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Die conditio absurda in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur Eine Konkretisierung von Albert Camus' philosophischen Reflexionen am Beispiel der Romane von Uwe Timm, Wolfgang Hilbig und Charlotte Roche
Die conditio absurda in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur
Eine Konkretisierung von Albert Camus' philosophischen Reflexionen am Beispiel der Romane von Uwe Timm, Wolfgang Hilbig und Charlotte Roche




Ulrike Kellner

Königshausen & Neumann Verlag
EAN: 9783826058721 (ISBN: 3-8260-5872-0)
246 Seiten, paperback, 16 x 24cm, 2016

EUR 32,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Ausgehend von der Diskrepanz zwischen Ich und Welt als Bedingung der menschlichen Existenz hat sich Albert Camus in seiner Philosophie des Absurden der Frage nach einer geeigneten Lebenshaltung angesichts der Sinnwidrigkeit angenommen und sowohl für das Dasein als auch für die Literatur die Antwort auf die Formel „Leben heißt das Absurde leben lassen“ gebracht. In beiden Fällen muss dabei die paradoxe Wirklichkeit aufrechterhalten und in Form einer ihr widerstrebenden Korrektur negiert werden. Mit Hilfe der Verknüpfung von Camus’ Ästhetik mit Paul Ricoeurs dreifacher Mimesis zielt die Arbeit auf eine wirksame Methode zur Eruierung der conditio absurda in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur zur Zeit der Studentenbewegung, der innerdeutschen Wende sowie des politisch ruhigeren 21. Jahrhunderts, was die Konkretisierung des Absurden in den jeweiligen Werken ebenso inkludiert wie die Konturierung des sprachlich-stilistischen Gegenentwurfs zur bestehenden Realität sowie der aus dem Antagonismus resultierenden Konsequenzen. Abschließend soll dann die Frage geklärt werden, inwieweit die ausgewählten Romane von Uwe Timm, Wolfgang Hilbig und Charlotte Roche einem absurden Kunstwerk im Sinne Camus’ entsprechen.

Die Autorin Ulrike Kellner studierte Germanistik, Kommunikationswissenschaft und Europäische Ethnologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und promovierte im Fach Neuere deutsche Literaturwissenschaft.
Rezension
Die Autorin wendet in dieser Studie die philosophische Kategorie des Absurden auf drei deutschsprachige Gegenwartsautor/inn/en und ihre Romane an: Uwe Timm, Wolfgang Hilbig und Charlotte Roche. Die Existenzphilosophie und die mit ihr verknüpfte existenzielle Sinnproblematik, die im 20. Jahrhundert unter dem Begriff des Absurden Gegenstand des philosophischen Interesses war, ausgehend von Friedrich Nietzsche und Sören Kierkegaard, fragt insbesondere bei Albert Camus (französischer Literaturnobelpreisträger, Dramatiker und Existenzphilosoph, 1913-1960) nach einer geeigneten Lebenshaltung angesichts der Sinnwidrigkeit und Absurdität des Lebens. Die Antwort bei Albert Camus lautet: die Revolte - Leben heißt das Absurde leben lassen, die paradoxe Wirklichkeit aufrechterhalten (Sisyphos) und in Form einer ihr widerstrebenden Korrektur negieren.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Das Absurde als Konstante des Lebens und der Literatur 11

1.1 Die defizitäre Beachtung von Albert Camus' Ästhetik — Überblick über den bisherigen Forschungsstand 13
1.2 Die literaturwissenschaftliche Demaskierung der conditio absurda — Aufbau der Arbeit 17

2. Albert Camus' Philosophie des Absurden 20

2.1 Die Wurzeln der Philosophie des Absurden 21
2.1.1 Entstehungsgeschichtlicher Hintergrund 22
2.1.2 Der Einheitsgedanke der Griechen 24
2.1.3 Die Affirmation von Hoffnung bei Seren Kierkegaard 26
2.1.4 Die Verabsolutierung des Menschen bei Friedrich Nietzsche 29
2.2 Die Konsequenzen aus dem Absurden — Von der isoliert gelebten Indifferenz hin zur kollektiven Leidminderung 31
2.2.1 Vom Gefühl des Absurden zur notwendigen Bewusstwerdung 33
2.2.2 Umgangsformen der conditio absurda — Auflehnung versus Resignation 35
2.2.3 Prototypen eines Lebens in der Absurdität — Vom Einzelkämpfer zum ‚Herdentier' 38
2.3 Albert Camus' Ästhetik und die Rolle der Kunst 41
2.4 Zwischenfazit 43

3. Albert Camus' Ästhetik und Paul Ricceurs dreifache Mimesis als literarisches Analyseverfahren des Absurden — Eine Zusammenführung 45

3.1 Die literarische Komprimierung des Absurden als Phänomen der Zeit 47
3.2 Die Bewusstwerdung des Absurden im Kreis der Mimesis 53
3.2.1 Präfiguration — Die absurde Wirklichkeit als realistische Komponente in der Literatur 54
3.2.2 Konfiguration — Die fiktionale Wirklichkeit als Korrektur der Realität in der Literatur 56
3.2.3 Refiguration — Absurde Kunstwerke?! 60
3.3 Die Analyse der Romane — Der Akt des Lesens 63
3.4 Zwischenfazit 66

4. Präfiguration — Die absurde Wirklichkeit als realistische Komponente in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur 68

