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Schulpastoral und religiöse Pluralität
Ein Konzeptentwurf für die Auseinandersetzung mit religiöser Pluralität
Reihe „Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge“, herausgegeben von Konrad Baumgartner und Erich Garhammer, Band 74.
Zugl.: Dissertation an der Theologischen Fakultät der Universität Würzburg
Ulrich Kumher
Reihe: Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge
Echter
EAN: 9783429030322 (ISBN: 3-429-03032-3)
431 Seiten, paperback, 15 x 23cm, 2008
EUR 42,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Bisher hat ein Konzeptentwurf für Schulpastoral angesichts religiöser Pluralität gefehlt. Diese Leerstelle füllt Ulrich Kumher mit einem Vorschlag, der zwei Theoriestränge miteinander verbindet, das interkulturelle Seelsorgekonzept und die Reflexionen Raimon Panikkars. Die Kombination erlaubt es, sowohl Einzelseelsorge und Beratung als auch die Begegnung zwischen Gruppen im Blick zu behalten. Kern des Konzeptentwurfs ist die Entfaltung von Begegnungen in interreligiöser und interkultureller Perspektive. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Themenkomplex Geschlechterdifferenz und Geschlechtersensibilität. Durch die Zuspitzung auf die Situation an Berufsschulen und mit Hilfe der kirchlichen Grundvollzüge werden die konzeptionellen Überlegungen in die Praxis verlängert.
Autor:
Ulrich Kumher, geb. 1976, Studium in Würzburg, 2002 Diplom in Kath. Theologie, 2003 Erstes Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien in Kath. Religionslehre und Deutsch, 2004 – 2007 Stipendiat im Graduiertenkolleg „Wahrnehmung der Geschlechterdifferenz in religiösen Symbolsystemen“, 2008 bis 2010 Studienreferendar, weiterer Forschungsschwerpunkt: Religion in den Medien.
Rezension
Schulpastoral / Schulseelsorge möchte einen Beitrag zur Humanisierung der Schule leisten, dazu gehört auch die religiös-plurale Begegnung, um die es in dieser Würzburger Dissertation geht. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Beitrag für die Konzeptentwicklung einer Schulpastoral zu leisten, die auf die Anforderungen religiöser Pluralität an deutschen Schulen Bezug nimmt.Schulbezogene Jugendarbeit und Schulseelsorge eröffnen Orte der Begegnung; die Begegnung der Religionen ist ein immerwährender Prozeß. Vor dem Hintergrund eines zunehmenden Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund sowie mit einem zunehmenden Orientierungsbedürfnis in einer multioptionalen Gesellschaft erlangt Schulpastoral wie interreligiöse Begegnung gleichermaßen verstärkt öffentliches Interesse. Religiöse Pluralität wird mit Fragestellungen auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen verbunden. Um die Komplexität religiöser Pluralität anzudeuten, seien einige dieser Fragestellungen genannt: Nach welcher Logik funktioniert das Zusammenleben zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen und Weltanschauungen? Wie lassen sich Konflikte, bei denen die Religiosität der Beteiligten eine Rolle spielt, konstruktiv lösen? Wie steht es um den Wahrheitsgehalt bzw. den Wahrheitsanspruch der einzelnen Religionen angesichts ihrer Vielzahl?
Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort XII
Einleitung 1
1. Schulpastoral vor einer neuen Herausforderung
1.1. Schulpastoral
1.1.1. Gegenstand der Praktischen Theologie, speziell der Pastoraltheologie
1.1.2. Historische Entwicklung
1.1.3. Definitionen, Begründung und Konzeptionen von Schulpastoral
1.1.4. Schulpastoral, Schulseelsorge und Schülerseelsorge
1.1.5. Ziele der Schulpastoral
1.1.6. Abgrenzungen: Schulsozialarbeit und Religionsunterricht
1.1.7. Kirchliche Grundvollzüge und Schulpastoral
1.1.8. Organisation und Trägerschaft von Schulpastoral
1.2. Religiöse Pluralität als Kennzeichen unserer Epoche
1.2.1. Religiöse Unterschiede
1.2.2. Religion und Kultur
1.2.3. Verschiedene Wissens-, Verstehens- und Glaubenshorizonte der Religionen
1.2.4. Anmerkungen zur interreligiösen Kommunikation
1.2.5. Prozesse der Veränderung
1.2.6. Konsequenzen der religiösen Pluralisierung
1.2.7. Konflikte und Friedensbemühungen
1.2.8. Religionsdiagnostische Modelle
1.3. Religiöse Pluralität als Herausforderung für die Schule und für die
Schulpastoral
1.3.1. Religiöse Pluralität in der Schulwirklichkeit
1.3.2. Herausforderungen innerhalb und außerhalb des Unterrichts
1.3.3. Religiöse Pluralität als Herausforderung für die Schulpastoral
1.3.4. Herausforderungen religiöser Pluralität entlang der kirchlichen Grundvollzüge
2. Forschungs- und Entwicklungsstand zu „religiöser Pluralität und Schulpastoral“
2.1. Aufsätze und Lexikonartikel zur Schulpastoral
2.2. Kirchliche Verlautbarungen und Dokumente
2.2.1. II. Vatikanum (1962-1965)
2.2.2. Würzburger Synode (1972-1975)
2.2.3. Vereinigung der Deutschen Ordensoberen (1990)
2.2.4. Die deutschen Bischöfe (1996)
2.2.5. Die deutschen Bischöfe (2003)
2.2.6. Die deutschen Bischöfe (2005)
2.3. Fernstudienmaterial „Fort- und Weiterbildung Schulpastoral“ (Würzburg)
2.4. Beiträge zur interkulturellen Seelsorge
2.5. Zusammenfassung der Befunde und Formulierung des Forschungsdesiderats
2.6. Anforderungen an eine interreligiös engagierte Schulpastoral gemäß der Analyse religiöser Pluralität
2.6.1. Interkulturalität
2.6.2. Differenzierte und multiperspektivische Wahrnehmung
2.6.3. Sensibilität für Ursachen von Verständigungsproblemen und Konflikten
2.6.4. Geschlechtersensibilität
2.6.5. Rücksicht auf Freiheits- und Identitätssicherungsbedarf
2.6.6. Ermöglichung und Gestaltung von Kontakten
2.6.7. Suche nach Verständigungsbrücken, gemeinsamen Werten und Aufgaben
2.6.8. Mehrdimensionales Engagement
2.7. Anfragen an das Konzept einer interreligiös engagierten Schulpastoral
2.7.1 Konzeptauswahl und Leitideen?
2.7.2. Begründung?
2.7.3. Religionstheologisches Modell?
2.7.4. Ziele?
2.7.5. Dreh- und Angelpunkt des Konzepts?
2.7.6. Kompetenzprofil?
2.7.7. Ort und Adressaten von Schulpastoral?
2.7.8. Grundvollzüge?
3. Einsatzort für eine interreligiös engagierte Schulpastoral
3.1. Wirklichkeit an berufsbildenden Schulen und speziell an Berufsschulen
3.1.1. Heterogenität
3.1.2. Vielzahl an Übergangsphasen und Entscheidungssituationen
3.1.3. Umbrüche und Orientierungswechsel
3.1.4. Drohende (Jugend-)Arbeitslosigkeit
3.2. Schulpastorales Engagement an berufsbildenden Schulen und speziell an Berufsschulen
3.3. Ziele der Untersuchung
3.4. Beschreibung des Fragebogens
3.4.1. Religiosität
3.4.2. Ambiguitätstoleranz, Perspektivenwechsel, Empathie und Goldene Regel im Kontext religiöser Pluralität
3.4.3. Konfliktbewältigungsmodi im Kontext religiöser Pluralität
3.4.4. Zukunftsängste
3.4.5. Geschlecht
3.5. Hospitationsphase und Try out
3.6. Auswahl der Stichprobe und Durchführung der Erhebung
