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Prinzipien der Bioethik
Tom L. Beauchamp, James F. Childress
Verlag Karl Alber
EAN: 9783495492437 (ISBN: 3-495-49243-7)
713 Seiten, kartoniert, 17 x 24cm, August, 2024
EUR 99,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Mit diesem Band liegen die »Principles of Biomedical Ethics« erstmals in deutscher Übersetzung vor. Es ist nicht nur ein interdisziplinär gut lesbares medizinethisches Lehrbuch für die Gesundheitsberufe, sondern auch ein bedeutender Beitrag der angewandten philosophischen Ethik. Der Ansatz, den Tom L. Beauchamp und James F. Childress entwickelt haben, wird schon seit der ersten Auflage weltweit rezipiert und geht inzwischen in der Anwendung der dort ausgelegten Prinzipien deutlich über medizinethische Fragestellungen hinaus. Das prinzipientheoretische Modell reagiert systematisch auf die Umbrüche in der medizinischen Wissenschaft, die im frühen 20. Jahrhundert überdeutlich werden. Denn der Medizinethik fehlt in dieser Zeit eine systematische philosophische Reflexion, insbesondere ein übergreifender Ansatz, der sich aus der Sicht verschiedener Theorien in der Ethik als gleichermaßen akzeptabel, anschlussfähig und praktikabel erweist. Die medizinethische Praxis ist traditionell durch ihre Orientierung an einem ärztlichen Ethos und daher eher tugendethisch geprägt gewesen. Nun fügen sich in den vorgebrachten Argumenten zur moralischen Bewertung einzelner Fälle oder Situationen der modernen Medizin verstärkt ad hoc oder intuitiv auch deontologische oder utilitaristische Muster ein. Jedoch sind in der Diskursreflexion dieser Umbruchszeit der Medizin und Medizinethik noch keine überzeugenden Versuche erkennbar, die verschiedenen Ethiktheorien und -traditionen miteinander zu verbinden oder Widersprüche in der Begründungsstruktur für die Praxis aufzulösen. Vor diesem Hintergrund füllt der Band diese Lücke. Beginnend mit der ersten Auflage von 1979 entwickeln die Autoren ihr Modell bis zur Auflage von 2019 beständig weiter.
Der Anspruch des prinzipientheoretischen Ansatzes besteht darin, dass dann, wenn die Gruppen von Prinzipien (Autonomie, Nichtschaden, Benefizienz, Gerechtigkeit) einmal akzeptiert sind, sie als „Prinzipien mittlerer Reichweite“ die ethische Bewertung auch solcher Handlungssituationen erlauben, für die es aufgrund ihrer Neuartigkeit noch keine habituell verinnerlichten, ethisch gerechtfertigten Lösungsansätze oder Handlungsdispositionen geben kann. Die Flexibilität und Breite sowie die postulierte Unabhängigkeit von den gewachsenen Theorien der Ethiktraditionen verspricht – ausgehend von einer Common morality – eine universale Verständigungspraxis über die Anwendung dieser Prinzipien.
Rezension
Ist ein Schwangerschaftsabbruch moralisch vertretbar? Sollte die aktive Sterbehilfe legalisiert werden? Darf die Genschere CRISPR-Cas9 zur Anwendung kommen? Sollen Pflegeroboter flächendeckend eingesetzt werden? Darf man zur Leistungssteigerung sein Gehirn dopen? Gibt es Grenzen biowissenschaftlicher Forschung? Welche Rolle spielt Gerechtigkeit in der Gesundheitsethik? Wie sind Wertpräferenzen den bio- und medizinethischen Fällen zu begründen? Lassen sich dort gemeinsame moralische Prinzipien identifizieren und welche Reichweite besitzen solche?
Die genannten Fragestellungen der angewandten Ethik sind Gegenstand der Bio- und Medizinethik. Dabei handelt es sich um Bereichsethiken, welche systematisch Problemfelder der Moral und Begründungsfragen reflektieren, die sich im Kontext biologischer und medizinischer Forschung und deren Anwendungen ergeben. Es existieren in der philosophischen Zunft, in der Medizin, in der Gesundheitswissenschaft, in der Biologie Kontroversen darüber, welche Ethik als genuine Bioethik taugt.
