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Kant - Handbuch  Leben und Werk 2., überarbeitete und ergänzte Auflage
Studienausgabe / Sonderausgabe
Kant - Handbuch
Leben und Werk


2., überarbeitete und ergänzte Auflage

Studienausgabe / Sonderausgabe

Gerd Irrlitz

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476023452 (ISBN: 3-476-02345-1)
573 Seiten, paperback, 17 x 24cm, 2010

EUR 19,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Kants Werk bildet für fast alle philosophischen Richtungen der Gegenwart den letzten einheitlichen Bezugspunkt in der europäischen Tradition von Philosophie als Begründung methodischer Rationalität und speziell in der Auffassung der Wissenschaften als des dominierenden Elements im kulturellen Selbstverständnis der modernen Zivilisation. Das Handbuch erschließt alle Werke und Aufsätze Kants durch Referat und knappe Interpretation und gibt Einblick in die Bezüge Kants zu den philosophischen, wisssenschaftlichen, religiösen, künstlerischen und politischen Tendenzen der Zeit. Zeittafel und ausführliche Register ermöglichen es, das Handbuch als philosophiehistorisches Nachschlagewerk zu benutzen.

Die zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage bringt eine neue Einleitung und bietet eine verbesserte Bibliographie der Kant-Literatur. Der Text ist eingehend durchgesehen, an vielen Stellen präzisiert, ein Anhang gibt zu einigen Abschnitten Ergänzungen.
Rezension
In der hervorragenden Reihe der "Handbücher" des J.B. Metzler-Verlags Stuttgart liegt jetzt in 2. überarbeiteter und ergänzter Auflage als Paperback zu deutlich reduziertem Preis gegenüber der gebundenen Auflage (19,95 € statt 49,90 €) dieses Kant-Handbuch vor, das (knapp) in Leben und (umfassend) in Werk des großen Aufklärungs-Philosophen einführt. Die zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage bringt eine neue Einleitung und bietet eine verbesserte Bibliographie der Kant-Literatur. Der Text ist eingehend durchgesehen, an vielen Stellen präzisiert, ein Anhang gibt zu einigen Abschnitten Ergänzungen. - Immanuel Kant, der Königsberger Philosoph 1724-1804, gilt einerseits als Begründer jeder neuzeitlich-abendländischen Philosophie, seine Schriften als Grundlegung einer autonomen Ethik und rein vernünftigen Durchdringung des Weltgeschehens - ohne Kant keine neuzeitliche Philsophie und ohne Kant mithin auch kein Philosophie-Unterricht. Und jeder Oberstufen-Schüler wird mit dem kategorischen Imperativ konfrontiert, ob im Ethik- oder im Religionsunterricht, und der Vergleich mit der sog. Goldenen Regel in der Bergpredigt (Mt 7,12) wird erfolgen. - Andererseits gilt Kant, zumindestens Schülern, als weitgehend unverständlich; gefürchtet sind die Kantschen Satz-Würmer ... - Um so hilfreicher ist dieses Buch! Nach einer vergleichsweise kurzen Einführung in das Leben des Philosophen (das rein rein äußerlich so aufregend nicht war: Kant hat bekanntlich Königsberg nie verlassen) und die Epoche der Aufklärung werden die zentralen Schriften Kants auf je ca. 50 S. verständlich und komprimiert erläutert und auch in einen inneren Bezug gesetzt. So scheint ein Verstehen des Gesamtwerks des Immanuel Kant auf, das in dieser Form seinesgleichen sucht. Eine Zeittafel, ein Namen- und ein umfangreiches Sachregister vereinfachen den Umgang mit dem Handbuch ebenso wie jeweils umfangreich genannte Sekundärliteratur und die klare und durchgängig wissenschaftliche Diktion mit eindeutigen Abkürzungsverwendungen und Zitationsverweisen. Sehr empfehlenswert - und für diesen Preis ein unbedingtes Muß!

Thomas Bernhard für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Vorher Euro 49,90 als geb. Ausgabe - Sonderausgabe nur Euro 19,95

Leitfaden durch die Forschung seit dem Neukantianismus
Sämtliche Werke und Aufsätze Kants im Überblick
Mit Anhang inklusive Ergänzungen zum Inhalt, neuer Einleitung und einer verbesserten Bibliografie der Kant-Literatur

Letzter einheitlicher Bezugspunkt in der europäischen philosophischen Tradition. Das Handbuch erschließt alle Werke und Aufsätze Immanuel Kants und erfasst seine Bezüge zu den philosophischen, wissenschaftlichen, religiösen, künstlerischen und politischen Tendenzen der Zeit. Konsequent orientiert es sich dabei an den drei großen Theorie-Ebenen: den ‚Kritiken’, der Metaphysik und der angewandten Philosophie. Für die überarbeitete und ergänzte Neuauflage wurde der Text eingehend durchgesehen und an vielen Stellen präzisiert. Mit der Zeittafel und dem ausführlichen Register optimal als philosophiehistorisches Nachschlagewerk zu benutzen.

Autor:
Gerd Irrlitz, Philosophiestudium 1953-57 in Leipzig, Promotion 1968, Habilitation 1977; Professor em. für philosophische Propädeutik und Geschichte der Philosophie an der Humboldt-Universität zu Berlin; zahlreiche Arbeiten zur Geschichte der Philosophie (Bacon, Descartes, Hegel, Geschichte der Ethik).

Pressestimmen

Irrlitz` Handbuch enthält eine Fülle von Informationen über den allgemein-historischen und auch lebensgeschichtlichen Kontext der Entwicklung von Kants Denken... DZPhil

Das Lehrbuch bietet neben der Biografie und der Beschreibung des geistigen Klimas, in dem Kant lebte, eine chronologische Zusammenfassung von Kants Werken und den seiner Zeit aktuellen Stand der philosophischen Diskussion. Widerspruch

Das riesige Philosophiegebirge, das Kant hinterlassen hat, alleine zu durchwandern ist schon für Leser eine Lebensaufgabe. Irrlitz hat es sogar geschafft, aus seinen Lesewanderungen einen "Gebirgsführer" zusammenzustellen, der den Zugang erleichtert... WALTHARI

Das Handbuch tritt ebenso resolut wie bescheiden auf. Ziel ist es, "ins Verständnis der Kantschen Theorie einzuführen". Zeitschrift für Politikwissenschaft

Gerd Irrlitz stellt gleich alle Kant-Schriften auf einmal vor. Natürlich ist jedes Vorstellen zugleich Interpretieren. Und darin ist der Philosophiehistoriker Gerd Irrlitz Meister. Das "Irrlitz-Handbuch" könnte durchaus das neue Standardwerk zu Kant werden. Der Tagesspiegel

Das Handbuch von Gerd Irrlitz bringt die Einzelschriften des Königsberger Meisterdenkers in einen systematischen Zusammenhang und erläutert die entscheidenden Gedankengänge zu Vernunftkritik, Moral- und Geschichtsphilosophie. Wer dieses Buch gelesen hat, wird jede (Kant-)Prüfung bestehen. Unschlagbares Navigationssystem durch Kants Philosophie. Börsenblatt
Inhaltsverzeichnis
Zitierweise und Abkürzungen, Siglen XIII
Einleitung XV

Leben – Zeit – Weg des Denkens

Kants Leben 1

Königsberg 1 – Geistiges Leben 1 – Universität 4 – Kants Herkunft 5 – Schule, Studium 6 –
Dozent, Universitätsprofessor 7 – Bild der Persönlichkeit 10

Kant in der Epoche der Aufklärung 13

Perfektibilitätsprinzip 16 – Fortschrittsgedanke 17 – Individuelle Selbstbestimmung und
Gattungsfortschritt 18 – Selbstdenken und allgemeine Menschenvernunft 20 – Naturbegriff als
vorausgehendes Modell kulturellen Selbstverständnisses. Kants Frage nach dem, was Naturwissenschaften nicht beantworten 21 – »Natur« des Menschen. Idealistische Form der Gedankenentwicklung und praktischer Realismus bei Kant 23 – Kants Kritik der naturalistischen Anthropologie 25 – Die drei Kritiken als Selbstkritik der Aufklärung 26 – Problem der Methode 27 – Urteilsvermögen 28 – Common sense 29 – Kant zu den kulturellen Strömungen seiner Zeit 30 –
Literatur, Pädagogik 32 – Rousseau 34 – Spinoza-Streit 34 – Aufklärung und Fortschrittsgang,
idealistischer Geschichtsbegriff 37

Kants politische Auffassungen. Stellung zur Französischen Revolution 38

Die Religionsschrift und der Zusammenstoß mit dem preußischen Staat 43

Theoretische Perioden, Gruppierung der Werke 45

Entwicklungsgeschichtliche Auffassung der Kantschen Theorie 45 – »Vorkritische« und »kritische«
Periode 47 – Die Dissertation von 1770 50 – Auseinandersetzung mit Hume 51 – Das Antinomienproblem
52 – »Großes Licht« 1769 56

Kants Philosophiebegriff 60

Metaphysik als Naturanlage und als Wissenschaft 60 – Systemprinzip 61 – Intelligible und
sensible Welt 63 – Schulbegriff und Weltbegriff der Philosophie 64 – Was kann ich wissen? Was
soll ich tun? Was darf ich hoffen? 67 – Gott, Freiheit und Unsterblichkeit 67 – Horizont des
Bewusstseins 68 – Philosophie lernen oder Philosophieren lernen 68

Die frühen naturphilosophischen und metaphysischen Schriften, spätere kleinere
naturphilosophische Aufsätze, die Geographie-Vorlesung


