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Kitsch
Kitsch




Ute Dettmar, Thomas Küpper (Hrsg.)

Reclam Stuttgart
EAN: 9783150184769 (ISBN: 3-15-018476-2)
320 Seiten, paperback, 10 x 15cm, 2007

EUR 9,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Kitsch, lange Zeit als das radikal Böse von der Kunstkritik verworfen, ist inzwischen in der Hochkultur angekommen.

Der Band zeichnet die Diskussion um das provozierende Phänomen Kitsch nach und stellt grundlegende Beiträge u. a. von Lichtenberg und Schiller, Karl Kraus, Walter Benjamin, Ernst Bloch und Clement Greenberg bis hin zu Susan Sontag, Pierre Bourdieu und Vilem Flusser vor.
Rezension
Kitsch, noch in der Nachkriegszeit als Unkultur verschrieen und schulisch geächtet, ist in der Postmoderne hoffähig geworden und hat sich längst seinen Platz in Kunst und Kultur erobert. Nicht nur die Literatur ist von Kitsch durchzogen, von Karl May bis Hedwig Courts-Mahler, unsere gesamte Alltagskutur ist von Kitsch durchdrungen: vom religiösen Devotionalienhandel über den röhrenden Hirsch und die Schlagerindustrie bis zum Werbe-Marketing. Was aber ist eigentlich Kitsch? Dieser Fragestellung stellt sich dieser höchst informative Band in gelungen ausgewählten, einschlägigen Quellentextauszügen aus drei Jahrhunderten, die wegen ihrer Kürze und Prägnanz auch für den schulischen Unterricht geeignet sind. Weiterführende Literatur ist kapitelweise angegeben.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Kitsch oder Kunst? Der Sammelband zeichnet die kontroverse Diskussion um das Thema durch die Jahrhunderte nach – anhand einschlägiger Textausschnitte von Lichtenberg über Kant und Schiller, Karl May und Karl Kraus bis hin zu Pierre Bourdieu und Vilém Flusser.
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Inhaltsverzeichnis

1. Liebe, Tod und Tränen. Kitsch in der Literatur und Alltagskultur
2. Kritik der Gefühlsdarstellung im ausgehenden 18. Jahrhundert. Historische Vorläufer der Kitsch-Diskussion
3. Was heißt "Kitsch"? Etymologische Spurensuche
4. Kampf dem Kitsch. Geschmacksbildung, ästhetische Erziehung und Medienpädagogik im frühen 20. Jahrhundert
5. Kitsch und Kulturkrise. Perspektiven der
Zwischenkriegszeit
6. Kitschforschung. Wissenschaftliche Ansätze nach 1945
7. Kitsch als Schlagwort. Zur historischen und
sozialen Bedingtheit des Geschmacksurteils
8. Kitsch-Art, Camp, Kulturrecycling. Postmoderne Spielarten

Pressestimmen

... eine außerordentliche Sammlung von Texten zum Thema: Lichtenberg, Schiller, Karl Kraus, Benjamin, Adorno, Bloch, Sontag, Bourdieu, Flusser und viele andere sind die Autoren. (...) An dieser Sammlung ist das Erstaunliche, wie sehr die verschiedenen Texte mit ihren verschiedenen Positionen, auch mit den historischen, zusammen eine Dramaturgie ergeben, die sich für eine Theateraufführung empfiehlt. Das Stück wäre sehr intellektuell und zugleich überaus leidenschaftlich. Es gibt keine Definition von Kitsch, auf die man sich einigen könnte, aber die Konflikte und der Streit sind ihre Aufführung wert.
Die Zeit

Dettmar und Küpper haben eine gründlich reflektierte Textsammlung zusammengestellt, die philosophische Überlegungen von Immanuel Kant bis Vilém Flusser ebenso berücksichtigt wie literarische Kostproben.
Badische Neueste Nachrichten

