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Die Alles ist möglich-Lüge Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind
Die Alles ist möglich-Lüge
Wieso Familie und Beruf nicht zu vereinbaren sind




Susanne Garsoffky, Britta Sembach

Pantheon
EAN: 9783570552520 (ISBN: 3-570-55252-7)
256 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, September, 2014

EUR 17,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Susanne Garsoffky, Jahrgang 1968, studierte Geschichte und Politikwissenschaften. Nach der Journalistenschule in Berlin arbeitete sie zunächst als Reporterin bei der Berliner Morgenpost. Dann folgte der Wechsel als Autorin und Redakteurin zum Westdeutschen Rundfunk nach Düsseldorf und Köln. Zuletzt gestaltete sie als Redakteurin das frauenpolitische Magazin „frauTV“ mit. Susanne Garsoffky ist verheiratet und Mutter zweier Söhne.

Britta Sembach, Jahrgang 1968, studierte Politikwissenschaft, Geografie und Portugiesisch in Köln und Hamburg. Nach einem Zeitungsvolontariat in Halle an der Saale arbeitete sie als Redakteurin, Reporterin und Autorin für die Nachrichtenagentur Reuters, diverse Printmedien und TV-Sender, etwa den WDR. Seit mehreren Jahren ist sie neben ihrer journalistischen Arbeit in freier Praxis als Mediatorin BM® und Kommunikationstrainerin tätig. Sie ist verheiratet und hat zwei Söhne.
Rezension
Ein Vorteil des Alters ist, wenn man plötzlich feststellt, dass die Welt nicht so ist, wie sie ist, sondern wie man sie sich vorstellt. Da bildet sich plötzlich ein Konsens in der Gesellschaft, wie bestimmte Dinge wahrzunehmen sind, und alle größeren Abweichungen werden je nach Richtung und Ausschlag als erzkonservativ, ultramodern, spektakulär oder gar gefährlich angesehen.
In unserer Gesellschaft gibt es gerade so ein Gebiet, das seine kurzfristige Stabilität in einem Scheinkonsens von Politik, führenden gesellschaftlichen Kräften und Sprachrohren langsam wieder verliert. Konnte das Aufmucken von Eva Herrmann zur Unvereinbarkeit von Familie und Beruf noch erfolgreich in die rechte Ecke gestellt werden, gibt es nun zunehmende Zustimmung und offenere Diskussionen darüber, was man Frau, Mann und Familie zumuten kann, um Karriere und Arbeitskraft am Ball zu halten …
Gut so! Denn, dass Familie und Beruf oder gar Karriere gleichzeitig funktionieren ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Für die frühere Mutterrolle muss in solchen Fällen, eine ganze Menge Ersatzpersonal parat stehen. Während Mutter wieder finanziell unabhängiger wird, tritt oft Oma, manchmal auch der verrentete Opa in die Rolle der Nanny und geht zum Kindersport und übernimmt Bring- und Abholdienste. Will man zwei Vollzeitjobs mit Kindern im Kita-Alter als Paar bewältigen, kommt es zu entnervenden Arrangements, in denen sich die beiden Partner wie Geschäftspartner oder Arbeiter in der Wechselschicht begegnen, z. B. wenn Mutti von der Frühschicht kommt, geht Papi in die Spätschicht.
Kein Wunder, dass in solchen Konstellationen bald der Kollaps droht, denn zwischen den Schichten, muss man nicht nur für die eigene Erholung sorgen, sondern auch Kinder versorgen, bringen, abholen, einkaufen, kochen, putzen, waschen und alles, was noch dazu gehört, um ein Familienleben zu gestalten. Manche verlangen noch mehr von sich, sie wollen sportlich und fit sein, sich weiterbilden, sich in Schulen und Kitas einbringen und sich sogar noch um Geselligkeit bemühen.

Dass sich diesem Thema nun einmal zwei sehr moderne berufstätige Frauen mit Kindern, nicht ohne Frust, aber dennoch sehr sachlich, kompetent, spannend und produktiv gewidmet haben, ist sehr dankenswert. Susanne Garsoffky und Britta Sembach haben die moderne Familie mit nur kurzen Familienzeiten, bei stärkerer Einbindung der Männer und Priorität auf den Job gelebt und dann vor wenigen Jahren festgestellt, dass Zeit und Sorge für Familie wichtig ist, nicht nur wenn Säuglinge im Haus sind, sondern auch später, wenn z. B. Jugendliche einen verlässlichen Ansprechpartner benötigen.
Die Autorinnen zeichnet dabei aus, dass sie keinen Rückzug in alte Rollenmuster, sondern ein für Väter, Mütter und Kinder menschlicheres Familien-, Lebens- und Arbeitsumfeld wünschen.
Sie prangern widersprüchliche familienunterstützende Maßnahmen an, die auf der einen Seite die Berufstätigkeit von Frauen fördern (z. B. mehr und günstigere Krippenplätze, kurzfristiges Elterngeld) und sie auf der anderen Seite hemmen (z. B. Ehegattensplitting).
Jede Wiedereinsteigerin kennt die Frage, ob sich der neue berufliche Einsatz überhaupt lohnen wird, denn wenn sie vielleicht erstmal mit wenigen Stunden ins Berufsleben zurückkehren will, sind die Kosten für Tagesmutter, Anfahrt, Krankenkasse etc. oftmals höher als der Ertrag. Wir müssen unser System wohl komplett neu überdenken, zum Glück haben das inzwischen nicht nur unsere Autorinnen, sondern jüngst auch die neue Familienministerin Schleswig und die Arbeitsministerin Nahles, die fast provokant innovative Töne im Bereich Vereinbarkeit von Familie und Beruf einschlagen, festgestellt.

