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Steckbrief Gesamtschule
Steckbrief Gesamtschule




Rupert Vierlinger

Böhlau Wien
EAN: 9783205783244 (ISBN: 3-205-78324-7)
292 Seiten, paperback, 12 x 19cm, 2009, 5 Graphiken

EUR 24,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die echte Gesamtschule saniert das psycho-soziale Klima in der Schule der 10- bis 14-Jährigen. Keiner wird ausgegrenzt. Die Schüler sind bei der Auseinandersetzung mit dem Bildungsgut nicht mehr Rivalen, sondern Partner. Die Devise lautet nicht mehr: „Übertriff den Anderen!", sondern: „Übertriff dich selbst!" Rupert Vierlinger ist ein leidenschaftlicher Anwalt aller Schüler der Sekundarstufe l, ihrer Eltern und der engagierten Lehrer. Er formuliert überzeugend, dass Heterogenität kein Feind der Eliten ist.
Rezension
Am Thema Gesamtschule scheiden sich die Geister, - und zwar weniger in pädagogischer als in politischer Hinsicht; die Gesamtschuldebatte ist zum Politikum verkommen. Die Gesamtschule in Deutschland ist eine Form der weiterführenden Schule, entstanden in den 70er Jahren, die Kinder nach der Grundschule mindestens bis zur 10. Klasse besuchen können. Sie stellt in mehreren Bundesländern eine Alternative zum traditionellen dreigliedrigen Schulsystem (mit Hauptschule, Realschule, Gymnasium) dar, d.h.die Differenzierung wird in die Schule verlagert. Gesamtschullehrer benötigen mithin besondere didaktische Kompetenzen; wenn eine äußere Differenzierung entfällt, muss sich der Unterricht weitaus stärker am Prinzip der Binnendifferenzierung ausrichten. Gesellschaftspolitisch soll das Konzept der Gesamtschule (als Ganztagsschule) Schüler aus unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen integrieren. Es ist an der Zeit, dass dieses international durchaus erfolgreiche Schulmodell nicht mehr zwischen parteipolitischen Querelen zerrieben wird. - Der Autor dieses Buchs ist ein engagierter Vertreter der „echten“ Gesamtschule, also derjenigen Schule, in der die gymnasiale und realgymnasiale Unterstufe, die Hauptschule und die „falsche“ Gesamtschule (IGS) verschmelzen. Wenn die Schwachen leistungsfähige Mitschüler neben sich haben, wird der „Zugpferdchen-Effekt“ (Imitationslernen) wirksam und sie erzielen deutlich bessere Ergebnisse. Die Aussonderung der Schwachen ist für diese keine Entlastung; sie fühlen sich überall dort wohler, wo sie mit den Besseren und Besten beisammen bleiben dürfen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten gefordert werden.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Mit dem Begriff der Gesamtschule wird seit der Schulreform in den 1970er Jahren in Österreich, in Deutschland in Form der Integrierten Gesamtschule (IGS), Schindluder getrieben. Es werden Kinder begabungsmäßig sortiert, statt Varianten der Unterrichtsmethoden entwickelt. Die echte Gesamtschule korrigiert einen der Kardinalfehler des gegliederten Schulsystems, das den schwachen und erst gar den schwächsten Schülern die Möglichkeit zum Lernen am Vorbild raubt. Im Ghetto der Schwachen spiegelt sich nur der desinteressierte Blick des Einen im desinteressierten Auge des Anderen - und das Ergebnis ist „null Bock“! Die echte Gesamtschule saniert das psycho-soziale Klima in der Schulklasse. Keiner wird ausgegrenzt. Die Schüler sind nicht mehr Rivalen innerhalb ihres Leistungsniveaus, sondern Partner im gemeinsamen Lernziel! Die Devise lautet nicht mehr: „Übertriff den anderen!“, sondern: „Übertriff dich selbst!

Univ. Prof. Dr. Rupert Vierlinger, langjähriger Direktor der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz und Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Passau, formuliert überzeugend und leidenschaftlich, dass Heterogenität kein Feind der Eliten ist.

Univ. Prof. emer. Dr. Rupert Vierlinger, geboren 1932 in Kasten bei St. Peter, war 1967-1980 Direktor der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz und 1980-1997 Ordinarius für Schulpolitik an der Universität Passau.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 13

I. Erste Annäherung und Begriffsklärung 17

II. Exemplarische Erstbegegnung mit einer echten Gesamtschule 23


Wurzeln meiner Skepsis gegenüber der Selektion 24
Die Lehren der Besuchsfahrten 25
Rund ein Drittel der Selektionsentscheidungen ist falsch 28
Die mutige Entscheidung eines Sektionschefs 33
Überzeugungsarbeit bei den Eltern 35
In der exzeptionellen Situation müssen Schüler geworben werden 38
Ein erstes Beispiel zur inneren Differenzierung 40
Ergebnisse einer Elternbefragung 42
Können die Besten mit denen aus dem Gymnasium mithalten? 49
„Sie sind auf dem richtigen Weg!“ 50
Politische Überzeugungsarbeit und „Grenzgängerei“ 53

III. Verkümmern die Eliten? 57

Der „Balken“ im eigenen Leistungsauge 58
Das Genie und die „Lehrerzunft“ 62
Die ideologische Überzeugung vom Verkümmern und ihre empirische Entkräftung 64
Die zehnjährige ostdeutsche Einheitsschule im Widerstreit der Meinungen 70
Die Beweiskraft von PISA und PIRLS 72
Entkräftung unlauterer Gegenargumente 75
Eine skeptische Bemerkung zu den Standards 77
Wann durchschlägt die Schulpolitik den Gordischen Knoten? 81
Die echte Gesamtschule reduziert die Koppelung von Herkommen und Schulerfolg 86

