischen Interesse für die Freiheitsthematik ist das 1939 geschriebene Manuskript: „Ist eine freie Gesellschaft gegenwärtig möglich?“ Dort vertritt der Philosoph die These: „Nur der Wille ist frei, der tatsächlich die Freiheit will; Freiheit schließt, anders gesagt, jede Form der Unterdrückung und Abhängigkeit aus und ist ein wahrhaft >universeller< Begriff.“(S. 168)
Dem „zu Klampen Verlag“ kommt also das Verdienst zu, ein für die Deutung des Nationalsozialismus zentrales Buch vorgelegt zu haben. Auch wer Marcuses neomarxistischen Ansatz nicht teilt, wird seinen Schriften manche historische Einsicht in das ideengeschichtliche Fundament nationalsozialistischer Weltanschauung abgewinnen können. Diese könnte auch für GeschichtslehrerInnen, die auf der Oberstufe das Thema „Nationalsozialismus“ wissenschaftlich fundiert unterrichten möchten, von Bedeutung sein.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Herbert Marcuses bahnbrechende Arbeiten für den US-Geheimdienst über die Mentalität der Deutschen im NS-Staat.

Herbert Marcuse arbeitete von 1942 bis 1951 für den US-amerikanischen Geheimdienst, um aktiv an der Bekämpfung des NS-Systems teilzunehmen. Er fertigte Analysen über die psychische und ideologische Verfassung des autoritären deutschen Kollektivs an. Die Feinde, aus deren Mitte er selbst hervorgegangen war, wollte er begreifen, bekämpfen und, nachdem der Sieg errungen, wieder in die Zivilisation zu integrieren helfen. Marcuse zeigt, wie sich die technologische Rationalität und der Pragmatismus der Deutschen mit ihrem Hang zu mythischer Irrationalität zu einer ›neuen deutschen Mentalität‹ verbinden. Jedes Projekt einer Befreiung und ›Re-education‹ Deutschlands, so lautet Marcuses Fazit, habe diese spezifische Mentalität in ihr Kalkül aufzunehmen.

Über die Erstausgabe:
"In jetzt zum ersten Mal veröffentlichten Memoranden, die der exilierte Philosoph Herbert Marcuse während des Zweiten Weltkriegs für die US-Regierung verfaßte, finden sich erstaunlich moderne Antworten.(...) Im Zusammenhang mit den von der Goldhagen-Debatte neu entfachten Diskussionen über die Deutschen als Hitlers Gefolgsleute verdienen diese Texte weit über den Kreis unbeirrbarer Marcuse-Leser hinaus größtes Interesse." Lothar Baier

"Eine mehr denn je empfehlenswerte Lektüre!" www.kunstundbuecher.at 20.03.2000

"Marcuse erweist sich hier als ein äußerst treffsicherer Analytiker und Prognostiker der Nachkriegsentwicklung" M. Reichelt, AUFBAU 23. Oktober 1998

Platz 1 der Sachbuch-Bestenliste des Börsenblatts 53 Juli 1998
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur Neuausgabe von Peter-Erwin Jansen 7
Einleitung
Kopf der Leidenschaft. Herbart Marcuses Deutschlandanalysen von Detlev Claussen 11
Abbildungen 22
Die neue deutsche Mentalität 29
Darstellung des Feindes 77
Über psychologische Neutralität 87
Über soziale und politische Aspekte des Nationalsozialismus 92
Kriegs- und Nachkriegsgeneration 112
Deutsche Philosophie im zwanzigsten Jahrhundert 117
33 Thesen 126
Staat und Individuum im Nationalsozialismus 140
Ist eine freie Gesellschaft gegenwärtig möglich? 165