lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Wege zum nachhaltigen Denken Ein philosophisches Traktat über Naturschutz, Ethik und Umweltpolitik
Wege zum nachhaltigen Denken
Ein philosophisches Traktat über Naturschutz, Ethik und Umweltpolitik




Christian Tepe

Tectum Verlag
EAN: 9783828844148 (ISBN: 3-8288-4414-6)
90 Seiten, paperback, 12 x 18cm, November, 2019

EUR 22,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Seit über 30 Jahren steht nachhaltige Entwicklung im Zentrum umweltethischer Debatten. Unentwegt wird getagt, geredet und beschlossen – aber wenig gehandelt. Diese Streitschrift demaskiert vieles, was unter dem Label der Nachhaltigkeit daherkommt, als Falschmünzerei und Massenbetrug. Sie entlarvt, wie Nachhaltigkeit häufig als Verzögerungstaktik und Wachstumslehre im neuen Gewande fungiert und zeigt auf, wie Nachhaltigkeit zur aktuellen Doktrin des Kapitalismus avanciert. So werden auch noch die soziale Welt und die Ökologie der Gewinnproduktion unterworfen.

Lange bevor diese Ideologie sich des öffentlichen Diskurses bemächtigte, haben philosophische Vordenker wie zum Beispiel Hans Jonas, Albert Schweitzer, Arne Naess oder Martin Rock mit großer Klarheit, Konsequenz und Weitsicht die politischen Dimensionen echten nachhaltigen Denkens und Handelns dargelegt. Nur durch eine Relecture ihrer Philosophie kann Nachhaltigkeit vor dem ethischen Scheitern bewahrt werden.


Rezension
Nachhaltigkeit gehört gegenwärtig zu den Begriffen, die in der Öffentlichkeit als Leerformel fungieren. Unter dem Label „Nachhaltigkeit“ schreitet in der kapitalistischen Ökonomie die Ausbeutung und Zerstörung der Natur ungehindert voran. Dieses diagnostiziert Christian Tepe (*1968) in seinem jüngst im „Tectum Verlag“ erschienenen Buch „Wege zum nachhaltigen Denken. Ein philosophisches Traktat über Naturschutz, Ethik und Umweltpolitik“. Aktuelle Nachhaltigkeitskonzepte, kritisiert der an der Universität Osnabrück tätige Lehrbeauftragte für Bioethik, seien Ausdruck „umweltethische[r] Verantwortungslosigkeit“(S. 3). Das offenbare sich, so Tepe, zum Beispiel an dem die politische Debatte dominierenden Nachhaltigkeitsdreieck, das Ökonomisches, Ökologisches und Soziales als verschiedene Kapitalarten eingruppiert. Durch die Kategorisierung von Natur als ökonomische Ressource werde ihr der moralische Eigenwert abgesprochen.
Die Position, dass neben Menschen auch Tieren und Pflanzen ein moralischer Status zukommt, vertraten Albert Schweitzer in seiner Ethik der „Ehrfurcht vor dem Leben“, Hans Jonas in seiner Verantwortungsethik und Arne Naess in seiner „Ökosophie“. Die drei Philosophen identifiziert Tepe zu Recht als „Denker der Nachhaltigkeit“(S. 9-22), welche den Terminus philosophisch konturiert haben. Der Vertreter einer „Sorge-für-Verantwortung“ und der Vertreter einer „Tiefenökologie“ plädierten in ihrer Kritik am Wachstumsparadigma für Frugalität und für ein anderes Mensch-Natur-Verhältnis. Unter Bezug auf diese Umweltethiker und auf Theodor W. Adornos Kritischer Theorie sieht Tepe die aktuelle ökologische Krise in einer „Krise des menschlichen Selbstverständnisses und der Formen des gemeinschaftlichen Lebens“(S. 41) begründet. Daher sei das existenzielle Problem der Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen nicht technologisch zu lösen, sondern bedürfe grundlegender philosophischer Reflexionen. In Tepes Traktat werden dazu aufschlussreiche Zusammenhänge aufgedeckt zwischen Umweltkrise, Hyperkapitalismus, Konsumismus, „Kulturindustrie“(Horkheimer/Adorno), Entfremdung des Menschen und dem Niedergang sowie der Zerstörung traditioneller Dörfer. Dabei erinnert der Autor auch an Arbeiten des westfälischen Priesters Augustin Wibbelt und des rheinischen Literaturhistorikers Wilhelm Gössmann. Seinen negativen Höhepunkt findet das Eradizieren von Dörfern gegenwärtig durch den Tagebau Garzweiler, woran sich ein in höchstem Maße gestörtes Mensch-Welt- bzw. Mensch-Natur-Verhältnis offenbart.
Mithilfe seiner philosophischen Einsichten zu ‚wahrer‘ Nachhaltigkeit kann Tepe in seiner ideologiekritischen Analyse in der Umweltpolitik zurzeit dominanter Nachhaltigkeitskonzepte überzeugend nachweisen, dass sie hinter das in der philosophischen Diskussion erreichte Reflexionsniveau weit zurückfallen, weil sie anthropologische, naturphilosophische, ethische und sozialphilosophische Tiefendimensionen der ökologischen Krise ausblenden. Dabei entlarvt er „Falschmünzer der Nachhaltigkeit“(S. 23-35), wozu für ihn selbst der Tierethiker Peter Singer zählt. Der international bekannte Pathozentrist zerstöre mit seiner präferenzutilitaristischen Legitimation des Infantizids die „Einheit von Lebensschutz, Umweltschutz und Tierschutz“(S. 34). Diese Zusammengehörigkeit identifiziert Tepe als zentrales Element eines philosophisch reflektierten Begriffs von Nachhaltigkeit.
Daraus erklärt sich, dass sich in seiner Abhandlung „Wege zum nachhaltigen Denken“ ein Exkurs zur Bio-, Medizin- und Pflegeethik findet, genauer zu ethischen Problemen am Lebensanfang und am Lebensende. Als Verstoß gegen den absoluten Wert der unveräußerliche Menschenwürde, wie er in christlicher und säkularer Ethik vertreten wird, kritisiert Tepe, der zwanzig Jahre als Lehrbeauftragter für Pflegewissenschaft und Pflegeethik an verschiedenen Bildungsinstitutionen arbeitete, die aktive Sterbehilfe, die Präimplantationsdiagnostik, die embryonale Stammzellforschung, das Case Management und den Einsatz von Pflegerobotern. Als Kern einer Bioethik sowie einer allgemeinen Ethik, verstanden als reflexive Auseinandersetzung mit der Frage nach dem guten und gelingenden Leben, erblickt der Verfasser des Traktats die ethische Regel des Philosophen Wilhelm Kamlah, nämlich den Anderen in seiner Bedürftigkeit zu beachten und demgemäß zu handeln. Dieser ethische Imperativ gehört für Tepe in einen „neuen Gesellschaftsvertrag“(S. 41), für den er angesichts metaphysischer Obdachlosigkeit des spätmodernen Menschen plädiert. Zur philosophischen Konturierung des ethischen Kontrakts im Neoliberalismus hätten sich Leserinnen und Leser gerne noch genauere Ausführungen des Buchautors gewünscht.
Mit seiner scharfen Kritik an umweltethischer „Halbbildung“(Adorno) leistet Tepe in seinem auch stilistisch gelungenen Werk einen dringend notwendigen Beitrag zur Aufklärung über die ökologische Krise. Insbesondere Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik, Biologie, Geographie oder Politik werden durch sein Buch angeregt, in ihrem Unterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt zusammen mit Schülerinnen und Schülern philosophische Dimensionen von Nachhaltigkeit problemorientiert zu thematisieren. Ebenso scheint für umweltpädagogische Bildungsprozesse von besonderer Bedeutung ein weiterer, in dem philosophischen Essay erwähnter Aspekt, nämlich die ästhetische Wahrnehmung von Natur. Auf den engen Zusammenhang von Ästhetik und ökologischer Ethik hatte der ausgewiesene Kulturjournalist Tepe schon in seinem Buch „Ästhetik als Freiheitsdenken“(2001) hingewiesen.
Fazit: Mit seinem philosophischen Traktat „Wege zum nachhaltigen Denken“ ist Christian Tepe ein wichtiger umweltethischer Debattenbeitrag gelungen, dessen Lektüre sich empfiehlt für alle, die sich in Theorie und Praxis mit der ökologischen Krise fundiert auseinandersetzen möchten.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Tepe
Wege zum nachhaltigen Denken
Ein philosophisches Traktat über Naturschutz, Ethik und Umweltpolitik
Von Christian Tepe
2019, 90 S., Broschiert,
ISBN 978-3-8288-4414-8

