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Angelockt und fortgetrieben

 
Wochenschau Geschichte - aus erster Hand 3/1998 - Angelockt und fortgetrieben

Wochenschau Geschichte - aus erster Hand 3/1998

Angelockt und fortgetrieben

Migration in der Neuzeit



 
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ISSN 1435-9820

1998
50 Seiten, geheftet, 20 x 27 cm
 
8.20 Euro
 

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Angelockt und fortgetrieben
Migration in der Neuzeit


Grenzen dicht!": Mit dieser Formel könnte man die Stimmung zusammenfassen, die in der aktuellen Diskussion in der Bundesrepublik über Ausländer vorherrscht. 7,4 Millionen Ausländer leben gegenwärtig in der Bundesrepublik. Die technologische Abschottung der Grenzen durch Nachtsicht- und Infrarotgeräte, durch das übrige elektronische Rüstzeug sowie durch die Schleierfahndung hinter den Grenzen machen diese noch dichter als frühere, die durch Schlagbäume gesichert waren. Eine Einwanderungsgesetzgebung gibt es nicht. Vielmehr verhindert eine Ausländergesetzgebung die Integration derjenigen, die oft schon seit Jahrzehnten hier leben, und derjenigen, die in Deutschland geboren sind.
Migration als aktuelles politisches Problem kann nicht ethisch und psychologisch verkürzt werden. Lange war dies ein Thema, das lediglich aus sozialpsychologischer Sicht betrachtet wurde. Die „Gastarbeiterfrage" war ein Modellfall für „Vorurteile", und das Problem wurde gern in der „Woche der Brüderlichkeit" behandelt. Aus dieser Verengung ist das Problem durch rassistische Tendenzen herausgetreten, die das Verhalten gegenüber Migranten immer häufiger bestimmen.
Migration ist kein neues Phänomen. Gleichwohl will es die aktuelle Diskussion so sehen. Der Blick in die Vergangenheit zeigt, daß Auswanderung wie Einwanderung aus politischen, religiösen und wirtschaftlichen Motiven der Normalfall in der Geschichte war. Neu ist jetzt allerdings die Wahrnehmung des Migrationsproblems. Die Demokraten der 48er Revolution zogen aus politischen Günden fort oder wurden abgeschoben. Die Bauern aus Hessen und Württemberg zogen aus Landnot und wegen des Steuerdrucks nach Rußland. Die Millionen Deutsche, die im 19. Jahrhundert nach Amerika auswanderten, waren zum größten Teil Wirtschaftsflüchtlinge - ein Begriff, der in der gegenwärtigen bundesrepublikanischen Debatte denunziatorisch gebraucht wird. Die Waldenser, Hugenotten, böhmischen Brüder und Salzburger Protestanten zogen aus religiösen Gründen in deutsche Territorialstaaten wie Hessen und Brandenburg. Das militaristische Preußen schuf das multikonfessionelle Toleranzmodell, dem andere Staaten folgten.
Migration als Wanderung von Menschen über Grenzen war stets eine Erscheinung von materieller Not, religiöser Unduldsamkeit und politischer Unterdrückung. Sie war stets mit struktureller und manifester Gewalt verbunden. Eine noch massivere Art der Gewaltanwendung war der Sklavenhandel im 18. und beginnenden 19. Jahrhundert. Millionen Schwarzafrikaner wurden aus Afrika nach Amerika verschleppt, ein Vorgang, der als Zwangsmigration zu bezeichnen ist. Dies trifft auch auf die Millionen Fremdarbeiter zu, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft als Zwangsarbeiter in deutschen Rüstungbetrieben arbeiten mußten. Von den Überlebenden kamen viele nicht mehr in ihre Heimat zurück.
Migration ist nicht allein eine Wanderung von Menschen über Gren-
zen, sondern auch eine Wanderung von Grenzen über die Menschen hinweg. Politische Gebietsveränderungen versetzten Menschen in die Rolle von Einwanderern, obwohl sie gar nicht ausgewandert waren. So schufen die Teilungen Polens im 18. Jahrhundert und die Grenzziehungen des Versailler Vertrages ebenso wie die Grenzveränderungen nach dem Potsdamer Abkommen Ausländer. Mentalitäts- und alltagsgeschichtlich gesehen ist auch die Vereinigung der beiden deutschen Staaten für die eine Hälfte als ein solches Wandern von Grenzen anzusehen.
Migration ist ein universelles und ubiquitäres Problem. Das vorliegende Heft kann deshalb nicht alle Migrationsgruppen durch Quellen aus erster Hand darstellen. Die Waldenser bleiben ebenso unerwähnt wie die Einwanderer nach Palästina, die Flüchtlinge von Indien nach Pakistan und zurück oder die Einwanderer aus Indien nach Südafrika. Das Heft ist in diesem Punkt europazentriert, weil es sich um die Geschichte und politischen Probleme unserer Schülerinnen und Schüler handelt.
Migration ist didaktisch gesehen ein epochentypisches Schlüsselproblem. Es macht Gegenwartsbezüge deutlich, es zeigt historisch-politische Sachverhalte der Gegenwart in historischer Perspektive, entdramatisiert die in der BRD ablaufenden Prozesse und macht im historischen Rückblick einen aktuellen Rassismus deutlich, der sich als Besorgnis für die deutsche Bevölkerung tarnt.
Hans-Jürgen Pandel

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Hans-Jürgen Pandel:
Angelockt und fortgetrieben. Migration in der Neuzeit ............ 3

Migration heute: „Ausländer raus?" ........................... 4

Glaubensflüchtlinge....................................... 5
Die Hugenotten....................................... 5
Die Salzburger........................................ 8
Die Böhmischen Brüder.................................10

Amerika ................................................11
Fortgetrieben .........................................11
Die Überfahrt .........................................13
In Amerika ...........................................16
Die 48er.............................................19
„Einwanderung unerwünscht"............................21
Rückkehrer...........................................23
Zwangsmigration: Sklavenhandel .........................25

Rußlanddeutsche.........................................28
Der Erlaß der Zarin.....................................28
Die erste Generation ...................................30
Auslandsdeutsche .....................................32
Vertreibung und Aussiedlung.............................35

Binnenwanderung ........................................37
Vom Land in die Stadt..................................37
Industrierevier ........................................39

Deportation, Flucht und Vertreibung ..........................42

Einwanderung nach Deutschland ............................45
Kein Einwanderungsland, aber viele Einwanderer.............45
Die Kinder ...........................................48

Quellen und Literatur......................................50
Impressum..............................................50