Kant und die Naturwissenschaften 70 – Methodische Aspekte des Naturbegriffs im 18. Jh. 77 –
Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte (1747) 80 – Allgemeine Naturgeschichte
und Theorie des Himmels (1755) 83 – Principiorum primorum cognitionis metaphysicae
nova dilucidatio (1755) 86 – Metaphysicae cum geometria junctae usus in philosophia naturalis
(1756) 88 – Meteorologie, physische Geographie, Rassentheorie 89

Die metaphysikkritischen Schriften der 60er Jahre

Die Themen und Probleme dieser Schriften 95 – Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe
(1758) 98 – Die falsche Spitzfindigkeit der vier syllogistischen Figuren (1762) 99 – Der einzig
mögliche Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes (1763) 100 – Untersuchung über
die Deutlichkeit der Grundsätze der natürlichen Theologie und Moral (1764) 102 – Versuch den
Begriff der negativen Größen in die Weltweisheit einzuführen (1763) 105 – Beobachtungen über das
Gefühl des Schönen und Erhabenen (1764) 108 – Nachricht von der Einrichtung seiner Vorlesung
in dem Winterhalbenjahre 1765/66 (1765) 110 – Träume eines Geistersehers, erläutert durch
Träume der Metaphysik (1766) 112 – Von dem ersten Grunde des Unterschieds der Gegenden im
Raume (1768) 116 – De mundi sensibilis atque intelligibilis forma et principiis (1770) 118

Kritik der reinen Vernunft I (1781, 2 1787)

Propädeutik und System der Metaphysik, eine phaenomenologia generalis 122

Analytik der Begriffe statt Ontologie 122 – Locke-Einfluss, Bezug auf Hume 123 – Apriorismus
als Konstitutionsvoraussetzung von Sachverhalten und als Bestimmung elementarer Gesetze praktischer
Vernunft 124 – Propädeutik in drei Kritiken, zweiflügelige Metaphysik der Natur und der
Sitten 126 – Gründe für die Trennung von »Kritik« und Metaphysik-Systematik 126 Phänomenologie,
Kritik von Schein und Vorurteil 130 – Metaphysik als spezielle Kategorienlehre 130 –
Der Methodentraktat Kritik der reinen Vernunft und die Methode der Newtonschen Naturwissenschaft
131 – Ontologischer und transzendentaler Apriorismus. Die logische Funktion auf die
Realisierung in den Wissenschaften angelegt 133

Die Gliederung der Kritik der reinen Vernunft 134

»Einige Dunkelheiten« 134 – Elementar- und Methodenlehre 135 – Analytik und Dialektik 137 –
Keine allgemeine Erkenntnistheorie. Die transzendentale Untersuchung 138

Das Grundproblem der Kritik der reinen Vernunft 138

»Das Schwerste, das jemals zum Behuf der Metaphysik unternommen werden konnte«. Synthesis a
priori 138 – Natur- und Freiheitsbegriffe 140 – Dichotomie von rezeptiver »Sinnlichkeit« und
apriorischer Spontaneität; das dritte Element: produktive Einbildungskraft 141 – Aufbauplan und
theoretische Struktur des Werkes 142

Kants Sprache, Leitbegriffe der Kritik 145

Kants Sprache 145 – Herkunft einiger Leitbegriffe 148 – Einige Leitbegriffe und Grundprobleme
150 – Kritik 150 – transzendent – transzendental 153 – a priori – a posteriori 156 –
Die »ursprüngliche Erwerbung« apriorischer Begriffe und die dem
Apriorismus zu Grunde liegende Subjekt-Subjekt- und Subjekt-Objekt-Relation 161 – Synthesis,
analytische und synthetische Urteile 162 – Subjekt überhaupt, transzendentale Apperzeption 168
– Ding an sich – Erscheinung 169

Entstehung, erste und zweite Auflage des Werkes 176

Entstehung 176 – Erste und zweite Auflage 183

Kritik der reinen Vernunft II (1781, 2 1787)

Motto, Widmung, Vorreden und Einleitungen zur ersten und zweiten Auflage 186

Transzendentale Ästhetik 192

Die Problemstellung 192 – Raum und Zeit bei Newton, Leibniz, Hume 194 – Transzendentale
Theorie des Raumes 196 – Diskussion der Raumtheorie 197 – Ästhetik und Logik, analytische
Geometrie und Synthesis a priori 198 – Transzendentale Theorie der Zeit 199 – Idealität von
Raum und Zeit und Synthesis a priori 201 – Schlussbemerkung 201

Transzendentale Logik 202

Einleitung. Formale und transzendentale Logik 203 – Analytik der Begriffe 206
Metaphysische Deduktion der reinen Verstandesbegriffe 206 – Urteilstafel und Kategorientafel 208
– Transzendentale Deduktion 212 – Die Einheit des Selbstbewusstseins, die transzendentale
Apperzeption 213 – Verbindung von logisch-formaler und empirisch-materialer Bewusstseinsebene
216 – Analytik der Grundsätze 216 – Urteilskraft 218 – Produktive Einbildungskraft 220
– Schematismus der reinen Verstandesbegriffe 222 – System der Grundsätze 225 – Zwei Schlusskapitel
der Analytik. Aufklärerische Kritik der Scheinformen gesellschaftlichen Bewusstseins 230

Transzendentale Dialektik 233

Verstand und Vernunft. Das Unbedingte und die Vernunftideen 233 – Übergang von der theoretischen
zur praktischen Objektivation. Die Vernunftideen 236 – Dialektik der Vernunftideen,
Irrtumstheorie 237 – Dialektische Schlüsse der reinen Vernunft 239 – Die Paralogismen der reinen
Vernunft. Die Unsterblichkeit der Seele und die Kritik der rationalen Psychologie 240 – Die vier
Antinomien der kritiklosen Vernunft 242 – Problemstellung 242 – Leibniz als Vorbereiter der
Kantschen Antinomik 246 – Wissenschaftliche Problemlage 247 – Gang der Darstellung, die
kosmologischen Ideen, die vier Antinomien 249 – Zur Interpretation 251 – Die dritte Antinomie.
Freiheit – Notwendigkeit 253 – Der Gottesbegriff in der vierten Antinomie, rationale Theologie und
Ideal der Vernunft 254 – Die vierte Antinomie 254 – Das Ideal der Vernunft 255 – Kritik der
Gottesbeweise. Ontologischer Gottesbeweis 256 – Kosmologischer und physikoteleologischer Gottesbeweis 257

Transzendentale Methodenlehre 259

Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik, die als Wissenschaft wird
auftreten können (1783)

Veranlassung der Schrift: Die Aufnahme der Kritik der reinen Vernunft 264 – Vorwort und
Anhang 268 – »Humisches Problem« 269 – Die Gliederung 271 – Die Transzendentalphilosophie
im Wendepunkt der Aufklärungsphilosophie von Verfall und Wiedergeburt 272 – Veränderter
Aufbauplan und Akzentuierung der Synthesis a priori 273

Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (1785)

Das Entstehen der Schrift 277 – Phänomenologisch-genetische Darstellungsmethode 278 – Erster
Abschnitt. Auflösung des Rousseau-Dilemmas 279 – Zweiter Abschnitt. Empirismus-Kritik 282 –
Dritter Abschnitt. Kategorischer Imperativ. Faktum der Vernunft 284

Metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft (1786)

Metaphysik der Naturwissenschaften 288 – Wissenschaftssystematik 291 – Phoronomie 296 –
Dynamik 297 – Mechanik 297 – Phänomenologie 298 – Der Terminus »Natur« bei Kant 299

Kritik der praktischen Vernunft (1788)

Entstehung, Verhältnis zur Kritik der reinen Vernunft 306 – Aufbau der Schrift 316 – Sittengesetz,
objektive Bestimmung der Einheit des Willens 317 – Wertethik, Kommunitarismus,
sprachanalytische Umbildung des Kantschen Formalismus in Transzendentalpragmatik und
Diskursethik 320 – Der Gang der Darstellung 325 – Elementarlehre. Analytik. Kategorischer
Imperativ 325 – Faktum der Vernunft, religiöse Tradition der Gesinnungsethik 326 – Evidenz-
Bewusstsein. Methodische Ebenen 328 – Der Begriff moralisch-praktischer Vernunft 329 –
Empirismus-Kritik 330 – Der Gegenstand der reinen praktischen Vernunft 331 – Die Typik der
praktischen Urteilskraft 331 – Dialektik der praktischen Vernunft 332 – Postulate der praktischen
Vernunft 334 – Unsterblichkeit, Gottesbegriff, höchstes Gut 335 – Methodenlehre 338

Kritik der Urteilskraft (1790)

Ein Prinzip a priori des Geschmacks und der Wissenschaften von der organischen Natur 340 –
Problem und Systemfunktion einer Kritik der Urteilskraft 343 – Vorrede und Einleitung 347 – Die
Kategorie der Vermittlung 347 – Die erste Einleitung. Technik der Natur 349 – Nicht bestimmende,
sondern regulative Urteilskraft 350 – Teleologische Urteilskraft und Naturzweck 352 –
Intelligibles Substrat der Natur außer uns und in uns 353 – Ästhetische Urteilskraft 355 –
Besonderheit des ästhetischen Apriori 355 – Ästhetik als Theorie der Kunst-Rezeption durch
Geschmacksurteile 356 – Form und Materie des Kunstwerks 358 – Kritik A. G. Baumgartens 358
– Analytik der ästhetischen Urteilskraft 359 – Das Erhabene 364 – Deduktion des ästhetischen
Urteils 366 – Das künstlerische Genie 366 – Dialektik der ästhetischen Urteilskraft. Antinomien
in den drei Kritiken 367 – Problem- und Systemgedanke in der Theorie der Urteilskraft. Ästhetische
Urteilskraft und Moral 368 – Sensus communis 369 – Teleologische Urteilskraft 371 – Methodenlehre 376

Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft (1793)