Was ist Kitsch? Ein gelbes Reclambändchen enthält Texte und Theorien, die von der Verteufelung von Kitsch bis zu seiner Einordnung in einen weitgefassten Kulturbegriff gehen. Die Kritik der Gefühlsdarstellung beginnt mit dem Aphoristiker Georg Christoph Lichtenberg im 18. Jahrhundert und führt bis in die Postmoderne. (...) Zwischen Lichtenberg und Vilém Flusser liegen 300 Seiten Intelligentes über Kitsch von mehr als 40 Autoren.
Neue Westfälische


Inhaltsverzeichnis
Einleitung 9

1 Liebe, Tod und Tränen. Kitsch in der Literatur und Alltagskultur 17

1.1 H. CLAUREN: Mimili 24
1.2 KARL MAY: Winnetou 32
1.3 HEDWIG COURTHS-MAHLER: Die Bettelprinzeß 36
1.4 GUSTAV SACK: Kitsch 39
1.5 FRANK WEDEKIND: Kitsch 41
1.6 WERNER BERGENGRUEN: Zwieselchen im Warenhaus 45
1.7 ROBERT ADOLF STEMMLE: Kampf um Kitsch 46
1.8 »Devotionalienkitsch« 54
1.9 »Regentenkitsch« 55

2 Kritik der Gefühlsdarstellung im ausgehenden 18. Jahrhundert.
Historische Vorläufer der Kitsch-Diskussion 56

2.1 GEORG CHRISTOPH LICHTENBERG:
Vorschlag zu einem Orbis pictus für deutsche dramatische Schriftsteller, Romanen-Dichter und Schauspieler 61
2.2 JOACHIM HEINRICH CAMPE:
Besondere Warnung vor dem Modefehler die Empfindsamkeit zu überspannen 62
2.3 IMMANUEL KANT: Analytik des Schönen 65
2.4 FRIEDRICH SCHILLER: Über Bürgers Gedichte 70
2.5 FRIEDRICH SCHILLER: Über das Pathetische 84
2.6 JOHANN WOLFGANG GOETHE / FRIEDRICH SCHILLER: Über den Dilettantismus 86
2.7 JOHANN WOLFGANG GOETHE / FRIEDRICH SCHILLER: Schemata: Über den Dilettantismus 89

3 Was heißt »Kitsch«? Etymologische Spurensuche 94

3.1 FERDINAND AVENARIUS: »Kitsch« 98
3.2 EDUARD KOELWEL: Kitsch und Schahs 99
3.3 ROBERT MUSIL: Über die Dummheit : 103
3.4 OTTO F. BEST: »Auf listige Weise Kleinhandel betreiben«. Zur Etymologie von »Kitsch« 105

4 Kampf dem Kitsch. Geschmacksbildung, ästhetische Erziehung und Medienpädagogik
im frühen 20. Jahrhundert 110

4.1 GUSTAV E. PAZAUREK: Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe 116
4.2 WILHELM FRONEMANN: Der Begriff des untergeistigen Schrifttums 128
4.3 ERWIN ACKERKNECHT: Der Film als Kulturproblem 131
4.4 ERWIN ACKERKNECHT: Der Kitsch als kultureller Übergangswert 137

5 Kitsch und Kulturkrise. Perspektiven der Zwischenkriegszeit 156

5.1 KARL KRAUS: Brot und Lüge 164
5.2 GURT GLASER: Vom süßen und vom sauren Kitsch 167
5.3 FRITZ KARPFEN: Der Kitsch als Faktor 174
5.4 WALTER BENJAMIN: Traumkitsch 181
5.5 HANNS SACHS: Kitsch 184
5.6 ERNST BLOCH: Schreibender Kitsch 193
5.7 ERNST BLOCH: Traumschein, Jahrmarkt und Kolportage 193
5.8 THEODOR W. ADORNO: Musikalische Warenanalysen 199
5.9 CLEMENT GREENBERG: Avantgarde und Kitsch 203
5.10 HERMANN BROCH: Die reaktionäre Technik des »Effekts« 213
5.11 HERMANN BROCH: Einige Bemerkungen zum Problem des Kitsches 214

