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Staatsfeind WikiLeaks Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert.  Ein SPIEGEL-Buch 2. Aufl. 2011
Staatsfeind WikiLeaks
Wie eine Gruppe von Netzaktivisten die mächtigsten Nationen der Welt herausfordert. Ein SPIEGEL-Buch


2. Aufl. 2011









Marcel Rosenbach, Holger Stark

Random House , DVA, Spiegel-Verlag
EAN: 9783421045188 (ISBN: 3-421-04518-6)
336 Seiten, paperback, 14 x 22cm, 2011, Klappenbroschur

EUR 14,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die amerikanische Regierung hat WikiLeaks zum Staatsfeind erklärt. Seit den spektakulären Enthüllungen geheimer Dokumente aus US-Botschaften sowie über die Kriege in Afghanistan und Irak gelten die Organisation und ihr umstrittener Gründer Julian Assange als Bedrohung für die Sicherheit der USA. Sie werden mit aller Macht verfolgt. Doch wie konnte eine Handvoll Netzaktivisten, die sich Ende 2006 zusammenschlössen, der Supermacht USA das Fürchten lehren?

Marcel Rosenbach und Holger Stark geben exklusive Einblicke in die Arbeit von WikiLeaks und zeigen, warum Staatsgeheimnisse heute nicht mehr sicher sind.



»Jede Seite für sich ist spannend. Ein globaler Krimi, höchst aktuell. Und die Geschichte von >Staatsfeind WikiLeaks< - sie ist noch längst nicht zu Ende.«

>»Staatsfeind WikiLeaks< hat das Zeug zum ersten deutschen Grundlagenwerk zu diesem Thema zu werden.« SÜDDEUTSCHE ZEITUNG

»Unbedingt lesenswert!« DEUTSCHLANDFUNK
Rezension
Die Whistleblower-Plattform im Internet "WikiLeaks" hat zuletzt insbesondere durch die Veröffentlichung des Videos „Collateral Murder“ und die geheimen Depeschen amerikanischer Botschaften auf sich aufmerksam gemacht und den Zorn der USA auf sich gezogen, der sich auch in Attacken auf den australischen politischen Aktivisten, Journalisten und Sprecher von WikiLeaks Julian Assange (geb. 1971) zeigt, der z.Zt. unter dubiosen Sex-Vorwürfen in England festgenommen und nach Schweden ausgeliefert werden soll. WikiLeaks will freien Zugang zu Informationen ermöglichen, die öffentliche Angelegenheiten betreffen; dazu veröffentlicht die Enthüllungsplattform anonym Dokumente, die der Geheimhaltung unterliegen. Wikileaks will unethisches Verhalten in Regierungen und Unternehmen enthüllen. In diesem aktuellen Buch geben die Autoren Einblicke in die Arbeit von WikiLeaks und schildern den Aufstieg der Organisation bis zur Jagd auf Julian Assange Ende 2010.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
WikiLeaks – das Buch zum aktuellen Topthema
WikiLeaks hat sich viele Feinde gemacht. Seit den spektakulären Enthüllungen geheimer Dokumente aus US-Botschaften sowie über die Kriege in Afghanistan und Irak werden die Organisation und ihr Gründer Julian Assange von den USA als Staatsfeind bezeichnet, als Bedrohung betrachtet und mit aller Macht verfolgt.
Holger Stark und Marcel Rosenbach stehen seit Jahren in Kontakt mit WikiLeaks und kennen die Organisation wie kaum ein anderer. In ihrem Buch geben sie exklusive Einblicke in die Arbeit von WikiLeaks und schildern den Aufstieg der Organisation bis zur Jagd auf Assange Ende 2010. Dabei diskutieren sie Fragen, die auch viele Geheimdienstler und Politiker bewegen: Wie weit darf radikale Transparenz gehen? Gibt es nicht auch legitime Staatsgeheimnisse? Ist WikiLeaks eine Art »Geheimdienst des Volkes« und die Zukunft des investigativen Journalismus – oder schlicht die gefährlichste Seite im Internet?

Marcel Rosenbach, geboren 1972, schreibt als Redakteur des SPIEGEL über Sicherheits- und Computerthemen und betreut das Bundesjustizministerium. Über Jahre hat er die Medienlandschaft für den SPIEGEL beobachtet und ist ein intimer Kenner der Diskussionen um Privatheit im Internet.
Holger Stark, geboren 1970, leitet das Ressort Deutschland im Berliner Büro des SPIEGEL. Seit den neunziger Jahren verfolgt er die Arbeit des Chaos Computer Clubs und berichtet seit über zehn Jahren über Themen aus der Welt der Sicherheitspolitik und der Geheimdienste.

