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Die Geschichte der e-mail Erfolg und Krise eines Massenmediums Dissertation an der Leuphana Universität Lüneburg
Die Geschichte der e-mail
Erfolg und Krise eines Massenmediums


Dissertation an der Leuphana Universität Lüneburg

Paul Ferdinand Siegert

Reihe: Technik - Körper - Gesellschaft


Transcript
EAN: 9783899428964 (ISBN: 3-89942-896-X)
360 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2008

EUR 33,80
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Millionen von E-Mails gehen täglich um die Welt. Umso erstaunlicher ist es, dass die Entstehung dieses Mediums scheinbar eher ›nebenbei‹ geschah und wissenschaftlich bisher kaum aufgearbeitet wurde.

Diese Studie rekonstruiert die Erfolgsgeschichte des E-Mail-Dienstes und zeigt, dass Technik nur als Netz technischer, sozialer und kultureller Bezüge erfolgreich sein kann. Wenn sich dieser Bezugsrahmen ändert, ohne dass die Technik darauf reagiert, gerät sie in eine fatale Krise, deren Auswirkungen in Form von Spam- und Phishing-Attacken wir heute zu bekämpfen versuchen.



zur Reihe: Technik - Körper - Gesellschaft

Editorial

Moderne Gesellschaften sind nur zu begreifen, wenn Technik und Körper konzeptuell einbezogen werden. Erst in diesen Materialitäten haben Handlungen einen festen Ort, gewinnen soziale Praktiken und Interaktionen an Dauer und Ausdehnung.

Techniken und Körper hingegen ohne gesellschaftliche Praktiken zu beschreiben – seien es diejenigen des experimentellen Herstellens, des instrumentellen Handelns oder des spielerischen Umgangs –, bedeutete den Verzicht auf das sozialtheoretische Erbe von Marx bis Plessner und von Mead bis Foucault sowie den Verlust der kritischen Distanz zu Strategien der Kontrolle und Strukturen der Macht.

Die biowissenschaftliche Technisierung des Körpers und die Computer-, Nano- und Netzrevolutionen des Technischen führen diese beiden materiellen Dimensionen des Sozialen nunmehr so eng zusammen, dass Körper und Technik als »sozio-organisch-technische« Hybrid-Konstellationen analysierbar werden. Damit gewinnt aber auch die Frage nach der modernen Gesellschaft an Kompliziertheit: die Grenzen des Sozialen ziehen sich quer durch die Trias Mensch – Tier – Maschine und müssen neu vermessen werden.

Die Reihe Technik | Körper | Gesellschaft stellt Studien vor, die sich dieser Frage nach den neuen Grenzziehungen und Interaktionsgeflechten des Sozialen annähern. Sie machen dabei den technischen Wandel und die Wirkung hybrider Konstellationen, die Prozesse der Innovation und die Inszenierung der Beziehungen zwischen Technik und Gesellschaft und/oder Körper und Gesellschaft zum Thema und denken soziale Praktiken und die Materialitäten von Techniken und Körpern konsequent zusammen.

Die Reihe wird herausgegeben von Gesa Lindemann, Professorin für Soziologie an der Universität Oldenburg, und Werner Rammert, Professor für Soziologie und Sprecher des interdisziplinären Zentrums für Technik und Gesellschaft an der TU Berlin.
Rezension
Es ist erstaunlich: kaum hat sich e-mail als flächige Kommunikationstechnik durchgesetzt, wird die Erfolgsgeschichte des E-Mail-Dienstes auch schon wissenschaftlich aufgearbeitet. Und was ist der Nutzen? a) Es zeigt sich, welche Auswirkungen e-mail auf unser Kommunikationsverhalten hat. b) Es zeigt sich exemplarisch, dass Technik nur als Netz technischer, sozialer und kultureller Bezüge erfolgreich sein kann. c) Am Beispiel von e-mail zeigt sich, was berücksichtigt werden muss, um erfolgreich in innovative Technik zu investieren. - Fazit: Technik muss kulturell eingebettet sein, muss technische wie soziale Potentiale freilegen, um kommerziell und kulturell erfolgreich zu sein.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Paul Ferdinand Siegert (Dr. phil.) lehrt im Fach Kulturinformatik an der Leuphana Universität Lüneburg. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Techniksoziologie und -geschichte.
Schlagworte:
E-Mail, Technikgeschichte, Medien, Kultur
Adressaten:
Kulturwissenschaften, Techniksoziologie, Medienwissenschaften
Das Buch im Spiegel der Medien
»Spannende Historie zu Protokollen, Standards und Richtlinien machen das Buch zu einer erhellenden Lektüre für alle, die sich intensiv mit der Geschichte der Netze, den E-Mails und ihren Auswirkungen auf unser Kommunikationsverhalten befassen wollen.«
Horst-Joachim Hoffmann, c't, 13 (2008)

