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Triumph und Elend des Neoliberalismus
Triumph und Elend des Neoliberalismus




Kurt Imhof (Hrsg.)

seismoverlag
EAN: 9783037770382 (ISBN: 3-03-777038-4)
327 Seiten, kartoniert, 15 x 23cm, Januar, 2005

EUR 33,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Siehe Werbetext.
Rezension
Spätestens seit dem G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm ist die Debatte über die Globalisierung wieder entflammt. Dabei wird auch die von manchen Globalisierungskonzepzten favorisierte Wirtschaftsform, der Neoliberalismus, kontrovers diskutiert. Begriffe wie "Deregulierung", "Dezentralisierung", "Flexibilisierung", "Management" und "Privatisierung" prägen seit den 1990er Jahren den öffentlichen, also nicht nur den ökonomischen Diskurs. Einer soziologischen Analyse wurde der Neoliberalismus auf dem im Jahre 2003 in Zürich durchgeführten Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie unterzogen. Die Kongress-Beiträge wurden in überarbeiteter Form in den Band "Triumph und Elend des Neoliberalismus" übernommen. Die Herausgeber des im Jahre 2005 im "Seismo Verlag" erschienen Bandes, die Schweizer Soziologieprofessoren Kurt Imhof und Thomas S. Eberle, verfolgen mit ihrem Buch die Intention, "einen substanziellen Beitrag zu leisten zur Analyse eines aktuellen gesellschaftspolitischen Ordnungsdiskurses aus soziologischer Perspektive."(S. 14) Dabei wenden sich die Soziologen gegen ein deskriptiv-neopositivistisches Soziologieverständnis; sie begreifen Soziologie als kritische Sozialwissenschaft: "Die Soziologie ist gefordert, einen sichtbaren Beitrag zu leisten, gesellschaftliche Verhältnisse im Kontext umfassender Wertbezüge zu reflektieren."(S. 12) Gleichzeitig sehen sie sich dem Konzept von "Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft" verpflichtet, die empiriegestützte Resultate liefert, um den "ökonomischen Reduktionismus [zu] überwinden."(S. 12) Bei ihren begrifflichen, historischen, sozialpolitischen Analysen des Neoliberalismus berücksichtigen die Wissenschaftler auch organisationssoziologische Aspekte.
Das Buch der Schweizer Soziologen enthält neben einem Einleitungskapitel drei Schwerpunktkapitel, nämlich über De- und Reregulation, über die "Renaissance der sozialen Frage" und über "Produktionsprozesse globaler Ungleichheiten". Die einzelnen wissenschaftlichen Beiträge beleuchten das Thema "Neoliberalismus" aus verschiedenen Perspektiven. So wird in dem Aufsatz über "Waging the War of Ideas" die "Entwicklung und Struktur des neoliberalen Diskursnetzwerks" aufgezeigt. Der Autor elaboriert präzise anhand von Originalzitaten der wirtschsaftstheoretischen Repräsentanten den Unterschied zwischen dem Ordoliberalismus eines Walter Eucken und dem Neoliberalismus eines August von Hayek (S. 44-47): "Der Neoliberalismus [...] unterscheidet sich von anderen Spiealarten des Liberalismus [...] vorab darin, dass er die Funktionalität staatlicher Regulation von Marktprozessen bestreitet, die Akkumulation von Marktmacht und Chancenungleichheiten legitimiert, die Demokratie als potentielle Bedrohung des Marktprinzips betrachtet und die soziale Frage für obsolet hält."(S. 54) Damit sind zugleich die empirisch belegbaren Gefahren und Folgeprobleme der Ideologie des Neoliberalismus benannt, nämlich Zementierung sozialer Ungleichheit und Demokratieabbau. Materialien aus dem Kongress-Band können m.E. auch im Politik- oder Wirtschaftsunterricht auf der gymnasialen Oberstufe fruchtbar eingesetzt werden.
Fazit: Das Buch "Triumph und Elend des Neoliberalismus" aus dem "Seismo Verlag" leistet einen fundierten Beitrag zur 'Aufklärung' über den Neoliberalismus und bereichert damit den soziologischen Diskurs.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Seit den ausgehenden 1980er Jahren erlebte das neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell auf Kosten des sozialmarktwirtschaftlichen Gesellschaftsmodells einen beeindruckenden Triumphzug. Inzwischen verdichten sich die Krisendiagnosen dieses Modells, das über Begriffe wie Globalisierung, Steuer- und Standortwettbewerb sowie Deregulierung dem alten, auf das frühe 19. Jahrhundert zurückgehenden Credo des Manchesterliberalismus zu einer wirkmächtigen Renaissance verhalf. Es handelt sich um die Vorstellung, daß ein freies Spiel der Marktkräfte, sekundiert von einem «Gewährleistungsstaat», den gesellschaftlichen Fortschritt am besten fördere. Ausgerechnet in einer Zeit, in der die postmodern verwirrten Sozialwissenschaften das Ende aller Ideologien und aller «großen Erzählungen» verkünden, tritt eine alte Geschichtsphilosophie einen neuen Siegeszug an und erklärt sich selbst – wie vormals der wissenschaftliche Sozialismus – zur «wissenschaftlich» fundierten Gesellschaftslehre. Mit ihrem ökonomischen Reduktionismus schiebt sie den Stand soziologischen Orientierungswissens weitgehend beiseite. Diesem paradoxen Anachronismus in der Spätmoderne ist dieses Buch gewidmet. Es entstand aus dem gleichnamigen, 2003 in Zürich gehaltenen Kongress der Schweizerischen Gesellschaft für Soziologie, an dem sich Soziologinnen und Soziologen aus der Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und den Vereinigten Staaten mit dem neoliberalen Gesellschaftsmodell und seinen Wirkungen auseinander setzten.
Inhaltsverzeichnis
Teil 1
Einleitung
Der Neoliberalismus auf dem soziologischen Prüfstand (Thomas S. Eberle) 9
Deregulation - Regulation: Das ewige Spiel sozialer Ordnung (Kurt Imhof) 15

