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Von Kartoffeln und Kanaken Warum Integration im Klassenzimmer scheitert. Eine Lehrerin stellt klare Forderungen.
Von Kartoffeln und Kanaken
Warum Integration im Klassenzimmer scheitert. Eine Lehrerin stellt klare Forderungen.




Julia Woellenstein

Münchener Verlagsgruppe
EAN: 9783747400555 (ISBN: 3-7474-0055-8)
192 Seiten, kartoniert, 12 x 19cm, April, 2019

EUR 14,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wenn Bildung auf der Strecke bleibt



"Wenn ich etwas falsch mache, müssen Sie mich schlagen." "Ich brauche keinen Schullabschluss. Ich heirate nächstes Jahr meinen Cousin." Sätze wie diese gehören inzwischen zum Alltag der Gesamtschullehrerin Julia Wöllenstein. Die Mehrzahl ihrer Schüler hat einen Migrationshintergrund. Sie ist kein Einzelfall. So entstehen wegen der oft rudimentären Deutschkenntnisse und den unterschiedlichen kulturellen und religiösen Hintergründen Konflikte, die Lehrkräfte vor nicht überwindbare Herausforderungen stellen. Dennoch kann und muss Integration in der Schule funktionieren. Die engagierte Lehrerin stellt daher klare Forderungen an die Politik und unsere Gesellschaft und macht dabei auf drastische Weise deutlich, dass unser Schulsystem so auf Dauer nicht mehr in der Lage sein wird, allen Schülern eine Basis für ihre Zukunft zu geben.
Rezension
Aus dem Leben einer Lehrerin berichtet die Autorin des Buches, Julia Wöllenstein. Sie unterrichtet an einer Gesamtschule, die in einer nordhessischen Großstadt in einem Einzugsgebiet liegt, das der Schule einen hohen Migrantenanteil zuführt. Soweit zur "Vorgeschichte".

Inhaltlich beschreibt Julia Wöllenstein die besondere Problematik der Schule, an der sie ihren täglichen Unterricht versieht und das, ganz offensichtlich, mit großem Engagement. Kinder mit Migrationshintergrund bilden die deutliche Mehrheit in der Schule. Das bedeutet für die Lehrer*innen, sich immer wieder besonderen Rahmenbedingungen zu stellen. Hierbei handelt es sich zumeist um eindeutig patriarchalisch geprägte familiäre Strukturen, die zu einem speziellen Verhältnis in Bezug auf Gleichberechtigung einerseits, aber auch im Verhältnis zu weiblichen Lehrkräften führen. Bildungsferne Elternhäuser, in denen häufig wenig oder gar nicht Deutsch gesprochen wird, verursachen weitere Probleme im Unterricht von Regelklassen, also Klassen, bei denen in Bezug auf das sprachliche Niveau, Deutsch als Muttersprache vorausgesetzt wird. Die Prägung durch Religion (mit den hierin enthaltenen Maßgaben an das "normale Leben") führt zu Konflikten, insbesondere im Umgang und in der täglichen Begegnung von Kindern unterschiedlicher Herkunft und unterschiedlicher Religionszugehörigkeit. Dies wiederum führt zu Konflikten untereinander, aber auch zu Konflikten mit dem System "Schule", die einen staatliche Bildungsauftrag verfolgt und verfolgen muss. Die Autorin hält ihn für absolut sinnvoll und fordert klare Regeln und die Achtung vor den Maßgaben des Grundgesetzes der Bundesrepublik.
Dennoch fordert sie andererseits auch mehr Flexibilität vom System Schule, um auf spezifische Situationen besser reagieren zu können. Zudem wird Kritik am dreigliedrigen Schulsystem immer wieder spürbar und überdies auch klar geäußert.
Als Fazit werden sieben Forderungen aufgestellt (an alle Beteiligten), damit Integration in der Schule gelingen kann!