3.7. Beschreibung der Stichprobe
3.8. Ergebnisse
3.8.1. Religiosität
3.8.2. Ambiguitätstoleranz, Perspektivenwechsel, Empathie und
Goldene Regel im Kontext religiöser Pluralität
3.8.3. Konfliktbewältigungsmodi im Kontext religiöser Pluralität
3.8.4. Zukunftsängste
3.8.5. Geschlecht
3.9. Kommentare
4. Konzeptentwurf für eine interreligiös engagierte Schulpastoral
4.1. Konzeptauswahl und Leitideen
4.1.1. Kombination
4.1.2. Kultur und Religion
4.1.3. Ermöglichung und Bewahrung von Vielfalt und Verschiedenheit
4.1.4. Multidimensionales Menschenbild
4.1.5. Begegnungen
4.1.6. Sensibilität für Natur und soziale Beziehungen
4.1.7. Interkulturelle Kommunikation
4.2. Begründung für die Auseinandersetzung mit religiöser und kultureller Pluralität
4.3. Religionstheologisches Modell
4.4. Ziele
4.5. Dreh- und Angelpunkt des Konzepts
4.5.1. Fünf Möglichkeiten des Zusammentreffens von Menschen unterschiedlicher Religionen
4.5.2. Begegnung und Dialog
4.5.3. Spielregeln der religiösen Begegnung
4.5.4. Kennzeichen von Begegnungen
4.6. Kompetenzprofil
4.6.1. Aufgeschlossenheit
4.6.2. Vertrauen
4.6.3. Pluralitätstoleranz
4.6.4. Wahrnehmungssensibilität und Selbstreflexivität
4.6.5. Wissen
4.7. Ort und Adressaten von Schulpastoral
4.7.1. Eine gegenüber Orthodoxie mit Zurückhaltung rechnende Schulpastoral
4.7.2. Eine für Pluralität einstehende und ihre Bewältigung gestaltende Schulpastoral
4.7.3. Eine die Angst vor Arbeitslosigkeit und sinkendem Lebensstandard bändigende Schulpastoral
4.7.4. Eine geschlechtersensible Schulpastoral
4.8. Schulpastoral entlang der kirchlichen Grundvollzüge
4.8.1. Einander und anderen dienen und helfen
4.8.2. Glauben gegenseitig vorleben
4.8.3. Gemeinsambeten und meditieren
4.8.4. Gemeinschaft üben und pflegen
5. Rituale als Begegnungschancen
6. Rückblick und Ausblick
6.1. Zusammenfassung der Ergebnisse
6.2. Ergänzung und Kombination weiterer Theoriestränge: Multiperspektivität
6.2.1. Bedingungen von Begegnungen
6.2.2. Dialogebenen und -hindernisse
6.2.3. Themenzentrierte Interaktion
6.2.4. Historische Hypotheken und mediale Tendenzen
6.3. Desiderate
7. Abkürzungsverzeichnis
8. Filmregister
9. Internetadressen
10. Literaturliste
11. Anhänge
11.1. Beschreibung der Stichprobe
11.1.1. Religionszugehörigkeit
11.1.2. Ausbildungsberuf
11.1.3. Schulabschluss
11.1.4. Herkunft der Jugendlichen
11.1.5. Herkunft der Mütter
11.1.6. Herkunft der Väter
11.2. Religiosität
11.2.1. Engagement in einer Religionsgemeinschaft
11.2.2. Kirch-, Synagogen- oder Moscheegang
11.2.3. Gebet
11.2.4. Religiöse Orientierungen
11.3. Bewältigung religiöser Pluralität
11.3.1. Ambiguitätstoleranz, Perspektivenwechsel, Empathie, Goldene Regel
11.3.2. Konfliktbewältigungsmodi
11.4. Zukunftsängste
11.5. Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern
Leseprobe:
Einleitung
Schulpastoral ist darum bemüht, ihr Richtziel – einen Beitrag zur Humanisierung der
Schule zu leisten – durch verschiedene Subziele einzuholen. Zu diesen Zielen gehört
es, den Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrern sowie den Eltern und
dem Schulpersonal in Notlagen und Konflikten beizustehen, Glaubenserfahrungen
zu ermöglichen und die Persönlichkeitsentwicklung der Menschen im Bereich der
Schule zu fördern. Inzwischen liegen einige schulpastorale Konzepte vor, die schulpastoralem
Engagement verschiedene Ausprägungen geben. Bitter (2003) unterscheidet
ein mystagogisches Konzept, ein karitatives Konzept, ein kommunikatives
Konzept, eine personenzentrierte Schulseelsorge und ein diakonisches Konzept.
