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Texte verstehen lernen Neurobiologie und Psychologie der Entwicklung von Lesekompetenzen durch den Erwerb von textverstehenden Operationen
Texte verstehen lernen
Neurobiologie und Psychologie der Entwicklung von Lesekompetenzen durch den Erwerb von textverstehenden Operationen




Jürgen Grzesik

Waxmann
EAN: 9783830915133 (ISBN: 3-8309-1513-6)
396 Seiten, kartoniert, 15 x 20cm, 2005

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Schrifttexte sind als endlos fortsetzbare Kombinationen aus Buchstaben nur winzige Teile unserer sichtbaren Welt. Wenn wir die Schrift nicht nur mit unseren Augen sehen, sondern auch erkennen, daß sie Stellvertreter für etwas anderes ist, öffnet sich uns die Tür zu allen Welten, die durch Kombinationen von Schriftzeichen dargestellt werden können. Nicht nur der äußere und unser innerer Kosmos werden uns zugänglich, sondern auch der von den Menschen selbst geschaffene virtuelle, soweit sie von jemand beschrieben worden sind. Das ist der unermeßlich große Raum, zu dem jeder, der lesen kann, Zutritt hat.



Aber alles, was von einem Text dargestellt wird, muß vom Leser aus dem, was er schon weiß und kann, konstruiert werden. Dafür muß er schon Weltwissen erworben haben und psychische Operationen für das Textverstehen vollziehen können. Jede Verstehensoperation muß er erstmalig vollziehen, z.B. die Erschließung einer unbekannten Wortbedeutung aus einem Satzsinn ebenso wie die Unterscheidung zwischen einem metaphorischen und einem ironischen Textsinn. Sie steht ihm aber erst dann so sicher und schnell zur Verfügung wie ein Reflex, wenn er sie mit einer gewissen Häufigkeit wiederholt vollzogen hat und wenn dies auch bei unterschiedlichen Texten in unterschiedlichen Situationen und Handlungen geschehen ist. Dann kann der Leser für alle Ziele seines Handelns unbekannte Texte auch in schwierigen Situationen verstehen.



Das Versprechen dieses Buches ist ein staunender Blick in die Werkstatt unseres Geistes beim Verstehen von Texten. Dieser Blick ist erst durch die Erkenntnisse einer Vielzahl von einzelnen wissenschaftlichen Untersuchungen möglich geworden.
Rezension
Das Ablesen von Texten ist die eine Seite, das sinnerschließende Lesen die andere. Und so erfahren wir Lehrer täglich den manchmal hilflosen Kampf der Kinder und Jugendlichen mit den vielen Buchstaben, Wörtern und Sätzen, die sie zu einem begreifbaren Ganzen erschließen sollen. Das vorliegende Fachbuch "Texte verstehen lernen" gewährt einen interessanten Einblick in neurobiologische und psychologische Hintergründe der "Entwicklung von Lesekompetenzen durch den Erwerbvon textverstehenden Operationen". Was muss der Lesertun, um einen Text zu verstehen? Und der Autor geht noch einen Schritt weiter: Was fängt der Leser und Versteher von Texten mit den erworbenen Erkenntnissen an? Was bringen sie ihm für die Bewältigung von Lebenssituationen? Funktionale Analphabeten nennt derAutor solche Leser, die dem Text keinen Sinn abgewinnen können. Bei genauer Betrachtung ist es ein schwieriger Prozess, die mitgeteilten Informationen aus einem Text mit den bereits verfügbaren Informationen zu einem Sinn zu konstruieren. Ausführlich beschreibt der Autor diesen komplizierten Prozess des Tesxtverstehens aus neuro-psychologischer und psychologischer Betrachtungsweise. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten konsequent weitergedacht auch ganz neue Ansätze für schulisches Lernen haben.

Arthur Thömmes, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Worum es in diesem Buch geht 9

Erster Teil
Neuropsychologie des Erwerbs der Kompetenzen, Texte verstehen zu können 31

I. Die Kompetenz des Textverstehens besteht aus Teilkompetenzen, die
im zentralen Nervensystem räumlich verteilt und miteinander
verbunden sind 36
II. Das Sprachmedium steht in Beziehungen zum Bildmedium und auch
zu allen anderen Medien 49
III. Das Sprachmedium ist ein Hauptfunktionskreis des neuropsychischen Systems und steht in Beziehungen zu allen anderen Hauptfunktionskreisen 53
1. Das neuropsychische System besteht aus Hauptfunktionskreisen, die sich wechselseitig regulieren
54
2. Der sensomotorische Funktionskreis regelt einerseits die Sensomotorik der Sprachlaute und der Schriftzeichen, und andererseits wird durch die Sprachlaute und Schriftzeichen die Information des sensomotorischen Funktionskreises und aller anderen Hauptfunktionskreise medial repräsentiert 62
3. Der kognitive Funktionskreis produziert einerseits alle sprachlichen Kategorien und andererseits die gesamte kategoriale Information, die durch sprachliche Bedeutungen vermittelt werden kann 70
4. Der attentionale Funktionskreis aktiviert einerseits unterschiedliche Teilfunktionen der Sprache simultan und sequentiell, und andererseits aktiviert er auch, was jeweils durch die Sprache repräsentiert wird 87
5. Der evaluative und emotionale Funktionskreis steuert einerseits die Richtung der Aufmerksamkeit beim Textverstehen, und andererseits kann auch seine Information durch die Sprache repräsentiert werden 95
IV. Die Neuropsychologie des Erwerbs, des Behaltens und der Reaktivierung von Kompetenzen des Textverstehens 101
1. Die Bildung einer neuen neuronalen Prozesseinheit 101
2. Die Bildung einer neuen operativen psychischen Prozesseinheit 109
3. Durch wiederholten Vollzug wird die Aktivierung einer neuen Operation zunehmend leichter und schneller bis zum automatischen Vollzug 116
4. Durch die Koaktivität der neuen Aktivität mit anderen Aktivitäten in unterschiedlichen Handlungen wird die neue Aktivität auch von diesen anderen Aktivitäten aus zunehmend leichter und schneller
aktivierbar 121
5. Das Lernsystem ist ein Hauptfunktionskreis des neuropsychischen Systems 124
6. Das Resultat des Ersten Teils: Neuropsychologie des Erwerbs von Kompetenzen des Textverstehens 125

