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Und ruhelos sind die Toten
Krimi
Anne Perry
Bastei Lübbe
EAN: 9783404158102 (ISBN: 3-404-15810-5)
429 Seiten, paperback, 13 x 17cm, Januar, 2008
EUR 8,95 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Eine perfekte Mischung aus historischem Krimi und Thriller The Times
Oktober 1918. Das Kriegsende naht, doch an der Westfront toben unvermindert heftige Kämpfe. Als der Vretraute eines lange gesuchten verschwörers und Hochverräters die Seiten wechseln möchte, begibt sich Matthew Reavely, der beim britischen Geheimdienst arbeitet, an den Frontabschnitt, in dem sein bruder Joseph als Feldgeistlicher und ihre Schwester Judith als Sanitätsfahrerin dienen.
Kaum ist Matthew an der Front eingetroffen, wird eine Krankenschwester auf bestialische Weise ermordet. Zunächst verdächtigt man einen deutschen Kriegsgefangenen, doch dann mehren sich verdachtsmomente gegen Matthew Reavely ...
Rezension
Der vorliegende Krimi Und ruhelos sind die Toten entführt den Leser mitten in das Kampfgeschehen an den - sichtbaren und unsichtbaren - Fronten des 1. Weltkrieges.
Grundlage der Serie ist eine englische Familie, die nicht nur durch die Kriegswirren auseinander gerissen wird, sondern durch den geheimnisvollen Unfalltod der Eltern auf die Spur eines schrecklichen Geheimnisses gerät. Teilweise jeder für sich, doch jetzt - fast am Ende ihrer Geschichte angelangt gemeinsam - versuchen die Geschwister Reavley das Schlimmste zu verhindern, Einfluss auf den Verlauf des Krieges zu nehmen und einen Landesverräter zu überführen.
Dabei bleibt ihnen kein Leid erspart. Praktisch "nebenher" haben sie noch einige andere Kriminalfälle zu lösen, im vorliegenden Band den bestialischen Mord an einer Krankenschwester an der Front in Frankreich. Hier ist grundsätzlich immer jeder verdächtig.
Ob sie ihr Ziel erreichen? Einfach selbst lesen!
Mein Fazit:
Ein Krimi der unter die Haut geht!
Detailiert beschrieben, daher oftmals auch schokierend. Für diesen Roman braucht man schon etwas Durchhaltevermögen. Dafür wird man mit einem hervorragenden Verwirrspiel belohnt und bis zum Schluss bleibt jede einzelne Sekunde spannend.
Ich kann den Krimi nur wirklich jedem empfehlen, auch wenn hier das blutige Gedicht des Krieges sehr aufrüttelnd und schonungslos dargestellt wird.
Zwar hatte ich das Problem sozusagen mitten in der Geschichte einzusteigen, da ich die vier vorangehende Bände nicht kenne, aber trotzdem kommt man relativ schnell mit den Hintergründen zurecht.
Schade, dass dies der letzte Band ist, aber ich werde auf jeden Fall noch das Lesen der vier vorangegangenen Bände nachholen. Das sollte man sich nämlich auf keinen Fall entgehen lassen!
Ich kann wirklich nur bewundern, wie komplex der Autor sein mehrschichtiges Netz in der Geschichte gesponnen hat. Kaum meint man jetzt die Lösung zu haben, wird man aufs Neue mit neuen Fakten verwirrt, die den Fall in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.
Sylvia Schubert für Lbib.de
Verlagsinfo
Der Verlags-Website entnommen:
Anne Perry
Und ruhelos sind die Toten
Oktober 1918. Das Kriegsende naht, doch an der Westfront toben unvermindert heftige Kämpfe. Als der Vertraute eines lange gesuchten Verschwörers und Hochverräters die Seiten wechseln möchte, begibt sich Matthew Reavley, der beim britischen Geheimdienst arbeitet, an den Frontabschnitt, in dem sein Bruder Joseph als Feldgeistlicher und ihre Schwester Judith als Sanitätsfahrerin dienen.
Kaum ist Matthew an der Front eingetroffen, wird eine Krankenschwester auf bestialische Weise ermordet. Zunächst verdächtigt man einen deutscher Kriegsgefangenen, doch dann mehren sich Verdachtsmomente gegen Matthew Reavley ...
