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Wegbereiter der Demokratie 87 Porträts
Wegbereiter der Demokratie
87 Porträts




Manfred Asendorf (Hrsg.)

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476021694 (ISBN: 3-476-02169-6)
233 Seiten, paperback, 11 x 19cm, September, 2006

EUR 12,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Für Freiheit und Gleichheit. Thomas Müntzer, Georg Büchner, Ferdinand Lassalle, Hedwig Dohm, August Bebel, Friedrich Naumann, Friedrich Ebert, Konrad Adenauer, Willy Brandt, Sophie Scholl u. v. a. haben sich für die Demokratie stark gemacht. Geschichte vom 16. Jahrhundert bis in die Nachkriegszeit in rund 90 Lebensläufen - anschaulich und spannend.
Rezension
...irgend wie schön zu sehen, dass es auch ein paar (wenige) Demokrat/inn/en in Deutschland gab ...
Dieses Buch basiert auf:
Manfred Asendorf, Rolf von Bockel (Hrsg.)
Demokratische Wege. Ein biographisches Lexikon - Sonderausgabe
1. Aufl. 1997 mit dem Untertitel: "Deutsche Lebensläufe aus fünf Jahrhunderten" / Sonderausgabe 2006
Vorher Euro 74,90 Sonderausgabe Euro 29,95
Personenlexikon zur deutschen Demokratiegeschichte
Verlag J. B. Metzler, ISBN: 3-476-02135-1
Erschienen: Februar 2006, 760 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 18 x 25cm ; 354 s/w Abb.
Dieses voluminöse Lexikon zeigt: Deutschland ist keineswegs das Land des Obrigkeitsdenkens; seit dem 16. Jhdt. bereits findet sich deutliches und vielfältiges demokratisches Denken und Bewußtsein. Und etwas Zweites weist dieses Lexikon deutlich auf: Demokratie ist nicht allein eine politische Errungenschaft, sondern eine zentrale Angelegenheit des gesellschaftlichen Lebens insgesamt. Schließlich erschöpft sich dieses Lexikon nicht in Vordergründigem, sondern stellt den prinzipiellen und potentiell dauerhaften Kern des demokratischen Gedankens heraus und hebt ihn von den jeweiligen zeitgebundenen Ausprägungen ab. Das vorliegende Lexikon will am Leitfaden von Lebensgeschichten demokratische Wege beleuchten, ohne aber Vorbilder ein- oder auszusortieren. -
Mit der neuen Reihe "metzler kompakt" bietet der Stuttgarter Verlag für Geisteswissenschaften ab sofort fundiertes Lexikonwissen zum Studentenpreis pro Band von 12,95 €. Auf 250 - 350 Seiten enthalten die neuen Lexika im Taschenbuchformat den wichtigsten Stoff der großen Metzler-Lexika, in diesem Fall von 420 auf 87 Autorenporträts gekürzt. Dem Verlag gelingt damit ein Angebot desselben Materials in einem anderen Preis-Segment, der Leser kann in kostengünstiger Form auf qualitativ hochwertige Lexikon-Beiträge in Taschenbuch-Format zurückgreifen.
- In diesem konkreten Fall allerdings erscheint es mir überlegenswert, ob man nicht auf die preisgünstige Sonderausgabe des großen Lexikons zurückgreifen sollte ...