[Die] Detailtiefe ist nicht Schwäche sondern Stärke des Buches, das seine Argumentation nicht auf Anekdoten, sondern der Ausarbeitung des technischen Dispositivs ›E-Mail‹ baut.«
Caspar C. Mierau, www.berlinergazette.de, 09.08.2008

Interview
... mit Dr. phil. Paul Ferdinand Siegert
»Bücher, die die Welt nicht braucht.« Warum trifft das auf Ihr Buch nicht zu?
Wenn heute neue Techniken entwickelt werden, geht dies oft mit erheblichen Investitionsentscheidungen einher, die auf der Basis von Prognosen, aber besonders auch auf Grundlage von Erfahrungen getätigt werden. Von der spannenden Geschichte des E-Mail-Dienstes können wir lernen, unter welchen Bedingungen eine so erfolgreiche Kommunikationstechnik entsteht und warum sie gerade wegen ihres Erfolges in die Krise gerät.
Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Das Buch eröffnet erstmalig eine Perspektive auf einen - trotz seiner Allgegenwart - bisher historisch und techniksoziologisch kaum untersuchten Gegenstand. Dabei zeigt sich, dass sowohl der große Erfolg, wie auch die gegenwärtige Krise von E-Mail, neben der technischen, vor allem auch mit seiner kulturellen Einbettung zu tun haben.
Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Technik, und insbesonders Kommunikationstechnik wie der E-Mail-Dienst, kann nur als Amalgam technischer, sozialer und diskursiver Bezüge adäquat verstanden werden. Die Rekonstruktion seiner Entwicklung muss daher ein hybrides Netz von gegenseitigen Abhängigkeiten entwerfen, das nicht einseitig nur auf die technischen oder nur auf die sozialen Aspekte abzielt. In ›halben Technikgeschichten‹, die nur eine der beiden Seiten der Medaille beleuchten, werden manche Phänomene gar nicht sichtbar.
Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit den vielen kreativen Entwicklern der MsgGroup, die in den 70er Jahren das Medium als kollektives Projekt geformt haben.
Ihr Buch in einem Satz:
E-Mail ist weit mehr als nur eine Technik und kann als solches auch nur verstanden werden, wenn man sie als hybrides Netz begreift.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 11

Sozialtheorie und Technikgenese 15


1 Technik als Problem 16

2 Dimensionen einer Sozialtheorie der Technik 20

2.1 Sachtheoretische Ansätze 21
Soziologie der Sachverhältnisse 21
Die doppelte Disposition der Technik 22
Strukturwirksamkeit 25
2.2 Technik als Tat-Sachen: Nutzungsmöglichkeiten 27
Sachtechnische Stabilisierung des Handelns 28
Semantische Stabilisierung des Handelns 29
Vorbewusste Stabilisierung des Handelns 30

3 Technikgenese 32

3.1 Filter und Entwicklungskorridore in Innovationsprozessen 32
Der „Stand der Technik“ 33
Leitbilder 36
Technische Normen und Standards 36
3.2 Alternierende und rekursive Beziehungen 42
Phasenmodelle 42
Leitbildzyklen 43
Hersteller-Anwender-Beziehungen 43
Technological Dramas 45
Innovationsnetzwerke 48

4 Technik als Systeme und Netze 51

4.1 Soziotechnische Systeme 52
4.2 Actor-Network-Modelle 53

5 Zusammenfassung 55

Netz • Technik • Geschichte 57

1 Verflechten und Verfilzen 58

1.1 Netz und System 61
1.2 Die Form des Netzes 64
Der Fokus 64
Das Netz 65
Wege, Fäden, Links, Ties, Beziehungen 67
Gipfel, Knoten, Nodes, Aktanten 68
Struktur 69
1.3 Bewegung des Netzes 71
Störung: Auslöser der Bewegung 71
Netzwerkbildung 72
Die Formen der Bewegung 74
Emergenz 75

