lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Brennpunkt Westafrika Die Fluchtursachen und was Europa tun sollte
Brennpunkt Westafrika
Die Fluchtursachen und was Europa tun sollte




Olaf Bernau

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406782466 (ISBN: 3-406-78246-9)
317 Seiten, paperback, 12 x 19cm, März, 2022, 2 Karten

EUR 18,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
WARUM MENSCHEN AUFBRECHEN - UND WAS DIE WESTAFRIKANISCHE DAUERKRISE MIT EUROPA ZU TUN HAT

Die Bekämpfung von Fluchtursachen ist in Europa spätestens seit 2015 zu einer Art Mantra avanciert. Viele Politiker:innen versprechen sich davon eine deutliche Reduzierung der Ankunftszahlen afrikanischer Migrant:innen, auch in Verbindung mit einer immer stärkeren Überwachung der EU-Außengrenzen. Der Soziologe und Menschenrechtsaktivist Olaf Bernau widerspricht dieser verbreiteten Perspektive in seinem Buch vehement. Er zeigt, warum Menschen in Westafrika aufbrechen - und was die Dauerkrise dieser Region mit Europa zu tun hat. Dabei kommt auch das koloniale Erbe ausführlich zur Sprache.

Das grundlegende Buch zur Debatte um Fluchtursachen und EU-Migrationspolitik

Ein detaillierter Blick auf die wichtigste Herkunftsregion von Migrant:innen aus Afrika

Die Darstellung stützt sich maßgeblich auf afrikanische Stimmen

Vom Sahel bis zum Atlantik - wie eine Region in der Dauerkrise versinkt

Sklaverei und Kolonialismus haben Auswirkungen bis heute.

Olaf Bernau ist Soziologe. Er hält sich jedes Jahr mehrere Wochen in Westafrika auf, wo er im Rahmen eines transnationalen Netzwerks mit Migrant:innen, bäuerlichen Gemeinschaften und Menschenrechtsgruppen zusammenarbeitet. Er veröffentlicht und bloggt insbesondere zum Sahel.
Rezension
Jetzt im März 2022 schaut die deutsche Öffentlichkeit zurecht auf den barbarischen Angriffskrieg Putins, des Diktators Russlands, auf die Ukraine und erlebt die größte europäische Flüchtlingsbewegung nach dem 2. Weltkrieg. Flucht und Vertreibung vor unserer Haustür rücken das Thema Flucht wieder in den Blick. Afrika hingegen erscheint weit entfernt, Flüchtlingsströme und ihre Ursachen werden nur bedingt in Europa wahrgenommen. Der Autor dieses Buchs plädiert dafür, die afrikanisch-europäischen Beziehungen neu zu denken und Fluchtursachen tiefgründiger zu erfassen; denn auch milliardenschwere Programme zur Fluchtursachenbekämpfung unterschätzen bislang das tatsächliche Ausmaß der Vielfachkrise in Westafrika. Der Autor beleuchtet die gesamte Palette von Fluchtursachen: den ungerechten Welthandel, die Verschuldungspolitik, die schlechte Regierungsführung, die Vernachlässigung der Landbevölkerung, den Klimawandel, die Gewalteskalation im Sahel und vieles mehr.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagwörter:
Flucht, Fluchtursachen, Gewalteskalation, Klimawandel, Kolonialismus, Menschenrechte, Migration, Migrationsrouten, Sahel, Welthandel, Westafrika

Der Soziologe und Menschenrechtsaktivist Olaf Bernau zeigt am Beispiel Westafrikas, dass Migration eine ökonomisch wie kulturell seit Jahrhunderten tief verankerte Alltagspraxis darstellt. Sie zu
stoppen ist unmöglich, davon zeugen immer neue Tragödien auf den Flucht- und Migrationsrouten. Milliardenschwere Programme zur Fluchtursachenbekämpfung unterschätzen zudem das tatsächliche Ausmaß der Vielfachkrise in Westafrika. Sklaverei und Kolonialismus haben ökonomische und politische Tiefenstrukturen hervorgebracht, die bis heute eine eigenständige Entwicklung der westafrikanischen Länder massiv erschweren. Auf dieser Grundlage beleuchtet Bernau in seinem Buch die gesamte Palette von Fluchtursachen: den ungerechten Welthandel, die Verschuldungspolitik, die schlechte Regierungsführung, die Vernachlässigung der Landbevölkerung, den Klimawandel, die Gewalteskalation im Sahel und vieles mehr. Der Autor greift dabei auf wissenschaftliche, journalistische und literaische Quellen ebenso wie auf die eigene Erfahrung zurück. Seine Vorschläge für eine grundlegende Neuordnung der Beziehungen zwischen Westafrika und Europa beruhen auf einer seit den 1990er Jahren erworbenen Expertise.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Afrikanisch-Europäische Beziehungen neu denken 9

Weshalb Fluchtursachen 2015 ins Rampenlicht rückten 9
Fokussierung auf Westafrika als dekoloniale Strategie 13
Ländliche und urbane Alltagsrealitäten 16
Widersprüche innerhalb der EU-Migrationspolitik 19
Leerstellen im europäischen Afrikadiskurs 24
Ambivalente Aussichten trotz «Y’en a marre»-Protesten 31
Zum Sprechort des Autors 34
Zum Aufbau des Buches 36