"Jede Seite für sich ist spannend. Ein globaler Krimi, höchst aktuell. Und die Geschichte von "Staatsfeind Wikileaks" - sie ist noch längst nicht zu Ende."
rbb Stilbruch (20.01.2011)

„Staatsfeind Wikileaks“ hat das Zeug zum ersten deutschen Grundlagenwerk zu diesem Thema zu werden.
Süddeutsche Zeitung (22.01.2011)

„'Staatsfeind WikiLeaks' ist ein Buch, packend wie ein gut geschriebener Roman und fesselnder, weil es doch die Wirklichkeit ist."
NEWS (26.01.2011)

„Die Dokumentation liest sich wie ein Drehbuch für einen Spionage-Thriller, in dem auch die "Spiegel"-Redakteure eine Rolle übernehmen. Für das Nachrichtenmagazin bereiten sie die Enthüllungen vor. Auf 320 Seiten schaffen die beiden Autoren das, woran WikiLeaks scheitert. Die Reportage ist verständlich und ordnet ein. Sie bewertet die geheimnisvollen Dokumente und erklärt die Persönlichkeit Julian Assange. Das Buch "Staatsfeind WikiLeaks" ist ein guter Einstieg für alle, die sich eine eigene Meinung bilden wollen, ob die Internetaktivisten ein Gewinn oder eine Gefahr sind für die Demokratie.“
NDR Kulturjournal (24.01.2011)

„Die Autoren Holger Stark und Marcel Rosenbach sind dem Phantom Assange nahe gekommen wie wenige.“
3Sat Kulturzeit (25.01.2011)

"Der exklusive Einblick, den Rosenbach und Stark bei ihren Recherchen hatten, macht "Staatsfeind Wikileaks" authentisch und einzigartig. Die Geschichte liest sich wie ein Krimi."
MDR Figaro (03.02.2011)

“Staatsfeind Wikileaks” ist das Erste von einer ganzen Reihe angekündigter Büchern rund um Wikileaks, das man bereits lesen kann. Die beiden Spiegel-Redakteure Marcel Rosenbach und Holger Stark erzählen auf 320 Seiten die Geschichte der Plattform, portraitieren Julian Assange ausführlich und ordnen die Ereignisse und Konsequenzen (…) ein. Das ist weitgehend spannend geschrieben und auch, wenn man bereits viel über Wikileaks weiß, kann man aus dem Buch noch etwas lernen.
www.netzpolitik.org (25.01.2011)

„Es ist die Geschichte von Wikileaks als Abenteuerroman.“
Radio Bremen (24.01.2011)

„Marcel Rosenbach und Holger Stark haben ein wichtiges Buch vorgelegt. Die Autoren geben einen ersten Überblick über die Idee und Entwicklung von WikiLeaks. Sie zeichnen eine Porträtstudie von Julian Assange und sie geben Anregungen zu einer Debatte über unsere sogenannte Mediendemokratie. Ein Buch liegt vor, das ausgewogen daher kommt und dennoch Positionen erkennen lässt.“
WDR Resonanzen (25.01.2011)

"unbedingt lesenswert"
Deutschlandfunk Andruck (25.01.2011)

„Der Bericht (von Holger Stark und Marcel Rosenbach) ist authentisch und einzigartig“
WDR5 Scala (25.01.2011)

"Die große Stärke des Buches von Rosenbach und Stark ist, dass sie Assange ein gutes Dutzend mal getroffen haben und es schaffen, seine Konturen etwas schärfer herauszuarbeiten. "
taz (31.01.2011)

"Rosenbach und Stark recherchieren gründlich und argumentieren überzeugend. Das Buch ist sowohl eine Reportage, in der die Autoren auch ihre Rolle bei der Zusammenarbeit des „Spiegel“ mit Wikileaks offen legen, als auch ein Essay über Journalismus und Öffentlichkeit."
Tagesspiegel (31.01.2011)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort: WikiLeaks und wir 7

1 Staatsfeind WikiLeaks 13

2 Der Zauberer von Oz: Julian Assange 28

Achtundsechziger und Akustikkoppler 28
Politik 1.0 und eine revolutionäre Idee 49