Vielleicht haben sie bei Garsoffky und Sembach gespickt und deren Beispiele innovativer Familienpolitik gesichtet. Diese Ansätze und Ideen sind wohl das Wichtigste an diesem gut recherchierten und engagierten Werk, deshalb sollten wir hier die daraus resultierende Forderungen des Autorenteams einmal stichwortartige aufzählen:
1.
Männer müssen mitmachen, die einseitige Konzentration auf die Frau als Haushaltsmanagerin ist out!
2.
Kümmerer brauchen eine Lobby, ziehen wir sie ins Licht! Honorieren und diskriminieren wir sie nicht! Schätzen wir ihre Kompetenzen auch z. B. beim Wiedereinstieg.
3.
Alles geht gleichzeitig ist ein Lüge! Entzerren wir die Aufgaben, das Leben. Leben wir in Wellen. Lassen wir späte Karrieren zu! Arbeiten wir mal mehr, mal weniger als 40 Stunden.
4.
Arbeit muss sich an der Familie orientieren und nicht umgekehrt!
5.
Gesetzliche Rückkehrrechte auf Vollzeit und keine Zwangsverrentung mehr.
6.
Weg vom Ideal des Non-Stopp-Workers! Keine Meetings nach 16 Uhr. Ein Recht auf Privatleben!
7.
Schluss mit dem Strukturchaos in der Familienpolitik! Steuervorteile nur für Familien mit Kindern unabhängig vom Trauschein, Grundsicherung für Kinder und kostenfreie Bildung und Betreuung!
8.
Keine Grabenkämpfe mehr zwischen verschiedenen Role-Models, hin zu einer solidarischen Gesellschaft!

Als geneigter Leser wünscht man sich, dass dieser beiden klugen Frauen, Mütter, Menschen, Kreativen mit ihren bestsellertauglichen Erkenntnissen eine große frische Welle über die Familien- und Personalpolitik ergießen.

Simone Wenderoth für www.lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Gesellschaftlicher Sprengstoff
»Beruflicher Erfolg macht glücklich« und »Die Zukunft ist weiblich«. So tönt es uns derzeit allerorten entgegen. Wer das nicht glauben mag, weil er gegen den alltäglichen Wahnsinn kämpft, den der Versuch, Familie und Beruf unter einen Hut zu kriegen, mit sich bringt, dem wird gerne mit einem Killerargument begegnet: »Das ist doch alles nur eine Frage der Organisation«. Susanne Garsoffky und Britta Sembach entlarven diese Sätze als die Lügen, die sie sind, und fordern mehr Ehrlichkeit bei diesem Thema – denn wir können aus der Vereinbarkeitsmisere wieder herausfinden.

Wer Familie und Beruf gleichzeitig leben will, zahlt einen Preis – und dieser Preis ist hoch. Auch wenn man uns immer weismachen will, dass wir beides haben können – Kinder und Karriere – und dass alles möglich ist, so haben doch fast alle von uns am eigenen Leib erfahren, dass das einfach nicht stimmt. Da hilft es auch nichts, wenn man uns vermeintliche Vorbilder von Victoria Beckham bis Ursula von der Leyen vor die Nase hält, denn wir sind halt nicht so, sondern ganz normal. Es gibt keine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, und das ist auch keine Frage der Organisation. Es gibt nur ein Nebeneinander. Strukturelle Probleme verlagern wir auf das Individuum und das kann auf Dauer nicht gutgehen. Susanne Garsoffky und Britta Sembach geht es nicht um individuelle Lebensentwürfe und weitere Selbstoptimierungsversuche, sondern um gesellschaftliche Solidarität. Sie zeigen, wie mögliche Lösungen für unsere Gesellschaft aussehen könnten.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung

Lüge Nummer 1: Ich arbeite, also bin ich
(Die Gesellschaft stolpert über ihre Ökonomisierung)

Lüge Nummer 2: Alles eine Frage der Organisation
(Wenn zwei voll arbeiten, weint dann der Dritte?)

Lüge Nummer 3: Der neue Mann, tut was er kann
(Außer montags bis freitags zwischen acht und zwanzig Uhr)

Lüge Nummer 4: Die Zukunft ist weiblich
(... und die Erde ist eine Scheibe)

Lüge Nummer 5: Anderswo ist alles besser
(Das Märchen vom skandinavischen Erfolgsmodell und dem französischen Schlaraffenland)

Wie wir leben wollen

Dank

Anmerkungen