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Authentisches Bild und authentisierende Form
Volker Wortmann
Herbert von Halem Verlag
EAN: 9783931606619 (ISBN: 3-931606-61-9)
287 Seiten, kartoniert, 14 x 21cm, 2003
EUR 25,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Eine problemgeschichtliche Studie und implizit eine Aufforderung, Mediengeschichtsschreibung zu überdenken - konsequent diskursgeschichtlich. Es geht um mediale Authentizität, die der Bildmedien, um einen Gegenstand, von dem nicht wenige annehmen, er lasse sich, ein griffiges medientheoretisches Klassifikationsschema vorausgesetzt, so leicht abhandeln wie erledigen. So kann mediale Authentizität einer evolutionstheoretischen, auf die Evolution der Medientechnologie perspektivierten Medienwissenschaft kaum als relevanter Gegenstand erscheinen; eher als Restposten, medienontologisches Phantasma.
War Authentizität nicht ein Steckenpferd der inzwischen obsoleten Filmtheorie und Filmgeschichtsschreibung, die das Fiktionale dem Nichtfiktionalen dichotomisch gegenüberstellte und partout den nichtfiktionalen bzw. dokumentarischen Filmformaten besonderen Wahrheitsstatus, Substanz bzw. eben Authentizität zuzuschreiben versuchte? Eine Geschichte also von gestern. Wortmann widerspricht nicht, liest sie aber neu: im Kontext viel älterer Texte, Anekdoten, Legenden, Legendisierungen der Bild-Authentizität. Und die Resultate sind oft frappierend.
(Aus dem Vorwort von Jan Berg)
Volker Wortmann Jg. 1965, Studium der ‚Kulturwissenschaften’ an der Universität Hildesheim, danach freier Mitarbeiter am Landesmuseum für Kunst- und Kulturgeschichte Oldenburg, von 1995-1998 Stipendiat der DFG im Graduiertenkolleg ‚Authentizität als Darstellungsform’, zur Zeit Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Audiovisuelle Medien der Universität Hildesheim
Rezension
Wir haben es (nicht nur in den Irak-Kriegen) erlebt: Lügen die Bilder? Ist „das authentische Bild am Ende – digital?“ (so fragt der Verfasser in seinem Resümee. Hat das dokumentarische Filmformat ausgelebt – digital? Hat der Gegensatz von Fiktionalem und Nichtfiktionalem je existiert? Gibt es überhaupt authentische Bilder? Gibt es überhaupt Wahrheit, Substanz und Authentizität in Bildern? – Diesen und weiteren Fragen stellt sich dieses Buch angesichts digitaler Manipulierbarkeit von Bildern heute. Es handelt sich also um eine grundlegendes Problem in der Postmoderne: Wahrheit und Konstruktion von Wahrheit. Entsprechend anspruchsvoll ist das Buch. Authentizität gibt es heute nur mehr zwischen Realität und Medialität. Können wir den Medien glauben? Wortmanns Kernthese lautet: „Authentische Darstellung ist – anders als es uns das Ideal glauben machen will – keine substanzielle Eigenschaft eines präferierten Mediums, sondern vor allem ästhetisches Format …“ (13).
Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der Authentizitätsanspruch dokumentarischer Medialisierungen, der bis weit in das zwanzigste Jahrhundert hinein untrennbar mit den substanziellen Eigenschaften der analogen Bildmedien wie Fotografie, Film und Fernsehen verbunden war, ist mittlerweile weithin diskreditiert; für Medien digitaler Technik scheint er sogar ganz obsolet. Die Authentizität eines Bildes, das darstellungsfrei allen Darstellungszwängen zu entgehen versucht und dabei verspricht, Realität unberührt und unmittelbar zu visualisieren, sie ist vor allem Authentizitätseindruck: Effekt von Vermittlung und Ästhetizität. Gleichwohl kennt die Kulturgeschichte ein ganzes Arsenal an Zeugnissen, die eben dieses uneinlösbare Versprechen authentischer Darstellung anvisieren und damit ein kulturelles Handlungsmuster zu erkennen geben, dessen Dynamik sich aus einem grundlegenden kommunikativen Bedürfnis abzuleiten scheint.
Die Arbeit untersucht die verschiedenen Strategien der Authentisierung in den Bildmedien jenseits der ontologisierenden und historiographischen Mediengrenzen als kulturhistorisches Phänomen: Dokumentarische Authentizität in Fotografie und Film. Sie hat eine Vor- und Frühgeschichte, die mit ihren Strategien und Handlungsmustern über die Demarkationslinie der genuinen Mediengeschichte hinausweist. Tatsächlich finden sich entsprechende Strategien in der Bildgeschichte schon von dem Zeitpunkt an, an dem die Darstellungstransparenz eines Bildes erstmals prinzipiell in Zweifel gezogen wird und Authentisierung als apologetischer Reflex erscheinen kann – denn das authentische ist das sublime Bild. Die Spuren dieser charakteristischen Problemfigur lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen: Man findet sie im Kontext spätantiker und mittelalterlicher Kultbilder ebenso wie in der Renaissancemalerei, in der programmatischen Thematisierung und Theoretisierung von Camera Obscura und Fotografie, sowie von Film und Fernsehen.
