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Das neue Wir
Warum Migration dazu gehört. Eine andere Geschichte der Deutschen
Jan Plamper
Fischer Taschenbuch Verlag
EAN: 9783103972832 (ISBN: 3-10-397283-0)
391 Seiten, 14 x 22cm, Februar, 2019
EUR 20,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
20 von 80 Millionen Menschen, die in der Bundesrepublik leben, sind Migranten. Der Historiker Jan Plamper erzählt ihre Geschichte - und damit eine andere Geschichte Deutschlands, in der alle vorkommen, die dazugehören: die schlesischen Vertriebenen, die "Gastarbeiter" und die DDR "Vertragsarbeiter", die Spätaussiedler und die Geflüchteten. Er bringt uns die Menschen nah, was sie erlebt haben, was sie sich wünschen, und wie sie hier angekommen sind.
Zusammen sind sie Deutschland, zusammen sind wir das neue Wir. Ein mitreißendes Plädoyer für ein neues, lebendiges Verständnis unserer Republik - gegen die Angst und gegen den Hass.
Rezension
WIR - ein integrativer Begriff! Daran dürfte keiner zweifeln.
Aber: wer oder was sind "WIR" Deutsche? Hieran dürften sich die Geister erheblich (unter-) scheiden!
Für ein neues Wir in "unserem Land", Deutschland, zu werben, das macht sich der Autor des Buches zur Aufgabe. Warum eigentlich ein neues Wir?
Als Historiker stellt er schnell klar: WIR Deutsche sind nicht nur diejenigen, die Flüchtlinge aufnehmen, WIR waren auch Auswanderer!
Und: es gab auch in dieser Richtung vergleichbare Schwierigkeiten, sich den neuen Bedingungen anzupassen. Nicht jeder mochte die Zuwanderer und stand ihnen skeptische gegenüber; auch sie wollten gerne in der Ferne "unter sich" leben.
Ein langer Prozess nahm Fahrt auf.
Hiervon erzählt Kapitel 1 und im darauffolgenden Kapitel geht es um die ersten Migranten: es handelte sich um die DPs (Displaced Persons), die Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Gebieten, die nun unter fremder Herrschaft standen und in denen die Deutschen nach Ansicht der neuen Herrscher nichts mehr zu suchen hatten.
Die beiden folgenden Kapitel stellen die Integration der "Gastarbeiter" in Westdeutschland (alte Bundesrepublik) dar und schildert zudem den langen Weg zur Erkenntnis, dass Deutschland eben doch ein Einwanderungsland ist. Ging man zunächst davon aus, dass die Gastarbeiter nach einigen Jahren wieder zurück in ihr Herkunftsland, ihre alte Heimat kehren würden (dies wurde sozusagen vorausgesetzt), ergab es sich aber bei einer großen Zahl, dass sie in Deutschland bleiben wollten und hier Wurzeln geschlagen haben.
Auch die Darstellung der Arbeitsmigration der ehemaligen DDR findet Platz in dem vorliegenden Werk. Weit weniger an der Zahl als im Westen, wurden sie mit noch größerer Skepsis beäugt und wurden von den Bürgern der DDR bewusst separiert. Chancen zur Integration: Fehlanzeige!
Großen Raum nimmt das Thema "Asyl" ein. Wie umgehen mit der enormen Zahl an Flüchtlingen? Wie lassen sich Unterschiede in der Herangehensweise an das Thema Migration, insbesondere nach dem Jahr 2015, erklären? Diesen und andern Fragen widmet sich der Autor aus seiner Perspektive im Kapitel 5.
Die Themen "Spätaussiedler" und Rückkehrer jüdischer Glaubensgemeinschaft in die neue Bundesrepublik werden ebenfalls eingehend beleuchtet, bevor Jan Plamper kritische Worte zum Thema "Willkommenskultur" äußert und die Haltung der Vertreter aus dem rechten Spektrum "aufs Korn" nimmt.
