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»Und dann bin ich auch noch Hauptschule gekommen…« Über die identitären Folgen der Hauptschulzugehörigkeit Zugl.: Diss. Universität Göttingen 2013
»Und dann bin ich auch noch Hauptschule gekommen…«
Über die identitären Folgen der Hauptschulzugehörigkeit


Zugl.: Diss. Universität Göttingen 2013

Matthias Völcker

UVK Verlagsgesellschaft mbH
EAN: 9783867645430 (ISBN: 3-86764-543-4)
342 Seiten, hardcover, 16 x 22cm, Juni, 2014

EUR 46,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Hauptschule bzw. die Hauptschulbildung befindet sich noch immer in einer tiefen Krise – und das trotz unzähliger Reformbemühungen vonseiten der Bildungspolitik und bereits erfolgter Nachrufe. In der Forschungsliteratur wird die Hauptschule mittlerweile als ein Ort beschrieben, an dem Chancenungleichheit sukzessive produziert und reproduziert wird. Darüber hinaus finden sich Beschreibungen und Begriffe für diese Schulform, in denen implizit immer eine soziale Abwertung zum Ausdruck gelangt, wenn etwa von »Restschule«, »Verliererschule« oder gar von »Verwahranstalten für die Hoffnungslosen« die Rede ist.

Matthias Völcker untersucht diese gesellschaftlich produzierte Verachtung und hinterfragt, wie die Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen selbst mit dieser Stigmatisierung umgehen. Er befragte hierfür annähernd 1.300 Schülerinnen und Schüler und führte zahlreiche Gespräche, in denen die Schülerinnen und Schüler von ihren alltäglichen Erfahrungen und über das gesellschaftliche Bild einer entwerteten Schulform berichten. Es eröffnen sich damit Einblicke in einen Bildungsgang, der nicht nur gesellschaftlich weitgehend diskreditiert ist, sondern der gleichwohl diskreditierend wirkt und viele Benachteiligungen institutionell sogar noch verstärkt. Matthias Völcker zeigt sowohl theoretisch als auch empirisch, dass der Status »Hauptschüler« für die Betroffenen einen deutlichen sozialen Makel darstellt: »[…] dann bin ich auch noch Hauptschule gekommen und dann wars ja ganz vorbei – dann war ich dumm.« (Karina, 16 Jahre)

Dr. Matthias Völcker ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Erziehungswissenschaft der Georg-August-Universität Göttingen. Außerdem arbeitet er als Dozent an einer Berufsbildenden Schule der Universitätsmedizin in Göttingen.
Rezension
Die Hauptschule steckt in einer tiefen Krise und ist in Verruf geraten als »Restschule« (vgl. S.25ff) oder »Verliererschule«; zur Hauptschule zu gehen kommt faktisch einer Stigmatisierung gleich (vgl. S.45ff), worauf der Titel dieser Dissertation aus dem Jahr 2013 an der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen anspielt. Die Hauptschule produziert und reproduziert Chancenungleichheit. Mittels empirischer Befragung untersucht der Autor diese gesellschaftlich produzierte Verachtung und hinterfragt, wie die Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen selbst mit dieser Stigmatisierung umgehen; denn der Status »Hauptschüler« stellt für die Betroffenen einen deutlichen sozialen Makel dar. Die Identität der Schüler/innen wird durch die Hauptschule institutionell beschädigt (vgl. Teil 2). Mit dieser Stigmatisierung müssen Hauptschüler/innen umgehen (vgl. Teil 3). Gehört diese Schulform also abgeschafft?!

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 8
Einleitung: Die Krise ‚der' Hauptschulen 11

Erster Teil: Die Hauptschule im Bildungssystem

1 Eine Schulform in der ‚Falle'? 21
2 Von der ,Schule der Zurückgebliebenen' zur ‚Restschule'? 25
2.1 Die anerkennungsbezogenen Probleme von Volks- und Hauptschulen 27
2.2 Die ‚neuen' Hauptschulen und ihre problematische Stellung im Bildungssystem 29
3 Zur Entwicklung der Schülerzahlen an Hauptschulen 33
4 Das Stigma der Hauptschule 45
4.1 Die Konstitution des sozialen Raums im Kontext von Stigmatisierungsprozessen 46
4.2 Stigmatisierungen und soziale Ungleichheit in schulischen Kontexten 52
5 ‚Barrieren' des Hauptschulabschlusses beim Übergang in das Ausbildungssystem und die Folgen fehlender (beruflicher) Perspektiven 59
5.1 Die Hürden des Übergangs für geringqualifizierte Jugendliche 60
5.2 Die Folgen fehlender beruflicher Perspektiven für die Jugendlichen 63
6 Zwischenfazit (1) — Die Hauptschule im deutschen Bildungssystem 67

