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Europas Theater 2500 Jahre Geschichte - eine Einführung
Europas Theater
2500 Jahre Geschichte - eine Einführung




Manfred Brauneck

Rowohlt
EAN: 9783499557101 (ISBN: 3-499-55710-X)
560 Seiten, paperback, 13 x 19cm, Mai, 2012

EUR 24,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
EUROPAS THEATER gibt einen kompakten Überblick über dessen 2500-jährige Geschichte. Nicht zuletzt wird in dieser Einführung der Frage nachgegangen, welchen Anteil das Theater an der Stabilisierung, aber auch an der Infragestellung weltanschaulicher und politischer Gesellschaftsentwürfe hatte, welche Bewegkräfte auf das Theater eingewirkt haben, welche Rolle die Bühne für die Ausbildung nationaler und soziokultureller Identität spielte und wie das Theater selbst zu einem wesentlichen Element des abendländischen Zivilisationsmodells geworden ist. Geschichte des Theaters ist stets auch Sozial- und Kulturgeschichte, zumal es einen zentralen Platz unter den Künsten einnimmt. Für Europas Theater gingen die wesentlichen Impulse von seiner Auseinandersetzung mit der dramatischen Dichtung aus. Als die Chronisten ihrer Gesellschaft ließen und lassen die Dramatiker das Theater zu einem Seismographen ihrer Zeit werden.

Der renommierte Theaterwissenschaftler Manfred Brauneck bündelt in diesem mit vielen Abbildungen ausgestatteten Buch die Ergebnisse seiner lebenslangen Forschung und vermittelt sie anschaulich jedem am Theatergeschehen Interessierten.

Prof. em. Dr. Manfred Brauneck, Jahrgang 1934, lehrte seit 1973 Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Theaterwissenschaft an der Universität Hamburg. Von 1986 bis 2003 Leiter des Zentrums für Theaterforschung, bis 2005 auch des Studiengangs Schauspieltheater-Regie. Seit 1973 zahlreiche Gastprofessuren in den USA, Polen und Bulgarien. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Geschichte und Theorie des Theaters, Grenzbereiche zwischen Theater und bildender Kunst. 2010 ausgezeichnet mit dem Balzan-Preis für Geschichte des europäischen Theaters.
Rezension
Geschichte des Theaters ist immer auch Sozial- und Kulturgeschichte; Theater ist stets ein Seismograph der Zeit - das zeigt dieser ebenso informative wie kompakte Band über 2500 Jahre Theatergeschichte. Der Autor, Professor em. für Theaterwissenschaft und Direktor des Zentrums für Theaterforschung an der Universität Hamburg, Manfred Brauneck hat an der Jahrtausendwende das voluminöse 4-bändige, mehrere tausend Seiten starke Werk "Die Welt als Bühne - Geschichte des europäischen Theaters" im Stuttgarter J.B. Metzler Verlag vorgelegt (Gesamtwerk ISBN 3-476-00916-5), ein Standardwerk für jeden, der mit Theater zu tun hat, woraus sich diese Taschenbuchdarstellung speist. Braunecks Theatergeschichte vermittelt komplexe historische Zusammenhänge, die resultieren aus dem sozialen Wechselspiel zwischen Dramatiker, Darsteller und Publikum, und ebenso aus dem ästhetischen Zusammenwirken verschiedener Künste im theatralischen Gesamtkunstwerk.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung 7

