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Zwischen den Welten: Filterblasenkinder verstehen und unterstützen  Mit einem Vorwort von: Michael Cornelius Hermann
Zwischen den Welten: Filterblasenkinder verstehen und unterstützen


Mit einem Vorwort von: Michael Cornelius Hermann





Sarah Pohl, Mirijam Wiedemann

Vandenhoeck & Ruprecht
EAN: 9783525459232 (ISBN: 3-525-45923-8)
136 Seiten, paperback, 12 x 20cm, September, 2023

EUR 25,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Zugehörigkeit oder Gruppenzwang? Gegenseitiges Vertrauen oder Kontrolle? Spirituelle Entwicklung oder Schwarz-Weiß-Denken? Stärkung der Familie oder Zerreißprobe? Es gibt Kinder und Jugendliche, die in eine weltanschauliche »Filterblase« hineingeboren wurden. Was bedeutet es für junge Menschen, wenn sie in Systemen aufwachsen, die in starkem Kontrast zu Werten und Normen der Gesellschaft stehen? Das Leben in Paralleluniversen kann neben einem Zugewinn an Sicherheit auch Beziehungs- und Autonomieverlust bedeuten. Gerade die Coronapandemie hat diese Problematik deutlich vor Augen geführt. Da gab es überzeugte Verschwörungsgläubige, die ihre Kinder monatelang nicht mehr zur Schule schickten oder die sich von dem gesamten bisherigen Umfeld abwandten und sich einer Randgruppierung oder einem Guru anschlossen. Kommen Kinder und Heranwachsende aus derartigen Überzeugungssystemen mit ganz anderen Werten und Normen in Berührung, kann dies für alle Beteiligten zu einer Herausforderung werden. Sarah Pohl und Mirijam Wiedemann sensibilisieren für die besondere Situation dieser Kinder und Jugendlichen und unterstützen Eltern sowie Pädagog:innen, Berater:innen und Therapeut:innen mit Handlungsempfehlungen für die Praxis.

Dr. Sarah Pohl, Diplom-Pädagogin, systemische Paar- und Familienberaterin, Heilpraktikerin für Psychotherapie, leitet die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen des Landes Baden-Württemberg (ZEBRA/BW). Sie arbeitete acht Jahre in der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg und ist seit langem als Referentin und Autorin in diesem Themenfeld tätig.

Mirijam Wiedemann hat gymnasiales Lehramt in den Fächern Englisch, Geschichte und katholische Theologie an der Universität Tübingen studiert. Nach ihrer Tätigkeit als Lehrerin in Baden-Württemberg ist sie seit 2017 die Leiterin der Geschäftsstelle für gefährliche religiös-weltanschauliche Angebote in der Stabsstelle Religionsangelegenheiten/ Staatskirchenrecht am Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg.
Rezension
Gefährliche religiös-weltanschauliche Gruppierungen nehmen wir vor allem als extremistisch-fundamentalistische Gruppierungen wahr, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken wie z.B. Islamisten, jüdische Siedler oder evangelikale Abtreibungsgegner, die in den Südstaaten der USA auch Brandanschläge auf Kliniken verüben oder Attentate auf Mediziner, die Abtreibungen vornehmen. Eine andere, weniger beachtete Facette dieser religiös-weltanschaulichen Extremisten, die sich auch in Sekten und unter sog. Quer-"Denkern" finden, sind deren Kinder, die in einem geschlossen-extremistisch-fundamentalistischen Weltbild aufwachsen und von allen anderen ("weltlichen", "atheistischen") Einflüssen ferngehalten werden. Wir sprechen hier von Filterblasen-Kindern, die aus ihrer geschlossenen Welt nicht herauskommen. Jüngst ging die evangelikale Familie von der Schwäbischen Alb durch die Medien, die in den Südstaaten der USA um Asyl gebeten hat, weil die Kinder in Deutschland der allgemeinen Schulpflicht unterliegen und die Eltern sie vor dieser "politischen Verfolgung" eines "atheistischen", pluralistischen, demokratischen Staates schützen wollen durch Homeschooling, - und die Eltern sich der Gefahren dieser eigenen Filterblase für die Kinder nicht annähernd bewußt sind ... Die Grenzen und Übergänge zu sanfteren Filterblasen mit je eigenen Institutionen wie Reformschulen, Waldorfpädagogik und katholischen oder evangelischen Internaten seien nur benannt. Glaubens-, Religions- und Weltanschauungsfreiheit gehören zu den zentralen Privilegien von Menschen in rechtsstaatlichen Systemen. Freiheit hat freilich auch eine korrespondierende zweite Seite, nämlich die Herausforderung, mit den enormen Freiheitsgraden, die die moderne Welt bietet, umgehen zu können. Filterblasenkinder haben zunehmend Schwierigkeiten mit dem Spagat zwischen den Ansichten ihrer Herkunfts-Gruppe und den Werten und Normen, denen sie in der Schule begegnen. Dieses Buch richtet sich an all jene, die mit »Filterblasenkindern« in Kontakt sind.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9