6 Kitschforschung. Wissenschaftliche Ansätze nach 1945 227

6.1 RICHARD EGENTER: Kitsch und Christenleben 232
6.2 LUDWIG GIESZ: Phänomenologie des Kitsches 237
6.3 WALTHER KILLY: Versuch über den literarischen Kitsch 240
6.4 CARL DAHLHAUS: Über musikalischen Kitsch 253

7 Kitsch als Schlagwort. Zur historischen und sozialen Bedingtheit des Geschmacksurteils 255

7.1 JACOB REISNER:
Versuch einer Theorie des Kitsches 259
7.2 HELMUT KREUZER:
Trivialliteratur als Forschungsproblem 261
7.3 PIERRE BOURDIEU:
Der Ekel vor dem »Leichten« 265

8 Kitsch-Art, Camp, Kulturrecycling. Postmoderne Spielarten 279

8.1 SUSAN SONTAG: Anmerkungen zu >Camp< 285
8.2 VILEM FLUSSER: Gespräch, Gerede, Kitsch. Zum Problem des unvollkommenen Informationskonsums 288
8.3 NORBERT BOLZ: Marketing als Kunst oder Was man von Jeff Koons lernen kann 298
8.4 JEFF KOONS: Interview mit Anthony Haden-Guest 302
8.5 FRANZISKA ROLLER: Hirsch, röhrend 304
8.6 KONRAD PAUL LIESSMANN: Kitsch! oder Warum der schlechte Geschmack der eigentlich gute ist 305