Die Problemstellung 381 – Der Titel. Vernunftreligion und Kirchenglaube 386 –
Der Aufbau der Schrift 391 – Erstes Stück. Von der Einwirkung des bösen Prinzips neben dem
guten oder das radikale Böse in der menschlichen Natur 392 – Zweites Stück. Von dem Kampf des
guten Prinzips mit dem bösen um die Herrschaft über den Menschen 394 – Drittes Stück. Der Sieg
des guten Prinzips über das böse und die Gründung eines Reichs Gottes auf Erden 397 – Viertes
Stück. Vom Dienst und Afterdienst unter der Herrschaft des guten Prinzips oder von Religion und
Pfaffentum 398 – Ineinanderscheinen von religiös veranschaulichter Moral und moralisch reflektierter
Religion 399 – Deismus und Offenbarung. Quellen der Religionsschrift 400 – Verhältnis von Moral und Religion 403

Aufsätze und Schriften der 80er und 90er Jahre

Die Themen. Gegner und Anhänger der Kantschen Theorie 405

Arbeiten zur Geschichtsphilosophie 407

Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht (1784) 410 – Rezensionen von
J.G. Herders Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit (1785) 412 – Mutmaßlicher
Anfang der Menschengeschichte (1786) 414 – Über den Gebrauch teleologischer Prinzipien in der
Philosophie (1788) 415

Arbeiten zu Themen der Zeit 416

Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784) 416 – Von der Unrechtmäßigkeit des Büchernachdrucks (1785) 419 – Was heißt: Sich im Denken orientieren? (1786) 419 – Einige Bemerkungen
zu L.H. Jakob’s Prüfung der Mendelssohn’schen Morgenstunden (1786) 422 – Über den
Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis (1793) 423 –
Das Ende aller Dinge (1794) 425 – Über ein vermeintes Recht aus Menschenliebe zu lügen
(1797) 427

Abhandlungen zur Verteidigung der Transzendentalphilosophie 427

Über eine Entdeckung, nach der alle neue Kritik der reinen Vernunft durch eine ältere entbehrlich
gemacht werden soll (1790) 427 – Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der
Theodizee (1791) 429 – Von einem neuerdings erhobenen vornehmen Ton in der Philosophie.
Verkündigung des nahen Abschlusses eines Tractats zum ewigen Frieden in der Philosophie
(1796) 430 – Über die Buchmacherei. Zwei Briefe an Herrn Friedrich Nicolai (1798) 431
Zum ewigen Frieden (1795) 431
Der Streit der Fakultäten (1798) 435
Anthropologie in pragmatischer Hinsicht (1798) 440

Die Metaphysik der Sitten (1797)

Frühes Projekt, spät vollendet 448 – Eines der frühesten Projekte zur Kritik der Metaphysik 448 –
Stellung im Systemplan Kants. Rechtstheorie und Ethik der größten Zahl 450 – Vorstufe der Sitten-
Metaphysik in den rechts- und moralphilosophischen Vorlesungen 452 – Das Vertragsprinzip als
Voraussetzung des metaphysischen Apriorismus von Recht und Moral 455 – Metaphysik der Sitten
als Teil der Kulturphilosophie Kants. Dualismus und Wechselbezug von Recht und Moral 457 –
Metaphysik des Rechts 459 – Das Rechtsverhältnis. Metaphysik der Sittlichkeit, nicht Naturrechtstheorie 459 – Privatrecht 462 – Staatsrecht 464 – Strafrecht 466 – Völkerrecht 467 – Metaphysik der Tugendpflichten 469 – Entsprechung von juridischer Versachlichung der Sozialisierungsakte und Formalismus der Gesinnungsethik 469 – Metaphysik als Lösung des Begründungsproblems für Aufforderungssätze 471 – Systematischer Ort der Metaphysik 471 – Die Gliederung der Tugend-Metaphysik. Gesinnungsethik 473 – Pflichtenkatalog 476 – Intellektualismus und Sinnlichkeitskritik 477 – Guter Wille und Gerichtshof-Modell. Das Dualismus-Problem 478 –
Methodenlehre 479

Akademie-Ausgabe, handschriftlicher Nachlaß (Reflexionen, die Manuskripte zur
Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik und des sog. Opus postumum),
Vorlesungen


Die Akademie-Ausgabe 480

Handschriftlicher Nachlaß 482

Die Reflexionen 483 – Die Manuskripte zur Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik 484
– Die nachgelassenen Manuskripte zum geplanten Werk Übergang von den Metaphysischen Anfangsgründen
der Naturwissenschaft zur Physik (sog. Opus postumum) 486

Die Vorlesungen 491

Vorlesungen über Logik (Bd. XXIV) 495 – Vorlesungen über Anthropologie (Bd. XXV) 496 –
Vorlesungen über Moralphilosophie (Bd. XXVII) 498 – Vorlesungen über Metaphysik und Rationaltheologie (Bd. XXVIII) 500 – Vorlesungen über Pädagogik (Bd. IX) 502

Anhang

Zeittafel 507
Ergänzungen zur 2. Auflage 510
Bibliographie 519
Namenregister 528
Sachregister 533



Leseprobe:

Leben – Zeit – Weg des Denkens
Kants Leben
Immanuel Kant wurde am 22. April 1724 in Königsberg
geboren und starb dort am 12. Februar
1804. Er hat Königsberg Zeit seines Lebens nicht
verlassen, mit Ausnahme der Jahre als Hauslehrer
(1747–1754), die er erst in einem Pfarrhaus
im Litauischen, dann bei einem Rittergutsbesitzer
im Bezirk Danzig, vielleicht zuletzt noch
im Hause des Grafen Keyserling bei Tilsit verbrachte.
Während der Hauslehrerzeit war Kant
mit der Lage der Bauernschaft bekannt geworden
und zwar an der ersten Stelle bei von Friedrich I.
angesiedelten Schweizer Bauern, die ihre Rechte
als freie Bauern bewahrten. Der junge Magister
Kant übernahm zweimal eine Patenschaft bei
Bauernkindern des Dorfes. Darauf lernte er an
seiner zweiten Hofmeisterstelle die elende Lage
erbuntertäniger Bauern kennen. Er hat sich immer
entschieden gegen die Leibeigenschaft ausgesprochen
(VI, 330, 349). Nach dem Zeugnis
T. v. Schöns, des späteren liberalen Oberpräsidenten
Ostpreußens, sagte Kant von der Erbuntertänigkeit
– wohl in Erinnerung seiner Hauslehrerzeit
–, die Eingeweide kehrten sich ihm im
Leibe um, wenn er daran dächte.
Königsberg
Königsberg war die zweitgrößte Stadt Preußens,
sie besaß in der zweiten Hälfte des 18. Jhs. um
55.000 Einwohner in 6000 Häusern, nicht gerechnet
die etwa 7000 Angehörigen der hier stationierten
drei Infanterieregimenter. Königsberg
war erst 1724, dem Geburtsjahr Kants, zu einer
einheitlichen Stadt aus drei Städten gebildet worden:
Aus der noch von den Deutschrittern bald
nach 1255 gegründeten Altstadt, der Neustadt
Löbenicht und der dritten, dem auf einer Insel
zwischen den Armen des Pregel gelegenen
Kneiphof. Die »Haupt- und Residenzstadt Königsberg
« war von 1525–1618 Residenz der evangelischen
Herzöge (das Schloss vom Deutschen
Ritterorden erbaut, Beginn 1255, später Sitz der
Hochmeister des Deutschen Ordens), im Januar
1701 war hier von Friedrich I. das Königreich
Preußen begründet worden. In der 1592 erbauten
Schlosskirche fanden die Krönungen der preußischen
Könige statt (zuletzt 1861 Wilhelm I.).
Königsberg bot als Handelsstadt, als Sitz vieler
»hoher Landeskollegien« des preußischen Staates,
bot mit seiner harten Teilung der Stände,
dem Adel, den weitgereisten Kaufleuten, Reedern,
Brauherren, Beamten des Großbürgertums
(meist im Stadtteil Kneiphof), den noch ganz
mittelalterlich organisierten Zünften der kleinen
Handwerker ein gutes Bild des deutschen Lebens.
Neben dem Schloss mit dem riesigen Moskowitersaal
(83 m lang, 18 m breit), Verwaltungsräumen
und dem Staatsarchiv, der Schlosskirche
(1592), dem Dom (1333 im gotischen Stil begründet)
besaß die Stadt königliche Palais, einen
königlichen Tiergarten, seit 1626 Festungswälle
mit vielen Außenwerken und Forts auf beiden
Seiten des Pregel und eine große Zahl prächtiger
Bürgerhäuser an gut angelegten Straßen (insbesondere
die Löbenichter und die Kneiphofsche
Langgasse). Durch seinen Handel war Königsberg
wohlsituiert und weltoffen. Es hatte der
Hanse angehört, Löbenicht war bereits 1300,
Kneiphof 1327 das Stadtrecht verliehen worden.
Englischer Einfluss überwog im Politischen und
Geistigen den französischen.
Geistiges Leben
Die Eigentümlichkeit im Königsberg des 18. Jhs.
bestand wohl im Nebeneinander dreier verschiedener
Kreise: Dem deutlich bevorrechteten Militär,
dem in die getrennten Sphären von Großbürgertum
und Handwerkerzünften geteilten
freien Bürgertum und schließlich der weltoffenen,
aufgeklärten hohen Beamtenschaft, den Gelehrten,
Verlegern, lutherischen Theologen. Die
Gleichzeitigkeit der unterschiedlichen Kreise auf
engem Raum ermöglichte ein hohes Bewusstsein
von deren jeweiliger Eigenständigkeit und damit
eine Kultur unabhängiger Zirkel gebildeter Königsberger
Bürger; die Verbundenheit mit der
Heimatstadt trug das kosmopolitische Denken.
Der ideelle Republikanismus unter den Königsberger
Intellektuellen wurzelte, vom säkularen
Ereignis der Französischen Revolution gegen
Ende des Jahrhunderts noch einmal beflügelt
und abgeklärt zugleich, in der Intellektualität
städtischer Kultur, die Königsberg ermöglichte.
1
Kants Freund, der Pfarrer und spätere evangelische
Erzbischof Borowski sagte zum Regierungsrat
und Königsberger Stadtpräsidenten T.G. v.
Hippel, einem eifrigen Freimaurer, er glaube, im
19. Jh. werde es keine Könige mehr geben. Dazu
kam die enge Verbindung Königsbergs zu den
baltischen, polnischen, russischen Landen, deren
Jugend auch einen großen Teil der Königsberger
Studenten bildete. Seit der Jahrhundertmitte begann
ein geistiger Aufschwung Königsbergs. In
den 40er Jahren wird eine Freimaurerloge gegründet,
in den 50er Jahren erhält Königsberg
ein Schauspielhaus, bisher durften nur Wandertruppen
spielen. In der Stadt war bereits seit der
ersten Hälfte des 17. Jhs. eine Zeitung erschienen,
seit 1752 (bis 1850) die Königlich privilegierte
preußische Staats-, Kriegs- und Friedenszeitung
(dazu ab 1764 Kanters Königsbergische
Gelehrte und politische Zeitungen und die Königsberger
Frage- und Anzeigungsnachrichten, in
denen Kant seine kurze, aber wesentliche Raum-
Schrift von 1768 veröffentlichte). Gute Verlagshäuser
und Buchhändler (Nicolovius, Hartknoch,
Kanter) schlossen die Stadt an die geistige Gegenwart
an. (1799 übersiedelte Hartknoch nach
Leipzig und der Leipziger Verleger Modes erwarb
1832 die Nicoloviusschen Verlagsbestände,
u. a. mit 1100 unverkauften Exemplaren des Streit
der Fakultäten von 1798. So erschienen die beiden
ersten Gesamtausgaben der Kantschen
Werke – Hartenstein 1838/39 und Rosenkranz/
Schubert 1838/42 in Leipzig.) Die Zeit der ersten
russischen Besetzung Königsbergs (Januar 1758 –
August 1762) brachte neue geistige Freiheit und
erweiterte Horizonte in die festgefügte ständische
Atmosphäre. Kant soll russische Offiziere in
Mathematik unterrichtet haben (er hielt als Privatdozent
seit 1755/56 auch mathematische Vorlesungen
an der Universität); so wie er als Student
seinen Unterhalt durch sein brillantes Billardspiel
mit preußischen Offizieren aufgebessert
haben soll.
Im Jahrhundert Kants lebten dauernd oder einige
Jahre in Königsberg Hamann, Herder, v.
Hippel, mit Hippel befreundet E.T.A. Hoffmann,
der an Smith und Hume orientierte Ökonom und
Philosoph C. J. Kraus, der in Königsberg geborene,
spätere romantische Dramatiker Z. Werner,
der Komponist und Musikwissenschaftler Reichardt.
Der Salon der Gräfin Keyserling führte
der Aufklärung aufgeschlossene Adlige, Beamte,
Offiziere, Kaufleute, Gelehrte zusammen. Die
Politik bildete einen wesentlichen Punkt des gesellschaftlichen
Interesses und der Gespräche. In
Königsberg wirkten mehrere bedeutende hohe
Beamte wie der Oberpräsident v. Schön, ein
Hörer Kants, v. Auerswald, v. Hippel, der Gerichtspräsident
Morgenbesser. Eine produktive
Eigentümlichkeit Königsbergs bestand im Zusammentreffen
dreier gegensätzlicher geistiger
Strömungen, die sich über ihre anhaltenden Kontroversen
miteinander zu vermitteln begannen:
Der Pietismus, die protestantische Orthodoxie
und der Rationalismus der Aufklärung. Die Verbindung
von Pietismus und Wolffianismus lernte
Kant früh durch seinen Lehrer und Förderer F. A.
Schultz (1692–1762), den Rektor des Collegium
Fridericianum und Theologieprofessor an der
Universität, kennen. Auch M. Knutzen (1713–
1751), der naturwissenschaftlich interessierte
Philosophieprofessor, wichtigster Universitätslehrer
Kants, verband pietistisches Denken und
die frühaufklärerische Philosophie der deutschen
Schulmetaphysik. Von Schultz, dem Theologen,
schrieb der Regierungsrat und Stadtpräsident
T.G. v. Hippel (1741–1796) in seiner Autobiographie
(1801): Schultz »lehrte mich die Theologie
von einer andern Seite kennen, indem er in
selbige so viel Philosophie brachte, dass man
glauben musste, Christus und seine Apostel hätten
alle in Halle unter Wolff studiert.« Hippel, mit
Kant befeundet, war Autor der vielgelesenen humoristischen
Lebensläufe in aufsteigender Linie
(1778–1781), die Einblicke geben in das aufklärerische
Denken in Königsberg und in die
kurländischen Verhältnisse. Auch Kant wird literarisch
porträtiert. Hippel verfasste bedeutende
Werke für die Frauenemanzipation: Über die Ehe
(1774, zu seinen Lebzeiten vier Auflagen) und
Über die bürgerliche Verbesserung der Weiber
(1792). Die Diskrepanz dreier so eindringlich
unterschiedener Strömungen und die Tendenzen
zu deren Vermittlung auf dem engen Raum der
städtischen Kultur Königsbergs prägten sicher
schon früh sowohl Kants Verständnis für geistige
Gegensätze im Zeitalter als auch dessen Bestreben,
Synthesen über die unterschiedenen Strömungen
hinaus zu suchen. Hier hatte die Generalidee
der Aufklärung von der allgemeinen
Menschenvernunft ihren aktuellen Ansatzpunkt,
die auch Kants Philosophie leitete und weshalb er