1. Europäische Afrika-Mythen 38

Wie Mythen Interessengegensätze unsichtbar machen 38
Mythos «geistige Unbeweglichkeit» 40
Mythos «schlechte Regierungsführung» 43
Mythos «Stammeskonflikte» 45
Mythos «finsteres Patriarchat» 49
Externe und interne Krisen verknüpfen 53

2. Westafrika: Mehr als ein geographischer Raum 54

Historische Zusammenhänge in den Blick nehmen 54
Viehwirtschaft im Sahel. Welche Rolle die Fulbe spielen 55
Lagos: Zwischen Moloch und Laboratorium des Wandels 59
Ökonomische und politische Dominanz der Küstenregionen 62
Transsahara-Handel, Großreiche und religiöse Vielfalt 65
Zu den Ursprüngen des westafrikanischen Dschihadismus 69
Atlantischer Sklavenhandel und Weltmarktintegration 72
Der Niger-Strom als zentrale Lebensader Westafrikas 74
Soziale Spaltungen und Regierungsversagen 77
Nationale Ausdifferenzierungen trotz regionalem Fokus 79

3. Von der zirkulären Mobilität zur Fernmigration 81

Mobiles Grundrauschen im Alltag 81
Historische Quellen der zirkulären Mobilität 83
Zirkuläre Mobilität als Überlebensstrategie 89
Junge Frauen als Hausangestellte in der Stadt 97
Wechselseitige Abhängigkeit von Stadt und Land 99
Verstärkte Migration nach Europa seit den 1980er Jahren 104
Warum Migrant:innen nach Europa aufbrechen 109
Von der Rumsitzerei zur Perspektivlosigkeit 116
Zwischen Zwangslage und eigenständiger Entscheidung 119

4. Weshalb die EU-Migrationspolitik scheitern muss 123

Die marokkanisch-spanische Grenze als Brennspiegel 123
Zur Anatomie europäischer Abschottungspolitik (1980–2021) 125
Wie Abschottung die Länder Westafrikas destabilisiert 135

5. Kontinuitäten und Diskontinuitäten 144

Für ein historisch fundiertes Fluchtursachenverständnis 144
Dauerkrise als Fluchtursache. Das Beispiel Guinea 145
Korruption: Weshalb generelle Erklärungen zu kurz greifen 149
China und die Proteste gegen den Franc CFA 152
Zur Bedeutung von Black Lives Matter für Westafrika 159

6. Ökonomische Zeitreisen 161

Vom Getreidestampfen zur aktuellen Wirtschaftslage 161
Was wir vom Panafrikanisten Walter Rodney lernen können 164
Imperialer Handel und Verdrängung der Stoffmanufaktur 168
Geschichte des atlantischen Sklavenhandels 171
Atlantischer Sklavenhandel als Entwicklungsblockade 173
Europas Industrialisierung als Kehrseite der Medaille 177
Zur kolonialen Eroberung Westafrikas im 19. Jahrhundert 181
Ökonomische Weichenstellungen im Kolonialismus 184

7. Politische Zeitreisen 192

Schlaglichter staatlichen Handelns im 21. Jahrhundert 192
Koloniale Manipulationen und ihre Folgen 195
Nigeria I: Von der politischen Ethnizität zum Biafra-Krieg 202
Nigeria II: Soziale Konflikte im ethnisch-religiösen Gewande 209
Frantz Fanon: Dezentralisierung als Entwicklungsstrategie 215
Wie die Hauptstädte die Landbevölkerung entrechten 218
Der Territorialstaat als uneingelöstes Versprechen 223
Zur politisch-mentalen Verfasstheit der Unabhängigkeitseliten 225

8. Fluchtursachen: Zwischenbilanz und Ausblick 236

Fachkommission Fluchtursachen der Bundesregierung 236
Programmatische Eckpunkte zur Analyse von Fluchtursachen 238

9. Wie die Unabhängigkeitseuphorie verblasste 244

Entkolonialisierung als Welterschließung 244
Von der Françafrique zur Fassadendemokratie 248
Desillusionierung und religiöser Fundamentalismus 255

10. Ökonomische Blockaden 259

Importsubstituierende Entwicklung als Gegenmodell 259
Von der Schuldenpolitik des IWF zur Deindustrialisierung 262
Über Rohstoffpreise, Handelspolitik und Kapitalflucht 267

11. Zwischen Agrarindustrie und Klimakrise 270
Landwirtschaft im Spiegel gesellschaftlicher Debatten 270
Grüne Revolution in Afrika versus Agrarökologie 272
Mit Aufforstung gegen die Klimakrise 277

12. Gewalteskalation im Sahel 280

Von der Vielfachkrise zum Flächenbrand 280
Wie Dschihadisten lokale Konflikte instrumentalisieren 283
Zur Widersprüchlichkeit militärischer Maßnahmen 287
Lokale Dialog- und Versöhnungsinitiativen 292

13. Was Europa Westafrika schuldet 293

Westafrikas Wandel zum Brennpunkt 293
Welche prinzipiellen Schlüsse Europa ziehen sollte 294
Konkrete Schritte – ein erstes 10-Punkte-Programm 300

Danksagung 304
Anmerkungen 307
Auswahlliteratur 314