Neben dem Begriff „Schulpastoral“ ist der Begriff „Schulseelsorge“ geläufig. Es
gibt einige Bemühungen, diese Begriffe voneinander abzugrenzen und auf unterschiedliche
Konnotationen festzulegen. Oft werden die Begriffe aber nicht voneinander
unterschieden und synonym verwendet – wie in dieser Arbeit (vgl. 1.1.4.).
„Schulsozialarbeit“ von Schulpastoral und Schulseelsorge zu unterscheiden, ist
sinnvoll, da Schulsozialarbeit nicht damit verbunden wird, auf eine Glaubenswirklichkeit
aufmerksam zu machen.
Aufmerksamkeit für Schulpastoral
In den letzten Jahren ist die Aufmerksamkeit für Schulpastoral sowohl evangelischerseits
als auch katholischerseits angewachsen (z. B. Dam/Spenn 2007, 11; Mette
2007, 159). Dafür können verschiedene Gründe angeführt werden. Für Dam und
Spenn (2007, 11) hängt dies zum einen „mit einem neuen Stellenwert der Frage nach
Religion und Religionen auf dem Hintergrund eines zunehmenden Anteils von
Menschen mit Migrationshintergrund sowie mit einem zunehmenden Orientierungsbedürfnis
in einer multioptionalen Gesellschaft“ zusammen. „Zum anderen gewinnen
Aspekte wie Schulkultur, Schulleben, informelles Lernen und lebensweltliche
Perspektiven auch in der Erziehungswissenschaft und in der Schulpädagogik bei
Fragen der Schulentwicklung an Bedeutung, weil sie offenbar auch zur Verbesserung
von Lernchancen förderlich sind“ (Dam/Spenn 2007, 11). In diesem Zusammenhang
sind die Potenziale von Schulpastoral relevant, die dazu geeignet sind,
aktuelle Herausforderungen an den Schulen zu bewältigen. Schulpastoral bringt die
religiöse Dimension menschlichen Lebens durch Feiern und Feste, durch vielfältige
Hilfestellungen und Unterstützung, durch Gemeinschaftsbildung sowie durch
Verkündigung, Begegnungs- und Fortbildungsmöglichkeiten ins Spiel. Dies lässt
Schulpastoral als Kooperationspartnerin und Unterstützungsmöglichkeit für die
Schule interessant werden (z. B. Vierling-Ihrig 2007, 39). Als aktuelle Herausforderungen
an Schulen sind u. a. die sinnvolle Gestaltung von Zeiten außerhalb des
Unterrichts speziell an Ganztagsschulen oder ein gestiegener Leistungsdruck und die
damit verbundenen Folgen wie Angst, Konkurrenz und Stress oder die mit religiöser
Pluralität verbundenen Schwierigkeiten zu nennen. Um letztgenannte Herausforderung
an der Schule soll es im Kontext von Schulpastoral in dieser Arbeit insbesondere
gehen, zumal zum Thema „Schulpastoral und religiöse Pluralität“ aus pastoraltheologischer
Perspektive bisher noch keine deutschsprachige Monographie vorliegt.
