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Am Scheideweg Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump
Am Scheideweg
Amerikas Christen und die Demokratie vor und nach Trump




Philip Gorski

Herder Verlag
EAN: 9783451388903 (ISBN: 3-451-38890-1)
224 Seiten, hardcover, 12 x 20cm, Juli, 2020

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Christentum und Demokratie – für den größten Teil der amerikanischen Geschichte handelte es sich hierbei um eine komplementäre Beziehung. Doch die Wahl von Donald Trump und die Rolle, die Evangelikale darin gespielt haben, legt nahe, dass sich beider Wege nun trennen. Gibt es Hoffnung?



"Es ist ein Glücksfall, dass sich einer der führenden Religionssoziologen im vrliegenden Buch dieser Frage zuwendet." (Hans Joas im Vorwort)
Rezension
Nein - kein neues Buch über Trump!
Darauf verweist der Autor gleich zu Beginn des vorliegenden Buches, auch wenn der US-amerikanische Präsident hier und da im Fokus steht. Und er tut dies zurecht. Das vorliegende Buch von Philip Gorski, Professor für Soziologie (mit einem Schwerpunkt auf Religionssoziologie) an der namhaften Yale-Universität, beleuchtet das politische Streben und Verhalten der amerikanischen Christen. Mittelpunkt der Betrachtungen sind die sog. "Evangelikalen", die in den USA eine bedeutende Rolle innerhalb der christlichen Kirchen spielen (um das Wort "dominieren" an dieser Stelle einmal zu vermeiden).

Die beiden ersten Kapitel befassen sich mit dem Verhältnis, besser gesagt der "Passfähigkeit" von Christentum als Reliogion und Demokratie als Staatsform. Wie christlich ist die Demokratie und wie demokratisch ist das Christentum - das sind die beiden Fragestellungen, denen Gorski auf die Spur geht.
Im Verlaufe des Buches erhält der Leser einen Überblick und einen Eindruck über die verschiedenen Ausprägungen und Entwicklungen der US-amerikanischen Kirchen. Interessante Einblicke, verhält es sich in Europa doch ganz anders. Vergleiche sind daher in der Tat schwer, aber auch hier erhält der Leser immer wieder hilfreiche Informationen, um zu einem Grundwissen zu gelangen.
Auch die zahlreichen, sehr unterschiedlichen und teilweise divergierenden, Einflüsse namhafter Vordenker christlicher Ethik- und Moralvorstellungen werden aufgeführt.
Abschließend beleuchtet der Autor den weißen christlichen Nationalismus, der in der evangelikalen Bewegung der heutigen Zeit eine bedeutende Stellung einnimmt. Die alles beherrschende Frage: gelingt es Trump die weißen Evangelikalen in gleichem Maße hinter sich zu bringen wie vor vier Jahren? Für den Wahlausgang könnte dies eine entscheidende Rolle spielen.

Ich muss zugeben: für mich stellt das vorliegende Buch des Wissenschaftlers die USA in einem neuen Licht dar. Der Einfluss christlicher Kirchen, insbesondere in der evangelikalen Bewegung, sind immens. Auch wenn die Tendenzen in den USA ähnlich verlaufen wie bei uns in Deutschland (immer mehr Menschen kehren den Kirchen den Rücken), die Bedeutung der evangelikalen Bewegung ist nach wie vor ungebrochen und auch für das politische Szenario von hoher Bedeutung. Ein wenig überzeichnet ausgedrückt: wer Präsident werden möchte, muss exakt dies Klientel für sich begeistern. Da kommt es offensichtlich nur recht, wenn ein weißer, nationalistisch gesinnter Präsident exakt in das Horn bläst, dass den weißen Evangelikalen die Richtung zu weisen scheint.
Die Einblicke in die Welt der christlichen Kirchen der USA sind interessant und verwirrend zugleich. Nur ansatzweise können die zahlreichen Bewegungen und deren Sichtweisen innerhalb der christlichen Kirchen angedeutet werden. Mehr würde den Rahmen des kompakt gefassten und flüssig geschriebenen Buches denn auch sprengen.
Der Nicht-Insider fühlt sich an der ein oder anderen Stelle ein wenig "verlassen", wird dadurch jedoch auch motiviert, einige Passagen inhaltlich zu vertiefen.

Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Trump und die Evangelikalen

Christentum und Demokratie – für den größten Teil der amerikanischen Geschichte handelte es sich hierbei um eine komplementäre Beziehung. Doch die Wahl von Donald Trump und die Rolle, die Evangelikale darin gespielt haben, legt nahe, dass sich beider Wege nun trennen. Wie und warum es dazu kam, zeigt dieses Buch. Es schildert, wie der amerikanische Protestantismus zunehmend in eine autoritäre Richtung abgedriftet ist. Ausschlaggebend hierfür ist die Überzeugung, die Kulturkämpfe der letzten Jahrzehnte verloren zu haben. Die Evangelikalen betrachten sich selbst als am stärksten verfolgte Gruppe in den USA und halten Ausschau nach einem starken Beschützer, der sie gleichsam aus dem Babylonischen Exils herausführt und ihnen ihr Land zurückgibt. Dieses Gefühl von Verlust und Anspruch ist tief im Narrativ von Amerika als weißer christlicher Nation verwurzelt. Trump hat die Herzen der Evangelikalen hier gepackt, indem er mit ihren tiefsten Ängsten spielt. Amerikas Christentum und die Demokratie am Scheideweg: Wird es gelingen, beide wieder in zusammenzuführen?

Philip Gorski, PhD in Soziologie an der University of California, Berkeley, ist Professor für Soziologie an der Yale University. Er ist Schüler des prominenten Soziologen Robert N. Bellah und einer der führenden jüngeren amerikanischen Religionssoziologen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort Hans Joas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

EINLEITUNG: Amerikanisches Babylon? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

TEIL I Wahlverwandtschaften: Christentum und Demokratie in der westlichen Geschichte
KAPITEL1: Ist Demokratie christlich? 19
Prolog:„Wahlverwandtschaften“ 19
Christliche Ethik undd emokratische Politik 20
Die vier Schichten der westlichen Demokratie 21
Republikanische Demokratie 23
Repräsentative Demokratie 28
Liberale Demokratie 33
Sozialdemokratie 38
Schlussfolgerung: Demokratie und Religion 41

KAPITEL2:
Ist das Christentum demokratisch? . . . . . . . . . . . . . . 48
AltesIsrael:BündnisseundKönige 49
Die frühen Christen: Geschwister und Patriarchen . . . . . . . . 53
Die Spätantike: Städte und Reiche 57
Das Mittelalter: Päpste und Konzilien 64
Die Reformationen: Kommunal und obrigkeitlich? . . . . . . . 66
Die ModerneI: Revolution oder Reaktion? 70
DieModerneII: Diktatoren und Demokraten 72
Schlussfolgerung: Souveräner Gott oder dreieiniger Gott? . 83

TEIL II Wechselnde Chemie: Christentum und Demokratie in der amerikanischen Geschichte
KAPITEL3:
AufWiedersehen,Tocqueville?. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89
Christentum und Demokratie in Tocquevilles Amerika . . .. 90
Vom moralischen Konsensz um Kulturkampf 94
Die Anti-Politik der Apokalypse 100
Amerikas Kirchen: Von kleinen Republiken zu großen Unternehmen 107 Hallo,Weber! 116

KAPITEL 4:
Die Republikanische Gefangenschaft . . . . . . . . . . . . . 119
Prolog:Der„Affenprozess“ 119
Das Problem: Wechselnde Wahlverwandtschaften . . . . . . . . . 123
Außenpolitik: Vom Vom progressiven Anti-Imperialismus zum amerikanischen Exzeptionalismus 125
Wirtschaftspolitik: Vom sozialen Evangelium zum CEO Jesus 132
Sozialpolitik: Von „Hatrack“ bis zu Roe vs. Wade . . . . . . . . 138
Weißer Rassismus: Das verborgene Hockerbein . . . . . . . . . . . 145
Schlussfolgerung: Babylonische Gefangenschaft oder Republikanische Gefangenschaft? 150

KAPITEL5:
Weißer christlicher Nationalismus . . . . . . . . . . . . . . . 155
Warum haben (weiße) Evangelikale für Trump gestimmt? . 156
Evangelikalismus und weißer christlicher Nationalismus . . 159
Weißer christlicher Nationalismus: Eine kurze Geschichte . 163
Trumpismus als weißer christlicher Nationalismus . . . . . . . . 166
Unterstützen weiße Evangelikale immer noch die amerikanische Demokratie? 170
Schlussfolgerung: Können evangelikales Christentum und liberale Demokratie koexistieren? 172

SCHLUSSFOLGERUNG: Die Konstantinische Versuchung . . . . 175
NACHWORT: Dreieiniges Unheil? Trump, COVID und Autoritarismus 183 Anmerkungen 193
Literatur 199