„Zwei Fremde im Zug“(1950), „Salz und sein Preis“(1952), „Der talentierte Mr. Ripley“(1955) und „Ripley Under Ground“(1970) zählen zu den bekanntesten Romanen von Patricia Highsmith (1921-1995). Dem Diogenes Verlag kommt das Verdienst zu, seit 2002 eine auf 32 Bände angelegte Ausgabe mit neuen Übersetzungen des Gesamtwerks der US-amerikanischen Schriftstellerin vorzulegen. Die Meisterin des psychologischen Realismus verfasste nicht nur 22 Romane, sondern auch eine Vielzahl von Stories. Dass sie dieses Genre genauso meisterhaft beherrscht wie das der psychologischen Kriminalliteratur, davon zeugen die von ihr schon zu Lebzeiten in deutscher Übersetzung publizierten Bände mit Geschichten wie „Der Schneckenforscher“(1973), „Kleine Mordgeschichten für Tierfreunde“(1975), „Leise, leise im Wind“(1979) oder „Geschichten von natürlichen und unnatürlichen Katastrophen“(1990).
Jüngst erschien im Diogenes Verlag der Highsmith-Band „Ladies. Frühe Stories“, welcher 16 von ihr wohl zwischen 1936 und 1951 geschriebene Geschichte enthält. Unter den psychologischen Stories sind auch fünf bisher erstmals ins Deutsche übersetzte Stories der Schriftstellerin abgedruckt: „Primeln sind rosa“(1937) - eine weltweite Erstveröffentlichung -, „Die Geschichte von Sydney“(1940), „Miss Juste und die grünen Turnanzüge“(1941), „Die Legende des Klosters von Saint Fotheringay“(1941) und „Die Weltmeisterin im Ballwerfen“(1947). Damit ist es dem Diogenes Verlag gelungen, einen kleinen literarischen Schatz zu heben. In dem kurzen Text „Primeln sind rosa“ stürzt eine Frau ihren Ehemann durch die Diskussion über die richtige Farbe von Primeln in eine existenzielle Krise. In der „Legende des Klosters von Saint Fotheringay“ wird die religiöse Stätte in die Luft gesprengt von einem Jungen, der als Findelkind im Kloster von Nonnen als Mädchen aufgezogen wurde. Außerdem findet man in „Ladies“ Highsmiths klassische Stories, wie ihr 1945 veröffentlichter und zu den besten US-Kurzgeschichten des Jahres gekürter Text „Die Heldin“, in der ein Kindermädchen das Haus ihrer Arbeitgeber anzündet, um durch die Rettung der anvertrauten Kinder vor sich selbst als Heroine dazustehen. Zu nennen ist auch die berühmte Geschichte „Der Schneckenforscher“(1964) der studierten Zoologin, in welcher die hermaphroditischen Schnecken die Herrschaft über die Menschen übernehmen. Die im Band abgedruckten frühen Texte der Schriftstellerin erschienen überwiegend in Frauen- und Literaturmagazinen. In den Stories von Highsmith blitzen bereits ihr stilistisches Können, ihre genaue Beobachtungsgabe und die Motive ihrer späteren Werke auf, nämlich u.a. Psychopathologie der Welt, Phänomenologie von Ängsten, Thematisierung von Frauenrollen oder Problematisierung eines anthropozentrischen Mensch-Natur-Verhältnisses.
Fazit: Der unterhaltsame Band „Ladies. Frühe Stories“ empfiehlt sich als hervorragende Einführung in den literarischen Kosmos von Patricia Highsmith. Für Fans ihres Œuvres ist das Buch aufgrund seiner erstmals in deutscher Sprache veröffentlichten Geschichten ein Muss.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Ladies
Frühe Stories
Aus dem Amerikanischen von Melanie Walz, Dirk van Gunstern und pociao
Ehe Patricia Highsmith durch ihren ersten Roman ›Zwei Fremde im Zug‹ über Nacht berühmt wurde, schrieb sie psychologische Stories. Über entwurzelte Einwanderer, tapfere Liebende, wissende kleine Mädchen und Jungen und vom Leben gebeutelte Frauen und Männer. Damals erschienen ihre Stories nur verstreut in Schul- und Frauenmagazinen. Umso schöner für uns, nun dürfen wir sie neu entdecken.
Hardcover Leinen
320 Seiten
erschienen am 28. Oktober 2020
978-3-257-07152-8
€ (D) 24.00 / sFr 32.00* / € (A) 24.70

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