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der Kampf für Demokratie
87 faszinierende Lebensläufe

Autor:
Manfred Asendorf; Dr. phil., wissenschaftlicher Mitarbeiter der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur, Veröffentlichungen zur Geschichte vom 17. Jh. bis zur Gegenwart
Inhaltsverzeichnis
Artikelverzeichnis:

Abendroth, Wolfgang (1906-1985)
Adenauer, Konrad (1876-1967)
Adorno, Theodor W. (1903-1969)
Afsprung, Johann Michael (1748-1808)
Arendt, Hannah (1906-1975)
Bebel, August (1840-1913)
Becker, Johann Philipp (1809-1886)
Bernstein, Aron (1812-1884)
Bernstein, Eduard (1850-1932)
Bleicher, Willi (1907-1981)
Bloch, Ernst(1885-1977)
Blum, Robert (1807-1848)
Böhme, Jacob (1575-1624)
Borne, Ludwig (1786-1837)
Brandt, Willy (1913-1992)
Büchner, Georg (1813-1837)
Caro, Klara (1886-1979)
Clauswitz, Paul (1839-1927)
Dehn, Günther (1882-1970)
Dippel, Johann Konrad (1673-1734)
Dohm, Hedwig (1831-1919)
Ebert, Friedrich (1871-1925)
Eichelberg, Leopold (1804-1879)
Eiser, Johann Georg (1903-1945)
Fraenkel, Ernst (1898-1975)
Freiligrath, Ferdinand (1810-1876)
Fröbel, Julius (1805-1893)
Gervmus, Georg Gottfried (1805-1871)
Gumbel, Emil Julius (1891-1966)
Hammer, Walter (1888-1966)
Hanna, Gertrud (1876-1944)
Hatzfeldt, Sophie von (1805-1881)
Hecker, Friedrich (1811-1881)
Heine, Heinrich (1797-1856)
Heinemann, Gustav (1899-1976)
Heller, Hermann (1891-1933)
Hess, Moses (1812-1875)
Heuss, Theodor (1884-1963)
Heymann, Lida Gustava (1868-1943)
Hippler, Wendel (1465-1526 oder später)
Hirschfeld, Magnus (1868-1935)
Horkheimer, Max (1895-1973)
Imbusch, Heinrich (1878-1945)
Jacoby, Johann (1805-1877)
Josel von Rosheim (1478-1554)
Kaiser, Jakob (1888-1961)
Kaufmann, Franz (1886-1943)
Kawerau, Georg Siegfried (1886-1936)
Knigge, Adolph Freiherr (von) (1752-1796)
Lassalle, Ferdinand (1825-1864)
Lessihg, Gotthold E. (1729-1781)
Liebknecht, Wilhelm (1826-1900)
Luxemburg, Rosa (1871-1919)
Marx, Karl (1818-1883)
Mayer, Gustav (1871-1948)
Mehring, Franz (1846-1919)
Miquel, Johannes (von) (1828-1901)
Müntzer, Thomas (1490-1525)
Naphtali, Fritz (1888-1961)
Naumann, Friedrich (1860-1919)
Nettlau, Max (1865-1944)
Peucer, Caspar (1525-1602)
Preuß, Hugo (1860-1925)
Quidde, Ludwig (1858-1941)
Radbruch, Gustav (1878-1949)
Raschke, Marie (1850-1935)
Rebmann, Andreas Georg Friedrich (1768-1824)
Ree, Anton (1815-1891)
Reichenbach, Eduard Graf von (1812-1869)
Riesser, Gabriel (1806-1863)
Rosenberg, Ludwig (1903-1977)
Rothmann, Bernhard (1495-1535)
Rotteck, Karl von (1775-1840)
Schmidt, Ernst Friedrich Franz (1818-1853)
Scholl, Hans (1918-1943) und Scholl, Sophie (1921-1943)
Schulz, Wilhelm (1797-1860)
Schulze-Delitzsch, Hermann (1808-1883)
Schumacher, Kurt (1895-1952)
Siebenpfeiffer, Philipp Jakob (1789-1845)
Sigel, Franz (1824-1902)
Specht, Minna (1879-1961)
Staritz, Katharina (1903-1953)
Struve, Gustav (von) (1805-1870)
Unzer, Johann Christoph (1747-1809)
Venedey, Henriette (1817-1893)
Wieland, Christoph Martin (1733-1813)
Wygand, August (1657-1709)


Leseprobe:

Adorno, Theodor W.
Geb. 11.9.1903 in Frankfurt/Main;
gest. 6. 8.1969 in Visp, Kanton Wallis
(Schweiz)
A.s politische Biographie ist durch den
epochalen Bruch gekennzeichnet, den
der Faschismus in Deutschland bewirkt
hat. Das traumatische Erlebnis der Emigration,
die anschließende Mitarbeit bei
der Etablierung von Demokratie und
freiheitlicher Kultur in der Bundesrepublik
und schließlich das problematische
Verhältnis zur Studentenbewegung haben
A.s Lebensgeschichte und seine kritische
Theorie der Gesellschaft beeinflußt.
Für den jungen Privatdozenten
der Philosophie, dem die Nationalsozialisten
1933 die Venia legendi an der
Frankfurter Universität entzogen hatten,
schien es zunächst noch gar nicht
ausgemacht, daß er emigrieren mußte.
