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Todtnauberg Die Geschichte von Paul Celan, Martin Heidegger und ihrer unmöglichen Begegnung
Todtnauberg
Die Geschichte von Paul Celan, Martin Heidegger und ihrer unmöglichen Begegnung




Hans-Peter Kunisch

Deutscher Taschenbuch Verlag
EAN: 9783423282291 (ISBN: 3-423-28229-0)
352 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, März, 2020

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Im Sommer 1967 spazierten der Holocaust-Überlebende Paul Celan und der Antisemit Martin Heidegger bei Regen gemeinsam durch ein Moor im Schwarzwald. Die ist die atemberaubende Geschichte des Dichters, des Philosophen und ihrer drei gemeinsamen geheimnisumwobenen Treffen.



„Ins Hüttenbuch, mit dem Blick auf den Brunnenstern, mit einer Hoffnung auf ein kommendes Wort im Herzen.“

Am 25. Juli 1967, Paul Celan
Rezension
Todtnauberg, in einem Hochtal des Südschwarzwaldes gelegen, gehört zu den weltweit bekanntesten Dörfern, zumindest bei Philosophinnen und Philosophen. Dort steht nämlich auf 1150m Höhe die berühmte Berghütte Martin Heideggers (1889-1976), die ihm seit ihrem Bau 1922 als Ort der Muße und des Schreibens diente. Hier verfasste er große Abschnitte seines philosophischen Hauptwerks „Sein und Zeit“(1927). Philosophie-Interessierte aus der ganzen Welt pilgern immer noch zu seinem Denkraum. Von ihm kann man einen tiefen Blick ins Tal werfen und das fließende Quellwasser aus dem hölzernen Brunnen mit dem Sternwürfel hören. Todtnauberg steht symbolisch für Heideggers Leben und sein gesamtes Philosophieren.
„Todtnauberg“ ist aber auch der Titel eines Gedichts von Paul Celan (1920-1970), dem bedeutendsten jüdischen deutschsprachigen Lyriker des 20. Jahrhunderts. Der Verfasser der „Todesfuge“(1947), der Zwangsarbeit im Arbeitslager leisten musste, dessen Mutter im Zwangsarbeitslager erschossen wurde und dessen Vater dort an Typhus starb, verfasste „Todtnauberg“ nach der ersten Begegnung mit Heidegger im Juli 1967. In das Hüttenbuch schrieb Celan die berühmten Zeilen „mit dem Blick auf den Brunnenstern, mit einer Hoffnung auf ein kommendes Wort im Herzen.“ Damit brachte er unmissverständlich die Forderung an Heidegger zum Ausdruck, Stellung zu nehmen zu seinen NS-Verstrickungen, zu seiner Freiburger Rektoratsrede, zum Fehlen einer Erklärung von seiner Seite zum Holocaust und indirekt auch zu seinem langjährigen Antisemitismus, der in seinen erst in den letzten Jahren veröffentlichten „Schwarzen Heften“ unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Nach dem Besuch in der Berghütte und einer gemeinsamen Hochmoorwanderung kam es 1968 und 1970 noch zu weiteren, von emotionaler Kälte geprägten Begegnungen zwischen dem Schriftsteller und dem Philosophen.
Diese spannungsreiche Beziehung zwischen Heidegger und Celan ist Gegenstand des Buches „Todtnauberg. Die Geschichte von Paul Celan, Martin Heidegger und ihrer unmöglichen Begegnung“ von Hans-Peter Kunisch, erschienen bei dtv. Der Kulturjournalist kombiniert in seinem Werk Originalzitate Celans, Heideggers und anderer zeitgenössischer Personen mit eigenen fiktionalen Aussagen und Dialogen sowie mit eingeschobenen Exkursen zu einem stimmigen Gesamtbild. Um Genaueres zu den Treffen, ihrer Atmosphäre und dem dort Kommunizierten bzw. Nicht-Kommunizierten zu erfahren, hat der Kulturjournalist im Stile eines Detektivs zahlreiche Archive konsultiert und letzte Zeitzeugen befragt. Seine intensiven Recherchen sind in sein Werk produktiv eingeflossen. Es zeichnet sich durch hervorragende Detailkenntnis, profunde historische Kontextualisierung und gute Lesbarkeit aus. Kunischs „Geschichte“ gibt zugleich aufschlussreiche Einblicke in das Leben und Werk von Heidegger und insbesondere in die Biographie und das Œuvre von Celan.
Philosophielehrkräfte lädt das Buch von Kunisch dazu ein, sich mit ausgewählten Schriften Heideggers im Unterricht problemorientiert auseinanderzusetzen. Außerdem bietet es sich an, in einer außerschulischen Exkursion mit Schülerinnen und Schülern das Martin-Heidegger-Museum in Schloss Meßkirch zu besuchen, gemeinsam Heideggers Schrift „Der Feldweg“(1949) auf dem längst betonierten Feldweg in Meßkich zu lesen und zu seiner Berghütte in Todtnauberg zu wandern.
Fazit: Mit „Todtnauberg“ ist Hans-Peter Kunisch eine kenntnisreiche Darstellung der schwierigen Beziehung zwischen Celan und Heidegger gelungen, durch die ein blinder Fleck von Heideggers Philosophie und ein wichtiger Aspekt deutscher Geistesgeschichte beleuchtet wird.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Hans-Peter Kunisch
Todtnauberg
Die Geschichte von Paul Celan, Martin Heidegger und ihrer unmöglichen Begegnung

