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Weltgewissen Religiöser Humanismus in Leben und Werk von Thomas Mann
Weltgewissen
Religiöser Humanismus in Leben und Werk von Thomas Mann




Karl-Josef Kuschel

Patmos
EAN: 9783843615891 (ISBN: 3-8436-1589-6)
448 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, März, 2025

EUR 46,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Thomas Mann beschreibt den Verfall der Religion ebenso wie die unzerstörbare »Idee des Christentums« und deren bleibendes Potential zur Sicherung freiheitlicher Demokratie. Karl-Josef Kuschel, Literaturwissenschaftler und Theologe, fügt die Suchbewegungen des Jahrhundertschriftstellers zu einem Gesamtbild und zeigt seine bleibend hohe Aktualität.
Rezension
2025 ist Thomas Mann-Jahr, es jährt sich der 150. Geburtstag und der 80. Todestag des Jahrhundertschriftstellers . Der Literaturnobelpreisträger Thomas Mann (1875-1955), bekannt u.a. durch seine Romane „Die Buddenbrooks“(1901), „Der Zauberberg“(1924), die Tetralogie „Joseph und seine Brüder“(1933-1943) und „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“(1954) sowie seine Erzählungen „Tonio Kröger“(1903), „Der Tod in Venedig“(1911) und „Mario und der Zauberer“(1930), wird mit Neueditionen seiner Schriften und Publikationen zu seinem Leben und Werk angemessen gewürdigt. Wenig fokussiert wurde in der Forschung bisher Manns Religionsrezeption im Rahmen seines Humanismus.
Diese Beziehung in dem Werk des Schriftstellers erstmals präzise und differenziert analysiert zu haben ist das Verdienst des katholischen Theologen und Literaturwissenschaftlers Karl-Josef Kuschel (*1948) in seiner jüngsten Monographie „Weltgewissen. Religiöser Humanismus in Leben und Werk von Thomas Mann”. Erschienen ist der voluminöse Band im Patmos Verlag. Bekanntheit erlangte der emeritierte Professor für Theologie der Kultur und des interreligiösen Dialogs an der Eberhard Karls Universität Tübingen, welcher u.a. Mitglied des Kuratoriums der Weltethos-Stiftung ist, zum Beispiel durch seine Publikationen: „Streit um Abraham“(1994/2001), „Jesus im Spiegel der Weltliteratur“(1999/2010), „Juden, Christen, Muslime“(2007), „Die Bibel im Koran“(2022) und „Unser Geist ist Weltgeist. Stefan Zweig und das Drama eines jüdischen Weltbürgertums“(2024).
Welche Rolle spielte das Judentum in Manns Weltanschauung? Ist der Begriff ”Gnade” für diese zentral? Wird Joseph in seinen Josephs-Romanen als Christusfigur dargestellt? Wie rezipierte Mann Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche? Kann Mann als Begründer eines Weltethos gelten? Antworten auf diese theologischen und literarischen Fragen gibt Kuschel in seinem in einer gut verständlichen Sprache formulierten Werk - unter Berücksichtigung von Thomas Manns Gesamtwerk. Lehrkräfte der Fächer Deutsch, Theologie und Philosophie werden durch das vorliegende Buch motiviert, sich mit dem Leben und Werk Thomas Manns im Unterricht auseinanderzusetzen.
Fazit: Karl-Josef Kuschels hervorragende Monographie „Weltgewissen” leistet einen wichtigen Beitrag zur Erschließung der Beziehung zwischen Religionen und Humanismus bei Thomas Mann. Gleichzeitig demonstriert das Buch die Aktualität der humanistischen Weltanschauung des weltbekannten Literaten.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
In den großen politischen und gesellschaftlichen Krisen- und Wendezeiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts thematisiert Thomas Mann in seinem Werk immer wieder Grundfragen der menschlichen Existenz. Aus dem Exil kämpft er mit seinen Mitteln für das jüdisch-christliche Ethos als Widerstands- und Orientierungskraft gegen die Verrohung des Lebens durch Faschismus, Rassismus und Militarismus. Jenseits des bürgerlichen Christentums sucht er für seinen religiös fundierten Humanismus einen eigenen Zugang zur Rede von Gott. Was viele überraschen wird: Gnade ist ein Schlüsselwort seines Spätwerks – für ihn die »souveränste Macht« im persönlichen Leben und in dem eines Volkes.