Das gewachsene Interesse an Schulpastoral kann aber auch daran liegen, dass
kirchlicherseits einiges von diesem Engagement erwartet wird. In einer Zeit, in der
immer weniger Menschen die Kirchen aufsuchen, bietet Schulpastoral für Christinnen
und Christen die Chance, auf Menschen zu zugehen und unter ihnen zu sein. Es
wird nicht verschwiegen, dass Schulpastoral „den Boden für die Offenheit und das
Interesse an religiösen Themen und kirchlichen Einrichtungen“ bereitet, einen
„Beitrag zu einer höheren Akzeptanz von Kirche“ leistet und „durch ihr Auftreten
im öffentlichen Raum der Schule auch eine Werbung für eine zeitgemäße und
sympathische Gestalt von Kirche“ darstellt (Konferenz der bayerischen Referent/-
innen für Schulpastoral 2007, 39). Vierling-Ihrig (2007, 41) sieht das kirchliche
Engagement an der Schule als Gelegenheit für die Kirche, „ihr Profil und ihre
Kernkompetenzen allen Menschen, die mit dem schulischen Kontext tangiert sind,
aufzuzeigen und zu vermitteln.“1 Aus kirchlicher Perspektive mag die Aufmerksamkeit
für Schulpastoral auch Frucht früherer Erkenntnisse und Forderungen sein. Im
Jahr 1986 hatte Schneider (217) darauf hingewiesen, dass es für die Praxis der
Schulseelsorge wichtig ist, „daß sich die Kirche ‚zur Welt bekehrt’ und in den
Gemeinden die Verantwortung für den Bildungsbereich erneut bewußtmacht. Die
Kirche muß das Getto fürchten. Um ihrer Identität willen muß sie möglichst weit aus
dem eigenen Bereich heraustreten und den Dienst in den verschiedenen gesellschaftlichen
Arbeits- und Lebensfeldern antreten. Sie muß sich allen öffnen, die sie
beanspruchen wollen, muß sich aufgeschlossen und gastfreundlich erweisen. Für die
S. [Schulseelsorge] bedeutet das auch, aus eigenem Entschluß den Weg zu allen
Schulen zu suchen und Schüler, Eltern und Lehrer zu vielfältig denkbaren Begegnungen
und Foren einzuladen.“
Schulpastoral kann einen Beitrag dafür leisten, dass es nicht bei einem Zerfall der
„Volkskirche“ in Deutschland bleibt, sondern dass ein Übergang zu einer „Kirche
für das Volk“ gestaltet wird. Gröger (2007, 32ff) sieht die Anfragen an die Kirche
auch als pastorale Chancen. Seine Überlegung, dass der Moment gekommen sei, von
der traditionellen Vorstellung Abschied zu nehmen, „wonach die Menschen zur
1 „Gleichzeitig zeigt die Kirche durch die Schulseelsorge ihre Präsenz an einem gesellschaftlich immer
bedeutender werdenden Ort. Es ist wichtig, dass diese Präsenz authentisch und kontinuierlich ist sowie
allen Menschen hilft, ihre Gegenwart zu gestalten und ihrer Zukunft positiv zu begegnen“ (Vierling-Ihrig
2007, 41).
Wenn Kirche außerdem „in einer neuen Wachsamkeit wahrnimmt, dass
junge Menschen die Frage nach dem Glauben an Gott im schulischen Kontext für
sich in einer neuen Intensität stellen, dann muss sie sich wahrlich als Kirche ‚für das
Volk’ in den Dienst nehmen lassen. Nicht zuletzt dadurch wird sie an Glaubwürdigkeit
gewinnen“ (Gröger 2007, 35).
Religiöse Pluralität
Die religiöse Landschaft in Deutschland ist vielfältiger geworden. Dies macht sich
auch an vielen deutschen Schulen bemerkbar. Vor allem Angehörige islamischer
Glaubensrichtungen erweitern das Spektrum der Religiosität an den Schulen. Zudem
gibt es vermehrt Schülerinnen und Schüler, die keiner Religionsgemeinschaft
angehören, aber als religiös eingestuft werden können, sowie Schülerinnen und
Schüler, die den Glauben an einen Gott oder an eine höhere Macht zwar bewusst
ablehnen – auch wenn sie vielleicht (noch) formell einer Religionsgemeinschaft
angehören –, aber dennoch an einen Lebenssinn glauben.
Religiöse Pluralität wird mit Fragestellungen auf verschiedenen Ebenen und in
verschiedenen Bereichen verbunden. Um die Komplexität religiöser Pluralität
anzudeuten, seien einige dieser Fragestellungen genannt: Nach welcher Logik
funktioniert das Zusammenleben zwischen den Angehörigen verschiedener Religionen
und Weltanschauungen? Wie lassen sich Konflikte, bei denen die Religiosität
der Beteiligten eine Rolle spielt, konstruktiv lösen? Wie steht es um den Wahrheitsgehalt
bzw. den Wahrheitsanspruch der einzelnen Religionen angesichts ihrer
Vielzahl?