Mein Fazit:
Mit jedem Satz merkt man der Autorin an, dass sie ein besonderes Engagement in ihrem Beruf lebt und versucht, das Beste aus der teilweise recht schwierigen Situation zu machen. Sie schildert ihre Sichtweise in gut nachvollziehbarer Form und in die teilweise komplizierten inneren Strukturen des Schulsystems werden die Leser durchaus mitgenommen.
Dass Schule aufgrund sehr unterschiedlicher Bedingungen immer wieder an Grenzen stößt, verschweigt sie nicht und beschreibt, wie die Situation eventuell besser zu gestalten wäre.
Die Erfahrungswelt, die sie beschreibt, sind präsent, jedoch durchaus nach wie vor noch nicht der "Normalfall" an Deutschen Schulen.
Von daher stellt sich an verschiedenen Stellen die Frage, ob die Thesen wirklich auch für alle Schulen gut und praktikabel sind. Hier muss man sicher mit den Ideen der Autorin nicht immer übereinstimmen. Einzelne Thesen sind sicher universell verwendbar (Durchsetzung des staatlichen Bildungsauftrages für alle Schüler*innen, unbedingte Akzeptanz der Werte unserer Verfassung u.v.m.), andere erscheinen eher situationsspezifisch entstanden
In jedem Falle aber ist ein interessantes und anregendes Buch entstanden, das den Leser reichlich Informationen anhand gibt und dazu animiert, eigene Positionen zu finden.

Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Julia Wöllenstein ist eine engagierte Lehrerin an einer Gesamtschule. Die Mehrzahl ihrer Schüler hat einen Migrationshintergrund, was nicht nur aufgrund der oft nur rudimentären Deutschkenntnisse zu Problemen führt. Unterschiedliche kulturelle und religiöse Hintergründe führen zu Konflikten untereinander, die einen Lehrer vor Aufgaben und Herausforderungen stellen, die weit über das normale Unterrichten hinausgehen. Dennoch muss und kann Integration in der Schule funktionieren. Die Autorin zeigt, wie Kinder mit unterschiedlicher Herkunft und Begabung besser miteinander lernen können. Gleichzeitig gibt sie einen Ausblick auf eine Schule, wie sie einmal sein muss – mit klaren Regeln und einer gelungenen Integration.

Julia Wöllenstein, Lehrerin für evangelische Religion, Englisch und Darstellendes Spiel sowie ausgebildete Sozial- und Theaterpädagogin unterrichtet an einer Gesamtschule in Hessen mit kulturellem Schwerpunkt und hat einen Lehrauftrag für ästhetische Bildung an der Universität Kassel. Sie setzt sich dafür ein, Schülern aus bildungsfernen Elternhäusern und Schülern mit Migrationshintergrund mehr gesellschaftlichen Rückhalt zu geben und beschäftigt sich mit der Frage, wie Integration in Schulen gelingen kann.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung:
Eine klare Haltung kommunizieren 9
Von Kultur und Streitkultur 17
Ausflug ins deutsche Schulsystem 23
Willkommen in der Realität 26
Dauerschleife Hurensohn 43
Wenn Elternarbeit an ihre Grenzen stößt 53
Wo das Grundgesetz endet 67
Und jährlich grüßt der Ramadan 76
Lehrer ohne Lobby – Schüler ohne Chance? 86
Parallelwelten – Warum wir sie verstehen müssen, aber nicht akzeptieren dürfen 105
Das Kopftuch: Nicht einfach nur ein Stück Stoff 115
Ankommen in Deutschland –
Gelungene Sprachintegration durch »Deutsch als Fremd- und Zweitsprache« 123
Leben in Deutschland 132
Kartoffelkanaken – Die Chancen ästhetischer Bildung im Integrationsprozess 142
Der Nahostkonflikt an unseren Schulen 156
Fazit 176

Literatur 184
Links 185
Dank 186
Über die Autorin 187
Anmerkungen 188