meinte, dass es einen totalen Irrtum gar nicht
geben könne.
2 Leben – Zeit – Weg des Denkens
Kant wohnte von 1766 bis wenigstens 1774 im
Hause des sehr unternehmenden Buchhändlers
Kanter, der das ehemalige Rathaus des Löbenicht
besaß, wo Kant eine Seite des zweiten Stockwerks
bewohnte und da auch, den damaligen
Bedingungen gemäß, seine Vorlesungen abhielt.
Kant erhielt alle neuen Erscheinungen des Büchermarkts,
die der reisefreudige Kanter von den
Messen mitbrachte, geliehen, was später Nicolovius
fortsetzte. Er lernte in dem gastfreundlichen
Hause und in dem wie ein Kaffeehaus besuchten
und belebten Ladengeschäft viele einheimische
und auswärtige Besucher kennen. Seit 1768 hing
im Laden auch das von J.G. Becker gemalte
Kant-Bildnis neben den Porträts von Mendelssohn,
Ramler, Hippel u. a. (der junge Herder war
eine Zeit lang Ladengehilfe bei Kanter gewesen).
1784 kaufte sich Kant von seinen Ersparnissen –
der Stadtpräsident v. Hippel vermittelte für den
darin unpraktischen Gelehrten – ein schönes, frei
stehendes Haus in der Nähe des Schlosses mit
acht Räumen, im Erdgeschoss der Hörsaal.
Die vielgenannte Tischgesellschaft Kants,
überhaupt Kants ausgeprägter, in den Anthropologie-
Vorlesungen formulierter Begriff kultivierter
Geselligkeit als geistigem Austausch, gehört
zur Königsberger Gesellschaft. Aus zwei gegensätzlichen
Seiten eine Verbindung zu schaffen,
der Charakterzug seiner Lebensanschauung und
auch seiner Philosophie, bildete für Kant das
Element kultivierten Geschmacks. Von gelebter
Humanität sagte er, sie sei »die Denkungsart der
Vereinigung des Wohllebens mit der Tugend im
Umgange« (VII, 277). In seinen Tischgesprächen
soll Kant nicht eigentliche Fachthemen geliebt
haben, aber mit reichen Kenntnissen, heiterer
Aufmerksamkeit, vielen Geschichten und Anekdoten
die Unterhaltung geführt haben. Die Verbindung
physischen und moralischen Gutes
bringe den Genuss einer gesitteten Glückseligkeit,
schrieb er in seiner Anthropologie (1798),
die wie seine Logik-Vorlesungen am besten Kant
im Geiste und in der Lebenshaltung der Ideen
der deutschen städtischen Aufklärung zeigen.
Diese Ideen prägten auch Kants Begriff von
Freundschaft als einem Verhältnis wechselseitigen
Respekts. Gleiches Recht der Bürger,
Pflichterfüllung im Berufe und private Ausgestaltung
der Gesellschaft durch Freundeszirkel des
Hauses bildeten Hauptpunkte im protestantischaufklärerischen
Verständnis des zoon-politikon-
Charakters des Menschen. Zu Kants Freundeskreis
gehörten, schon in der Magisterzeit, allen
voran der englische Kaufmann Green, außerdem
der Bankdirektor Ruffmann, die Kaufleute Motherby,
Jacobi. Ein Zentrum des geistigen Königsberg
bildete sich nach 1772 im Palais des gebildeten
Reichsgrafen v. Keyserling und seiner
Frau Charlotte Amalie, die als Malerin auch ein
Porträt des 30-jährigen Kant gezeichnet hatte.
Kam Kant zur Tafel, so erhielt er den Ehrenplatz
neben der Gräfin. Kants Freundeskreis bestand
aus Kaufleuten, Juristen, Ärzten, Theologen,
auch einigen Universitätskollegen. Charakter
und geistige Individualität, nicht gesellschaftliche
Stellung, bildeten die Voraussetzungen der
geschätzten Sphäre privaten Verkehrs. Der unverheiratete
Kant besaß ein tiefes Bedürfnis kluger
Geselligkeit; seine Gespräche gern der Zeitgeschichte
zugewandt, die Anekdoten oder Bemerkungen
oft von trockenem Humor. Kant lud seit
dem Ende der 80er Jahre wechselnd drei oder
vier Teilnehmer eines größeren Kreises näherer
und weiterer Freunde zu seiner mehrstündigen
Tischgesellschaft ein, einem entspannten Austausch
von Ideen und Nachrichten, fern jeder
Organisiertheit oder gar Aktivität. Die interessante
aufklärerische Sphäre von gleichsam privater
Öffentlichkeit bildete Schutz- und Freiraum
des deutschen Bürgers unter absoluter Herrschaft,
Vorbote liberaler Verfassungsbewegung
zugleich. Die Metaphysik der Sitten (1797)
spricht geistige Weite und menschliche Nähe der
kulturellen Gehalte bürgerlicher Geselligkeit
aus: »Es ist Pflicht sowohl gegen sich selbst, als
auch gegen Andere, mit seinen sittlichen Vollkommenheiten
unter einander Verkehr zu treiben
(officium commercii, sociabilitas), sich nicht zu
isolieren (separatistam agere); zwar sich einen
unbeweglichen Mittelpunkt seiner Grundsätze zu
machen, aber diesen um sich gezogenen Kreis
doch auch als einen, der den Theil von einem
allbefassenden der weltbürgerlichen Gesinnung
ausmacht, anzusehen; nicht eben um das Weltbeste
als Zweck zu befördern, sondern nur die
wechselseitige Annehmlichkeit in derselben, die
indirect dahin führt, die Verträglichkeit, die
wechselseitige Liebe und Achtung (Leutseligkeit
und Wohlanständigkeit, humanitas aesthetica et
decorum) zu cultiviren und so der Tugend die
Grazien beizugesellen; welches zu bewerkstelligen
selbst Tugendpflicht ist« (VI, 473).
Kants Leben 3
Literatur: Stavenhagen, K.: Kant und Königsberg, Göttingen
1949. – Gause, F.: Kant und Königsberg, Leer
1974 [vgl. a. ders.: Die Geschichte der Stadt Königsberg,
Köln 1996; Kant als Schüler des Friedrichskollegiums,
in: I. Kant, hg. v. d. Arbeitsgruppe d. Königsberger
Schulgemeinschaften u. a., o. O., o. J. (1973)]. –
Tonelli, G.: Conditions in Königsberg and the making
of Kant’s philosophy, in: Bucher, A. J. (Hg.), Bewußtsein.
G. Funke zu eigen, Bonn 1975, S. 126–144. –
Malter, R.: Königsberger Gesprächskultur im Zeitalter
der Aufklärung: Kant und sein Kreis, in: Aufklärung 7/1
(1992), S. 7–23. – Wasianski, E. A. Chr.: Zuhaus bei
Kant [1804] 2006. – Sgarbi, M.: Logica e metafisica nel
Kant precritico. L’ambiente intellettuale di Königsberg
e la formazione della filosofia kantiana, 2010.
Universität
Die Universität war 1544 von Herzog Albrecht I.
(daher »Albertina«) als eine »echt lutherische«
nach dem Vorbild Wittenbergs gegründet worden.
Sie verfügte (nach der Lektionsordnung von
1735) in der Philosophischen Fakultät über neun
Lehrstühle: 1. griechische und 2. hebräische
Sprache, 3. Mathematik, 4. Beredsamkeit, 5. Poesie
(diese beiden für lateinische Sprache und
Literatur sowie für Universalgeschichte), 6. Logik
(einschließlich Metaphysik, Kant hier seit
1770), 7. Moral und Naturrecht, 8. Literaturgeschichte
(als Vorkursus im weiteren Bildungssinne),
9. Physik (im Sinne allgemeiner Naturkunde).
Die Vorlesungen (publice, dazu privatim
gegen Honorar von den Hörern) besaßen noch
immer Schulcharakter nach vorgeschriebenen
Lehrbüchern. Die Ausstattung der preußischen
Universitäten war im 18. Jh. armselig gehalten.
Friedrich II. zeigte starke Geringschätzung für
die Universitätsgelehrten, die ihm für Pedanten
oder theologische Mucker galten (vgl. des Königs
Schreiben an den Minister v. Zedlitz, 1779, auch
die Abhandlung Über die deutsche Literatur,
1780). Der Militäretat drückte die Ausgaben für
Volksbildung und Universitäten (200.000 Soldaten
bei 6 Mill. Einwohnern). Drei Schlesische
Kriege (1740–1742, 1744–45, als dritter 1756–
1763 der Siebenjährige Krieg) und die erste Teilung
Polens (1772) erhoben Preußen zu einer
europäischen Großmacht. Für nichts als den
Krieg hat der Staat Geld, klagte Kant einmal, der
sich (wie Lessing), bei aller Anerkennung der
wirtschaftlichen und Rechts-Reformen, die
Friedrich II. nach dem Heer vor allem interessierten,
den patriotischen Eifer für den Sieger
von Rossbach und Leuthen nicht entlocken ließ.
Große Verdienste um Unterrichtswesen und Universitäten
in Preußen erwarb sich K. A. Freiherr v.
Zedlitz (1731–1793), seit 1770 (bis 1789) Etatsund
Justizminister, vor allem aber von 1771 bis
1788 auch Leiter der Kirchen- und Unterrichtverwaltung
und Obercurator der preußischen Universitäten.
Sein pädagogisches Programm (bei
seiner Einführung in die Berliner Akademie der
Wissenschaften 1776 vorgetragen) war auf die
Gründung von Volks- und Bürgerschulen (mit
Geschichte, Geographie, Naturkunde, deutscher
Sprache, Einführung in das Gewerbeleben) in
jeder Stadt gerichtet, mit Zugang auch für Mädchen;
dazu Gymnasien in jedem Bezirk. Zedlitz
organisierte vor allem die Lehrerausbildung,
gründete 1787 das »Oberschulcollegium« als einheitliches
Leitungsorgan aller Unterrichtsformen,
das Kontinuität bei wechselnden Ministern
gewährleisten sollte. Er veranlasste – im Sinne
eines Leitgedankens des 18. Jhs. von der Erziehung
des Menschen – Pädagogik-Vorlesungen an
den Universitäten, bei denen sich die Professoren
abzuwechseln hatten. Kant las Pädagogik 1776
nach Basedows Methodenbuch (1770) und dreimal
in den 80er Jahren nach des Königsberger
Theologen und Polyhistors F. S. Bock Lehrbuch
der Erziehungskunst (1780). Zedlitz, der in Halle,
der bedeutendsten preußischen Universität, studiert
hatte, schätzte Kants Philosophie hoch, erbat
sich von Kant Vorlesungsnachschriften, hörte
in Berlin die Vorlesungen über die Kantsche Philosophie
