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Papst Franziskus und die Zukunft der Kirche Neutestamentliche Orientierungsangebote
Papst Franziskus und die Zukunft der Kirche
Neutestamentliche Orientierungsangebote




Marlis Gielen, Joachim Kügler

LIT
EAN: 9783643128294 (ISBN: 3-643-12829-0)
248 Seiten, paperback, 15 x 21cm, 2014

EUR 24,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Papst Franziskus formuliert in seiner Enzyklika Evangelii Gaudium Perspektiven für die Neugestaltung der Kirche, die den exegetischen Ergebnissen viel mehr entsprechen als das, was vorher aus Rom kam.

Allerdings ist das Titelbild durchaus ironisch gemeint. Der Papst wird hier nicht als Supermann verstanden, sondern als Hirte, der Impulse gibt und zum Dialog einlädt.

Dieses Buch nimmt die Einladung an. Es will zeigen, wie die katholische Bibelwissenschaft in "vorauseilendem Gehorsam" Anliegen des Papstes vorwegnahm und nun sein Projekt unterstützen kann. Dabei ist die Exegese oft immer noch eine Partnerin, die auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel zur Eile drängt. Bei anderen Themen aber geht der Papst voraus und provoziert eine Neuorientierung der Bibelwissenschaft, hin zur Option für die Armen.

Marlis Gielen, Dr. theol. habil., Universitätsprofessorin für Neutestamentliche Bibelwissenschaft an der Paris Lodron Universität Salzburg

Joachim Kügler, Dr. theol. habil., Universitätsprofessor für Neutestamentliche Wissenschaften an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Rezension
Auf Papst Franziskus, der sich - wie ein Buchtitel lautet - "vom Reaktionär zum Revolutionär" gewandelt hat, ruhen viele Hoffnungen fortschrittlicher Katholiken, die um die Zukunft der Kirche bangen. Was kann die Bibelwissenschaft dazu beitragen? Das zeigt dieser Band, der aus neutestementlicher Perspektive aktuelle Debatten und Problemfelder innerhalb der Katholischen Kirche beleuchtet: Ekklesiologie, Frauen(ordination), Frauenfeindlichkeit, Klerikalismus und Kirche der Armen. Exegetische Erträge wurden in der römischen Lehre lange ignoriert. Die katholische Bibelwissenschaft hat schon vor einiger Zeit die Anliegen des heutigen Papstes vorweggenommen und kann nun den Papst in vielem unterstützen.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
VORWORT 5

HINFÜHRUNG: DER PAPST, DIE URSPRÜNGE DER KIRCHE UND IHRE ZUKUNFTSGESTALT 9

DIE KIRCHE ALS GEMEINSCHAFT VON „GEISTLICHEN" 21

Einleitung 21
Zur not-wendigen Wiederentdeckung der Charismen in ihrer ekklesiologischen Funktion und pastoralen Bedeutung am Beginn des 21. Jahrhunderts 31

DIE ROLLE DER GEMEINDE BEI DEN URCHRISTLICHEN MAHLFEIERN 73

Einleitung 73
„Der Kelch des Segens, den wir segnen, ... das Brot, das wir brechen ..." (1 Kor 10,16) 85

FRAUEN IN LEITENDER FUNKTION 101

Einleitung 101
Die Wahrnehmung gemeindlicher Leitungsfunktionen durch Frauen im Spiegel der Paulusbriefe 109
Frauen als Diakone in paulinischen Gemeinden 145

AM ANFANG UND IN ZUKUNFT: KIRCHE OHNE FRAUENFEINDLICHKEIT 179

Einleitung 179
Gal 3,26-28 und die vielen Geschlechter der Glaubenden 183
Junge „Witwen" als Bräute Christi (1 Tim 5,11f.) 203

DAS PROBLEM DES KLERIKALISMUS 217

Einleitung 217
Wer braucht wozu einen Klerus? 219
Jesus, der Kult und die Priester der Kirche 233

DIE KIRCHE DER ZUKUNFT ALS KIRCHE DER ARMEN 241

Einleitung 241
Menschen mit Zukunft 243


Leseprobe:

Vorwort
Die Bibelwissenschaft nimmt selten zu Papstäußerungen Stellung und wenn einmal doch, dann meist in der Haltung beißender Kritik oder kalter Distanz. Das darf nicht überraschen, denn unsere theologische Disziplin wurde ja von den römischen Autoritäten lange regelrecht verfolgt, weil ihre Ergebnisse in das restaurative Arbeitsprogramm der zentralen Kirchenleitung nicht passen wollten. Zudem hat die Distanz zwischen Exegese und Rom natürlich auch eine inhaltliche Seite, nämlich das konsequente Ignorieren exegetischer Erträge in der römischen Lehre. Ähnelte das Verhältnis zwischen Exegese und Rom in den letzten Jahrzehnten dem Kalten Krieg eines alten Paares (man schlägt sich nicht mehr, weil man sich nicht mehr wahrnimmt), so scheint mit Papst Franziskus ein Neuanfang möglich — vielleicht gerade deshalb, weil er sich im Unterschied zu seinem glücklosen Vorgänger nicht für den besseren Exegeten hält. Franziskus formuliert in seiner programmatischen Enzyklika Evangelii Gaudium („Die Freude der Frohbotschaft") einige Perspektiven für die Neugestaltung der Kirche, die in Ansatz und Ausrichtung den exegetischen Ergebnissen deutlich mehr entsprechen als alles, was man bisher aus Rom zu hören bekam.
Trotzdem ist dieses Buch keine Lobhudelei geworden. Wir meinen das Titelbild durchaus ironisch, denn wir sehen Papst Franziskus gerade nicht als Supermann, sondern als einen Kirchenlehrer, der Vorschläge macht, Impulse gibt und zum Dialog auffordert.
Wir nehmen diese Einladung an und präsentieren hier Beiträge, die zeigen, wie die katholische Bibelwissenschaft — quasi in „vorauseilendem Gehorsam" — schon vor einiger Zeit die Anliegen des Papstes vorwegnahm und nun den Papst in vielem unterstützen kann. Die neu geschriebenen Einleitungen machen dabei jeweils deutlich, wo und wie wir uns auf das Programm des Papstes beziehen und stellen so einen deutlichen Zusammenhang zwischen seinen Anliegen und unseren Arbeiten her. Dabei wird deutlich, dass wir in vielem über die Aussagen des Papstes hinausgehen. Da ist die Exegese immer noch eher in der Rolle der drängelnden Wegbegleiterin, die dazu einlädt, die nächsten Schritte zum gemeinsamen Ziel doch schneller zu gehen. Bei anderen Themen ist es dann eher umgekehrt. Der Papst ist uns voraus und provoziert, vor allem beim Thema Armut, eine radikale Neuorientierung der Bibelwissenschaft. Diese Provokation zu einer Option für die Armen sollte die Exegese mutig aufnehmen, denn sie führt sie näher zur biblischen Botschaft hin und stellt gerade keinen Eingriff in ihre wissenschaftliche Arbeit dar. Wissenschaft nämlich, die ihre Option offen legt und bearbeitet, ist wissenschaftlicher als eine, welche die Optionen, die sie faktisch hat, leugnet und dem Götzen scheinbarer Objektivität huldigt, während sie sich von den Optionen Karriere, Geld und Macht zur Hure machen lässt.
Charakter und Stil der Beiträge sind unterschiedlich, aber wir sehen das nicht als Nachteil an. Während Joachim Kügler es bevorzugt, kurz und knapp zu formulieren, und eher zu griffigen Thesen neigt, geht Marlis Gielen den Problemen gerne auf den Grund und sichert ihre Aussagen durch die genaue Textanalyse und die Diskussion von Gegenargumenten sorgfältig ab. Wir hoffen, dass die Lesenden diese Unterschiedlichkeit als Bereicherung empfinden und erkennen können, wie hier zwei unterschiedliche Temperamente zusammenspielen und sich — getrennt marschierend und vereint schlagend — aufs trefflichste gegenseitig unterstützen. In Küglers Beiträgen wird manches auf den Punkt gebracht, was bei Gielen einige Seiten einnimmt, und umgekehrt kann Gielen zeigen, an welch dicken wissenschaftlichen Seilen das hängt, was bei Kügler eventuell aus der Luft gegriffen scheint. Hier schlagen zwei recht unterschiedliche Beile in die gleiche Kerbe. Und das ist kein Zufall, denn wir hätten problemlos zehn weitere Kolleginnen einladen können und die inhaltliche Ausrichtung hätte sich nicht wesentlich geändert. Ohne die katholische Exegese in Sippenhaft für unsere Aussagen nehmen zu wollen, kann man doch sagen, dass unsere Thesen weitgehend den Mainstream der neutestamentlichen Forschung wiedergeben. So wünschen wir den Lesenden viel Vergnügen bei dieser Form des Dialogs mit Papst Franziskus, und für den Pontifex selbst erbitten wir Gottes Segen für ein zukunftsweisendes Wirken. Möge sich dieser Segen auch in der breiten Unterstützung von Klerus, Theologie und der breiten Mehrheit des Gottesvolkes zeigen. Denn der Papst ist kein Supermann. Ohne Gott und das Volk Gottes kann nichts gelingen.

Salzburg/ Bamberg im September 2014
Marlis Gielen & Joachim Kügler