Zweiter Teil: Identität

7 Identität oder die Frage nach den Möglichkeiten des Gleichseins in der Spätmoderne 73
8 Der Identitätsbegriff im Spiegel seiner historischen und disziplinären Entwicklung 77
8.1 Die Identitätstheorie von George Herbert Mead 79
8.2 Die Identitätstheorien von Erving Goffman und Lothar Krappmann 81
8.3 Die Identitätstheorie von Erik H. Erikson 84
8.4 Identität und/oder Selbstkonzept? 86
8.5 Die Theorie der sozialen Identität 89
9 Lebenswelt — ‚total diffus`?! Zum situativen Charakter von Identität 93
9.1 Die neue ökonomische Rationalität 94
9.2 Die historischen Grundlagen neoliberaler Theorie(n) 96
9.3 Der ‚Sieg' der Neoliberalismen 100
9.4 Das Subjektverständnis in der neoliberalen Theorie 105
9.5 Die Revitalisierung der sozialen Frage 106
9.6 Die Instrumentalisierung pädagogischer Arbeit 107
9.7 Von ,Patchworkern` und ,Driftern`: Identitätsprozesse im Wandel 111
9.8 Der narrative Charakter von Identität 114
10 Zwischenfazit (2) — Identität und institutionalisierte Identitätsbeschädigungen 121

Dritter Teil: Zur Identitätskonstruktion bei Hauptschülern

11 Fragestellungen und methodischer Zugang 127
11.1 Das Untersuchungsdesign 131
11.2 Operationalisierung von Stigmaerleben und schulischer Merkmale 133
11.2.1 Operationalisierung des Konstrukts Stigma 134
11.2.2 Operationalisierung schulischer Variablen 136
11.3 Die Verknüpfung quantitativer und qualitativer Verfahren 138
12 Form und Struktur des Hauptschulstigmas 141
12.1 Stichprobe und Vorgehensweise 141
12.2 Schulbezogene Untersuchungsinstrumente 142
12.3 Instrument zur Erfassung des Stigma-Erlebens bei Hauptschülern 149
12.4 Deskriptive Ergebnisse zum Stigmaerleben 157
12.5 Stigmatisierungen im Kontext schulischer Faktoren 165
12.5.1 Stigmafaktor: Leistungsfähigkeit und Motivation 168
12.5.2 Stigmafaktoren: Konformität und Selbstrepräsentation 173
12.6 Zwischenfazit (3) — Kollektive Identitätsformationen im Hauptschulbildungsgang 176
13 Entwurf einer Theorie des Hauptschulstigmas: Zur Entstehung und zum Umgang mit identitären Beschädigungen 179
13.1 „Es heißt ja dann immer, ja, dumm die meisten sind ja Schlampen [...], können einfach nichts, die kriegen doch sowieso keinen Job, es werden doch sowieso Hartz IV Empfänger": Zur sozialen Konstitution des Hauptschulstigmas 184
13.1.1 Viele Wege führen auf die Hauptschule 186
13.1.2 Schulbiographische Pfade (1): Der direkte Weg: von der Grundschule auf die Hauptschule 191
13.1.3 Schulbiographische Pfade (2): vom Gymnasium oder der Realschule auf die Hauptschule 207
13.1.4 Schulbiographische Pfade (3): von der Förderschule auf die Hauptschule 222
13.2 Konstitution und soziale Bedeutung des Hauptschulstigmas 229
13.2.1 Hauptschüler über Hauptschüler 230
13.2.2 Hauptschüler und die Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Position 235
13.2.3 Die Rolle der Schule und des Schulalltags im Kontext von Stigmatisierungsprozessen 241
13.2.4 Das soziale Umfeld im Kontext des Hauptschulstigmas 247
13.2.5 Gesellschaftliche und mediale Aspekte im Kontext von Stigmatisierungen 251
13.3 ,Eigentlich bin ich ja ganz anders' — Die Konstitution des Selbstbildes im Kontext institutioneller Identitätsbeschädigungen 254
13.3.1 Distinktion und Differenzierung 256
13.3.2 Distinktion und Differenzierung als Aushandlungsprozesse 257
13.3.3 Distinktion und Differenzierung als Ablehnungsprozesse 267
13.3.4 Anerkennung und Respektabilität 273
13.3.5 Handlungsfähigkeit 290
13.4 Zwischenfazit (4) — Stigmatisierungen und deren Folgen 309
14 „Dann bin ich auch noch Hauptschule gekommen und dann wars ja ganz vorbei": Stigmatisierungsprozesse im Bildungssystem und deren identitäre Folgen 315

Literatur 320