von M. Herz und wünschte von Kant
Vorschläge zur Verbesserung des philosophischen
Niveaus der »Brodt-Collegien« (X, 219). Kant hat
ihm sein Hauptwerk gewidmet. Der Minister
führte die Universitäten zu deren Vorteil so besonnen
wie entschlossen. An der Königsberger
Universität legte er zwei unfähigen Crusianern
nahe, sich andere Lehrthemen zu wählen, rügte
den Gebrauch veralteter Kompendien und empfahl
Repetitorien in besonderen Stunden, wie es
Kant von sich aus schon eingeführt hatte. Sein
ehrenvolles und finanziell großzügiges Berufungsangebot
nach Halle (Zedlitz an Kant, 28.2.,
28. 3. 1778; 800 Taler Gehalt gegenüber 236 Taler
in Königsberg, der Hofratstitel) lehnte Kant ab.
Des Ministers zweiter Antrag nach der ersten
Absage wurde zu der dringenden Bitte eines
Gleichgesinnten, des weitsichtigen Staatsmanns
und Reformers, dass Kant doch am zentralen
Platz in Halle und da in Gemeinschaft mit vorzüglichen
Gelehrten, vor einem viel weiteren Kreis
von Studierenden, mitwirken möchte: »Ich
4 Leben – Zeit – Weg des Denkens
wollte wünschen daß Leute von Ihren Kentnißen
und Gaben in Ihrem Fach nicht so selten wären,
ich wollte Sie nicht so quälen. Ich wollte aber daß
Sie auch die Pflicht nicht verkennten, so viel
Nutzen zu stiften als Sie bey den Ihnen angebotenen
Gelegenheiten stiften können« (Zedlitz
an Kant, 28. 3. 1778). Kants Ablehnungsschreiben
sind nicht erhalten. Doch kurz darauf erklärte
er sich eingehend in einem Briefe an seinen
vertrauten Schüler M. Herz in Berlin (kürzer
bald darauf nochmals an Mendelssohn) und
wünschte, dass Herz nach Möglichkeit vermittelte
und hülfe, ihm in seiner Königsberger Wirksamkeit
und Lebensführung »alle Beunruhigung
[…] abzuwehren und dagegen in Schutz zu nehmen
«. Die sehr persönliche Mitteilung spricht
gegen Störungen bei der Klärung und der Ausführung
seiner Ideen und wird zum Bekenntnis
der Kantschen Bescheidenheit um der Konzentration
und des Ernstes seines Lebensplanes willen:
Hauptzweck seines akademischen Lebens sei
es, »gute und auf Grundsätze errichtete Gesinnungen
zu verbreiten […] und dadurch der Ausbildung
der Talente die einzige zweckmäßige
Richtung zu geben.« »Gewinn und Aufsehen auf
einer großen Bühne haben, wie Sie wissen, wenig
Antrieb vor mich. Eine friedliche und gerade
meiner Bedürfnis angemessene Situation, abwechselnd
mit Arbeit, Spekulation und Umgang
besetzt, wo mein sehr leicht afficirtes, aber sonst
sorgenfreyes Gemüth und mein noch mehr läunischer,
doch niemals kranker Körper, ohne Anstrengung
in Beschäftigung erhalten werden, ist
alles, was ich gewünscht und erhalten habe. Alle
Veränderung macht mich bange, ob sie gleich den
größten Anschein zur Verbesserung meines Zustandes
giebt und ich glaube auf diesen Instinkt
meiner Natur Acht haben zu müssen, wenn ich
anders den Faden, den mir die Parzen sehr dünne
und zart spinnen, noch etwas in die Länge ziehen
will« (an Herz, Anf. April 1778).
In der Vorrede zur Anthropologie in pragmatischer
Hinsicht (1798), seinem letzten veröffentlichten
Werk, spricht Kant sich über den Platz, an
dem er sein Leben festhielt, aus: Weltkenntnis
sei vor allem Erkenntnis des Menschen als eines
Weltbürgers. »Eine große Stadt, der Mittelpunkt
eines Reichs, in welchem sich die Landescollegia
der Regierung desselben befinden, die eine Universität
(zur Kultur der Wissenschaften) und dabei
noch die Lage zum Seehandel hat, welche
durch Flüsse aus dem Inneren des Landes sowohl
als auch mit angrenzenden entlegenen Ländern
von verschiedenen Sprachen und Sitten einen
Verkehr begünstigt, – eine solche Stadt, wie etwa
Königsberg am Pregelflusse, kann schon für einen
schicklichen Platz zu Erweiterung sowohl der
Menschenkenntnis als auch der Weltkenntnis genommen
werden, wo diese, auch ohne zu reisen,
erworben werden kann« (VII, 120 f.).
Literatur: Richter, F.: 450 Jahre Albertus-Universität zu
Königsberg. 1544–1944–1994, Berlin 1994. – Rauschning,
D./Nerée, D. v. (Hg.): Die Albertus-Universität zu
Königsberg und ihre Professoren, Berlin 1995 (JK 29). –
Lawrynowicz, K.: Albertina. Zur Geschichte der Albertus-
Universität zu Königsberg in Preußen, Berlin 1999.
– Oberhausen, M./Pozzo, R. (Hg.): Vorlesungsverzeichnisse
der Universität Königsberg (1720–1804), Stuttgart-
Bad Cannstatt 1999 [Forschungen und Materialien
zur Universitätsgeschichte (FMU), Abt. I, Quellen zur
Universitätsgeschichte, Bde. 1, 2; Reprint mit Einl. u.
Registern].
Kants Herkunft
Kant wurde am 22. April des Jahres 1724 als
viertes Kind (von elf) des Riemermeisters Johann
Georg Kant und dessen Ehefrau Anna Regina,
geb. Reuter, geboren und am Tage nach der Geburt
in der Taufkapelle der Domkirche auf den
Namen Emanuel getauft. Der Name stand für den
Tag in den preußischen Hauskalendern und
brachte auch die Frömmigkeit der Mutter zum
Ausdruck (Immanuel hebr.: Mit uns ist Gott). Die
Familie lebte in bescheidenen, später wohl in
ärmlichen Verhältnissen. Aus dem deutschen
Handwerkerstand kamen schon Melanchthon,
dessen Vater Waffenschmied war, und C. Wolff,
der Sohn eines Gerbers. Fichte entstammte einer
armen Lausitzer Leineweberfamilie, wie auch
Herders Vater ursprünglich Weber war, bevor er
seiner Gemeinde als Glöckner, Kantor und Elementarlehrer
diente. Die Herkunft Kants ist nicht
nur in der persönlichen Art des Philosophen,
seiner Bescheidenheit, strengen Pflichtauffassung,
dem biederen Stolz des Gelehrten gegenüber
der politischen und höfischen Welt zu
erkennen. Dieser Einfluss wirkt in der ganzen
Philosophie Kants: In ihrer methodisch gewissenhaften,
fast umständlichen Kritik und in der
durch Überbauung mit der transzendentalen Methode
erneuerten Befestigung der stillen, unbestechlichen
deutschen Aufklärung, die nicht wie
Kants Leben 5
in Frankreich von Aristokraten in den Salons
angeführt wurde, sondern deren Lichtschein aus
der Enge deutscher Bürgerstuben kam. Ihre Vertreter
waren Professoren, Buchhändler, Lehrer,
Bibliothekare und stammten meist aus einfachen
städtischen und ländlichen Familien. J.H. Campes
Vater gab als Antwort auf den Protest seiner
adligen Verwandtschaft gegen seine »Missheirat«
mit einer Predigerstochter seinen alten Adel auf.
Kants Herkunft aus den ärmeren Schichten und
die da beheimatete pietistische Religiosität wirkten
mit bei der frühen Abneigung gegen das
akademische Offiziösentum der Schulmetaphysik,
in der radikalen Moralität der Zivilisationskritik
und im ideellen Republikanismus mitsamt
dessen Besonnenheit, den aufgeklärten Absolutismus
nicht als Zweck, nur als Mittel fortgehender
Evolution gelten zu lassen. Der Stil der
Kantschen Schriften, nicht eigentlich populär,
doch allem Vornehmtun entgegen, zeigt die Konzentration
eines Mannes, der sich nicht durch
Blenden vergeudet, doch seine Unabhängigkeit
durch Genauigkeit belegt.
Kants Eltern waren von pietistischer Religiosität
erfüllt, vom bigotten Schwärmen aber unberührt.
Kant hat sich über diesen Glauben einfacher
Menschen mit Achtung ausgesprochen.
»Man sage dem Pietismus nach, was man will:
genug, die Leute, denen er ein Ernst war, zeichneten
sich auf eine ehrwürdige Art aus« (T. Rink,
Ansichten aus Kants Leben, Königsberg 1805,
S. 32). Die protestantisch-pietistische Religiosität
ist in Kants Lebensanschauung, auch in den herben
Worten über ein in der Menschennatur liegendes
und unausrottbares Egoistisches und Böses,
deutlich erhalten, so sehr er selbst über allen
Kirchenglauben hinausgelangte und die Kirche
als eine nur »zu duldende Anstalt um der Schwachen
Willen« bezeichnete, das Beten Heuchelei,
den Kirchengesang ein »Plärren« nannte: Wenn
nach feierlichem jährlichem Rektoratswechsel
die Professoren, nach Fakultäten geordnet, zum
Gottesdienst in die Domkirche zogen, pflegte
Kant an der Kirchentür vorbeizuschreiten (C.F.
Reusch, Kant und seine Tischgenossen, Königsberg
1848, S. 5). Kant verehrte seine Mutter sehr,
hatte sie aber bereits als 13-Jähriger (1737) verloren.
»Ich werde meine Mutter nie vergessen,
[…] sie öffnete mein Herz den Eindrücken der
Natur, sie weckte und erweiterte meine Begriffe,
und ihre Lehren haben einen immerwährenden
heilsamen Einfluß auf mein Leben gehabt« (R. B.
Jachmann, I. Kant geschildert in Briefen (1804),
in: I. Kant. Sein Leben in Darstellungen von
Zeitgenossen, hg. v. F. Groß, Berlin 1912, S. 163,
ND m. Einl. v. R. Malter, Darmstadt 1993). Im
hohen Alter schrieb Kant von seiner Herkunft:
Von der »ich auch nichts weiter rühmen kann als
daß meine beyde Eltern (aus dem Handwerksstande)
in Rechtschaffenheit, sittlicher Anständigkeit
und Ordnung musterhaft, ohne ein Vermögen
(aber doch auch keine Schulden) zu hinterlassen,
mir eine Erziehung gegeben haben, die
von der moralischen Seite betrachtet gar nicht
besser seyn konnte« (XIII, 461; XII, 204). Die
