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Auf den Gleisen
Roman
Inga Machel
Rowohlt
EAN: 9783498003425 (ISBN: 3-498-00342-9)
160 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, Januar, 2024
EUR 22,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
"Auf den Gleisen" von Inga Machel ist ein stiller, aber eindringlicher Roman, der sich auf wenigen Seiten mit einer ganzen Welt an Gefühlen auseinandersetzt. Beim Lesen bleibt man unweigerlich hängen – an den Gedanken der Ich-Erzählerin, an der beklemmenden Atmosphäre, an der bedrückenden Stille, die zwischen den Zeilen herrscht. Der Text nähert sich einem schwierigen Thema mit großer Sensibilität: dem Umgang mit Verlust, Schuld und der Frage, was es heißt, weiterzuleben.
Was "Auf den Gleisen" besonders macht, ist die dichte Sprache, die oft mehr andeutet als ausspricht. Die Handlung bleibt reduziert, fast karg – und gerade darin liegt ihre Kraft. Machel verzichtet auf plakative Bilder oder erzieherische Kommentare. Stattdessen lässt sie Raum für Interpretation und eigene Deutung. Das ist berührend, aber auch herausfordernd – besonders für jüngere Leserinnen und Leser.
Für den Schulunterricht eignet sich "Auf den Gleisen" daher nur bedingt. In höheren Jahrgangsstufen, zum Beispiel in der gymnasialen Oberstufe, kann der Text ein intensiver Ausgangspunkt für Gespräche über Tod, Trauer, psychische Belastungen und zwischenmenschliche Verantwortung sein. Voraussetzung ist allerdings ein geschützter Rahmen, in dem über persönliche Erfahrungen und schwierige Themen achtsam gesprochen werden kann. Ohne ein solches Setting könnte die Lektüre überfordern – gerade weil der Text wenig erklärt, sondern vieles offen lässt.
Didaktisch gesehen eröffnet "Auf den Gleisen" interessante Zugänge: Die klare Sprache eignet sich für textnahe Analysen, die Leerstellen bieten sich für kreative Zugänge wie Tagebucheinträge oder Perspektivwechsel an. Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob der Text in seiner Komplexität wirklich für eine breite Lerngruppe zugänglich ist oder ob er nicht besser in einer Arbeitsgemeinschaft oder Projektgruppe behandelt werden sollte.
Insgesamt ist "Auf den Gleisen" ein starkes, stilles Werk, das nachwirkt. Für den Schulunterricht braucht es jedoch eine bewusste Auswahl, eine sensible Begleitung – und die Bereitschaft, sich auf die leisen Töne einzulassen.
Verlagsinfo
Ein Sohn verliert seinen Vater, dann sich selbst - und findet beides wieder auf den Straßen Berlins. Radikal und voller Schönheit erzählt Inga Machel in ihrem ersten Roman vom tiefen Verlangen nach Nähe und Beziehung, vom Scheitern, von Schmerz, Wut und Trauer und von der Suche nach einem Weg ins Leben.
Vor zehn Jahren verlor Mario, damals Mitte zwanzig, seinen Vater. Ein einzelner Winterstiefel lag auf den Gleisen einer ICE-Strecke, mehr blieb nicht von ihm. Seit fünf Jahren kämpft Mario bereits selbst ums Überleben, als er in einer Zufallsbegegnung mitten in Berlin seinen Vater zu erkennen glaubt. Er nennt den Mann P. und wird von nun an dessen stiller, täglicher Begleiter. P., der heroinabhängig am Rand der Gesellschaft seinen ganz eigenen Lebenskampf austrägt, wird für Mario zum Stellvertreter, um das Trauma der gescheiterten Beziehung zum Vater, die Erinnerungen an die Kindheit in der brandenburgischen Provinz und das Fehlen von bedingungsloser Liebe und Sicherheit endlich verarbeiten zu können. Satz für Satz entwickelt sich ein beinahe märchenartiges Kammerspiel, in dem Raum und Zeit, Vergangenheit und Zukunft, Rationalität und Gefühle ineinanderfließen bei dem Versuch, dem sinnlos Erscheinenden einen Sinn abzutrotzen.
Inga Machel ist ein sprachmächtiges, kluges Debüt gelungen über eine kaum in Worte zu fassende Trauer und über die Frage, wie ein Mensch leben will und was er braucht, um es zu können. |
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