LESEPROBE der Verlags-Website unter folgender URL entnommen:
http://www.luebbe.de/kunden/luebbe/vgl/produkte.nsf/0/EE7AD8A427C3391EC12573AE00685047/$file/9783404158102.pdf?open&cartid=12341-21956
Unverkäufliche Leseprobe
Und ruhelos sind die Toten
Krimi
von Anne Perry
Aus dem Englischen von
Dietmar Schmidt
ISBN 978-3-404-15810-2
© 2007 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
1
Sindwer dieses Jahr Weihnachten zu Haus,Chaplain?«, fragte Barshey Gee mit einem schiefen Lächeln. Er stand mit dem Rücken zum Wind und zündete sich eine Woodbine an, dann schnippte er das Streichholz in den Schlamm unter seinen Füßen.
Die Dunkelheit brach herein, und einige Meilen entfernt feuerte vereinzelt deutsche Artillerie. Noch eine kleine Weile und der Beschuss nähme zu. Nachts war das Trommelfeuer am schlimmsten.
»Vielleicht.« Joseph wollte sich ungern festlegen. Im Oktober 1914 hatten sie alle geglaubt, der Krieg wäre in wenigen Monaten vorüber. Heute, vier Jahre später, sah die Situation völlig anders aus. Von den Männern,mit denen Joseph ins Feld gezogen war, lebte die Hälfte nicht mehr; aber das deutsche Heer war auf dem Rückzug und verließ das von ihnen bisher besetzt gehaltene Gebiet, und Josephs Cambridgeshire-Regiment war fast schon wieder bis nach Ypern vorgestoßen. Eventuell nahm sein Regiment die Stadt in der kommenden Nacht sogar ein. Jeder Mann wurde also gebraucht.
Links und rechts von Joseph warteten die Soldaten, während es dunkler wurde. Vor lauter Nervosität konnten sie nicht stillstehen, rückten Gewehr und Sturmgepäck immer wieder zurecht.
Sie kannten das Terrain gut. Ehe die deutsche Offensive die englischen Reihen zurückgedrängt hatte, hatten die Männer des Cambridgeshire-Regiments in den Schützengräben und Unterständen gelegen, die sie nun zurückerobern sollten.
Überall ringsum hatten ihre Freunde und Brüder im schweren flandrischen Lehmboden ihr Grab gefunden.
Barshey verlagerte sein Gewicht, und seine Stiefel schmatzten im allgegenwärtigen Schlamm. Kurz nach den ersten Gasangriffen im Frühjahr 1915 war sein Bruder Charlie hier verstümmelt worden und verblutet. Tucky Nunn lag irgendwo hier unter der Erde, auch Plugger Arnold und Dutzende andere
aus den kleinen Ortschaften rings um St. Giles.
Links von Joseph rührte sich etwas, rechts auch. Die Männer warteten auf den Befehl, über den Grabenrand zu steigen.
Joseph würde wie immer zurückbleiben, bereit, sich um Verwundete zu kümmern und sie zum Hauptverbandplatz zu tragen oder bei denen zu sitzen, deren Schmerzen unerträglich waren und mit den Sterbenden auf den Tod zu warten. Zu oft verbrachte er seine Tagemit der Aufgabe, Briefe an die Heimat zu schreiben, in denen er Frauen mitteilte, dass sie nun Witwen seien. In letzter Zeit waren die Soldaten jünger geworden, einige nur fünfzehn, sechzehn Jahre alt, und Joseph schilderte
ihren Müttern, wie sie gestorben waren, versuchte, Trost zu spenden, indem er schrieb, dass sie tapfer und bei den Kameraden beliebt gewesen, dass sie nicht allein gestorben seien – dass
es schnell vorüber gegangen sei.
In seiner Tasche verkrampfte sich Josephs Hand über dem Brief seiner Schwester Hannah, die zu Hause in Cambridgeshire zurückgeblieben war. Er hatte das Schreiben am Morgen erhalten, aber bisher standhaft noch nicht geöffnet. Erinnerungen konnten ihn ablenken, ihn meilenweit aus der Gegenwart
entführen und die Konzentration schwächen, von der bald sein Überleben abhing. Er durfte nicht daran denken, wie der Wind des zu Ende gehenden Tages in den Pappeln hinter dem Obstgarten raschelte. Er durfte sich nicht an die Ulmen erinnern, die sich hinter dem Feld vom Abendhimmel abhoben, wo Stare ihre Kreise zogen, Schattensplitter vor dem Licht. Joseph konnte sich nicht gestatten, die Stille und den Geruch der Erde heraufzubeschwören, den Anblick von Ackergäulen auf den Feldwegen, die nach einem arbeitsreichen Tag im Schritt zurück zu ihren Höfen trotteten.
Noch Wochen, eventuell einige wenige Monate würden vergehen, ehe alles vorüber wäre und die Überlebenden in ein Land zurückkehren könnten, das nie wieder so sein würde, wie sie es damals verlassen und von dem sie die ganze Zeit geträumt hatten.