beste Schilderung der Lebensweise, insbesondere
der Altersjahre, bietet E.A.C. Wasianski,
vertrautester Helfer des alten Kant (Wasianski, I.
Kant in seinen letzten Lebensjahren, in: I. Kant.
Sein Leben geschildert von Zeitgenossen, a.a.O.,
bes. S. 254 ff.)
Literatur: Meyer, W.: Zu Kants Ahnentafel, in: Familiengeschichtliche
Blätter 22 (1924), H. 5/6, Sp. 79–84.
Schule, Studium
1732 kam Kant durch Vermittlung seines Förderers
F. A. Schultz, dem pietistischen Theologen
und von Wolff geprägten Aufklärer, an das Fridericianum,
eine nach Halleschem Vorbild der
Franckeschen Stiftungen errichtete pietistische
Gelehrtenschule, deren Rektor Schultz war. Der
Unterricht war von Religionsstunden und Gottesdienst
dominiert. Im Herbst 1740 wurde Kant,
16-jährig, an der heimischen Universität immatrikuliert.
Ein ihm verwandter Handwerksmeister
unterstützte ihn. Außerdem erteilte Kant privaten
Unterricht an manchmal vermögende, geistig
bedürftige Grundbesitzersöhne unter den
Studenten. Großen Einfluss gewann Prof. M.
Knutzen (1713–1751). Knutzen war Wolffianer
mit kritischen Vorbehalten, naturwissenschaftlich
gebildet, ein ausgezeichneter Lehrer, dessen Vorlesungen
die Studenten gern hörten. Er machte
Kant mit Newtons Physik bekannt, lieh ihm aus
seiner großen Bibliothek die Bücher. Dieser Lehrer
wirkte auf Kants sachlich prüfende, von naturwissenschaftlicher
Denkweise geprägte Geistesart.
Dahin gehört auch das Grundmuster des
Kantschen Denkens: Problemexposition durch
Formulierung theoretischer Antithesen, Widerlegung
der beiderseitigen Voraussetzungen; sol-
6 Leben – Zeit – Weg des Denkens
len nun zwei einander entgegenstehende Elemente
vermittelt werden, so ist ein Drittes nötig,
also Vermittlung der Antithesen durch ein neues
theoretisches Prinzip. Kant behandelte so die
Gegensätze von Descartes und Leibniz, von Newton
und Leibniz, von Sensualismus und Metaphysik,
auch innerhalb seiner eigenen Theorie
die Beziehungen von Ästhetik und Analytik, von
Verstand, Urteilskraft und Vernunft. Knutzen
suchte eine Vermittlung zwischen Wolffianismus,
Pietismus und der Newtonschen Naturwissenschaft.
Von ihm übernahm Kant das Programm
seiner ganzen sog. vorkritischen naturphilosophischen
und metaphysischen Schriften, eine neue
Synthese von induktionistischer Naturwissenschaft
und demgemäß umgeformter Metaphysik.
Das Erscheinen eines Kometen im Jahre 1744
und Knutzens Schrift darüber im selben Jahr
hatten Kant auf Ideen zu seiner späteren Schrift
Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des
Himmels (1755) geführt. Knutzens antioccasionalistischer
Influxionismus als einer unfertigen
Vermittlungsposition zur Behebung der Widersprüche
des Descartesschen Dualismus von Seelensubstanz
und mechanisch-geometrischem
Materiebegriff machte Kant früh mit den Unzuträglichkeiten
des Begriffs der Seelensubstanz in
der psychologia rationalis der Schulmetaphysik
bekannt und bereitete die Lösung vor, die der am
meisten Aufsehen erregende Teil der Kritik, das
Paralogismus-Kapitel, für das Problem fand. Die
Knutzen-Schrift gehörte zu dem Kants philosophische
Fragerichtung früh bestimmenden »eklektischen
Anti-Wolffianismus« an der Königsberger
Universität, wie G. Tonelli es nannte. Kant
war nicht in einer der drei oberen Fakultäten
(Theologie, Jurisprudenz, Medizin) eingeschrieben.
Er studierte nach zunehmend selbständigem
Plan vor allem Philosophie, Naturwissenschaften,
Mathematik und die lateinischen Klassiker.
Während der Studienzeit Kants standen sich auch
in Königsberg die Wolffianer und die Anhänger
des Wolff-Kritikers C. A. Crusius unversöhnlich
gegenüber. Vielleicht war es das Übermaß dogmatischen
Religionsunterrichts auf der Schule,
das ihn einige Zeit vorzüglich den Lukrez, den
großen epikureischen Materialisten des Altertums,
schätzen ließ. Die Universitätsstudien
schloss er mit seiner Erstlingsschrift ab: Gedanken
von der wahren Schätzung der lebendigen
Kräfte (1749). Er reichte sie 1746 dem Dekanat
ein. Sie behandelte die Streitfrage, ob die Größe
einer Kraft dem Produkt von Masse und einfacher
Geschwindigkeit (Descartes) oder von
Masse und dem Quadrat der Geschwindigkeit
bestimmt sei (Leibniz). In der Vorrede spricht ein
23-Jähriger, der sich seines Lebensplanes bewusst
ist. Das Vorurteil werde unter den Menschen
wohl nie aufhören, in der Wissenschaft
aber entscheide nicht die Zahl. Selbst das Ansehen
Newtons und Leibniz’ sei für nichts zu
achten, wenn es sich der Entdeckung der Wahrheit
entgegensetze. »Ich stehe in der Einbildung,
es sei zuweilen nicht unnütze, ein gewisses edles
Vertrauen in seine eigenen Kräfte zu setzen. […]
Ich habe mir die Bahn schon vorgezeichnet, die
ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten,
und nichts soll mich hindern, ihn fortzusetzen«
(I,10).
Literatur: Riedesel, E.: Pietismus und Orthodoxie in
Ostpreußen, Königsberg u. Berlin 1937. – Tonelli, G.:
Vorwort zur Neu-Edition von C. A. Crusius, Anweisung
vernünftig zu leben (Leipzig 1744), Hildesheim 1969, S.
VII–LIII. – Gruhn, W. (Hg.): Leben und Abenteuer des
A. Bolotow von ihm selbst für seine Nachkommen
aufgeschrieben, 2 Bde. München 1989 [spez. S. 357ff.].
– Wallmann, J.: Der Pietismus, Göttingen 1990. –
Klemme, H.F.: Die Schule I. Kants. Mit dem Text von C.
Schiffert über das Collegium Fridericianum (KF 6),
Hamburg 1994.
Dozent, Universitätsprofessor
Nach der schon erwähnten Hauslehrerzeit wurde
Kant 1755 mit der Schrift De igne promoviert und
habilitierte sich im gleichen Jahr mit der Nova
dilucidatio principiorum primorum cognitionis
metaphysicae an der Universität Königsberg. Für
die erforderliche dritte Disputation reichte Kant
im Frühjahr 1756 die Monadologia physica ein
und begann im Wintersemester 1755/56 Vorlesungen
zu halten. Er blieb Privatdozent bis in sein
46. Jahr. Erst 1770 erhielt er, nach zwei vergeblichen
Bewerbungen um erledigte Professuren und
nachdem er 1764 die angebotene Professur für
Dichtkunst ausgeschlagen hatte, das Ordinariat
für Logik und Metaphysik (Rufe nach Erlangen
und Jena lehnte er 1769 ab). Zuvor bezog er
während der 15-jährigen Dozentenzeit nur Einnahmen
aus den Hörergebühren und aus privatem
Unterricht. 1765 kam der 41-jährige erfolgreiche
Privatdozent und in den deutschen
Ländern anerkannte philosophische Autor zu sei-
Kants Leben 7
ner ersten besoldeten Stelle: Subbibliothekar an
der Königlichen Schlossbibliothek mit 62 Talern
Jahresgehalt.
Kant las naturwissenschaftliche Fächer, Mathematik,
Logik, Metaphysik, philosophische Enzyklopädie,
Ethik, Naturrecht, Pädagogik, natürliche
Theologie. Besonderen Zustrom erhielten
seine für weiteren Hörerkreis vorgetragenen Vorlesungen
über Physische Geographie und Anthropologie
(ab 1772/73). Hörer ließen davon
Abschriften für den Verkauf anfertigen. Kant las
während vieler Jahre bis zu 20 und mehr Wochenstunden,
seine Hörsäle, wie Hamann bezeugte,
meist überfüllt. Während der Mühen um
die KrV in den 70er Jahren nahm er die Stundenzahl
in der Woche auf 14, im Sommer 1772 sogar
auf zehn zurück. Er trug stets nach einem vorgeschriebenen
Kompendium vor, eine Anordnung
von 1778 befahl die Einhaltung dieser Vorschrift:
»Das schlechteste Kompendium ist gewiß besser
als keines.« Kant las die Logik nach Meiers Vernunftlehre,
Metaphysik und Ethik nach Baumgarten,
philosophische Enzyklopädie nach Feder.
Die inzwischen im Erscheinen begriffenen Vorlesungsnachschriften
(Bde. XXIVff. der AA) zeigen,
wie frei, ja geradezu dem gedruckten Text
widersprechend, Kant die Lehrbücher benutzte.
Ein Hörer erzählt: »Kant liest über eine alte Logik
von Meier. Immer bringt er das Buch mit in die
Stunde, […] folgt mit großer Treue seinem Autor
von Kapitel zu Kapitel, und dann berichtet er oder
sagt vielmehr alles anders, aber mit der größten
Unschuld« (zit. n. K. Vorländer, I. Kant. Der
Mann und das Werk, Bd. 2, Leipzig 1924, S. 57,
ND Hamburg 31992). Herder war 1762–64 Kants
Hörer gewesen. Er überlieferte uns ein Bild des
Lehrers Kant: »Ich habe das Glück genossen,
einen Philosophen zu kennen, der mein Lehrer
war. Er in seinen blühendsten Jahren hatte die
fröhliche Munterkeit eines Jünglings […] Scherz
und Witz und Laune standen ihm zu Gebot und
sein lehrender Vortrag war der unterhaltendste
Umgang. Mit eben dem Geist, mit dem er Leibniz,
Wolff, Baumgarten, Crusius, Hume prüfte,
und die Naturgesetze Keplers, Newtons, der Physiker
verfolgte, nahm er auch die damals erscheinenden
Schriften Rousseaus, sowie jede
ihm bekannt gewordene Naturentdeckung auf,
würdigte sie und kam immer zurück auf unbefangene
Kenntnis der Natur und auf moralischen
Wert des Menschen […] nichts Wissenswürdiges
war ihm gleichgültig, keine Kabale, keine Sekte,
kein Vorteil, kein Namen-Ehrgeiz hatte je für ihn
den mindesten Reiz gegen die Erweiterung und
