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Zeitschrift für Kulturphilosophie 2018 Bd. 1
Zeitschrift für Kulturphilosophie 2018 Bd. 1




Ralf Konersmann, Dirk Westerkamp (Hrsg.)

Meiner Hamburg
EAN: 9783787335855 (ISBN: 3-7873-3585-4)
200 Seiten, kartoniert, 16 x 24cm, Oktober, 2018

EUR 56,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Herausgeber Ralf Konersmann Dirk Westerkamp



Wissenschaftlicher Beirat Christine Blättler / Cornelius Borck / Iris Därmann / Christian Emden / Michael Hampe / Achim Landwehr / Dieter Mersch / Birgit Recki / Eva Schürmann / Ulrich Johannes Schneider und Philipp Stoellger



Im nächsten Heft:

SCHWERPUNKT Subjektivierung

Relektüren zu Wilhelm von Humboldt, Plessner und Destutt de Tracy

Dokument Victor Cousins Transzendentalphilosophie



Bisherige Schwerpunkte:



Jüdische Philosophie (2017/2) Valéry (2012/1)

Sprache und Gestalt (2017/1) Kulturalisierung (2011/2)

Plessner (2016/2) Naturalisierung (2011/1)

Lügen (2016/1) Vico (2010/2)

Simmel (2015/1-2) Brot und Spiele (2010/2)

Wahrheit (2014/2) Cassirer (2009/2)

Genesis, Geltung und Präsenz (2009/1)

Geschichte (2014/1) Hegel (2008/1)

Technik (2013/2) Interkulturalität (2008/1)

Rhythmus und Moderne Kulturkritik (2007/2)

(2013/1) Fortschritt in den Kultur-

Radikalität (2012/2) wissenschaften? (2007/1)


Rezension
Social Media, Smartphones, Big Data, autonome Autos und Pflegeroboter sind kulturelle Produkte der digitalen Revolution. Sie wird in der öffentlichen Wahrnehmung primär als technischer Umwälzungsprozess identifiziert, hervorgerufen durch die Entwicklungen im Bereich Künstlicher Intelligenz. Damit wird man aber den durch sie bewirkten gegenwärtigen sozialen, kulturellen und mentalen Veränderungen nicht gerecht. Vielmehr lässt sich von einem „digitalen Kulturwandel“ sprechen, so Matthias Kettner im Editorial des aktuellen Heftes der „Zeitschrift für Kulturphilosophie“, welche das Schwerpunktthema „Digitalisierung“ besitzt.
Das philosophische Organ zur „Schnittstelle zwischen Philosophie und Kulturwissenschaften“ erscheint seit 2007 im Felix Meiner Verlag; es wird herausgegeben von den Kieler Philosophieprofessoren Ralf Konersmann und Dirk Westerkamp sowie bis 2011 von John Michael Krois. Jede Ausgabe der „Zeitschrift für Kulturphilosophie“ enthält neben dem Schwerpunktthema so genannte „Relektüren“, Beiträge zu kulturphilosophischen Schriften, ein bisher unveröffentlichtes philosophisches Dokument nebst Analyse dieses sowie unter „Kritik“ verschiedene Buchrezensionen. Der Begriff „Kultur“ wird von den Herausgebern der Zeitschrift als ein philosophischer Gegenstand begriffen, dem eine Eigenlogik zukommt. Aufgrund der Fluidität der „Kulturwirklichkeit“ ist auch die „Zeitschrift für Kulturphilosophie“ als „offenes Projekt“ angelegt und aufgeschlossen gegenüber Beiträgen aus den Nachbarfächern.
Diese inter- oder transdisziplinäre Ausrichtung zeigt sich auch in den Aufsätzen des ersten Hefts von Band 12, die hervorgegangen sind aus drei „Diskurskonferenzen“. In ihnen wird der Themenkomplex „Digitalisierung“ vielfältig beleuchtet, aus soziologischer, ökonomischer, datenwissenschaftlicher, psychoanalytischer, literatur- und medienwissenschaftlicher Perspektive. Beispielsweise liefert der Kulturtheoretiker Dirk Baecker eine Analyse des „Swoosh“ mithilfe von Talcott Parsons AGIL-Schema. Der Volkswirtschaftler Birger P. Priddat identifiziert psychoanalytische Elemente in der digitalen Ökonomie. Der Psychoanalytiker Jürgen Hardt führt gute Argumente gegen die „Online-Psychotherapie“ an. Der Medienwissenschaftler Roberto Simanowski, bekannt u.a. durch sein Buch „Stumme Medien“ [2018] (vgl. meine Rezension unter https://lbib.de/Stumme-Medien-Vom-Verschwinden-der-Computer-in-Bildung-und-Gesellschaft-99264) kann überzeugend belegen, dass die intensive Selbstdarstellung im Netz als Flucht vor Selbstreflexion zu begreifen ist. Die hier genannten Erkenntnisse mögen zeigen, dass es auch für Philosophielehrkräfte produktiv ist, bei der Auseinandersetzung mit der digitalen Revolution im Unterricht nicht nur (medien)ethische, anthropologische und technikphilosophische Aspekte zu berücksichtigen sind, sondern auch kulturphilosophische. Fundiertes kulturphilosophisches Fachwissen zur Digitalisierung, das zugleich neue Reflexionsräume eröffnet, liefert das aktuelle Heft der „Zeitschrift für Kulturphilosophie“.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die »digitale Revolution« greift tief in nahezu alle Lebensbereiche der Weltgesellschaft ein und wird in endlosen Schleifen medial thematisiert. Glaubwürdige Versuche, Digitalisierung zu begreifen, müssen deshalb transdisziplinär sein. Die vorherrschenden Selbstverständigungsversuche über das Digitale fetischisieren jedoch immer noch die Vorstellung, Digitalisierung sei zuerst und maßgeblich eine Technikrevolution. Auch die halbherzigen Versuche der Politik, auf das, was man dann ihre »Herausforderungen« nennt, zu reagieren (»schnellere Netze, mehr künstliche Intelligenz!«), leiden an einer Überfaszination von Technik.