Verzeichnis der Autoren und Druckvorlagen 309

Leseprobe

(...) In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, etwa in den Cultural Studies, wird seit einiger Zeit der Versuch unternommen, die Aneignungs- und Erlebnisweisen der Populärkultur in ihrer Eigenart zu beschreiben. Darüber hinaus gehen kultur- und mentalitätsgeschichtliche Untersuchungen der Frage nach, welche Voraussetzungen und Funktionen die Auseinandersetzung um die Massenkünste hat. An diese Fragestellung schließt der vorliegende Band an: Die Textsammlung dokumentiert, welche Wahrnehmungen, Deutungen und Interessen sich mit der Zuschreibung "Kitsch" verbunden haben. Während die einzelnen Texte zu klären versuchen, was Kitsch eigentlich ist, lassen sie sich selbst wiederum mit der Fragestellung lesen, welche Leitunterscheidungen bei der Bestimmung des Begriffs wirksam werden. Die Auswahl der Beiträge aus unterschiedlichen Epochen ermöglicht es zudem, sowohl die Kontinuitäten als auch die Veränderungen der Debatte zu verfolgen. Der Kitsch-Diskurs wird in seiner Entstehung, Verbreitung und Umkodierung, seiner kulturellen Wirkungsmacht rekonstruierbar. Die Debatte setzt, so die Ausgangsüberlegung, insbesondere in Zeiten des kulturellen, medialen und soziostrukturellen Umbruchs ein, nämlich jeweils dann, wenn das herrschende Verständnis von Kunst durch konkurrierende Auffassungen und Praxen irritiert wird. Die harschen Auseinandersetzungen um den Kitsch dienen in solchen Phasen der Abwehr und zur Selbstversicherung der Kunst und der Kunstverständigen, die sich auch über das definieren, was sie nicht schätzen.
An diesen Umbrüchen orientiert sich die Anordnung der folgenden Texte: Einen ersten Einschnitt bildet im ausgehenden 18. Jahrhundert der signifikante Anstieg der Unterhaltungsliteratur, die auf dem literarischen Markt verfügbar ist. In der Auseinandersetzung mit einem Publikum, das in wachsender Zahl vom Gefühl ergriffen werden will, entwickeln sich bereits Positionen, die in der späteren "Kitsch"-Debatte aufgegriffen werden - das Wort "Kitsch" fällt indes um 1800 noch nicht (Kap. 2). Dieser Begriff kommt erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auf, als es durch die neuen technisch-industriellen Voraussetzungen möglich wird, Kulturwaren massenhaft und billig zu produzieren (Kap.3). Angesichts des großen Angebots etwa von Heftserien, Filmen sowie von kunstgewerblichen Artefakten bemühen sich pädagogische Bewegungen seit dem beginnenden 20. Jahrhundert, breite Bevölkerungsschichten zum guten Geschmack zu erziehen (Kap. 4). In der Zeit zwischen den Weltkriegen erhält der "Kitsch"-Begriff verstärkt kulturkritische Dimensionen und dient insbesondere zur Diagnose gesamtgesellschaftlicher Gefährdungen und Fehlentwicklungen (Kap. 5). Nach dem Zweiten Weltkrieg etabliert sich "Kitsch" als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung: Von der Literaturwissenschaft bis hin zur philosophischen Anthropologie versuchen die unterschiedlichen Disziplinen, sich dem Phänomen "Kitsch" mit ihren jeweiligen Theorien zu nähern (Kap. 6). Viele dieser Ansätze ziehen allerdings bald Kritik von Seiten der soziologischen und historischen Forschung auf sich: Stilanalytische Abgrenzungen von Kitsch und Kunst handeln sich den Vorwurf ein, die geschichtliche Relativität und die soziale Funktion von Geschmacksurteilen zu wenig zu bedenken (Kap. 7). Postmoderne Bewegungen schließlich betreiben ein Spiel mit Kitsch-Elementen, in dem sich traditionelle Grenzlinien zwischen Kitsch und Kunst verschieben (Kap. 8). Diese Aufhebung des Kitsches markiert das vorläufig letzte Kapitel in seiner Geschichte und schließt den historischen Überblick ab.
In diesem ersten Streifzug zeigt sich bereits, wie facettenreich die Bestimmungen des Kitsches zwischen ästhetischer Mangelware, selbstbezogener Gefühlsseligkeit, vorsätzlicher Täuschung, sozialer Abgrenzung und ironischer Distanz sind. Ausgewählt wurden zum einen Texte, die in ihrer Entstehungszeit viel beachtet worden sind, und zum anderen Positionen, die sich rezeptionsgeschichtlich etabliert haben, die Anlass zur weiteren Auseinandersetzung gegeben und neue Aspekte in die Debatte eingebracht haben. Die Beiträge stammen aus so unterschiedlichen Disziplinen wie der Ästhetik, Anthropologie, Pädagogik, Literaturwissenschaft, Theologie, Kunst und Kunstsoziologie. Die Aufnahme von medien- und fachspezifischen Perspektiven auf den 'einen' Gegenstand "Kitsch" macht seine Vielgestaltigkeit deutlich.
Jeder Teil des Bandes beginnt mit einer kurzen Einführung, die zeitgeschichtliche und autorenspezifische Kontexte erschließt und die Textauszüge in diese Zusammenhänge einordnet. Die weiterführenden Literaturhinweise in jedem Kapitel nennen Texte aus dem historischen Umfeld, die nicht in die Anthologie aufgenommen sind, sowie weiterführende Forschungsliteratur zum Thema.
Im ersten Teil des Bandes findet sich eine kleine Auswahl von Texten aus derjenigen Literatur, die üblicherweise als Kitsch gilt - längst besteht ein (Negativ-)Kanon von Kitsch-Objekten und -Texten, auf die sich die theoretischen Überlegungen immer wieder beziehen und die im Laufe der Diskussion weiter kolportiert worden sind (Kap. 1.1-1.3; 1.8; 1.9). Hinzu kommen Auszüge aus literarischen Texten, die den Kitsch als Thema aufgreifen (1.4-1.7). (...)

© 2007 Philipp Reclam jun. Verlag Gmbh & Co., Stuttgart