Zweiter Teil
Psychologie des Erwerbs der Kompetenzen, Texte verstehen zu können 128

I. Kompetenzen, Texte verstehen zu können, entstehen durch das Lernen von textverstehenden Operationen in Textverstehenshandlungen 130
1. Textverstehen besteht immer aus einer Gruppierung von Operationen aus verschiedenen Funktionsbereichen 130
2. Leseabsichten regeln den Wechsel der Ausrichtung der Aufmerksamkeit im Prozeß des Textverstehens
141
3. Der Umfang der neuen textverstehenden Operationen wird durch die Spanne des KAG für simultan präsente Prozeßeinheiten bestimmt 146
4. Die Entwicklungsgesetzlichkeit von textverstehenden Kompetenzen besteht aus der Zunahme der Zahl der aktivierbaren Teilfunktionen und der Zunahme der Organisiertheit ihres Zusammenspiels 151
II. Schriftzeichen werden durch sensomotorische und kognitive Operationen dekodiert 165
1. Das System der Operationen für die Dekodierung der subsemantischen semiotischen Information 168
2. Der Erwerb der Operationen für die Dekodierung der subsemantischen semiotischen Information 178
III. Den Wortzeichen und den grammatischen Morphemen werden kategoriale Informationen als sprachliche Bedeutungen zugewiesen 183
1. Das System von Operationen für die Zuweisung von sprachlichen Bedeutungen zu Wörtern und ganzen Sätzen 191
2. Die Gruppenstruktur der Operationen für die Zuweisung von sprachlichen Bedeutungen zu Wörtern und ganzen Sätzen 217
IV. Zu den sprachlichen Bedeutungen werden mentale Modelle von der dargestellten Welt konstruiert 219
1. Der Gesamtprozeß der Bildung mentaler Modelle der dargestelten Welt durch den Leser 222
2. Die Bildung von Vorstellungen von der dargestellten Welt 232
3. Urteilen über Textsinn durch Kategorisierung impliziter Information 247
4. Operationen für die Folgerung aus sprachlich Dargestelltem auf sprachlich nicht Dargestelltes beim Verstehen von metaphorischem und ironischem Textsinn 258
5. Operationen für Schlüsse (inferences) aus sprachlich Dargestelltem auf sprachlich nicht dargestellte, aber sachlogisch oder formallogisch erschließbare Sachverhalte 276
V. Die dargestellte Welt und die Darstellungsform von Texten können gewertet werden und emotionale Reaktionen hervorrufen 297
1. Werten und Fühlen im Prozeß der menschlichen Informationsverarbeitung 298
2. Die Position des Wertens und des Fühlens im Prozeß des Textverstehens 302
3. Der Erwerb von Wertoperationen und von emotionalen Reaktionen 309
4. Die Gruppe der Operationen für die Funktionen des Wertens und Fühlens im Prozeß des Textverstehens 314
VI. Ästhetische Textinformation wird durch die Synthese von Merkmalen der sprachlichen Darstellung mit Merkmalen der dargestellten Welt gewonnen 315
1. Die Position des ästhetischen Empfindens und Urteilens im Prozeß des Textverstehens 317
2. Die Struktur der Gewinnung ästhetischer Textinformationen 318
3. Der Erwerb von Kompetenzen für das ästhetische Erleben und Analysieren 328
4. Die Gruppe von Operationen im ästhetischen Erleben und für das Analysieren von ästhetischen Qualitäten 330
VII. Die Herstellung von Beziehungen zwischen dem Text und außertextlichen Informationen ergibt zusätzliche Informationen für das Verstehen des Textes selbst und für Zusammenhänge, in denen der
Text steht 335
1. Das Verhältnis zwischen Text und außertextlichen Informationen 335
2. Grundmöglichkeiten der Beziehung zwischen Textinformation und außertextlichen Informationen 338
3. Anmerkungen zum Erwerb von textüberschreitenden Operationen 346
VIII. Die Kritik von Texten wird durch eine besondere Gruppierung von Operationen geleistet 347
IX. Textverstehende Operationen können zu Lese- und Lernstrategien kombiniert werden 355
1. Lese- und Lernstrategien sind Sequenzen aus textverstehenden Operationen 356
2. Einzelne Strategien für den Vollzug von Textverstehenshandlungen 359
2.1 Strategien des fortlaufenden (diskursiven) Lesens 359
2.2 Strategien der Zuschreibung von Wort- und Satzsemantik 361
2.3 Strategien für das erste Ordnen der Textinformation 363
2.4 Problemlösestrategie 366
2.5 Kombination von textverstehenden Operationen für die thematische Erarbeitung von Textinformation
370
2.6 Transformation von Textinformation in andere Medien 371

Wozu eine operative Theorie des Erwerbs von Kompetenzen des Textverstehens gut ist 372
Literatur 384
Abbildungsnachweis 396