Um den digitalen Kulturwandel zu verstehen, sind jedoch weder rein technikorientierte Ansätze noch die gängigen Großtheorien des Sozialen hinreichend: Wir brauchen vielmehr phänomenal gehaltvolle kulturreflexive Analysen von – eben noch – auffälligen Veränderungen in signifikanten Praxisbereichen aus der ganzen Breite unserer Lebenswelt, bevor die mächtige, technikgetriebene kulturelle Normalisierungsarbeit alle Brüche glättet und die Oberflächen schließt.

Die Beiträge in diesem Heft beschäftigen sich mit der Entstehungsgeschichte der Digitalisierung ebenso wie mit den durchdringenden Veränderungen in den verschiedensten Feldern – bis hin zur digitalen Wirtschaft, Online-Psychotherapie und Selfie-Praktiken.
Inhaltsverzeichnis
Editorial 7

Schwerpunkt: Digitalisierung

Jörg Phil Friedrich
Die Herkunft der digitalen Welt 11

Dirk Baecker
»Swoosh«, oder Das Rauschen der E-Mail 21

Jonathan Harth
Algorithmen, Bots und virtuelle Realitäten – Herausforderungen und Chancen im digitalen Kulturprozess 35

Birger P. Priddat
Das Kulturprogramm der digitalen Ökonomie. Personalisierte Märkte 49

Jürgen Hardt
Online-Psychotherapie als digitalkulturelle Innovation 59

Julia Genz
Metamorphosen des Autors im Internet 73

Ramón Reichert
Selfies. Bildkommunikation im Zeitalter digitaler Verdatung 83

Roberto Simanowski
Posthumane Selbstdarstellung und interaktive Gegenwartsflucht. Von der narrativen Selbstreflexion zur numerischen Selbstanalyse 97

Relektüren

Pini Ifergan
Blumenbergs Schweigen 107

Kiran Desai-Breun
Wie moralisch ist buddhistische Moralität? Drei Problembereiche der Lehre Buddhas 123

Abbt, Christine
Ironie und ironische Haltung. Merkmale eines verantwortlichen Lebensvollzugs bei Kierkegaard und Jankélévitch 145

Dokument
Heinrich Friedrich Diez
Vom heutigen Zustande der deutschen Philosophie 157
Arne Klawitter
Heinrich Friedrich Diez als Freigeist und materialistischer Denker der Aufklärung 177

Kritik
Cornelia Wild
Später Benjamin. Die materielle Seite des Übersetzens 185

Marcel René Marburger
Frei sein für Leben und Denken Vilém Flussers 186

Ivana Perica
Pathos der Befreiung Ines Kleesattel plädiert für eine politische »Kunst-Kritik« 188

Philipp Seitz
Ideen aus dem Geist des Dialogs. Sabine Sander erhellt den Zusammenhang der Gelehrtenkultur von Humboldt bis Buber 190

Enno Rudolph
War Ficinos Platon ein Neuplatoniker? Fosca Mariani Zini erschließt das Gesamtwerk Marsilio Ficinos 192

Abstracts 195

Autorinnen und Autoren 199