Theodor Ludwig Wiesengrund-A.
war am 11. September 1903 in Frankfurt
geboren worden. Aufgewachsen in
einem musikalisch-kulturellen Lebenskreis,
philosophisch geschult durch den
älteren Freund Siegfried Kracauer, den
bedeutenden Feuilletonisten der Frankfurter
Zeitung, entfaltete A. schon als
junger Mann eine beeindruckende Wirkung
in kulturellen Institutionen des
liberalen Bürgertums der ehemaligen
»Freien Reichsstadt Frankfurt«. Als Student
war er bereits einflußreicher Musikkritiker
im Geiste der radikalen Moderne.
Er trat früh für Arnold Schönberg
ein. Eigene Kompositionen wurden
aufgeführt. Mit 21 Jahren schloß er
sein Studium der Philosophie, Musikwissenschaft,
Psychologie und Soziologie
mit der Promotion in Philosophie
bei Hans Cornelius ab. 1925 ging er für
ein Jahr nach Wien, um bei zwei Protagonisten
der musikalischen Avantgarde,
Alban Berg und Eduard Steuermann,
zu studieren. Zurück in Frankfurt,
intensivierte er den Kontakt zum
»Institut für Sozialforschung« (gegr.
1923), mit dessen Direktor Max Horkheimer
ihn seit der Universitätszeit gemeinsame
theoretische Interessen verbanden.
Ein Hauptgegenstand der Arbeit des
Instituts war die Erforschung der Ursachen
jenes Selbstauflösungsprozesses
der bürgerlichen Gesellschaft, der in
Deutschland zum autoritären Staat führen
sollte. Um zu begreifen, warum
Menschen sich gegen ihr eigenes Interesse
der Herrschaft unterwarfen und
sich mit ihr identifizierten, verband die
»Kritische Theorie« Einsichten von
Marx und der analytischen Sozialpsychologie
und begann, die bis dahin in
Deutschland kaum bekannte Methodik
der empirischen Sozialforschung in ihre
Untersuchungen zu integrieren. Neben
Herbert Marcuse, Leo Löwenthal, Erich
Fromm und anderen arbeitete A. als
Musiktheoretiker an einer interdisziplinär
angelegten ideologiekritischen
Theorie des gesamtgesellschaftlichen
Verlaufs. Den gesellschaftlichen Gehalt
der Musik förderte er nicht soziologistisch
von außen zutage, sondern durch
die Analyse der ästhetischen Formgesetze
der Werke selbst. Zugleich arbeitete
er, angeregt von Ernst Bloch und
Georg Lukács und in produktivem Austausch
mit seinem Lehrer und Freund
Walter Benjamin, in seiner Habilitationsschrift
über Sören Kierkegaard –
1930 von Paul Tillich in Frankfurt angenommen
– den gesellschaftlichen und
potentiell kritischen Gehalt von Philosophie
heraus.
Nach der Machtübernahme durch die
Nationalsozialisten 1933 versuchte A.
zunächst, in Deutschland zu »überwin-
tern«. Gleichzeitig bemühte er sich, in
Oxford akademisch Fuß zu fassen. Bis
1937 kehrte er von dort regelmäßig zu
längeren Aufenthalten nach Frankfurt
zurück. Erst die energische Intervention
Horkheimers, der sich keine Illusionen
über die NS-Diktatur machte, veranlaßte
A. 1938, zusammen mit seiner Frau,
der promovierten Chemikerin Margarete
Karplus, in die USA zu emigrieren.
Dort änderte er seinen Namen in
»Theodor W. Adorno«.
Nicht nur die ständige Mitarbeit in
dem inzwischen in New York ansässigen
»Institut für Sozialforschung«, sondern
vor allem auch die »Erfahrung des Substantiellen
demokratischer Formen« bestimmte
A.s weitere Tätigkeit: »daß sie
in Amerika ins Leben eingesickert sind,
während sie zumindest in Deutschland
nie mehr als formale Spielregeln waren
und, wie ich fürchte, immer noch nicht
mehr sind. Drüben lernte ich ein Potential
realer Humanität kennen, das im
alten Europa so kaum vorfindlich ist.
Die politische Form der Demokratie ist
den Menschen unendlich viel näher.