Verlag: Tectum
22,- €*
* inkl. MwSt. versandkostenfrei

sofort lieferbar!

Seit über 30 Jahren steht nachhaltige Entwicklung im Zentrum umweltethischer Debatten. Unentwegt wird getagt, geredet und beschlossen – aber wenig gehandelt. Diese Streitschrift demaskiert vieles, was unter dem Label der Nachhaltigkeit daherkommt, als Falschmünzerei und Massenbetrug. Sie entlarvt, wie Nachhaltigkeit häufig als Verzögerungstaktik und Wachstumslehre im neuen Gewande fungiert und zeigt auf, wie Nachhaltigkeit zur aktuellen Doktrin des Kapitalismus avanciert. So werden auch noch die soziale Welt und die Ökologie der Gewinnproduktion unterworfen.
Lange bevor diese Ideologie sich des öffentlichen Diskurses bemächtigte, haben philosophische Vordenker wie zum Beispiel Hans Jonas, Albert Schweitzer, Arne Naess oder Martin Rock mit großer Klarheit, Konsequenz und Weitsicht die politischen Dimensionen echten nachhaltigen Denkens und Handelns dargelegt. Nur durch eine Relecture ihrer Philosophie kann Nachhaltigkeit vor dem ethischen Scheitern bewahrt werden.

Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Zu Besuch auf der Erde 1
Zweites Kapitel: Denker der Nachhaltigkeit 9
Drittes Kapitel: Falschmünzer der Nachhaltigkeit 23
Viertes Kapitel: Verstehen, was passiert ist 37
Fünftes Kapitel: Hinaus aufs Feld! 51
Exkurs: Anfang und Ende des Lebens 59
Literaturverzeichnis 79