1 Das antike griechische Theater – Vorgeschichte, klassische Zeit und Hellenismus 11

2 Theater im antiken Rom zur Zeit der Republik und in der Kaiserzeit 73

3 Heilsgeschichte und Weltgeschehen im Theater des Mittelalters 105

4 Renaissance und Barock – auf dem Weg in die Neuzeit 127

5 Theater im Zeitalter der Aufklärung 191

6 Theater aus dem Geiste des deutschen Idealismus: Goethe, Schiller und das Weimarer Hoftheater 245

7 Von der Romantik bis zum Beginn der Moderne 265

8 Reformen, Experimente und kritischer Realismus im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts 365

9 Ideologien, totalitäre Diktaturen und der Zweite Weltkrieg – Theater im Spannungsfeld der Politik 429

10 Theater in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts 463

Literatur 536
Namenregister 549



Vorbemerkung
Europas Theater verbindet ein gemeinsamer Ursprung in den Theaterfesten
der Athener Polis, die dem Dionysos, dem Schutzgott des Gemeinwesens,
gewidmet waren. Dieses Theater ist unlösbar verbunden mit der
Tragödiendichtung der klassischen Zeit, des 5. Jahrhunderts v.Chr. Diese
Tragödien stellten jene Sinnfragen, die die Menschen bis heute bewegen.
Für das Theater sind sie eine künstlerische Herausforderung, zugleich
eine eminente Inspiration. Von Beginn an existierte aber auch eine gänzlich
andere Theatersphäre, in der eine vitalistische Gegenwelt, der «andere
» Dionysos, ins Spiel kam: die Satyrspiele und der Mimus. Es war ein
Theater, das dem wilden Spiel, dem Spott und der obszönen Schaustellerei
freien Lauf ließ. Diese beiden Pole haben Europas Theaterkultur über
den gesamten Zeitraum ihrer Geschichte in den unterschiedlichsten Erscheinungsformen
geprägt: Es gab das literarische, höchste dichterische
Leistungen inspirierende Theater, das zur Repräsentation von Macht und
Herrschaft ebenso tauglich war wie zur Bestätigung oder zur Kritik geltender
Vorstellungen von Ordnung und Moral. Es gab aber stets auch
jenes populäre, plebejische Theater der Mimen, der Gaukler und der
Komödianten, deren unambitioniert dargebotene Kunstfertigkeit vor allem
dem Spaß galt, auch dem Spott und dem bösen Verlachen. Das Possentheater
der Phlyaken nahm den Heroen ihre Würde, blasphemisch
und vulgär. Die fahrenden Spielleute des Mittelalters, die «giullari», mit
deren Rolle sich Dario Fo im 20. Jahrhundert so kongenial identifizierte,
attackierten vom Rande der Gesellschaft aus kirchliche und staatliche
Obrigkeiten. Die Commedia dell’Arte bewahrte über zwei Jahrhunderte
hin eine Spielfreudigkeit, die dem Theater der Literaten und der Aufklärer
abhandengekommen war. Es war eine Theaterwelt von virtuoser
Leichtigkeit und Galanterie, die die dunklen Ekstasen des Dionysos-
Kults vergessen ließen. Im 19. Jahrhundert übernahmen vor allem musikalische
Genres, Singspiel, Melodrama und Operette, den Part des populären
Unterhaltungstheaters, das sich an den Rändern der großen Städte
ansiedelte. Der junge Brecht meinte gar, dass das Theater erst dann wieder
mit dem wirklichen Leben zu tun hätte, wenn man, rauchend und
8
entspannt zurückgelehnt, das Geschehen auf der Bühne betrachten – er
meinte beurteilen – könne.
Unstrittig aber gingen für Europas Theater die wesentlichen Impulse
von der Auseinandersetzung mit dramatischer Dichtung aus. Die Dramatiker
waren es, die Bilder von der Gesellschaft entwarfen, vom Menschen
und vom Umgang der Geschlechter und der Generationen miteinander,
die aufrüttelten, aufklärten, revoltierten. Sie waren die Chronisten ihrer
Gesellschaft und ließen das Theater ein Seismograph ihrer Zeit sein.
Doch auch die Architekten und nicht zuletzt die Maler arbeiteten über
die Jahrhunderte hin für das Theater. Sie prägten maßgeblich deren Erscheinungsbild
und waren zuständig für dessen Schaueffekte und jenen
verblüffenden Illusionismus, der die Menschen immer wieder faszinierte.
Im 20. Jahrhundert plädierten sie gar für ein Theater der Bilder,
das den Schauspieler, dem doch die Bühne letztlich wirklich gehört, zu
verdrängen suchte.
Europäisches Theater ist seit seinen Anfängen eingebunden in nationale
kulturelle Traditionen, die sich in Systemen mehr oder weniger verfestigt
haben. Doch es ist ebenso geprägt von transnationalen Verflechtungen.
Die Bühnenkünstler betrieben zu keiner Zeit ein wirklich
sesshaftes Gewerbe. Auch ist das Zusammenspiel der theaterkulturellen
Zentren mit der Peripherie, der der Metropolen, ihrer Vorstädte, ebenso
mit den Ländern an den Rändern Europas eine spezifische Facette in der
Geschichte des Theaters.
Dieses Buch gibt einen kompakten Überblick über «Europas Theater
». In zehn Kapiteln wird der Gang durch dessen Geschichte verfolgt.
Es wird der Frage nachgegangen, welchen Anteil das Theater an der Stabilisierung,
aber auch der Infragestellung weltanschaulicher oder ideologisch
geprägter Gesellschaftsbilder hatte, welche Bewegkräfte auf das
Theater eingewirkt haben, welche Rolle es für die Ausbildung nationaler
oder soziokultureller Identität gespielt hat; wie es ein essenzieller
Bestandteil des spezifisch abendländischen Zivilisationsmodells ist. Geschichte
des Theaters ist auch Sozial- und Kulturgeschichte, zumal das
Theater seit seinen Anfängen einen exzeptionellen Platz unter den Künsten
einnimmt. Dabei wird sich zeigen, dass sich vom Standpunkt heutiger
Rezeption aus die Bewertungen einzelner Entwicklungen und Werkzusammenhänge
oftmals verschoben haben im Hinblick auf deren
Bedeutung im theaterkulturellen Kontext ihrer Zeit.
Es ist mir ein besonderes Anliegen, dem Verlag zu danken, dass mein
Buch in «rowohlts enzyklopädie» erscheinen konnte. Mein besonderer
Dank gilt Burghard König, der diese Reihe begründet und «Europas
Theater» noch betreut hat. Seine kritische Hilfe bei der Redaktion und
letzten Kontrolle war für mich als Autor überaus hilfreich. Alissa Brauneck
hat mit großer Sorgfalt die Schreibarbeiten übernommen, bei den bibliographischen
Recherchen mitgearbeitet und das Manuskript betreut.
Dafür danke ich ihr herzlich. Gewidmet ist dieses Buch meiner verstorbenen
Frau.

Hamburg, Januar 2012
Manfred Brauneck