3 Fünf Freunde: Die Anfänge von WikiLeaks 60
Fünf Freunde feiern Silvester 60
Die Welt lernt WikiLeaks kennen 75
Viel Feind, viel Ehr: BND, BNP und Julius Bär 81
Wie politisch ist WikiLeaks? 100

4 Der Showdown beginnt: Das Jahr der Eskalation 2010 111
Ein Bunker auf Island und der erste Scoop 111
Der größte Verrat in der Geschichte der USA 131

5 Krieg an mehreren Fronten 154
Die Afghanistan-Feldberichte 154
Der Schmerz der Falken 172

6 Die Zerreißprobe 186
WikiLeaks in der Krise 186
Der Irakkrieg und die Wiedergeburt einer Organisation 208

7 Codename »Projekt 8« 225
Die Botschaftsdepeschen 225

8 Das Imperium schlägt zurück 260
Kampf um die Meinungsfreiheit 260

9 Voller Spannung 287
Medien, Politik und WikiLeaks 287

Epilog 309
Danksagung 317
Anmerkungen 321
Register 332


Vorwort
WikiLeaks und wir
Dies ist die Geschichte des derzeit wichtigsten Politaktivisten
der Welt. Julian Assange hat mit seiner Organisation WikiLeaks
die Regierungen der mächtigsten Nationen herausgefordert, er
hat der globalen Öffentlichkeit einen exklusiven Blick hinter
die Kulissen der Weltpolitik ermöglicht, indem er schrittweise
251 000 Botschaftsdepeschen aus dem amerikanischen Außenministerium
publik macht. Es war WikiLeaks’ vierter Coup
innerhalb von sieben Monaten, nach den Veröffentlichungen
des Videos »Collateral Murder« und der Kriegstagebücher aus
Afghanistan und dem Irak. Vergleichbare Nahaufnahmen des
militärischen und diplomatischen Innenlebens einer Supermacht
hat es nie zuvor gegeben.
Für Assange, aber auch für die amerikanische Regierung,
war das Jahr 2010 wie ein Feuerwerk: je länger es dauerte, desto
spektakulärer wurden die Enthüllungen, bis zum Finale furioso
zum Jahresende, das den Regierenden weltweit den Atem
stocken ließ. Wir haben das Glück gehabt, diese Entwicklung
aus der Nähe verfolgen zu können.
Das erste Mal haben wir Julian Assange persönlich im Juli
2010 in London getroffen. Er sah blass aus, übernächtigt und
unrasiert, er trug seit Tagen dieselben Klamotten und kam
auf Socken, ohne Schuhe. Das ist, wie wir bald gelernt haben,
bei ihm nichts Besonderes. Ein Rucksack und eine Reise tasche,
das ist alles, was er braucht, um ständig in Bewegung zu sein.
Schon im Sommer 2010, als er noch durch London laufen
konnte, ohne erkannt zu werden, war zu spüren, dass ihn ein
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Hauch von Geschichte umweht. Seitdem ist er zu einem Popstar
der Politik aufgestiegen, er ziert die Titelbilder der Magazine,
es gibt Masken mit seinem Konterfei, Facebook-Fan-Gruppen,
Demonstrationen. Assange spaltet und polarisiert, wird geliebt
und gehasst, er hat sich radikal einer, seiner Mission verschrieben,
kompromisslos, anderen wie sich selbst gegenüber.
Julian Assange ist ein Virtuose am Computer, er kann für
Stunden in das Keyboard seines 300-Dollar-Rechners versinken.
Er taucht dann ab in eine Welt, in der es darum geht,
moderne Informationstechnologie zu nutzen, um das zu
befördern, was er »gerechte Reformen« nennt. Es ist seine
Welt, sie ist es seit seinen Teenagertagen, als er sich selbst
und seine Hackerfreunde »Internationale Subversive« nannte.
IRL, in real life, wie es im Computerslang heißt, im wirk lichen
Leben also, wo die Kommunikation nicht nur aus Nullen und
Einsen bestehen, agiert der Naturwissenschaftler weniger
umsichtig. Er kann provozierend auftreten, schneidend und
verletzend, wenn er das Gefühl hat, mit anderen nicht auf
demselben intellektuellen Niveau zu diskutieren, und dieses
Gefühl hat er oft: Sein Intelligenzquotient liegt, nach eigenen
Angaben, je nach Messweise, zwischen 146 und 180 und damit