Mehr Männer huschten im Halbdunkel vorbei. Die Gräben der Entente-Mächte waren flacher als die deutschen; man musste den Kopf unten halten, sonst riskierte man, von einem Heckenschützen getroffen zu werden. Der Boden war durch und durch aufgeweicht. Joseph erinnerte sich nur zu gut an diesen
Schlamm und auch an die schlimmsten Zeiten, wenn dieser Schlamm so tief gewesen war, dass ein Mann darin ertrinken konnte, und so kalt, dass einige sogar darin erfroren waren.
Von den Lattenrosten, die den untersten Teil des Grabens bedeckten, verrotteten viele; aber unter ihnen wimmelte es noch immer von Ratten, Millionen von Ratten waren es, einige so groß wie Katzen, und auch der Gestank – nach Tod und nach Latrinen – war geblieben. Die Front roch man schon Meilen,
ehe man sie erreichte. Der Gestank war nie derselbe, hier roch es anders als dort drüben; denn der Gestank hing von der Nationalität der Männer ab, die in den jeweiligen Abschnitten lagen und kämpften. Was die Lebenden hauptsächlich aßen, gab ihren Leichen den charakteristischen Geruch
Barshey warf den Zigarettenstummel weg. »Schätze, in ’ner Woche sind wer wieder bei Passchendaele«, sagte er mit einem Blick auf Joseph und blinzelte leicht im letzten Licht.
Joseph erwiderte nichts, denn er wusste, dass Barshey keine Antwort erwartete. Erinnerung vereinte sie in wortlosem Schmerz. Er nickte, sah Barshey einen Moment lang an, dann wandte er sich ab und machte sich auf den Weg über die alten Lattenroste um den Grabenknick zur nächsten Länge. Die hölzernen Faschinen, die verhinderten, dass die Grabenwände einstürzten, wölbten sich oder hingen durch. Sämtliche Gräben waren als Zickzacklinie angelegt, damit der Feind beim Sturm nicht mit massiertem Beschuss gleich einen ganzen Zug ausschalten konnte. Joseph erreichte Tiddly Wop Andrews,
der unter dem Schützenauftritt stand. Seine Gestalt hob sich als Schattenriss einen Augenblick lang vom blassen Himmel ab, dann duckte er sich wieder.
»’n Abend, Reverend«, sagte er leise. Er wollte etwas hinzufügen, doch da ratterten hundert Yards zu ihren Rechten die Maschinengewehre los, und Andrews’ Worte gingen im Lärm unter.
Für Joseph wurde es Zeit, zum Hauptverbandplatz zurückzukehren, denn dort war er den Verwundeten von Nutzen, sobald die Sanitäter sie heranschafften. Er kam an anderen Männern vorbei, die er kannte, und wechselte mit ihnen einen, zwei Sätze: Snowy Nunn, dessen weißblondes Haar der Helm verbarg; Stan Tidyman, der grinsend durch die Zähne pfiff; PunchFuller, denman sofort an seiner Nase erkannte, und Cully Teversham, der vollkommen reglos an der Grabenwand stand.
Wie jedes britische Regiment hatten sich die Cambridgeshirer ursprünglich aus einem begrenzten Gebiet rekrutiert: Männer, die als Kinder zusammen gespielt und die gleichen Schulen besucht hatten. Doch nachdem so viele gefallen oder verwundet worden waren, füllte man die Regimenter mit den Überlebenden aus allen Teilen des Landes auf, um wieder Kampfstärke zu erreichen. Mehr als die Hälfte der Männer, die gleich über den Grabenrand gingen und gegen das feindliche Feuer anstürmen würden, waren für Joseph kaum mehr als Fremde.
Er kam ans Ende des Grabenabschnitts und bog in den Laufgraben ab, der zur Versorgungslinie führte, hinter welcher der Hauptverbandplatz lag. Als Joseph diesen erreichte, war es dunkel geworden. Normalerweisewäre dort noch kein Betrieb gewesen. Die Verwundeten wurden in die Lazarette geschafft,
sobald sie bewegt werden konnten, und die Feldärzte, Krankenschwestern und Sanitäter hätten auf die ersten Fälle gewartet.
In letzter Zeit wurden jedoch so viele deutsche Gefangene gemacht, die erschöpft, entkräftet und oft verletzt waren, dass sich gut zwanzig Patienten in Behandlung befanden.
In der Ferne marschierten weitere Kolonnen Soldaten zu den Gräben. Bei dem Tempo, in dem die britischen Regimenter Terrain eroberten, würde sich die Front bald über die alten Befestigungen hinaus bewegen. Auf freiem Feld käme es zu weitaus schwereren Verlusten.
