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Sozialpsychologie-Lexikon
Sozialpsychologie-Lexikon




Günter Wiswede, Matthias Gabriel, Franz Gresser, Alexandra Haferkamp

Oldenbourg Schulbuchverlag
EAN: 9783486275148 (ISBN: 3-486-27514-3)
634 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, 2004

EUR 39,80
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Das "Sozialpsychologie-Lexikon" schließt die Lücke zwischen Lexika der Psychologie und Lexika der Soziologie, von denen es einige gibt. Sozialpsychologische Wörterbücher sind allerdings rar. Und so finden sich hier einschlägige Artikel etwa zu "Aggressionstheorien", "Angst/Ängstlichkeit", "Behaviorismus", "Depression", "Eifersucht", "Furchtappelle", "Interaktion", "Kognition" usw., jeweils knapp und verständlich, bei ausführlicheren Artikeln auch mit einschlägigen Lit.-Hinweisen. - Dieses Lexikon ist sicherlich gerade auch für Pädagog/inn/en hilfreich.

Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Artikel von A-Z

Leseprobe:

Sozialpsychologie (als Disziplin)
-> Sozialpsychologie, Geschichte der -» Sozialpsychologie, Gegenstand der —> Sozialpsychologie, angewandte
Die SP hat - in Abgrenzung zur -> Soziologie und zur -> Psychologie - ihre eigene Geschichte und Identität; HEWSTONE & MANSTEAD sprechen von einer spezifischen „culture of the discipline". Diese scheint insbesondere durch die folgenden Besonderheiten charakterisiert:
(a) Die SP versteht sich eher als psychologische, weniger als soziologische (Sub-) Disziplin. Obgleich sie ursprünglich zumindest mit einem Hauptstrang ihrer Entwicklung eng mit der Soziologie verbunden war, ist sie mittlerweile psychologisch dominiert (z.B. entstammen die weitaus meisten Fachvertreter der SP in Deutschland dem Wissenschaftsbereich der Psychologie);
(b) Die SP versteht sich eher als Grundlagenforschung; Anwendungsbezüge werden nur partiku-laristisch erschlossen. Im Gegensatz zur Soziologie waren es hier nicht primär „soziale Probleme", die den Entwicklungsverlauf der S. angeregt haben;
(c) Die SP hat mittlerweile relativ homogene standardisierte Inhalte; was sich u.a. an den Kapitelüberschriften einschlägiger Lehrbücher ablesen lässt: soziale Wahrnehmung, Einstellungen, Attribution, Interaktionsprozesse, Selbstkonzept usw.;
(d) Die SP wird in ihrer heutigen Gestalt sehr stark von der social cognition-Perspektive (-> Kognition, soziale) beeinflusst. Es geht dabei dezidiert um individuelle Strukturen und Prozesse, vorwiedend also mentale Repräsentationen sozialer Sachverhalte;
(e) Der SP fehlt eine übergreifende theoretische Perspektive. Allerdings neigt die neuere S. dazu, Theorien der -»Informationsverarbeitung als lockeren Bezugsrahmen für sp Fragestellungen zu bevorzugen;
(f) Die SP besteht weitgehend aus relativ unverbundenen Theorien mittlerer und unterer Reichweite. Diese Theorien haben - um in der Computersprache zu reden - keine systematische Baumstruktur, sondern eher eine Spaghetti-Struktur;
(g) Die SP konzentriert sich -ungeachtet einiger Stimmen, welche die interkulturelle Validität sp Ergebnisse in Frage stellen - auf die Erarbeitung nomologischer (Gesetzes-) Aussagen, die möglicherweise jedoch nur für begrenzte raum-zeitliche Ausschnitte (z.B. westliche Länder) Geltung haben (-> Sozialpsychologie, interkulturelle)',
(h) Die SP wird methodologisch vom Laborexperiment dominiert, was dieser Disziplin immer schon den Vorwurf mangelnder Generalisierbarkeit der Befunde eingetragen hat. Zweifellos ist es sinnvoll, Fragen der externen Validität (und damit auch des Anwendungsbezugs) stärkere Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Die hier erfolgte Auflistung kann als kritische Stellungnahme zu einer Wissenschaftsdisziplin gelesen werden. Nichtsdestoweniger wirkt die S. - gemessen am Zustand anderer Teildisziplinen, v.a. auch am Forschungsstand einer paradigmatisch heterogenen und manchmal wildwüchsigen Soziologie- erfreulich realitätsnah. Die Beschränkung auf Theorien mittlerer Reichweite kann auch als Vorzug angesehen werden gegenüber Ansätzen, die entweder durch eine zu abstrakte „Theorie" lediglich „Flüge über den Wolken" darstellen oder nur deskriptive Zustandsanalysen betreiben, die weitgehend konzept- und theorielos erfolgen. Die starke Grundlagenorientierung der SP scheint sich überdies auszuzahlen: Mehr und mehr erkennt auch die angewandte Forschung (z.B. die Organisationspsychologie oder die Psychologie des Konsumentenverhaltens) das außerordentlich große Poten-zial an Theorien, Konzepten und Befunden, das die SP zur fruchtbaren Nutzung bereitstellt.
Lit: -> Sozialpsychologie (Lehrbücher)