weit oberhalb des Durchschnitts. Seine Fähigkeit, Menschen
an sich zu binden, ist weniger ausgeprägt. Er hinterlässt oft
Enttäuschung und Schmerzen; wir halten es für keinen Zufall,
dass er, dem Bindungen so schwerfallen, ausgerechnet über
Vergewaltigungsvorwürfe von zwei Frauen gestolpert ist. Es
wäre seine Privatsache, die er mit sich, den Frauen und im
Zweifelsfall einem Richter ausmachen müsste, wenn es nicht
Assange selbst wäre, der die Defi nition zwischen privatem und
öffentlichem Interesse in seinem Handeln verwischen würde.
Zu seiner Radikalität zählt, dass er den Verlauf von Grenzen
anders als andere Menschen defi niert, politisch wie persönlich;
er geht weiter, als die meisten andere es tun würden – oft
zu weit.
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Assange hat eine Vision und Charisma, er hat das Talent,
Menschen für sich einzunehmen, zu begeistern, zu Anhängern
zu machen; diese starke, magnetische Ausstrahlung
macht vieles wett. Seine außergewöhnliche Art erinnert an
jenen Typus Politiker, der zwiespältig und polarisierend wirkt,
und trotzdem die Beobachter fasziniert. Er ist ein PR-Künstler,
nicht zuletzt in eigener Sache. Man kann Assange mögen, aber
man muss es nicht, um seine Arbeit anzuerkennen.
Wir halten WikiLeaks für beides: Für eine außergewöhnliche
Idee – und für eine logische Folge der digitalen Revolution.
Das Konzept einer Enthüllungsplattform ist nicht neu,
es gibt diverse Vorläufer. Aber niemand hat die Möglichkeiten
des Internet für bestmöglichen Quellenschutz so konsequent
umgesetzt und international bekannt gemacht wie Assange
und seine Mitstreiter. WikiLeaks ist kein Ersatz für den Journalismus,
aber es verändert ihn. Die Plattform veröffentlicht
Originaldokumente, darin gleicht sie eher einem Archiv.
Journalismus, wie wir ihn verstehen, bedeutet, Geschichten
zu recherchieren, Hinweisen zu folgen, mit möglichst vielen
Beteiligten zu sprechen und den Leserinnen und Lesern Analyse
und Kontext zu bieten. Wir sind nicht der Meinung, dass
Originaldokumente immer die Wahrheit über ein Ereignis
beinhalten. Aber das Material, das die Organisation in den
vergangenen Jahren, auch schon vor 2010, publiziert hat, ist
ein wertvoller, in Teilen einzigartiger Steinbruch für journalistische
Arbeit.
Die Geschichte von WikiLeaks als Organisation verfolgen
wir bereits seit Jahren. Dass die Internetseite und ihre Macher
ernst zu nehmen sind, ist uns 2008 klar geworden, als bei
WikiLeaks die Originalunterlagen des Schweizer Bankhauses
Julius Bär auftauchten und die Bank versuchte, das Angebot
juristisch zu bekämpfen. 2009 haben wir den Briefwechsel mit
dem Präsidenten des deutschen Bundesnachrichtendienstes,
Ernst Uhrlau, gelesen: Er war für den BND peinlich, nicht
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für Wiki Leaks. Dabei hatten wir erstmals Kontakt mit Daniel
Domscheit-Berg, dem im Spätsommer 2010 ausgestiegenen
deutschen WikiLeaks-Sprecher, und diesen Kontakt haben wir
seitdem gehalten.
Die Geschichte von WikiLeaks ist auch eine Geschichte von
Freundschaft, Enttäuschung und Verrat. Sie spielt in weiten
Teilen in der faszinierenden Subkultur der Hacker und Hacktivisten,
die ihrer eigenen Freiheitsideologie und Ethik folgen
und die das Milieu bilden, aus dem die Visionen des Julian
Assange erwachsen sind. Aus dieser Szene kommt auch der
Ex-Hacker Adrian Lamo, der den mutmaßlichen WikiLeaks-
Informanten Bradley Manning an das FBI verraten hat; wir
haben für dieses Buch sowohl mit Lamo als auch mit Mannings
Anwalt David Coombs und Mannings Umfeld gesprochen. Wer