Thomas Mann beschreibt den Verfall der Religion ebenso wie die unzerstörbare »Idee des Christentums« und deren bleibendes Potential zur Sicherung freiheitlicher Demokratie. Karl-Josef Kuschel, Literaturwissenschaftler und Theologe, fügt die Suchbewegungen des Jahrhundertschriftstellers zu einem Gesamtbild und zeigt seine bleibend hohe Aktualität.

»Thomas Mann setzt sich ausdrücklich ab von der ›dünnrationalen und optimistisch allgemeinen Menschenliebe des 18. Jahrhunderts‹. Sein neuer Humanismus ist darin neu, dass er die Tiefenschichten der menschlichen Natur aufgenommen und verwandelt hat und so eine Versöhnung von Humanität und Religiosität erreicht.«
Karl-Josef Kuschel
Inhaltsverzeichnis
Prolog
»Glaube? Unglaube?«
Suchbewegungen eines Schriftstellers 13
»Weltgewissen« 13
Zeitenwenden 16
Wandlungen 17
Christentum als ein »die Gewissen schärfendes Korrektiv« 23
Für einen »religiös fundierten Humanismus« 25
»Gnade« als Schlüsselwort des Spätwerks 21
Wie Religion ihre Erosion überlebt 30
... und neue Kraft gewinnen kann 31
Forschungen 32
Erstes Kapitel
Nachdenken über das Religiöse
Erste Zugänge durch autobiographische Texte 34
1. »Nein, ich habe keine Religion« 34
2. Meer, Gebirge und das »physisch-metaphysische Grauen« 38
3. Über den Primat der Idee: Erlebnisse mit dem
Okkultismus 41
4. Schopenhauer und der »metaphysische Rausch« 45
5. Vom »Metaphysisch-Individuellen« zum Sozialen und
Politischen 49
6. »Was aber ist denn das Religiöse?« Eine erste Bilanz 51
Zweites Kapitel
»Verfall« und Unruhepotential der Religion:
»Buddenbrooks« - »Gefallen« - »Gladius Dei« - »Fiorenza« 57
1. »Verfall« einer Familie - »Verfall« kirchlichen Glaubens 60
2. Ritual und Verblendung: Weihnachten bei den
Buddenbrooks 64
3. Religionsstunde in Lübeck: »Das Buch Hiob zerfällt in drei
Teile« 71
4. Die erstorbene Theodizee und der Tod als Glück 74
5. Hinter dem Glück die Angst: Die Novelle »Gefallen« 77
6. Wider den gewissenlosen Schönheitskult: »Gladius Dei« 80
7. Vom Kampf zwischen Wahrheit und Schönheit: »Fiorenza« 83
8. Die Fragwürdigkeit einer Ästhetik ohne Gewissen 90
Drittes Kapitel
»Das religiöse Problem ist das humane Problem«
»Der Zauberberg« 94
1. Die Wende zu »Humanität« und die Folgen 94
2. Ein Bergsanatorium als Zwischenreich 97
3. Settembrini und die Aufklärung 99
4. Madame Chauchat und die »Fleischesmystik« 101
5. Naphta und der Terror 102
6. Peeperkorn: Dionysos als der Gekreuzigte 104
7. Abendmahl und Gethsemane in der Welt der
Moribunden 106
8. Christusfigurationen im Werk 110
9. Gerhart Hauptmann: Schmerzensmann und
Heidenpriester 112
10. »Um der Güte und Liebe willen« dem Tod widersagen 114
11. Der »Zauberberg« - ein »religiöses Buch«? 117
Viertes Kapitel
Vom »Segen von oben und der unteren Tiefe«
Christentum im Lichte der Religionsgeschichte -
Wandel im Jesusbild - Antifaschistische Ansprachen: »Deutsche Hörer«
»Joseph und seine Brüder« 120
1. Hinwendung zu »Weltbürgerlichkeit, Weltmitte,
Weltgewissen« 120
2. Auslotung der Tiefen: Psychologie und Mythologie 123
3. Vier Bände zu einem biblischen Stoff 126