2 Netz als historisches Modell 77

Vom Gerät zum Medium 81

1 Scientific Community 85

1.1 Ausweitung I: ARPA – „the sugar daddy of computer science“ 85
Big Science als Waffe 85
Sputnik-Schock 87
Gründung der ARPA 90
1.2 Ausweitung II: Bediener, Käufer, User 93
Command and Control 93
Rechenzentren und Batch-Betrieb 102
1.3 Ausweitungen, Umwege und Einschreibungen 105

2 Computer Community 107

2.1 Härtung des Sozialen – Time-Sharing 107
2.2 Emergenz eines neuen sozialen Raums: Computer Community 113
2.3 Netz. Technik. Vision. 115
Das Netz als evokatives Objekt 115
Netzvisionen 117
Informationsinfrastruktur 119
Interactive Computing 125
2.4 Computer als Werkzeug und Medium 131

3 Network Community 134

3.1 J.C.R. Licklider und das IPTO 134
3.2 Ausweitung III: Das ARPANET-Projekt 141
Paul Baran – Packet-Switching 141
Donald Davies 144
Robert Taylor – das ARPANET-Projekt 147
3.3 Die Entwicklergemeinde und ihr Medium: NWG und RFC 157
Die Entwicklergemeinde 157
Die Network Working Group 161
Das Medium RFC 166
3.4 Soziales Netz und formaler Standard 172

4 Netzstruktur und Kommunikation 173

4.1 Die Topologie des ARPANET 173
4.2 Ausweitung IV: Die Auflösung regelmäßiger Strukturen 179
Telenet – Two-Level Network 179
Internet 181
4.3 Die Topologie des Internet 182

5 Einschreibungen des soziotechnischen Netzes 185

E-Mail 189

1 Time-Sharing-Mail (1965-1971) 190

1.1 Time-Sharing-Systeme als Kommunikationsmedien 191

2 Das Mail Box Protocol (1971-1975) 198

2.1 Von der Mainframe ins Netz 198
Tomlinsons erste E-Mail 198
Exkurs: Das @-Zeichen 201
2.2 Ein erster Standard: Mail Box Protocol 202
Mail Box Protocol 203
FTP-Mail 212
2.3 „unplanned, unanticipated and unsupported“ 212
Das Unwichtige unterstützen 212
Mailsoftware 214
Die kritische Masse 217
Exkurs: synchrone Kommunikation 221
„unplanned, unanticipated, and unsupported“? 223

3 E-Mail als Notiz, Brief oder Gespräch (1975-1980) 224

3.1 E-Mail-Diskussionsgruppen 225
3.2 Der konstruierte Nutzer 228
Hacker 228
Real User 230
Naive User 236
Eine gemeinsame Linie 236
3.3 Metaphern für E-Mail 238
E-Mail als Notiz und Memorandum 239
E-Mail als Brief 241
E-Mails als Gespräch 242
3.4 Kontroversen 243
Der Streit um die Header 243
Die Finger-Kontroverse 249
Die DARPA-Order 253
3.5 Das soziale Protokoll: Netiquette 256
3.6 Reaktionen der Briefpost 259
3.7 Vom Standpunkt zum Standard 263

4 Standard für eine weltweite Infrastruktur: SMTP (1982-1994) 264

4.1 Abkehr vom FTP: SMTP 264
4.2 Adressnormen 267
Hostnamen 267
Das Domain-Name-System (DNS) 270
Adressierung zwischen den Netzen 274
Mailbox-Adressierung 275
4.3 Multimedia Mail 276
4.4 Exkurs: USENET News 280
4.5 Die Modernisierung des E-Mail Dienstes 282

5 E-Mail als Kulturtechnik der Kommunikation (seit 1994) 283

5.1 E-Mail im Arbeits- und Lebenskontext 284
E-Mail als Akte 284
Automatisierung des Textprozesses 290
Umgang mit E-Mail 295
5.2 Nachrichten im Überfluss:
Junk, Spam, Phishing 302
Spam im ARPANET 302
Destabilisierung durch Spam und Phishing 306
Maßnahmen gegen Spam 312
Inhaltsfilter 318
Rechtliche Regelungen 320
Technisches Protokoll und kulturelle Basis 322

E-Mail als Kulturhybrid 325

Dank 335

Abbildungsnachweis 337

Literatur 341