(. . .) Begegnet man etwa in soziologischen
Studien in Deutschland immer
wieder Aussagen von Probanden wie:
Wir sind noch nicht reif zur Demokratie,
dann wären in der angeblich so viel
jüngeren Neuen Welt derlei Äußerungen
von Herrschgier und zugleich
Selbstverachtung schwer denkbar. Ich
möchte damit nicht sagen, daß Amerika
vor der Gefahr eines solchen Umkippens
zu totalitären Herrschaftsformen
gefeit sei. Eine solche Gefahr liegt in der
Tendenz der modernen Gesellschaft
überhaupt. Aber wahrscheinlich ist die
Resistenzkraft gegen faschistische Strömungen
in Amerika doch größer als in
irgendeinem europäischen Land, mit
Ausnahme vielleicht von England.«
Mit der Kritik an der Kulturindustrie
in den USA, die eine Vorreiterrolle für
den europäischen, inzwischen weltweiten
Betrieb der Massenkultur einnahm,
und mit den in der Emigration entstandenen
bahnbrechenden Studien zum
autoritären Charakter (1950) trug A. zur
Einsicht der demokratischen Gesellschaft
in ihre eigene Ambivalenz bei.
Nach A. besteht der innere Widerspruch
der Kultur darin, daß sie ihr Versprechen
von Humanität auf der Basis einer
inhumanen, repressiven Gesellschaftsformation
gibt – und schließlich selbst
dementiert, wenn sie sich, als Kulturindustrie,
ganz den Regeln der Warenproduktion
unterwirft. Und die Tendenz
zur Selbstunterhöhlung der demokratischen
Gesellschaft wurde in den
Studien zum autoritären Charakter erstmals
einer empirischen sozialpsychologischen
Analyse zugänglich: Sie zeigte,
bei welcher Charakterdisposition Individuen
»besonders empfänglich für antidemokratische
Propaganda« sind.
1941 zog zunächst Horkheimer und
kurz danach A. nach Los Angeles: Gemeinsam
verfaßten sie hier die Dialektik
der Aufklärung. 1944 abgeschlossen,
aber erst 1947 veröffentlicht, thematisiert
das Werk die »Selbstzerstörung der
Aufklärung«. Aufklärung, ganz allgemein
»das fortschrittliche Denken«, das
darauf zielt, »von den Menschen die
Furcht zu nehmen und sie als Herren
einzusetzen«, führt zur radikalen »Entzauberung
der Welt«, zur Emanzipation
der Erkenntnis vom Mythos, endet aber
in diesem Prozeß selbst als Mythos, als
Herrschaft des technisch-instrumentellen
Denkens unter den Bedingungen
des »Warenfetischismus«.
1945/46 arbeitete A. – noch in den
USA – an Thomas Manns Roman Doktor
Faustus (erschienen 1947) mit, vor
allem an den musiktheoretischen Passagen.
1949 kam A.s Philosophie der neuen
Musik heraus, 1952 der Versuch über
Wagner. Außerdem veröffentlichte er eine
Sammlung eigener Aphorismen unter
dem Titel Minima Moralia (1951).
Gemeinsam mit Horkheimer 1949 nach
Frankfurt zurückgekehrt, bekleidete A.
seit 1950 eine außerplanmäßige Professur
für Philosophie und Musiksozio-
logie an der Universität Frankfurt, die
sieben Jahre später in ein Ordinariat
umgewandelt wurde. Und er leitete zusammen
mit Horkheimer das 1951 in
Frankfurt neueröffnete »Institut für Sozialforschung
«, das in den fünfziger Jahren
der kritischen Soziologie zum
Durchbruch in der Bundesrepublik verhalf.
In den sechziger Jahren wurde A. zu
einem der wichtigsten Intellektuellen
der Republik. Von 1963 bis 1968 war er
Vorsitzender der »Deutschen Gesellschaft
für Soziologie«. Seine Essaysammlungen,
die Prismen (1955), Eingriffe
(1963) und Stichworte (1969) entfalteten
ihre Wirkung weit über die akademische
Sphäre hinaus. Er war im
Rundfunk und in der Presse als pointiert
formulierender Aufklärer präsent.
»Adorno hat in den letzten fünfundzwanzig
Jahren seines Lebens sein Augenmerk
auf das Fortleben des Nationalsozialismus
gelegt. Aus dem Bewußtsein
der Gegenwart von Auschwitz wurde
das Bewußtsein notwendigen Erinnerns
«, schrieb Detlev Claussen.
Der Kampf gegen das Vergessen, das
unter dem Titel »Vergangenheitsbewältigung
« die letzten Hindernisse aus dem
Weg räumen sollte, die der Restauration,
dem Wirtschaftswunder und der
»formierten Gesellschaft« (Ludwig Erhard)
im Wege standen, zeigte Wirkung.