Teil 2
Politik und Wirtschaft im Spannungsfeld von De- und Reregulation
"Waging the War of Ideas". Zur Entwicklung und Struktur des neoliberalen Diskursnetzwerks (Michael Nollert) 39
Etappen des Neoliberalismus (Ralf Ptak) 59
Die Problematisierung des Service public in der Schweiz - Der Anfang vom Ende des neoliberalen Gesellschaftsmodells? (Mario Schranz) 74
Intelligentes Regieren - Finanzmarktregulierung jenseits hierarchischer und neoliberaler Steuerung? (Torsten Strulik) 90

Teil 3
Die Renaissance der sozialen Frage
Globalisierung: Herrschaft des Marktes - Abschied vom Wohlfahrtsstaat? Folgen der neoliberalen Hegemonie für die Krise und Renaissance des Sozialen (Christoph Butterwegge) 111
Prekarisierung: Expansion von Formen sozialer Unsicherheit (Rolf-Dieter Hepp) 127
Zwischen Panik und Euphorie - Fallrekonstruktive Befunde zum subjektiven Erleben der "neoliberalen" Transformation (Peter Schallberger) 142
L'individu libre et autonome: utopie consensuelle et nouvelle question sociale des sociétes contemporaines (Marc Henry Soulet) 156
Das Wiederauffinden von Gemeinschaft - Der Ausgang des Neoliberalismus und die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt (Peter-Ulrich Merz-Benz) 169
Arbeit am Sozialen. Die Armen im Visier aktivierender Sozialarbeit (Christoph Maeder und Eva Nadai) 184
Die Marktgesellschaft als kultureller Kapitalismus. Zum neuen Synkretismus von Ökonomie und Lebensform (Sighard Neckel) 198
Kristallisationskerne der neuen sozialen Frage. Zur politischen Ordnung sozialer Verwundbarkeit und prekären Wohlstands (Bernhold Vogel) 212

Teil 4
Produktionsprozesse globaler Ungleichheiten
Globalisierung, Macht und Gewalt. Die Krise des Neoliberalismus und die Internationalisierung des Staates (Christoph Görg) 229
Triumph und Elend des World Economic Forum: Oder wie das WEF als Vatikan der neoliberalen Globalisierung in eine Legitimationskrise geraten ist (Stefan Tobler und Sabine Adler) 245
Konvergenz und Persistenz der Varianten des Kapitalismus in reichen Demokratien in der Ära der globalisierten Wirtschaft? (Volker Bornschier) 265
Globalization and the Liberal State - Towards a Privatized Presidency (Saskia Sassen) 296




Kurzvitae der Autoren und Herausgeber 325