Joseph begann seine übliche Arbeit und legte bei geringfügigeren Wunden selbst mit Hand an. Er war im Aufnahmezelt beschäftigt, als Whoopy Teversham an die offene Klappe trat, das ängstliche Gesicht, wie man im Laternenlicht sah, mit Blut verschmiert.
»Captain Reavley, besser, Sie kommen mit. Da sin zwei Männer, die prügeln ’n Gefangenen ziemlich übel. Wenn Sie die nich aufhalten, bringen die den armen Teufel glatt um!«
Joseph rief einem Sanitäter zu, für ihn zu übernehmen, und wäre Whoopy fast in die Hacken getreten, so rasch folgte er ihm ins Freie. Er brauchte einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann begann er zu rennen und eilte hinter das Operationszelt. Der Boden war aufgerissen wie überall:
Geschützräder hatten ihn mit Furchen und Granateinschläge mit flachen Kratern überzogen.
Joseph sah sie vor sich, eine Gruppe aus vielleicht einem halben Dutzend Männer, die sich zusammenscharten. Als Leichtverwundete waren sie zum Wachdienst eingeteilt. Ihre Stimmen
klangen scharf und hoch. Joseph sah, wie sie noch enger zusammenrückten; ein Arm holte zum Hieb aus, schlug zu, und jemand taumelte. Eine Leuchtkugel detonierte und erhellte kurz den Himmel, ließ die Männer mehrere Sekunden lang als scharfe Silhouetten dastehen, ehe das Licht derselben wieder erlosch. Joseph erhielt genügend Zeit, um die Gestalt am Boden zu erkennen, halb zusammengekrümmt, das Gesicht im Schlamm, als versuche sie, sich zu schützen.
Als er dieGruppe erreichte, sprach er den einzigen Mann an, den er in der kurzen Phase von Helligkeit erkannt hatte. »Corporal Clarke, was geht hier vor?«
Die anderen erstarrten überrascht.
Clarke hustete, dann straffte er die Schultern. »DeutscherGefangener, Sir. Scheint verletzt zu sein.« Er klang unsicher, und Joseph konnte in der Dunkelheit seinGesicht nicht erkennen.
»Scheint verletzt zu sein?«, wiederholte Joseph schneidend.
»Und was stehen Sie dann hier herum, brüllen sich an und prügeln? Braucht er eine Trage?«
»Er is ’n gefangener Jerry!«, rief jemand wütend. »Am besten, wir erlösen ihn von sei’m Elend. Die Dreckskerle knalln uns seit vier Jahrn ab wie die Hasen, un jetzt glauben die, die brauchen nur die Hände zu heben, un schon überschlagen wir uns un verbinden un betüddeln sie! Ich sag, noch is Krieg!
Demseine Brüder sind da drüben . . .«, er wies mit dem Arm in Richtung des Geschützdonners, ». . . un die versuchen immer noch, uns umzubringen! Schießen wir also zurück!«
In den gemurmelten, ärgerlichen Antworten lag ein gewisses Maß an Zustimmung.
»Sehr tapfer«, entgegnete Joseph sarkastisch. »Zehn von euch treten einen unbewaffneten Gefangenen tot, während eure Kameraden ins Niemandsland gehen und sich den Deutschen mit derWaffe in der Hand stellen!«
»Wir ham ihn so gefunden!« Das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, loderte heiß und augenblicklich auf. Andere stimmten vehement zu. Sie wechselten Blicke miteinander.
»Der hat sich absetzen wolln!«, rief ein Soldat.
...
BASTEI LÜBBE TASCHENBUCH
Band 15 810
1. Auflage: Februar 2008
Bastei Lübbe Taschenbücher in der Verlagsgruppe Lübbe
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:
� 2007 by Anne Perry
Titel der englischen Originalausgabe: »We ShallNot Sleep«
Originalverlag: Headline Review
An imprint of Headline Publishing Group
Published by arrangement with Anne Perry
DiesesWerk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen
Für die deutschsprachige Ausgabe:
� 2008 by Verlagsgruppe Lübbe GmbH& Co. KG,
Bergisch Gladbach
Titelillustration: getty-images/Altrendo Travel
Umschlaggestaltung: Tanja Østlyngen
Satz: Urban SatzKonzept, Düsseldorf
Druck und Verarbeitung: GGPMedia, Pößneck
Printed in Germany
ISBN 978-3-404-15810-2
Sie finden uns im Internet unterwww.luebbe.de
Bitte beachten Sie auch: www.lesejury.de
Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.
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