Mitte der sechziger Jahre machte sich
die inzwischen so genannte »Frankfurter
Schule« als einflußreiche Impulsgeberin
gesellschaftlicher Reformprozesse
bemerkbar. 1966 formulierte A. im Hessischen
Rundfunk sein Konzept von Erziehung
als »Herstellung eines richtigen
Bewußtseins. (. . .) Man kann sich verwirklichte
Demokratie nur als Gesellschaft
von Mündigen vorstellen.« (Erziehung
zur Mündigkeit, 1971). Der Vietnamprotest
(gegen die Bombardierung
Nordvietnams durch die USA seit
1965), die Erschießung des Studenten
Benno Ohnesorge durch einen Polizisten
bei einer Anti-Schah-Demonstration
1967, das Attentat des Arbeiters
Josef Bachmann auf Rudi Dutschke, einen
der führenden Köpfe der Studentenrevolte,
am 11. April 1968, beeinflußten
in den folgenden Jahren das
politische Klima der Bundesrepublik.
Bald stellte sich heraus, daß es in der
Kritik an der bestehenden Gesellschaft
Übereinstimmungen zwischen A. und
der Protestbewegung gab, aber Differenzen
über die Mittel, Veränderung zu
ermöglichen. Zwar solidarisierte sich A.
öffentlich mit den Intentionen des studentischen
Protests, der ja nicht nur auf
Reform der Universitäten zielte, sondern
auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung
mit dem Nationalsozialismus
einleitete. Er sah die aktuelle
Notwendigkeit einer außerparlamentarischen
Opposition, unterstützte den
Widerstand gegen die (1968 vom Bundestag
beschlossenen) Notstandsgesetze
und erklärte die studentische Blockade
der Auslieferung von Zeitungen aus
dem Axel-Springer-Verlag (Ostern 1968
als Reaktion auf den Mordanschlag gegen
Dutschke) für legitim. Aber anders
als etwa Herbert Marcuse lehnte er alle
Formen von Aktionismus und Gewaltanwendung
ab, die sich selbst mit revolutionärer
Tat verwechselten und in A.
Erinnerungen an das antidemokratische
Potential in der Weimarer Republik
weckten. »Der entscheidende Differenzpunkt
ist wohl der«, sagte er, nicht lange
vor seinem Tod, in einem Zeitungsinterview
über die Möglichkeit radikaldemokratischer
Politik in der Bundesrepublik,
»daß unter den gesellschaftlichen
und technischen Bedingungen
der Gegenwart verändernde
Praxis überhaupt vorstellbar ist nur als
gewaltlos und durchaus im Rahmen des
Grundgesetzes.«
A.s philosophische Arbeit konzentrierte
sich in diesen letzten Jahren auf
die Ausarbeitung seines Spätwerks. Viele
nahmen es ihm übel, daß er sich nicht
politisch vereinnahmen ließ. Die tumultartigen
Störungen seiner Lehrtätig-
keit mögen A. verunsichert und zu Fehleinschätzungen
verleitet haben, so z.B.,
als er 1969 aus Angst vor einer Besetzung
des Instituts für Sozialforschung
durch Frankfurter Studenten die
Polizei um Hilfe rief. Dazu kam eine
Kampagne, die gegen seine Edition der
Schriften Walter Benjamins angezettelt
wurde. Zu Unrecht warf man ihm vor,
er habe in der Emigrationszeit Benjamins
Abhängigkeit vom Institut ausgenutzt
und später seine Schriften verfälscht.
Zermürbt verließ A. nach dem
Prozeß, den man seinem Doktoranden
Hans-Jürgen Krahl wegen Landfriedensbruchs
gemacht hatte, im Juli 1969
Frankfurt, um mit seiner Frau Ferien in
der Schweiz zu machen. Dort starb er an
einem Herzinfarkt. Seine Negative Dialektik
(1966) und die Ästhetische Theorie
(1970 posthum unabgeschlossen erschienen)
haben den philosophischen
Diskurs seit den siebziger Jahren bis
heute entscheidend beeinflußt.
Literatur: Früchtl, J.; Calloni, M.
(Hg.): Geist gegen den Zeitgeist. Erinnern
an Adorno. Frankfurt/Main 1991.
– Scheible, H.: Theodor W. Adorno.
Reinbek bei Hamburg 1989. – Schweppenhäuser,
G. (Hg.): Soziologie im
Spätkapitalismus. Zur Gesellschaftstheorie
Theodor W. Adornos. Darmstadt
1995. – Wiggershaus, R.: Theodor
W. Adorno. München 1987.
Gerhard Schweppenhäuser