Zwischen den Welten 11

Erster Teil: Weltanschauungen und Filterblasen im Kindes- und Jugendalter 19

Hineingeboren oder selbst gewählt? 19
Filterblasenkinder 20
Glaube heute 23
Glaube 2.0: Neuere Entwicklungen des weltanschaulichen Marktes 24

Psychosoziale Aspekte 27
Jugend ohne Gott? Glaube von Kindern und Jugendlichen heute 29
Radikalisierung – ein Privileg der Jugend? 32
Kritische Anmerkungen zum Sektenbegriff 40
Filterblase analog und digital 42

Chancen und Risiken der Filterblase 46

Spirituelle Entwicklung oder Schwarz-Weiß-Denken 49
Gesund oder ungesund? 50
Rudelzugehörigkeit oder Beziehungsverlust? 51
Selbstkontrolle oder Überforderung? 52
Innenwelt versus Außenwelt 53
Stärkung der Familie oder Zerreißprobe? 54
Zugehörigkeit oder Gruppenzwang? 56
Gehorsam gegen Autoritäten: Schattenseiten und Vorteile 57

Religiöse Sozialisation und Erziehung 57

Strafend, bedrohlich, verfolgend? Die Problematik der Gottesbilder 60
Negative Wirkung auf Moralvorstellungen und Selbstkontrolle 62
Rechtliche Rahmenbedingungen 64
Religionsmündigkeit vs. Erziehungsverantwortung 64
Vorsicht Kindeswohlgefährdung! 66

Die Geborgenheit der Filterblase 71

Zweiter Teil: Lebensgeschichten 75

Vorbemerkungen 75
Der Sohn des Gurus 77
God is watching you 78
Mama meditiert 79
Zwischen den Stühlen 80
Die Auserwählte 81
Angst 82
Strafe und Schmerz 83
Außenseiter 84
Geistiger und seelischer Missbrauch 85
Unterforderung und Bildungsfeindlichkeit 86
Überforderung 87
Vernachlässigung 88
Vereinfachtes Weltbild 88
Zerrissenheit 89
Fazit 90

Dritter Teil: Was tun? 91

Überblick 91

Filterblasenkinder in der Schule 92

Wenn Pädagogik an die Grenzen stößt 92
Fallbeispiele 93
Allgemeine pädagogische Überlegungen 98
Der Blick auf das Kind 102
Rolle des Pädagogen/der Pädagogin 104
Elterngespräche führen 106
Positive Gruppenerfahrungen im Klassenzimmer 108

Filterblasenkinder in der Familie und im Freundeskreis 109

Tipps für Angehörige 109
Jugendliche auf weltanschaulichen Abwegen? 111
Paare und Familien zwischen den Welten 113

Filterblasenkinder in der Beratung bzw Therapie 119

Ein Filterblasenkind will aussteigen 120
Ausstieg oder Ausschluss aus einer selbst gewählten Gruppe 124
Die Worte einer Aussteigerin – Erste-Hilfe-Kiste 128

Schlusswort 131

Literatur 133