Hardcover
24,00 EURO
E-Book
16,99 EURO

Dichter und Denker. Todesfuge und Schwarze Hefte – das Treffen in Todtnauberg
Ein langjähriger Antisemit und der einzige Holocaust-Überlebende seiner Familie: Drei Mal begegneten sich Paul Celan und Martin Heidegger, zu Spaziergängen, zum Kaffee, zu Gesprächen.
Was verband einen der wirkungsmächtigsten deutschen Philosophen und den bedeutendsten jüdischen Lyriker deutscher Sprache im 20. Jahrhundert, der dem ersten Treffen eines seiner bekanntesten Gedichte widmete: »Todtnauberg«?
Diese drei Begegnungen sind in der deutschen Geistesgeschichte einzigartig. Hans-Peter Kunisch erzählt sie so dicht, so lebendig und anschaulich, wie dies erst neue Recherchen und Quellen möglich machen. So nah sind wir Paul Celan und Martin Heidegger bislang nicht gekommen.
Inhaltsverzeichnis
Prolog 9

1
Kein Persilschein, acht Rosen und die ganze Existenz 11

2
Hörreste, Sehreste und ein Freigänger 23

3
Eine Liebe und ihre Folgen. Wie Paul Celan über Ingeborg Bachmann zu Martin Heidegger kam 40

4
Im Strahlenwind deiner Sprache. Die Lesung vom 24.Juli 1967 57

5
»Du hast meine Aufmerksamkeit geschärft.« Celans frühe politische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf die Gegenwart 77

6
Heideggers Welt. Wie aus einem abtrünnigen Katholiken ein Bewunderer des »Führers« wurde 92

7
Ein Gebirgler im Kreml, zwei Tränen und zwei Strategien 103

8
Die Fahrt. Zwei Käfer, kein unbeschriebenes Blatt und die Gewöhnlichkeit 118

9
Die Hütte undder Brunnenstern 142

10
Krudes nach der Abzweigung und Geplauder unter dem Gekreuzigten 157

11
»Todmauberg« - Das Gedicht 112

12
Das Zugleich von Zuversicht und Vergeblichkeit 185

13
Die vorgezogene Parallel-Aktion: Herbert Marcuses Fragen an Heidegger und Celans Nachdenken über die Revolution 196

14
Das Reich der mittleren Dämonen. Hugo Friedrich und das Holzbein der Geschichte 210

15
Die zweite Fahrt zum Moor. Mandelstam, Block und Jessenin 224

16
Ein erfolgreicher Literat auf Tournee. Der gute Sommer und sein Ende 239

17
Noch einmal Buber: Celans Begegnung mit Ilana Shmueli in Jerusalem und Heideggers »Verjuden« 245

18
Adornos Kritik am Begriff der Begegnung. Zwischen Israel und Freiburg 256

19
Celan und Hölderlin in Stuttgart und Bordeaux. Die letzte öffentliche Lesung im März 1970 265

20
Celans Wut. Die letzte private Lesung 286

21
Heidegger und die Juden. Spät veröffentlichte Briefe und »Schwarze Hefte« 304

22
Die Weissglas-Geschicht. Ein neuer Blick auf die Entstehung der »Todesfuge« 311

23
Die Seine. Ein Abschiedsbrief für Heidegger? 322

Dank 330
Literaturverzeichnis 332
Register 347