Wenn ich heute Christen nach ihrem Verhältnis zu ihrer Religion befrage oder ihrem Bild vom Christentum, sind die Antworten meist getrübt durch persönliche Erfahrungen mit der Kirche oder deren Vertretern. Neben den ambivalenten Kirchen-Erfahrungen erlebe ich ein mangelndes und zum Teil verkümmertes Wissen über die eigene Religion. Das christliche Analphabetentum zieht seine Kreise und wird genährt durch mangelnde Glaubenserfahrung und -praxis. Dabei bietet das Christentum vor allem in seinen biblischen Fundament tiefgründige Lebens- und Glaubenserfahrungen, die auch dem modernen Menschen hoffnungsvolle Lebensperspektiven eröffnen können. Doch manchmal haben Außenstehende einen intensiveren Blick darauf als so mancher Angehörige der Religionsgemeinschaft selbst. So hat mich ein Buch eines Muslims und habilitierten Orientalisten mit seinem besonderen Blick auf die Vielfalt und die wunderbare Welt des Christentums angesprochen. Es handelt sich um den mit vielen Preisen ausgezeichneten deutsch-iranischer Schriftsteller Navid Kermani und sein Buch "Ungläubiges Staunen", das ein ebensolches Staunen bei so manchem Christen hervorgerufen hat. Über bedeutende Werke der Kunst, die Lebenspraxis christlicher Vorbilder, die vielfältigen Formen gelebten Glaubens bis hin zur unbegreiflichen Botschaft des Kreuzes und der Lebenskraft der Bibel lässt er den christlichen Glauben in ganz intensiven Farben erstrahlen. Selten hat mich ein theologisches, spirituelles oder meditatives Buch so sehr gefesselt. Letztlich lerne ich mit den Augen des Schriftstellers gelassener und genauer hinzusehen auf diese befreiende und fesselnde Kraft, die das Christentum ausstrahlen kann. Besonders empfehlenswert für kritische Geister, die es noch nicht aufgegeben haben, sich von neuen Sichtweisen anstecken zu lassen.

Arthur Thömmes, lehrerbibliothek.de

Es ist ein Wagnis: Offenen Herzens, mit einer geradezu kindlichen Neugier steht Navid Kermani vor den großen und vor unbekannten Werken der christlichen Kunst. Und es wird zum Geschenk: Denn seine berückend geschriebenen Meditationen geben dem Christentum den Schrecken und die Schönheit zurück. Kermani hadert mit dem Kreuz, verliebt sich in den Blick der Maria, erlebt die orthodoxe Messe und ermisst die Größe des heiligen Franziskus. Er lehrt uns, in den Bildern alter Meister wie Botticelli, Caravaggio oder Rembrandt auch die Fragen unserer heutigen Existenz zu erkennen – mit klarem Blick für die wesentlichen Details und die untergründigen Bezüge auch zu entfernt scheinenden Welten, zur deutschen Literatur, zum mystischen Islam und selbst zur modernen Heilgymnastik. Seine poetische Schule des Sehens macht süchtig: süchtig nach diesem speziellen Blick auf das Christentum und sehnsüchtig danach, selbst so sehen zu können.

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