Inhaltsverzeichnis
VORWORT 9
EINLEITUNG 11
1. LEGENDEN AUTHENTISCHER DARSTELLUNG 18
1.1 Das authentische Bild - eine erste Annäherung: Protogenes und sein wunderbar gemalter Hund 18
1.2 >Nicht von Menschenhände Acheiropoieten-Legenden 25
1.2.1 Christliche Apologetik und heidnisch-antike Bildpraxis 25
1.2.2 Ein erstes Modell authentischer Darstellung: Die Abgarlegende der Spätantike 29
1.2.3 Byzantinische Importikonen und importiertes Bildverständnis: Die >vera-icona< des lateinischen Mittelalters als Bild und Reliquie 38
1.3 Der Maler als transparentes Medium 45
1.3.1 Lukas und Nikodemus: Legenden heiliger Maler 46
1.3.2 Die Askese des Malers als Zeichen medialer Transparenz 52
1.3.3 Das Motiv heiliger Maler in den Künstlerviten 55
1.4 Der Renaissancemaler und die Transformation tradierter Authentizitätskonzepte 63
1.4.1 Der Renaissancekünstler als >alter deus< 66
1.4.2 Der Maler als Fundstück - zum Topos der Berufungslegende 71
1.4.3 Das Bild als Fundstück - zur Immanentisierung der Transzendenz und Transzendierung der Natur 74
1.5 Zusammenfassung: Drei Authentisierungsmodelle bildender Kunst 79
2. STILLOSIGKEIT ALS STILISIERTES AUTHENTIZITÄTSSIGNUM 83
2.1 Das authentische Bild - eine zweite Annäherung: Stil und Stillosigkeit 83
2.2 Stillosigkeit als literarische Authentisierungsstrategie der christlichen Spätantike 90
2.2.1 Bildung als innere Gefährdung 92
2.2.2 Rhetorische Kultur und asketische Opposition 98
2.2.3 Die Martins Schriften des Sulpicius Severus 103
2.2.4 Nachtrag 105
2.3 Mediale Konstellationen der Aufrichtigkeit 109
2.3.1 Zwei Reiseberichte der Neuzeit 109
2.3.2 Aufrichtigkeits-und Authentizitätssehnsucht im achtzehnten Jahrhundert 114
2.4 Zusammenfassung: Das kommunikative Versprechen stilloser Darstellung 119
3. DIE BEHARRLICHE LEIDENSCHAFTSLOSIGKEIT DER MECHANIK 124
3.1 Das authentische Bild - eine dritte Annäherung: Die >Camera obscura< und das Authentizitätsversprechen technisch-asketischer Bildentstehung 124
3.1.1 Skeptische Anthropologie und emphatische Technik-Utopie: Der mediale Blick ins Paradies 125
3.1.2 Vonder >Cameraobscura< zur Photographie: die Wieder-Entdeckung des authentischen Bildes in der Moderne 130
3.2 Die Adaption tradierter Authentisierungsmuster in technischen Termini 135
3.2.1 Photographie als kunstloses Medium 137
3.2.2 Photographie und acheiropoietisches Abbildversprechen 143
3.2.3 Der unwillkürliche Ausdruck als authentisierender Aspekt photographischer Darstellung 148
3.3 Zusammenfassung: Das photographische Abbild und seine medienontologische Authentizitätsapologetik 155
4. DIE LEGENDISIERUNG DEs KINEMATOGRAPHISCHEN BILDES 158
4.1 Kinematographie und die sukzessive Ausformulierung authentisierender Strategien 158
4.1.1 Dokumentarfilm und dokumentarische Authentizität - eine historische Differenzierung 161
4.1.2 Das authentische Bild im Kontext propagandistischer Argumentation 167
4.1.3 The Battle of the Somme - der >Schrecken des Krieges< als ästhetische Differenzerfahrung 172
4.1.4 >Non-preconception<: Die Dokumentarfilmlegende Robert Flahertys 177
4.2 Dokumentarische Authentizität als Subversion: Formen programmatischer Differenzierung 184
4.2.1 Programmatische Anti-Ästhetik und authentisches Bild: Dziga Vertovjohn Grierson und Richard Leacock 184
4.2.2 Technikemphase und Darstellungsaskese: Authentisierende Stilverweigerung im >direct cinema< 193
4.2.3 Krisenstruktur und Enthüllungslogik: authentisierende Sujetinteressen im >direct cinema< 199
4.3 Die inszenierte Transparenz der Dokumentarfilmautoren 203
4.3.1 Authentizitätsskepsis und die Ausformulierung rflexiver Darstellungsformen 203
4.3.2 Selbstreßexivität als authentisierendes Transparenzsignal: Wim Wenders
Nick's Film: Lightning over Water< 208
4.4 Zusammenfassung: Strategien dokumentarischer Authentizität im Film 215
RESÜMEE: DAS AUTHENTISCHE BILD AM ENDE - DIGITAL? 219
Anmerkungen 226
Literatur 254
Index 282
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