4.1 Die Konkretisierung der conditio absurda zur Zeit der Studentenbewegung am Beispiel der Romane von Uwe Timm 69
4.1.1 Artikulationslosigkeit angesichts der paralysierenden Doppelmoral der Kriegsgeneration 70
4.1.2 Autoritäre Ignoranz als Symptom für den bestehenden Antagonismus 74
4.1.3 Der individuelle Lebenshunger unter gesellschaftlichem Arrest 76
4.1.4 Die autoritäre Negation des Subjekts im Moment intensivierender Emanzipation 79
4.1.5 Divergente Austragungsorte des David-gegen-Goliath-Sujets 83
4.1.6 Zwischenfazit 87
4.2 Die Konkretisierung der conditio absurda zur Zeit der innerdeutschen Wende am Beispiel der Romane von Wolfgang Hilbig 87
4.2.1 Die Entfremdung vom Ich durch die real-sozialistische Proklamation des schönen Scheins 88
4.2.2 Die ,Kriminalisierung` Unschuldiger basierend auf der Logik der Widersprüchlichkeit 94
4.2.3 Der Mensch als personifizierter Gebrauchsgegenstand in der kapitalistischen Welt 100
4.2.4 Das Leben als Abwesenheit zwischen Theorie und Praxis 104
4.2.5 Zwischenfazit 108
4.3 Die Konkretisierung der conditio absurda zur Zeit des 21. Jahrhunderts am Beispiel der Romane von Charlotte Roche 109
4.3.1 Der menschliche Körper als Projektionsfläche der Perfektion 110
4.3.2 Die infantile Gier nach einer heilen Welt 114
4.3.3 Menschliche Schicksalsschläge als aufmerksamkeitsgenerierendes Unterhaltungskriterium 118
4.3.4 Der Tod als Garant des Absurden 122
4.3.5 Die Kollision vergangener Wunschvorstellungen mit der unvorhersehbaren Realität der Zukunft 127
4.3.6 Zwischenfazit 130

5. Konfiguration — Die fiktionale Wirklichkeit als Korrektur der Realität in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur 132

5.1 Die Konsequenzen aus der conditio absurda in den Romane von Uwe Timm 132
5.1.1 Sprachlich-stilistische Mittel als Opponenten der Realität 133
5.1.1.1 Das utopische Moment eines „heißen Sommers" 134
5.1.1.2 Die humorvolle Komplettierung des circulus vitiosus 140
5.1.1.3 Das erzählperspektivische Wechselspiel
als Ausdruck des ambivalenten Lebens 144
5.1.2 Inhaltliche Sequenzen zum Umgang mit der conditio absurda 150
5.1.2.1 „Wachs und werde zum Wald!" — Ullrich Krauses Hoffnung 151
5.1.2.2 „Mir wars, wie ein Eintritt in ein anderes Leben." — Christian Kerbels Resignation 155
5.1.2.3 „To be, or not to be" — Thomas Lindes Stillstand 160
5.1.3 Zwischenfazit 163
5.2 Die Konsequenzen aus der conditio absurda in den Romanen von Wolfgang Hilbig 164
5.2.1 Sprachlich-stilistische Mittel als Opponenten der Realität 165
5.2.1.1 Das ‚Klima' als Gegenentwurf zum Status Quo 165
5.2.1.2 Die Negation geheimdienstlicher ‚Poetik' durch literarische Adaption 169
5.2.1.3 Das erzählperspektivische Wechselspiel als Statthalter der fehlenden Einheit 173
5.2.2 Inhaltliche Sequenzen zum Umgang mit der conditio absurda 176
5.2.2.1 „die Schriftstellerei ist eine Unterhaltung mit der Schnapsflasche" — Alkohol als Substitut für das Abwesende 176
5.2.2.2 „bei kühlem Kellergeruch thronte ich in dem Sessel wie ein breiter Gott" — Das fragwürdige Idyll suggerierender Ruhe 179
5.2.2.3 „und er schaute durch die Luke des Bildschirms ins Leben" — Das Moment eines provisorischen Daseins 183
5.2.3 Zwischenfazit 187
5.3 Die Konsequenzen aus der conditio absurda in den Romanen von Charlotte Roche 188
5.3.1 Sprachlich-stilistische Mittel als Opponenten der Realität 188
5.3.1.1 Stilistische Übertreibung und Sprachlosigkeit als Ausdruck des Innenlebens 189
5.3.1.2 Die Präzisierung des Unbestimmten durch die Mündlichkeit der Sprache 192
5.3.1.3 Sprache als trügerische Auszeit vom Leben 196
5.3.2 Inhaltliche Sequenzen zum Umgang mit der conditio absurda 202
5.3.2.1 „Meine kleine Familie will ich dir zeigen." — Wahrheit gegen die schweigende Paradoxie 203
5.3.2.2 „ich beobachte dich, Gevatter Tod" —
Schutzmechanismen gegen die offensichtlichste Absurdität 206
5.3.2.3 „da bleibt für echte Menschen nicht mehr viel übrig" — Chrissis Rückzug ins serienaffine Substitut 211
5.3.3 Zwischenfazit 217

6. Fazit: Refiguration — Absurde Kunstwerke?! 220

6.1 Die Frage nach dem ,hohen Stil` 220
6.1.1 Der unerfüllbare Traum von einer Utopie — Die Romane von Uwe Timm 222
6.1.2 Die realitätsferne Sehnsucht nach einer Einheit — Die Romane von Wolfgang Hilbig 224
6.1.3 Der irreale Wunsch nach einer heilen Welt — Die Romane von Charlotte Roche 225
6.2 Die conditio absurda als Interdependenz zwischen Realität und Fiktion 228

7. Siglen- und Literaturverzeichnis 231
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