4. Religionsgeschichtliche Schulaufgaben 129
5. Von Mesopotamien bis Ägypten: Mythische Muster 131
6. Joseph als irdische Rettergestalt 133
7. Joseph als Christusfigur 135
8. Joseph als Christusersatz? 139
9. »Reinige die Gottheit, und du reinigst die Menschen« 141
10. Ein Bibel-Roman als »Stütze und Stab« in dunklen
Zeiten 146
11. Thomas Mann als Bibelleser 148
12. Religionsgeschichte und die »Einheit
des Menschengeistes« 150
13. Wer ist Jesus für den »Josephs«-Autor? 154
14. Weihnachtsfrieden als Weltauftrag: »Deutsche Hörer« 157
Fünftes Kapitel
»Ich habe in mir viel Indertum ...«:
Der Komplex »Asien«
»Anekdote« - Das »Maja«-Projekt - Das »asiatische Prinzip« im
»Zauberberg« - »Die vertauschten Köpfe« 160
1. Literatur - »Gemeingut der Menschheit« 160
2. Vom »Schleier der Maja«: »Anekdote« 161
3. Von der »Wurzel des Leidens«: Die Lehre Buddhas 163
4. Lernen von Schopenhauers »Indien« 168
5. Das »Maja«-Projekt: Letzte Spuren im »Krull« 170
6. »Viel Asien in der Luft«: Noch einmal »Zauberberg« 172
7. Die Verlockung des »asiatischen Prinzips« 173
8. Madame Chauchat und die Auflösung der bürgerlichen
Formen 175
9. Asien als Metapher: Drei Sinndimensionen 177
10. Ein Gespräch über Lao Tse auf dem Zauberberg 180
11. »Vertauschte Köpfe«: Eine Geschichte aus der Welt
Indiens 182
12. Die »Maja«: Zauber und Täuschung 186
Sechstes Kapitel
Christentum »als richtendes und die Gewissen schärfendes Korrektiv«:
Zur Wiederkehr kämpferischer Moralität und Verteidigung des
christlichen Ethos in antifaschistischen Essays und Reden 190
1. Zwei Irrtümer Nietzsches - durchschaut 191
2. Absetzbewegungen von Schopenhauer 194
3. Bekenntnis zu Demokratie und Humanität 196
4. Verteidigung gegen Ideologien von rechts und links 198
5. Für eine »Wiedergeburt der Anständigkeit« 200
6. »Wir wissen wieder, was Gut und Böse ist« 202
7. Wiederentdeckung der Kraft des Christentums 203
8. Wider das »Geschwätz« vom »Ende des Christentums« 206
9. Die unzerstörbare »Idee des Christentums« 209
10. Demokratie als Ausprägung des Christentums 212
11. Für einen »religiös fundierten Humanismus« 214
12. Kirche? Wenn schon, dann die »Unitarische« 216
13. Thomas Manns »amerikanische Religion« 218
14. Plädoyer für ein »angewandtes Christentum« 220
15. »Das Evangelium als Ereignis«: Pastor Niemöller 222
Siebtes Kapitel
Die Zehn Gebote als »Fels des Menschenanstandes«:
Die »Mose«-Novelle »Das Gesetz« 226
1. Exodus: Das Drama einer biblischen Geschichte 226
2. Wider die »Aufkündigung des Sittengesetzes« 229
3. Ein sinnlich-sündiger Gesetzgeber: Mose 234
4. Das Sittliche in stetem Kampf mit dem Triebhaften 238
5. Ein Fluch auf die Schänder des Sittengesetzes 242
6. »Gott im Himmel, vernichte ihn!« 245
7. Erziehung zur Humanität mit Strenge 249
8. »Menschenrechte«! »Menschheitsreligion«? 250
Achtes Kapitel
Was die Menschheit dem Judentum verdankt:
Zwiespältige Reaktionen in einem Schriftsteller-Leben 253
1. Das Judentum zwischen Assimilation und Zionismus 253
2. Die Erzählung »Der Wille zum Glück« 256
