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Schuld und Vergebung Eine theologische Neukonturierung
Schuld und Vergebung
Eine theologische Neukonturierung




Christof Breitsameter

Herder Verlag
EAN: 9783451390968 (ISBN: 3-451-39096-5)
248 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, März, 2022

EUR 32,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Begriffe von Schuld und Vergebung sind christlich alles andere als klar. Historisch gesehen wurden innerhalb der biblischen Theologie soteriologische Überlegungen nach und nach zugunsten eines ethischen Zugriffs auf diese Thematik zurückgedrängt: Schuld und Vergebung erscheinen als unvertretbar. Die christliche Theologie zeigt eine gegenläufige Tendenz: Soteriologische Erwägungen überlagerten nach und nach den ethischen Zugriff. Schuld und Vergebung werden durch den Gedanken der Stellvertretung tiefgreifend verändert. Vor diesem Hintergrund unternimmt die Studie den systematischen Versuch einer zeitgenössischen Konturierung von Schuld und Vergebung. Gleichzeitig werden Überlegungen zu einer ethisch fundierten Eschatologie vorgelegt.

Christof Breitsameter, Dr. theol., geb. 1967, Professor für Moraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Moraltheologen
Rezension
Für das Christentum als Erlösungsreligion spielen die Begriffe Schuld und Vergebung eine zentrale Rolle für das Selbstverständnis; denn wenn der Mensch gar nicht schuldhaft ist (negative Anthropologie), dann bedarf es und er auch keiner Vergebung und Erlösung. Die dogmatische Darstellung dieser Grundbestimmung ist aber einigermaßen schwierig, komplex und seit Jahrhunderten mit Begriffen und Vorstellungswelten belastet, die heute schwer verständlich und antiquiert erscheinen wie Sünde, Erbsünde, Satisfaktionslehre, Sühnopfer oder Rechtfertigungslehre. Schuld und Vergebung bezeichnen instabile Zustände normativer Ordnungen, Schuld durch Normabweichung, die Vergeltung evoziert, Vergebung durch den Verzicht auf Vergeltung um der künftigen Normbefolgung willen. In der christlichen Theologie wird Schuld in das Innere des Menschen sowie in das Jenseits von Zeit und Geschichte verlegt. Die rechtliche Bewältigung von Schuld, die sich öffentlich ereignet oder zumindest ereignen soll, drängt die religiöse, die im Geheimen stattfindet zurück. Im juridischen Kontext wird Vergebung dagegen weitgehend privatisiert, im religiösen Kontext weitgehend Gott überantwortet, wodurch das Opfer, das dem Täter zu vergeben hat, faktisch enteignet wird. Beide Male wird der Konnex von Täter und Opfer zumindest gelockert oder ganz zertrennt. Doch ist menschliche Schuld durch das göttliche Sühnopfer, das man biblisch begründet sieht, vergeben? Bedarf es dann noch einer individuellen oder kollektiven Schuldbewältigung? Und warum sollte es, wenn es sich so verhält, überhaupt noch ein göttliches Gericht geben? Systematisch unternimmt die Studie den Versuch einer zeitgenössischen theologischen Konturierung von Schuld und Vergebung, vor allem des Gedankens ihrer Unvertretbarkeit. Hier ist auch zu klären, welche Form von Schuld überhaupt Vergebung erfordert.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7

1. Einleitung 9

1.1 Eingrenzung des Gegenstandes 9
1.2 Gang der Untersuchung 13
1.3 Konzeptuelle Notiz 14
1.4 Terminologische Notiz 15

2. Schuld und Sünde aus biblischer und moderner Sicht 16

2.1 Begriffe und Modelle von Schuld 16
2.2 Zurechnung von Schuld 21
2.3 Unheil und Sünde 27
2.4 Der Umgang mit Sünde und Schuld 30
2.4.1 Blutrache und die Beschränkung von Schuld 30
2.4.2 Körperverletzung und die Beschränkung von Vergeltung 32
2.5 Paulinische Sündentheologie 34
2.5.1 Die Universalität des Gesetzes 35
2.5.2 Die Macht der Sünde 38
2.5.3 Stellvertretendes Opfer und Ansprüche der Moral 40
2.5.4 Moralisierung der Religion: Folgen und Ursachen 43
2.6 Gibt es eine Sühne von Sünden? 45
2.6.1 Rückblick und Ausblick 46
2.6.2 Der Weltgerichtsdialog als „moral exemplarism“? 48
2.7 Schuld und Sünde modern 58
2.7.1 Sünde 59
2.7.2 Individuum und Kollektiv 60
2.7.3 Erbsünde 74
2.8 Fazit 86

3. Reziprozität: Vergeltung und Vergebung 91

3.1 Wer vergibt hier wem? 101
3.2 Von Schuld und von Schulden 106
3.3 Vom Suchen und Finden – und von einer Umkehr 111
3.4 Positive Reziprozität: Den Nächsten lieben wie sich selbst 115
3.4.1 Von Helden sozialer Gerechtigkeit 115
3.4.2 Der Umgang mit Verfehlungen: göttliche oder menschliche Vergebung? 121
3.5 Negative Reziprozität: Wie steht es mit der Feindesliebe? 127
3.6 Spiritualisierung und Eschatologisierung 141
3.7 Fazit 144

4. Vergebung 151

4.1 Selbstachtung 155
4.2 Kriterien der Herabwürdigung 157
4.3 Sind Selbst- und Fremdachtung voneinander abhängig? 162
4.4 Vergeben und Vergessen? 174
4.5 Individuelle und dividuelle Rationalität 179
4.6 Fazit 186

5. Gott und die Vergebung 190

5.1 Voraussetzungen für eine ethisch fundierte Eschatologie 190
5.2 Diesseitige und jenseitige Vergebung 197
5.3 Darf Gott vergeben? 199
5.4 Stellvertretende Vergebung? 205
5.5 Bedingungslose Vergebung? 211
5.6 Ethische Bewertung von Schuld in eschatologischer Perspektive 221
5.7 Fazit 223

6. Ertrag 227

Literaturverzeichnis 231
Sachregister 240
Personenverzeichnis 243