Schulpastoral ist auf religiöse Pluralität aufmerksam geworden, da sie als kirchliches
Engagement mit dem Ziel einer Humanisierung der Schulwirklichkeit Herausforderungen
an Schulen registriert. Angesichts religiöser Pluralität bieten sich für die
Schulpastoral zwei Wege an. Entweder sie beschränkt sich bei ihrem Engagement
darauf, die Schülerinnen und Schüler, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer anzusprechen, die Christinnen und Christen sind bzw. es (evtl.) noch werden wollen, oder
aber sie hält ihre Angebote für alle Personen an der Schule offen, ungeachtet ihres
jeweiligen religiösen Bekenntnisses.
In der vorliegenden Arbeit wird aus mehreren Gründen der zweite Weg befürwortet:
Erstens soll dem oft vorgebrachten Ansinnen Rechnung getragen werden, dass
Schulpastoral für alle Menschen in der Schule da sein will, gerade für die, die Hilfe
benötigen. Das Bemühen, sich um der Kirche fern stehende Menschen zu kümmern,
bekommt nicht nur von dem diakonischen Impetus der Schulpastoral Rückenwind,
nämlich allen Menschen zu helfen, sondern auch von der Nachfrage derjenigen
Menschen, die Seelsorge als Zweig kirchlicher Arbeit nicht nur akzeptieren sondern
sogar wünschen und in Anspruch nehmen. Zweitens wird in der Perspektive einer
Öffnung für alle eine große Chance für die Schulen gesehen: Es besteht so leichter
die Möglichkeit, mit allen Menschen an der Schule ins Gespräch zu kommen und
Beziehungen zwischen verschiedenen Menschen herzustellen. Diese Möglichkeit ist
im konfessionellen Religionsunterricht im Vergleich zur Schulpastoral nur eingeschränkt
gegeben. Eine Schulpastoral für alle hat es leichter, einen Beitrag für die
gesamte Schulkultur (Holtappels 1995, 12f) zu leisten, als eine Schulpastoral, die
sich nur an eine bestimmte Gruppe an der Schule richtet.
Ein neuer Entwurf für Schulpastoral
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Beitrag für die Konzeptentwicklung
einer Schulpastoral zu leisten, die auf die Anforderungen religiöser Pluralität an
deutschen Schulen Bezug nimmt. Dabei rücken insbesondere Begegnungen zwischen
Personen unterschiedlicher Religionszugehörigkeit und Kultur an der Schule
in den Blick. Weiterhin geht es darum, auf der Basis dieser Reflexionen eine
praktische Perspektive für die Schulpastoral zu entwickeln. Der entwickelte Konzeptentwurf
soll in Zusammenhang mit der Berufsschule gebracht werden, da hier
die religiöse und kulturelle Pluralität häufig weit fortgeschritten ist (z. B. Over/Mienert
2006, 47). Es erfolgt nicht nur eine Analyse religiöser Pluralität, um sich über
ihre Anforderungen klar zu werden, sondern es wird zudem speziell die Situation an
Berufsschulen betrachtet. Hierfür werden Ergebnisse einer eigenen empirischen
Untersuchung eingebracht, die zwar keine Repräsentativität beansprucht, aber einen
Blick auf verschiedene Einstellungen bestimmter Berufsschülerinnen und Berufsschüler
ermöglicht, die im Kontext dieser Arbeit von Bedeutung sind.
Kontakte zwischen Menschen, die sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden, gehören
in der Schule zum Alltag. „Nirgendwo sonst im öffentlichen Raum begegnen sich
Menschen unterschiedlicher kultureller und ethnischer Herkunft und religiöser
Zugehörigkeit in gleicher Vielfalt, Nähe und Intensität – was Schule vor besondere
Aufgaben stellt“ (Kramer 2005, 187). Oftmals wird aber aneinander vorbei gelebt
oder es gibt Probleme, wenn Menschen unterschiedlicher Gruppen aufeinander
treffen. Bei den Personen, die an der Schule zusammentreffen, handelt es sich um
Eltern, Lehrerinnen und Lehrer (inklusive Schulleitung), Schülerinnen und Schüler
(z. B. Weidmann 1997, 414ff) und das Schulpersonal.