3. »Wälsungenblut« und ein peinliches Nachspiel 257
4. Eine erste Stellungnahme zur »Judenfrage« 261
5. Antisemitismus bei Thomas Mann? 264
6. Für eine »Europäisierung« des Judentums 267
7. Die zweite Stellungnahme zur Judenfrage 269
8. Ein Zwischenfazit: Eine »gehörige Portion Rassismus«? 273
9. Exzentrische jüdische Gestalten im Romanwerk 275
10. Der »Joseph« als »Roman des jüdischen Geistes« 278
11. Wie Antisemitismus zu erklären ist 286
12. Der Holocaust und die Gründung des Staates Israel 290
13. Die Leistung des Judentums für die Menschheit 294
Neuntes Kapitel
»Das Böse hat sich uns in einer Krassheit und Gemeinheit offenbart«
»Doktor Faustus« 298
1. Das »Böse in seiner ganzen Scheußlichkeit« 299
2. Reaktion auf eine Zeit, in der »der Teufel los« ist 300
3. Warum gerade Deutschland seine Seele »dem Teufel
verkauft« 301
4. Die Musik als »dämonisches Gebiet« 303
5. Der Pakt mit dem Teufel - und sein Preis 305
6. Was ist »Hölle«? 306
7. Der Selbstdenker als Selbsthenker 309
8. Die Unfassbarkeit des Bösen und die Grenzen des
Romans 312
Zehntes Kapitel
Angewiesensein auf Gnade
Schluss des »Faustus« - »Der Erwählte« - »Die Betrogene« - Autobio
graphische Erfahrungen und Texte 316
1. Wie von Gnade reden »nach all der Finsternis«? 316
2. Sprachexerzitien mit Theodor W. Adorno 318
3. »Hoffnung jenseits der Hoffnungslosigkeit« 320
4. Nach einem »Teufels«- ein »Heiligen«-Roman 324
5. Der Ödipus-Mythos - christlich gedeutet 326
6. »Denn alle Erwählung ist schwer zu fassen« 331
7. Der Sünder als der Erwählte 332
8. Die »Idee von Sünde und Gnade« - ernst genommen 334
9. Ermutigung zur Reue - um Deutschlands willen 335
10. Ein Wunsch-Papst im Geist der Aufklärung 338
11. »Ich kenne die Gnade«: Thomas Manns Erfahrungen 340
12. Zürich 1950: Späte Liebe als Erfahrung von Gnade 345
13. »Gnade üben«! Ein Appell an Walter Ulbricht 353
14. Von »Güte und Gnade«: Die letzte Erzählung 356
15. Eine Papstaudienz in den Spuren des »Erwählten« 360
16. Der Papst - Symbol der Stabilität in allen Umbrüchen 365
17. Über die künftige »Einheit der religiösen Welt« 369
Elftes Kapitel
Lob der Gnade - Lob der Vergänglichkeit
Der »Krull«-Roman - »Allsympathie« - »Lob der Vergänglichkeit« -
Der doppelte Ausgang des Werkes 374
1. Die Welt eine Bühne und der Künstler ein Hochstapler 375
2. Eine Reise von Paris nach Lissabon 377
3. »Genüsslich«: Naturwissenschaft im Speisewagen 379
4. »Staunen«: Naturwissenschaft im »Zauberberg« 381
5. »Unfassbar«: Naturwissenschaft im »Doktor Faustus« 383
6. »Allsympathie« mit dem Leben im »Krull« 386
7. Und die Opfer der Evolution? »Was denkt die Natur
sich?« 389
8. »Lob der Vergänglichkeit« 392
9. Der doppelte Ausgang und was daraus folgt 395
10. Erbe und Überwinder moderner Religionskritik 401
Epilog
Thomas Manns letzte Texte, August 1955 407
Noch einmal das Meer 407
Die »schönsten Erzählungen der Welt« 409
Ein Vermächtnis in den Spuren Schillers 412
Weltpolitisch denken und handeln 413
Im Gespräch mit Paulus, Luther, Shaw und Mozart
Literatur 419
Danksagung 430
Anmerkungen 432
Personenregister 441
Zum Autor 447