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Religiöse Gewalt an Tieren Interdisziplinäre Diagnosen zum Verhältnis von Religion, Speziesismus und Gewalt
Religiöse Gewalt an Tieren
Interdisziplinäre Diagnosen zum Verhältnis von Religion, Speziesismus und Gewalt




Simone Horstmann (Hrsg.)

Transcript
EAN: 9783837653465 (ISBN: 3-8376-5346-3)
332 Seiten, paperback, 16 x 24cm, April, 2021

EUR 50,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die drei großen monotheistischen Religionen eint ein überwältigender und bis heute nahezu ungebrochener Konsens über die strukturelle Gewalt an (nicht-menschlichen) Tieren. Diese Gewalt kann ritueller Natur sein, aber auch als Deutungsgewalt gegenüber den vermeintlich seelenlosen Tieren Wirkung entfalten. Beide Formen stellen nicht nur das friedliche Selbstverständnis der Religionen in Frage, sondern verlangen insbesondere nach analytischen Antworten, die die über lange Zeit hinweg als selbstverständlich aufgefasste Gewaltförmigkeit der Religionen problematisieren. Auf diesem Weg tragen sie zugleich zur Überwindung dieses theologisch- und religiös-legitimierten Speziesismus bei.

Simone Horstmann (Dr. phil.), geb. 1984, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Katholische Theologie an der Technischen Universität Dortmund. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die theologische Verortung der Mensch-Tier-Beziehung.
Rezension
Mit der etablierten Reihe "Human-Animal Studies" rückt der Bielefelder transcript-Verlag erfreulich über den mainstream hinausweisend ein Problemfeld in den Blickpunkt, das gesamtgesellschaftlich leider noch immer unterbelichtet erscheint, die Tierethik, obwohl sich in den vergangenen Jahren insbesondere durch das ökologische Bewußtsein etwas zu bewegen scheint. So wurde unlängst auch die neue Tierethik der Harvard-Professorin Christine M. Korsgaard ins Deutsche übersetzt: "Tiere wie wir. Warum wir moralische Pflichten gegenüber Tieren haben" (9783406765452 / C.H.Beck Verlag 2021). Über Jahrtausende aber hat eine (christlich geprägte) Kultur den Anthropozentrismus gepredigt: der Mensch als die Krone der Schöpfung, der sich die Erde untertan macht - und damit auch die Tiere, die Pflanzen und die gesamte Umwelt. Erst langsam wird das Tier auch ethisch (wieder)entdeckt, die Regel aber war und ist die radikale Unterdrückung, Ausbeutung und Massentiertötung. Die drei großen monotheistischen Religionen eint ein überwältigender und bis heute nahezu ungebrochener Konsens über die strukturelle Gewalt an (nicht-menschlichen) Tieren. Diese Gewalt kann ritueller Natur sein, aber auch als Deutungsgewalt gegenüber den vermeintlich seelenlosen Tieren Wirkung entfalten. Die religiöse Gewalt an nichtmenschlichen Tieren ist in unserem Kulturkreis weit verbreitet und grundlegend. Tiere werden als weitestgehend bedeutungslos, zumindest aber als strukturell nachrangig gegenüber Menschen betrachtet - auch in den Theologien. Es ist an der Zeit, den (religiösen) Blick auf Tiere zu verändern. Dazu zählt zunächst die Infragestellung ritueller Gewalt gegen Tiere; denn warum sollen Tiere geopfert werden, damit Friede sei? Gewalt an Tieren, so die klassisch religiöse Antwort der kathartischen Gewalt, sei dadurch zu rechtfertigen, dass sie andere, gravierender erachtete Formen der Gewalt (an Menschen) kanalisiere bzw. unwahrscheinlicher mache. Die markanteste biblische Referenz für diese These ist Gen 9 (im Koran entsprechend: Sure 5, Vers 3 bzw. Sure 6, Vers 145). Der französische Anthropologe René Girard hat diesen Zusammenhang bekanntlich als Sündenbock-Mechanismus beschrieben: Als Sündenbock dient ein menschliches oder tierliches Opfer, an dem sich die Gewalt einer Gruppe entlädt, die durch diese rituelle Handlung gleichwohl innerlich gestärkt und befriedet wird.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Zwischen Ritualismus und Nihilismus – Dekonstruktionen religiöser Gewalt an nichtmenschlichen Tieren
Zur Einleitung
Simone Horstmann 7

…töten, essen, verleugnen: Phänomenologien religiöser Gewalt an (nichtmenschlichen) Tieren

Über Natur und Übernatur
Mutmaßung zur christlichen Kälte gegenüber Tieren
Gregor Taxacher 35

Anima (de-)forma corporis
Zur Konstruktion von Tier- und Menschenkörpern durch die Theologie
Simone Horstmann 59

Konstruierte Andersartigkeit und Gewalt
Über religiös legitimierte Abwertungen des Nichtmenschlichen und Nichtmännlichen
Julia Enxing 77

Das Tier als Mitgeschöpf?
Eine Paränese
Johann S. Ach 107

… notwendig oder kontingent? Historische, politische und rechtliche Kontexte religiöser Gewalt an Tieren

Eine religionsethologisch-evolutionäre Sicht auf das Phänomen der Gewalt innerhalb des Mensch-Tier-Verhältnisses
Ina Wunn 123

Von natürlichen und konstruierten Grenzen
Ein postkolonialer Blick auf die Tiere
Jaqueline Jüling 141

Religiös motivierte Gewalt gegenüber Tieren als Grundrechtsausübung?
Christian Arleth 163

Schächtung, Xenotransplantation, Stammzellforschung
Religiöse Sichtweisen im kritischen Licht heutiger Rechtsprechung und Ethik
Hartmut Kreß 199

… unheilbar speziesistisch? Theologische Religionskritik und Gewaltüberwindung

Gewalt und Tierrechte in der theologischen Ethik
Eine kritische Analyse
Cornelia Mügge 225

»Die menschliche Sklaverei wurde abgeschafft, die tierische geht weiter.«
Das Dispositiv der Sklaverei im Christentum
Thomas Ruster 251

Die Souveränität der Tiere
Überlegungen zu einer politischen Tiertheologie
Marcus Held 303

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 329