Eine zentrale Rolle im bio- und medizinethischen Diskurs spielt dabei das von 1979 von Tom L. Beauchcamp (*1939) und James F. Childress (*1940) publizierte Buch „Principles of Biomedical Ethics“. In ihm entwerfen die Bioethiker vier „Prinzipien mittlerer Reichweite“ für die Biomedizinische Ethik, nämlich den Grundsatz der Autonomie, des Nichtschadens, der Benefizienz und der Gerechtigkeit. 2019 erreichte das Standardwerk der Bioethik bereits die achte Auflage, von dem bisher eine deutsche Übersetzung fehlte. Dem Verlag Karl Alber kommt das Verdienst zu, von diesem Klassiker der angewandten Ethik erstmals eine deutsche Übersetzung vorzulegen. Herausgegeben wird dieser von Dirk Latzerath und Aurélie Halsband, die Übersetzung unter Benutzung der geschlechtergerechter Sprache stammt von Julia Pelger. Das Buch richtet sich an Ethiker:innen, Mitglieder von Ethikkommissionen, Philosophiestudierende und Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Ethik.
Beauchamps prinzipienorientierte Bioethik bietet sehr gute Argumentationshilfen zur Bearbeitung von Fällen der Medizin-, Pflege-, Gesundheits- Neuroethik und sogar der Pädagogischen Ethik. Manche Textausschnitte aus dem Buch können produktiv im Oberstufenunterricht herangezogen werden, zum Beispiel die Ausführungen der Wissenschaftler zu den vier Prinzipien, zu Grundbegriffen der Ethik, zu einzelnen Moraltheorien oder zum „reflexiven Gleichgewicht“, welche sich an dem Rawl`schen „Überlegungsgleichgewicht“ zwischen moralischen Einzelurteilen zu konkreten Einzelfragen und moralischen Prinzipien orientieren.
Fazit: Tom L. Beauchcamps und James F. Childress` Klassiker in der erstmaligen deutschen Übersetzung unter dem Titel „Prinzipien der Bioethik“ ist eine lohnenswerte Anschaffung für alle, die sich mit angewandter Ethik im biomedizinischen Kontext differenziert auseinandersetzen möchten.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Mit diesem Band liegen die »Principles of Biomedical Ethics« erstmals in deutscher Übersetzung vor. Es ist nicht nur ein interdisziplinär gut lesbares medizinethisches Lehrbuch für die Gesundheitsberufe, sondern auch ein bedeutender Beitrag der angewandten philosophischen Ethik. Der Ansatz, den Tom L. Beauchamp und James F. Childress entwickelt haben, wird schon seit der ersten Auflage weltweit rezipiert und geht inzwischen in der Anwendung der dort ausgelegten Prinzipien deutlich über medizinethische Fragestellungen hinaus. Das prinzipientheoretische Modell reagiert systematisch auf die Umbrüche in der medizinischen Wissenschaft, die im frühen 20. Jahrhundert überdeutlich werden. Denn der Medizinethik fehlt in dieser Zeit eine systematische philosophische Reflexion, insbesondere ein übergreifender Ansatz, der sich aus der Sicht verschiedener Theorien in der Ethik als gleichermaßen akzeptabel, anschlussfähig und praktikabel erweist. Die medizinethische Praxis ist traditionell durch ihre Orientierung an einem ärztlichen Ethos und daher eher tugendethisch geprägt gewesen. Nun fügen sich in den vorgebrachten Argumenten zur moralischen Bewertung einzelner Fälle oder Situationen der modernen Medizin verstärkt ad hoc oder intuitiv auch deontologische oder utilitaristische Muster ein. Jedoch sind in der Diskursreflexion dieser Umbruchszeit der Medizin und Medizinethik noch keine überzeugenden Versuche erkennbar, die verschiedenen Ethiktheorien und -traditionen miteinander zu verbinden oder Widersprüche in der Begründungsstruktur für die Praxis aufzulösen. Vor diesem Hintergrund füllt der Band diese Lücke. Beginnend mit der ersten Auflage von 1979 entwickeln die Autoren ihr Modell bis zur Auflage von 2019 beständig weiter.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort der Herausgebenden zur deutschsprachigen