Mein Fazit:
Das Buch von Jan Plamper greift einen Dauerbrenner auf, der sich seit 2015 durch den massenhaften Zustrom von Flüchtlingen verschärft ins Rampenlicht gerückt hat bzw. durch die Medien gerückt wurde. Der Umgang mit diesem Thema zeigt, wie gespalten die Nation auf dies sensible Thema reagiert. Rechtsextreme Gewalt und ein klarer Aufwind für rechtspopulistische Kräfte sind ein deutlich sichtbares Signal auf der einen Seite. Viele Millionen Helfer, die sich in den Dienst der Flüchtlingshilfe stellen, sind ein starkes Signal auf der anderen Seite.
Der Autor beleuchtet das Thema aus verschiedenen Perspektiven und erinnert gekonnt daran, dass auch Deutsche das Schicksal der Auswanderer und Flüchtlinge in der Historie Deutschlands teilen mussten. Ein oft vergessener Aspekt in den aktuellen Diskussionen. Wer glaubt, mit rigiden Massnahmen die Uhren zurückstellen zu können, täuscht sich aber: das neue Wir hat bereits begonnen. Viele "Plusdeutsche", also Menschen mit Migrationshintergrund und deutschem Pass haben schon längst ihre Wurzeln in Deutschland geschlagen und sind ein wichtiger Teil der deutschen Bevölkerung und überdies aus den verschiedensten Gründen aus dem Hier und heute nicht mehr wegzudenken!
Mit diesem Buch hat Jan Plamper einen "Wach- bzw. Aufrüttler" zur rechten Zeit verfasst. Im Kern wird ihm der größte Teil "der Deutschen" ohne weiteres zustimmen können, selbst wenn man den politischen Schlussfolgerungen des Autoren vielleicht nicht immer folgen mag!
Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Es ist an der Zeit, die Einwanderung nach Deutschland neu zu erzählen – als Teil der deutschen Geschichte nach 1945 und als Erfolgsgeschichte. Denn Deutschland ist längst ein Einwanderungsland wie die USA oder Kanada. Der Historiker Jan Plamper verwebt die Geschichten der schlesischen Vertriebenen, der »Gastarbeiter« aus Italien und der Türkei, der DDR-»Vertragsarbeiter« aus Mosambik und Vietnam, der Aussiedler aus der Sowjetunion und der Flüchtlinge aus vielen weiteren Ländern zu einer anderen Geschichte der Migration.
Jan Plamper schreibt bewusst nicht über »Ströme« und nur wenig über Zahlen, er erzählt von den Menschen, den Dazugekommenen und Alteingesessenen. Die Migranten und ihre Kinder und Enkel haben Deutschland seit 1945 wesentlich mitgeprägt, ob als Handwerker und Einzelhändlerinnen, als Anwälte und Ärztinnen oder als Prominente in Literatur und Pop, im Fernsehen oder in der Politik.
Mit ihren Geschichten und ihrer Geschichte bringt Jan Plamper eine historische Perspektive in die Debatte über das Verständnis von Nation und Identität, über eine lebendige Kultur und gemeinsame Werte. Er zeigt: Migration war und ist immer eine Herausforderung, und doch ist sie bei uns eine erstaunliche Geschichte von Integration und Öffnung, von einem nicht immer einfachen, doch bereichernden Miteinander.
Jan Plamper, geboren 1970, lebte viele Jahre in den USA und Russland und pendelt heute zwischen Berlin und London, wo er als Professor für Geschichte am Goldsmiths College lehrt. Seine Bücher »Geschichte und Gefühl: Grundlagen der Emotionsgeschichte« und »The Stalin Cult: A Study in the Alchemy of Power« erhielten ein breites Presseecho und wurden in mehrere Sprachen übersetzt.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Kapitel 1
Jeder ist Migrant, fast überall, fast immer – besonders die Deutschen 21
1945 52
Kapitel 2
Zwölfeinhalb Millionen in sechs Jahren 66
Kapitel 3
Arbeitsmigration westdeutsch 89
Kapitel 4
Arbeitsmigration ostdeutsch 126
Kapitel 5
Asyl 159
1989 192
Kapitel 6
Dort Deutsche, hier Russen 205
Kapitel 7
Germanija jüdisch 237
Kapitel 8
Willkommenskultur 270
Das neue Wir 318
Nachwort 331
Anhang
Daten und Fakten 335
Dank 343
Anmerkungen 345
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