sich mit Lamo und Manning auseinandersetzt, kann zumindest
in Ansätzen verstehen, warum sie handelten, wie sie es
getan haben.
Dies ist keine autorisierte Biografi e von Julian Assange,
aber wer sich mit WikiLeaks beschäftigt, muss sich vor allem
mit Assange beschäftigen. Wir haben ihn und einige seiner
wichtigsten Wegbegleiter ein halbes Jahr lang beobachtet und
mit ihnen diskutiert, persönlich in London und Berlin und
regelmäßig dort, wo Assange und Co. quer über Kontinente
und Zeitzonen am ehesten anzutreffen sind: online, im Computerchat.
Um Assange zu verstehen, muss man ihn mehr als zwei-, dreimal
treffen. Er hat sich eine Fassade zurechtgelegt, die schwer
zu durchschauen ist, darin ähnelt er Berufspolitikern; das Bild,
das in vielen Porträts von ihm gezeichnet wird, gibt vor allem
diese Fassade wieder. Über sein Privatleben wollte er zuerst gar
nicht sprechen, das war die Bedingung für die Treffen mit ihm.
Am Ende hat er es doch getan, in Teilen zumindest.
Wir haben seine Angaben überprüft, so weit uns das möglich
war, in Gesprächen mit Menschen, die Teil seines Lebens
waren oder sind. In den Monaten, in denen dieses Buch entstand,
konnten wir mit etwa einem Dutzend noch aktiver
und früherer Mitarbeiter von WikiLeaks reden, in England,
Deutschland, Australien, Island und den USA, die teils positiv,
teils negativ über Assange geurteilt haben. Wir haben für den
SPIEGEL die Publikation der beiden Kriegstagebücher aus dem
Irak und Afghanistan sowie der diplomatischen Depeschen
vorbereitet und dafür den Kontakt zu Assange und seinen
Leuten sowie dem britischen Guardian und der amerikanischen
New York Times gehalten. In dieser Zeit haben wir viel
mit Assange diskutiert und gestritten, weil wir an vielen Punkten
unterschiedlicher Ansicht sind. Wir teilen weder seinen
verschwörungstheoretischen Ansatz noch seine vernichtende
Sicht auf den Journalismus, und wir glauben, dass es Wiki-
Leaks guttäte, sich demokratische Strukturen zu geben. Aber
wir haben Julian Assange anders erlebt, als er oft dargestellt
wird und zuweilen auftritt: nicht arrogant, nicht unfair, nicht
verletzend, sondern als einen außergewöhnlichen und inspirierenden
Gesprächspartner.
13
Staatsfe1ind WikiLeaks
Julian Assange hat an diesem Nikolausabend 2010 nur noch ein
paar Stunden in Freiheit, aber er hat seinen Humor nicht verloren.
Wir sind zum Chatten verabredet, er sitzt in England und
wartet, während seine Anwälte mit Scotland Yard verhandeln.
Es geht um seine Festnahme und Auslieferung nach Schweden.
»Sie weigern sich zu erläutern, worum es im Haftbefehl geht,
bis ich festgenommen bin«, schreibt er. »Es ist hochgradig ungewöhnlich.
« Er vermutet, dass das nichts Gutes bedeutet, zum
Beispiel, »dass sie mich in Einzelhaft stecken wollen oder dass
es schlimmstenfalls einen amerikanischen Haftbefehl gibt«.
Assange schickt einen Link, eine Karikatur. Ein Mauszeiger
fl iegt in zwei Bürotürme, heraus purzeln Tausende von Dokumenten,
darüber steht: »WikiLeaks«. Es ist eine Anspielung auf
den italie nischen Außenminister Franco Frattini, der Assanges
jüngsten Coup, die geplante Veröffentlichung von über 251 000
geheimen Depeschen zum »11. September der Diplomatie« ausgerufen
hat.
Ein zweiter Link, eine Satire auf eine Sixt-Werbung. Das
Plakat zeigt ihn, weißblondes Haar, anthrazitfarbener Anzug,
rote Krawatte, dazu der Schriftzug: »Verfolgungswahn? Günstige
Fluchtwagen gibt’s bei Sixt«. Es ist Assange-Humor: schneidend,
konfrontativ, furchtlos.
Einen Fluchtwagen für sich hat er nicht. Am nächsten Morgen
stellt sich Julian Assange auf einer Polizeiwache in London ...