Ausgabe 9
Vorwort der Autoren zur deutschsprachigen Übersetzung 19
Vorwort zur achten Auflage 23
Teil I Moralische Grundlagen 29
1 Moralische Normen 31
Normative und nicht normative Ethik 31
Common morality als universelle Moral 33
Partikularmoralen als nicht universal 38
Moralische Dilemmata 47
Ein Bezugssystem moralischer Prinzipien 50
Konfligierende moralische Normen 54
Schlussfolgerung 70
2 Moralischer Charakter 71
Das Konzept der moralischen Tugend 72
Tugenden in beruflichen Rollen 75
Die zentrale Tugend der Fürsorge 79
Fünf zentrale Tugenden 83
5 Moralische Ideale 97
Moralische Vortrefflichkeit 104
Schlussfolgerung 116
3 Moralischer Status 119
Das Problem des moralischen Status 119
Theorien des moralischen Status 123
Von Theorien zu praktischen Leitlinien 146
Die ethische Bedeutsamkeit des moralischen Status 157
Vulnerable Gruppen und vulnerable Individuen 159
Schlussfolgerung 164
Teil II Moralische Prinzipien 167
4 Achtung der Autonomie 169
Der Begriff der Autonomie und das Prinzip der Achtung der Autonomie 169
Die Fähigkeit zur autonomen Entscheidung 191
Die Bedeutung und Rechtfertigung informierter Einwilligung 201
Aufklärung 209
Verstehen 223
Freiwilligkeit 233
Stellvertretende Entscheidungen für nicht autonome Patient*innen 238
Schlussfolgerung 244
5 Nichtschaden 247
Begriff und Prinzip des Nichtschadens 248
Unterscheidungen und Regeln im Kontext von Entscheidungen gegen eine
Behandlung 256
6 Optionale und notwendige Behandlungen 276
Töten und Sterbenlassen 293
Der absichtlich herbeigeführte Tod: Wann, wenn überhaupt, ist er
gerechtfertigt? 299
Der Schutz nicht einwilligungsfähiger (incompetent) Personen vor
Schädigungen 315
Wessen Risiken und wessen Nutzen? Probleme mangelnden und
übermäßigen Schutzes bei der Forschung an Menschen 323
Schlussfolgerung 331
6 Benefizienz 333
Das Konzept und die Prinzipien der Benefizienz 334
Obligatorische Benefizienz und ideale Benefizienz 334
Paternalismus: Konflikte zwischen Benefizienz und Achtung der
Autonomie 354
Die Abwägung von Nutzen, Kosten und Risiken 375
Der Wert und die Qualität des Lebens 391
Schlussfolgerung 398
7 Gerechtigkeit 401
Gerechtigkeitsbegriff und Gerechtigkeitsprinzipien 402
Traditionelle Gerechtigkeitstheorien 407
Zwei eng mit dem Wert der Gesundheit verknüpfte Theorien 416
Faire Chancen und unfaire Diskriminierung 424
Vulnerabilität, Ausbeutung und Diskriminierung in der Forschung 433
Nationale Gesundheitspolitik und das Recht auf Gesundheitsversorgung 440
Globale Gesundheitspolitik und das Recht auf Gesundheit 453
Allokation, Prioritätensetzung und Rationierung 458
Schlussfolgerung 480
8 Beziehungen zwischen Fachleuten und Patient*innen 483
Aufrichtigkeit 483
Privatsphäre 502
Vertraulichkeit 511
Zuverlässigkeit 529
Die Unterscheidung zwischen klinischer Ethik und Forschungsethik 541
Schlussfolgerung 559
Teil III Theorie und Methode 561
9 Moraltheorien 563
Kriterien für die Beurteilung von Moraltheorien 564
Utilitaristische Theorie 567
Kantianische Theorie 577
Theorie der Rechte 586
Theorie der Tugendethik 601
Die Konvergenz der Theorien zu den Prinzipien 613
Schlussfolgerung 614
10 Methode und moralische Rechtfertigung 617
Rechtfertigung in der Ethik 617
Top-Down-Modelle: Theorie und Anwendung 618
Bottom-Up-Modelle: Vom Fall zur Urteilsfindung 629
Ein integriertes Modell: Reflexives Gleichgewicht 642
Theorie der common morality 649
Schlussfolgerung 669
Index 671
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