IV. Individualisierender Unterricht 89

„Ich mag euch, wie ihr seid!“ 89
Viele Unterrichtsstunden laufen nach dem „Exerziermodell der Didaktik“ ab 93
Gegenüberstellung der Konsequenzen von Homogenität und Heterogenität im Unterricht 99
Nachhilfe als florierender Erwerbszweig 102
Wie viel Freiraum wird der Selbsttätigkeit zugestanden? 104
Freiarbeit bei Maria Montessori 106
„Lass das Buch gefälligst drinnen!“ 109
Das IMU-Programm 111
„E-Learning“ – seine Möglichkeiten und Grenzen 113
Projekt und Portfolio 115
„Sie haben unterschiedlich viele Kräfte frei!“ 117
Die Bedeutung des „Reviers“ 118
Der Liebesbrief der Penelope 120
Schwache Schüler und Johann Sebastian Bach? 123
In einem neuen Lehrerleben würde ich der Helen Parkhurst nacheifern! 124

V. Das Lernen am Vorbild 129

Zwei Violinlehrer 129
Die Schulpolitik raubt den Schwachen das Imitationslernen 130
Die Untersuchungen von Coleman und Königslehner 133
Die Mär von der Entlastung der Schwachen und Behinderten 134
Nicht entlastet werden die Schwachen, sondern unterfordert! 138
Es ist wie beim Tanzen: „Lieber mit den Schönen!“ 140
Methodische Schablonen blockieren eigenständiges Denken 143
Schwache Schüler und Ingeborg Bachmann? 149

VI. Wettbewerb und Schulklima 155

Das System erzieht auch! 155
Nicht: „Übertriff Georg!“ Sondern: „Übertriff dich selbst!“ 156
Der Wettbewerb fördert das Mobbing! 157
Die vergessenen Vorzüge des „kollektiven Einzelunterrichtes“ 159
Das Klima des Hauens und Stechens und seine Geschichte 162
Der Wettbewerb infiziert sogar die Methoden 164
Soll die Pädagogik vor den Trieben kapitulieren? 166
Ausblick auf die Ideologie des Neoliberalismus 169
Wettbewerb – eine Einschulung ins Berufsleben? 170
Das Klima des Wettbewerbs – eine „Brutstätte gefährlicher Leidenschaften“? 173
Kritik an der Ziffernnote – Direkte Leistungsvorlage als Alternative 175
Bildung – ein knappes Gut? 179
Kameradschaft vor dem Feind? 181

VII. Exkurs über die Streitfrage: Lehrer oder System? 183

Der Lehrer im Clinch des Systems 183
Lehramtsstudenten berichten von positiven und negativen Erinnerungen 184
Positive Erinnerungen 185
Negative Erinnerungen 186
Zahlenmäßiger Vergleich 189
Das gute System kann Bösartigkeiten nicht grundsätzlich verhindern. Das böse System aber öffnet die Schleusen! 190
Der „geborene“ Lehrer und das Selektionssystem sind nicht kompatibel! 193
Die Studie von Josef Wandl zum Systemvergleich 196
Sortierung beeinflusst den Stil der Kommunikation 197
Janusz Korczak als Lehrmeister 200
Protokolle aus dem Unterricht bei den zweifach Ausgesiebten 202
Auswahl der Lehrer als Pendant zur Änderung des Systems 212
Karl R. Popper wollte dem schlechten Lehrer „goldene Brücken“ bauen 212
Auswahl der Studierenden an der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz 214
Lehrer-Rekrutierung durch autonome Schulen 215
Der „Advanced Skills Teacher“ als Lehrverhaltenstrainer 217

VIII. Ausgrenzung 219

Wer unerwünscht ist, verliert die Selbstachtung 219
Die Ausgrenzungsideologie konterkariert die wesentlichsten Ziele der Schule 221
Ausgegrenzte machen dem Lehrer die Hölle heiß! 225
Ausgegrenzte neigen zur Delinquenz! 228
„Wir brauchen die Schule der Menschlichkeit!“ (E. Ringel) 232
Pauline und ihr Lehrer Hager 234
Der berüchtigte „Lois H.“ und die junge Lehrerin 236
„D’ Lehrerin, die blede Sau!“ 239
Die Macht des „balanced intake“ 242

IX. Geschichte und demokratiepolitischer Auftrag der echten Gesamtschule 245

Gesellschaftliche Umbrüche bereiten den Boden auf 245
Standesdünkel als mächti(gst)e Widersacher der echten Gesamtschule? 252
Die Berührungsängste der Lehrer nehmen ab 260
Die Gesamtschule im Spiegel der Welt-Ethik von John Rawls 263
Pro und Contra zu Schwerpunktschulen 265
Flucht in die Privatschulen? 267
Den Schaden der einen gegen den Schaden der anderen aufwiegen? 268
„Im Hinblick auf die Moral beginnt jedes Geschlecht primitiv!“ (Kierkegaard) 272
Keine Gesellschaft kann es sich leisten, einen Teil der Jugend ins Abseits zu stellen! 277
Die Demokratie braucht vernünftige Richter der Politik! 278
Wir brauchen ein Gesetz gegen die Trennung nach Leistung! 280

Literaturverzeichnis 282