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Urteilskraft und Pädagogik Beiträge zur pädagogischen Handlungstheorie
Urteilskraft und Pädagogik
Beiträge zur pädagogischen Handlungstheorie




Brigitta Fuchs, Christian Schönherr (Hrsg.)

Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826035975 (ISBN: 3-8260-3597-6)
276 Seiten, kartoniert, 16 x 23cm, Mai, 2007

EUR 38,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Gegenwärtig erfährt die Erziehungswissenschaft eine „zweite empirische Wende“. Lehrstühle in der Schulpädagogik und zum Teil auch in der Allgemeinen Pädagogik werden primär an Wissenschaftler vergeben, die in der empirischen Forschung ausgewiesen sind. Dabei droht die theoretische Pädagogik marginalisiert zu werden, da sie sich dem „Dogmatismus der ökonomischen Effizienz“(S. 7) nicht beugt, sondern anstelle technologisches Wissen zur Verfügung zu stellen Reflexionswissen über pädagogische Grundlagenprobleme der Pädagogik elaboriert. Die Bedeutung der Allgemeinen Pädagogik für den aktuellen Diskurs belegt die zum 65. Geburtstag des Bayreuthers Professors für Erziehungswissenschaft Lutz Koch im Verlag „Königshausen & Neumann“ erschienene Festschrift mit dem Titel „Urteilskraft und Pädagogik. „Beiträge zu einer pädagogischen Handlungstheorie“.
Die Beiträge des Buchs, herausgegeben von Brigitta Fuchs und Christian Schönherr, stammen von SchülerInnen Kochs und von Erziehungswissenschaftlern, die einen ähnlichen wissenschaftlichen Ansatz wie Koch verfolgen. So findet man in dem Werk alle Hauptvertreter philosophischer bzw. philosophisch orientierter Pädagogik des deutschsprachigen Raums: Kant rezipierende Transzendentalkritiker wie Jörg Ruhloff, Marian Heitger, Ines M. Breinbrauer, handlungstheoretisch Argumentierende wie Dietrich Benner, sokratisch orientierte wie Anton Hügli, Hegelianer wie Jürgen-Eckhardt Pleines, Hermeneuten wie Klaus Prange und Johanna Hopfner sowie religiös inspirierte wie Karl Helmer, Ursula Frost, Volker Ladenthin und Winfried Böhm.
In ihren Abhandlungen widmen sich die Wissenschaftler einem zentralen Thema des Kochschen Oeuvres, dem „Problem der pädagogischen Urteilskraft“(S. 7). Unter Urteilskraft wird dabei die Fähigkeit des Pädagogen verstanden, „welche das Allgemeine mit dem Besonderen, die Idee mit der Realität, das Prinzip mit dem situationsbedingten Fall vermittelt.“(S. 7) Aus der Lektüre der Aufsätze gewinnt man u.a. folgende Erkenntnisse:
1. Das „Interesse an den Sachen“ zu wecken ist nach Ruhloff im Unterricht nicht zu vernachlässigen (S. 9).
2. „Bildung, Aufklärung und Kultur stehen […] im Widerstreit“(S. 47), wie Benner in seinem vergleichenden Aufsatz über den Aufklärungsbegriff bei Kant und Moses Mendeslssohn demonstriert.
3. Im christlichen Denkhorizonten lassen sich - so Böhm - verschiedene fruchtbare Ansätze personaler Pädagogik nachweisen (S. 73).
4. Bildung und Wissenschaft sind nach Pleines wechselseitig aufeinander verwiesen (S. 82).
5. Handeln in erziehungswissenschaftlichen Kontexten bedarf des pädagogisches Taktes und kann nicht durch Technologie ersetzt werden.
6. Angesichts der Panökonomisierung des Bildungswesens erinnert Jürgen Rekus: „Ohne Bildung gibt es keine Lebensformen und Gesellschaften.“(S. 193)
7. Bildung ist nach Frost von Spezialisierungs- und Partikularisierungstendenzen in unserer Gesellschaft bedroht (S. 210).
8. Auch die Lehreraus- und fortbildung hat nach Breinbauer ein Ort des pädagogischen Reflektierens, nicht nur Ort der Weitergabe von Verfügungswissen, zu sein (S. 223).
9. Unterricht soll nach Ladenthin bildender Unterricht sein (S. 228).
Fazit: Die Festschrift zum 65. Geburtstag des Erziehungsphilosophen Lutz Koch mit dem Titel „Urteilskraft und Pädagogik“ aus dem Verlag „Königshausen & Neumann“ sei allen LehrerInnen, die sich pädagogisches Reflexionswissen aneignen möchten, im Besonderen Argumente gegen ein technologisches Unterrichtsverständnis suchen, zur Lektüre empfohlen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Jörg Ruhloff Prüfen 9
Karl Helmer Evidenz. Eine Vergewisserung 19
Dietrich Benner Aufklärung, Bildung und Kultur 31
Gabi Herchert Von Wahrheit, Urteil und Urteilskraft 49
Winfried Böhm Urteilskraft und Person 61
Jürgen-Eckhardt Pleines Urteilskraft im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und Bildung 75
Marian Heitger Einige Gedanken zur Frage der Urteilskraft 85
Otto Hansmann Pädagogische Urteilskraftbildung zwischen Rousseau und Luhmann 99
Anton Hügli Urteilskraft und Takt 111
Klaus Prange Die Funktion des pädagogischen Taktes im Lichte des Technologieproblems der Erziehung 125
Johanna Hopfner Pädagogisches Handeln zwischen Intution und Urteil 133
Josef Kopperschmidt Über den Nutzen der Rhetorik für die Pädagogik 145
Andreas Dörpinghaus Rhetorische Didaktik 161
Klaus Schaller Unsere multimediale Bildungslandschaft unter dem kritischen Blick des J.A.Comenius 177
Jürgen Rekus Bildung – eine universelle Aufgabe 185
Ursula Frost Allgemeine und fragmentarische Bildung 197
Ines M. Breinbauer Bildungsstandards und pädagogische Urteilskraft 213
Volker Ladenthin Die bildungsgerechte Schule 227
Ludwig Haag/Katrin Lohrmann Diagnostische (In-)Kompetenz von Lehrern 239
Günther Schorch „Pädagogische Vermittlung“ unter grundschulpädagogischer Perspektive 251
Bibliographie Lutz Koch 265