Begegnungen bieten sich aus mehreren Gründen als Dreh- und Angelpunkt für den
Entwurf einer Schulpastoral an, die sich interreligiös engagiert: Die Sozialpsychologie
hat die Effekte von Begegnungen zwischen Angehörigen verschiedener Gruppen
intensiv erforscht und gibt Auskunft über spezielle Bedingungen, damit Begegnungen
prosoziale Effekte bei den an ihnen beteiligten Personen nach sich ziehen.
Begegnungen haben eine theologische Dimension und sind für das schulpastorale
Engagement unverzichtbar. Schließlich lassen sich Begegnungen speziell im
konfessionellen Religionsunterricht eher selten durchführen und stellen vor diesem
Hintergrund eine Perspektive dar, welche die Chancen der Schulpastoral gegenüber
dem herkömmlichen Religionsunterricht vor Augen führt.
Für die Erarbeitung des Konzeptentwurfs von Schulpastoral angesichts religiöser
Pluralität wird auf zwei Theoriestränge Bezug genommen, einerseits auf das interkulturelle
Seelsorgekonzept (v. a. Schneider-Harpprecht 2001), andererseits auf die
Gedanken Raimon Panikkars (z. B. 1991). Weil in beiden Theoriesträngen sowohl
der Zusammenhang von Religion und Kultur als auch Religion als kulturelle Dimension
Berücksichtigung findet, wird der erarbeitete Entwurf als interkultureller
Konzeptentwurf für Schulpastoral bezeichnet. Bei Panikkar und beim interkulturellen
Seelsorgekonzept spielen Begegnungen eine bedeutende Rolle. Während das
interkulturelle Seelsorgekonzept die Begegnung vor allem als Seelsorge und Beratung
erhellt und orientiert, geht es Panikkar um ein offeneres Verständnis von
Begegnungen. Diese Arbeit konzentriert sich auf das Begegnungsverständnis von
Panikkar, da es allgemeiner anwendbar ist und im Vergleich zum interkulturellen
Seelsorgekonzept viele weitere Aspekte bei Begegnungen berücksichtigt, die sich im
Kontext einer religiös pluralen Schule als wichtig und fruchtbar erweisen können.
Neben Seelsorge und Beratung ist es im Rahmen von Schulpastoral auch notwendig,
Begegnungen zwischen Gruppen zu arrangieren und zu moderieren – wofür bisher
für Schulpastoral im interreligiösen Kontext eine Fundierung fehlte.
Die Produktivität von Panikkars Ansatz haben u. a. Mendonca, D’Sa und Kim
enthüllt. Zudem berücksichtigt Panikkars Perspektive viele verschiedene Aspekte
hinsichtlich der Beziehungen von Personen unterschiedlicher Religionen und
Kulturen. Panikkar bedenkt bei seinen Überlegungen zu Begegnungen nicht nur die
an einer Begegnung beteiligten Menschen, sondern auch das damit verbundene
göttliche Geheimnis und den Kosmos. Ihm geht es nicht nur um die Rettung der
Menschen und den dafür nötigen (bloßen) Erhalt der Natur, sondern um ein lernendes
Zusammenleben mit der Natur, um eine Symbiose mit ihr und gleichzeitig um
eine Emanzipation von einer Mensch und Natur versklavenden Technokratie.
Eine besondere Aufmerksamkeit der Arbeit liegt auf dem Themenkomplex „Geschlechterdifferenz
und Geschlechtersensibilität“, da Schulpastoral eine spezielle
Achtsamkeit für das Thema „Geschlecht“ entwickelt hat (z. B. Noffke 2007), da
dieses Thema im Kontext religiöser Pluralität auch als Konfliktpotenzial eine
bedeutende Rolle spielt (z. B. Renz/Leimgruber 2005, 215ff) und da das interkulturelle
Seelsorgekonzept für dieses Thema eine spezielle Valenz aufweist (z. B.
Schneider-Harpprecht 2001, 168ff, 321ff).
Im Ausklang der Arbeit werden Rituale als hervorragende Chance entdeckt, mit
deren Hilfe sich der interkulturelle Konzeptentwurf in der schulpastoralen Praxis
umsetzen lässt, da sich Rituale als Symbolhandlungen begreifen lassen.
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