Aufhellung der Wahrheit. Er munterte auf und
zwang angenehm zum Selbstdenken; Despotismus
war seinem Gemüt fremde. Dieser Mann,
den ich mit größter Dankbarkeit und Hochachtung
nenne, ist Immanuel Kant; sein Bild steht
angenehm vor mir« (Herder, Briefe zur Beförderung
der Humanität, 1793ff, in: Sämmtl. Werke,
hg. v. B. Suphan, Bd. 17, Berlin 1881, S. 404).
Literatur: Brandt, R.: Studien zur Entwicklung der
preußischen Universitäten (1750–1800), Wiesbaden
1999.
Kant blieb unverheiratet, war aber kein einsiedlerischer
Junggeselle. Sein Bedürfnis kultivierter
Geselligkeit wurde schon erwähnt. In den frühen
Dozentenjahren soll er ein recht »galanter Magister
« gewesen sein. Den »galantesten Mann von
der Welt« nennt K. A. Böttiger den jungen Dozenten
Kant, der »bordirte Kleider trug« (mit kostbarer
Einfassung besetzte), und »alle Coterien besuchte
« (Böttiger, Literarische Zustände und
Zeitgenossen, Leipzig 1838, ND Frankfurt/M.
1972, Bd. 1, S. 133). L. E. Borowski berichtete:
»In früheren Jahren ging er vor dem Mittagessen,
nach Endigung seiner Vorlesungen auf ein Kaffeehaus,
trank da eine Tasse Tee, unterhielt sich
über Ereignisse des Tages oder spielte eine Parthie
Billard. Damals liebte er auch in Abendgesellschaften
das L’hombre-Spiel, weil er
glaubte, dass es den Geist in Tätigkeit setze. Er
soll sehr fertig darin gewesen sein« (Borowski,
Darstellung des Lebens und des Charakters I.
Kants, in: I. Kant. Sein Leben in Darstellungen
von Zeitgenossen, hg. v. F. Groß, Berlin 1912,
S. 55, ND 1993). Die Schilderung soll den frühen
Dozenten von dem Kant unterscheiden, der sich
in den Jahren der Vorbereitung der Kritik sehr
veränderte. Das setzte viele Jahre vor dem endgültigen
Kritik-Manuskript ein. Schon 1774
schreibt der weit entfernte Lavater: »Auf Ihre
Critik der reinen Vernunft bin ich u. viele meines
Vaterlands sehr begierig« und fragt nach einzelnen
Punkten des möglichen Inhalts (8. 4. 1774).
Kant beginnt, sich für die eintretende Säumigkeit
in Briefwechseln mit seiner Konzentration auf
das Werk zu entschuldigen. An M. Herz teilt er
Vieles von seiner psychischen Anspannung mit.
Es »ist nichts hinderlicher, als sich mit Nach-
8 Leben – Zeit – Weg des Denkens
denken, das außer diesem Felde liegt, stark zu
beschäftigen« (21. 2. 1772). Dies sind die Umstände
im »Zeitraum der schweigsamen Arbeit«
(W. Dilthey in AA I, S. IX) der 70er Jahre. Seinen
»wirklichen ernst, die Wahrheit zu finden« (Refl.
5116) bezeichnet Kant mit den Worten: Da er
einmal entschlossen sei, eine so lange von der
Hälfte der philosophischen Welt umsonst bearbeitete
Wissenschaft umzuschaffen, »so bleibe ich
nunmehro halsstarrig bey meinem Vorsatz, mich
(durch) keinen Autorkützel verleiten zu lassen,
[…] ehe ich meinen dornigten und harten Boden
eben und zur Allgemeinen Bearbeitung frey gemacht
habe« (an Herz, Ende 1773).
Der Tageslauf war streng geregelt: Er erhob
sich um 5 Uhr, arbeitete bis zum Beginn der
Vorlesungen um 7 oder 8 Uhr. Tischzeit war um
ein Uhr. Seit den 80er Jahren lud er Gäste zum
Essen. Er nahm nur diese Mittagsmahlzeit ein.
Nach dem Essen wurde ein Spaziergang von einer
Stunde gemacht, darauf folgte bis um 10 Uhr
Lektüre, Notieren, Schreiben. So verlief mit wenigen
Ausnahmen jeder Tag des Professors Kant.
In der Mitte der 80er Jahre klagte Kant zum
ersten Mal über abnehmende Arbeitskraft, Ermüdung
bereits nach zwei bis drei Stunden, sein
Vortrag wurde einförmiger, »schläfrig« notierte
Fichte geradezu 1791 in sein Tagebuch. Kant
nahm die Zahl seiner Lehrstunden von damals 13
auf 9 wöchentlich zurück. Das Logik-Kolleg von
7–8 Uhr und Repetitorien am Sonnabend blieben
an ihrem Platz. Ab 1798 setzte die starke Beeinträchtigung
der geistigen Kraft ein. Kant schreibt
darüber betroffen an Garve (21. 9. 1798; vgl. a. an
Kiesewetter, 19. 10. 1798) und spricht zu Gästen
oft von seinem Alter und seiner Schwäche. Er litt
in den späten Jahren oft an heftigem Kopfschmerz
(Hirndrucksyndrom), man vermutete
früher eine Entzündung der Innenfläche der harten
Hirnhaut (Pachymeningitis interna). Ein
neueres medizinisches Urteil nimmt aus den bekannten
Berichten und von Kants Niederschriften
der letzten Jahre her senile Demenz an. Er
verstarb am 12. Februar 1804 im Beisein seines
Freundes und Betreuers in den letzten Jahren,
E.A.C. Wasianski (1755–1831), seiner Schwester
Katharina Barbara und einiger anderer. Die Fassungen
seines Testaments in XIII, 553–570. In
den letzten Jahren (seit 1796, vielleicht bis 1803)
arbeitete Kant an einem umfangreichen Werk,
dem sog. Opus postumum, etwa 700 Druckseiten,
das den »Schlußstein seines ganzen Lehrgebäudes
« (zu Jachmann) bilden sollte, indem es den
Übergang von den Metaphysischen Anfangsgründen
der Naturwissenschaft (1786) zur Physik darstellen
sollte. Teile des Manuskripts zeigen, in
Fortsetzung des Naturbegriffs der KU (1790) und
der da erwähnten Problematik eines »übersinnlichen
Substrats der Menschheit und der Natur« (V,
340–344), den Plan einer neuen Systematik der
Metaphysik. Vielleicht ist Kant zur verzweifelten
Arbeit an dem Riesenmanuskript auch durch die
von J. S. Beck und Fichte ausgehende Fortführung
und Umbildung seines transzendentalen
Idealismus und durch die damals rasch aufeinander
folgenden naturphilosophischen Schriften
Schellings angetrieben worden (Schellings System
des transzendentalen Idealismus, 1800, wird
zweimal erwähnt). Das Opus postumum ist Kants
Versuch, gegen die über seine Theorie hinausschreitenden
Philosophien den ursprünglichen
Ansatz der Transzendentalphilosophie zu verteidigen
und zu präzisieren. Es ist eine von Kant
ganz ungeordnet hinterlassene Notizenmasse in
12 Konvoluten, die er bisweilen nach seinem Tod
verbrannt wissen wollte, in der aber deutlich
bestimmte Themen und Problemlinien in scharfsinnigen,
für das Verständnis des ganzen Kant
wichtigen Bemerkungen verfolgt sind. Die philosophisch
besonders interessanten Konvolute 1, 7,
10 und 11 entwerfen immer wieder Thesen und
Inhaltsverzeichnisse einer geplanten Schrift zur
Transzendentalphilosophie.
Literatur: Arnoldt, E.: Kants Jugend und die fünf ersten
Jahre seiner Privatdocentur (1881), in: AM 18 (1881),
S. 606–686 [m. Zusätzen in: Ges. Schriften, hg. v. O.
Schöndörffer, Bd. III/2, Berlin 1908, S. 103–210]. –
Schöndörffer, O.: Der elegante Magister, in: Feldkeller,
P. (Hg.), Reichls philosophischer Almanach auf das Jahr
1924, I. Kant zum Gedächtnis, Darmstadt 1924, S. 65–
83. – Ders.: Unbekannte Anekdoten über Kant, in:
Feldkeller (Hg.), S. 177–179. – Minden, D.: Der Humor
Kants, in: Feldkeller (Hg.), S. 179–187. – Brandt, R./
Stark, W. (Hg.): Neue Autographen und Dokumente zu
Kants Leben, Schriften und Vorlesungen, Hamburg
1987. – Diess.: Autographen, Dokumente und Berichte
zu Edition, Amtsgeschäften und Werk I. Kants, Hamburg
1994. – Kowalewski, S. L./Stark, W. (Hg.): Königsberger
Kantiana (I. Kant. Volksausgabe, Bd. 1, hg. v.
A. C. Kowalewski), Hamburg 2000 [enth. Materialien
nach 1945 verschollener Dokumente].
Kants Leben 9
Bild der Persönlichkeit
Kants Werk und das Charakterbild dieses Wissenschaftlers,
der einen neuen Abschnitt in der
europäischen Aufklärung durch Selbstkritik (der
empiristischen und der schulmetaphysischen
Denkformen) der Aufklärung einleitete, gründen
im Vertrauen auf die Unentbehrlichkeit und die
Unüberwindbarkeit wissenschaftlich-systematischer
Rationalität für das kulturelle Selbstverständnis
der modern-bürgerlichen Gesellschaft;
in einem bestimmten Maße sogar für die moralische
Entfaltung der Person. Zum jungen Schopenhauer
sagte Goethe, kein Enthusiast für Philosophie:
»Wenn ich eine Seite im Kant lese, ist
mir zu Mute, als träte ich in ein helles Zimmer.«
Kant, der die Standesunterschiede ablehnte und
für eine vorübergehende Stufe der Menschheit
ansah, konnte nur zweierlei hassen: Unterwürfigkeit
und Hochmut (insbesondere unter den Akademikern),
Schmeichelei z. B. der Gelehrten gegenüber
den »Politikern vom Handwerk« (an Kiesewetter,
15. 10. 1795). Kant lebte seine praktische
Philosophie selbst: Moralische Gesinnung
vor allem als die Pflicht gegen sich selbst, sich und
andere Personen in der Würde der Menschheit zu
achten. In einem Selbstbekenntnis wies er die
wetterwendische und »auf den Schein angelegte
Gemütsart« ab, »nachdem ich schon den größten
Teil meiner Lebenszeit hindurch gelernt habe,
das meiste von demjenigen zu entbehren und zu
verachten, was den Charakter zu korrumpieren
pflegt und also der Verlust der Selbstbilligung,
die aus dem Bewusstsein einer unverstellten Gesinnung
entspringt, das größte Übel sein würde,
was mir nur immer begegnen könnte, aber ganz
gewiß niemals begegnen wird« (an Mendelssohn,
8. 4. 1766, sprachl. mod. v. Verf.). Vor seinen Enttäuschungen
über das Unverständnis und die parteiische
Ablehnung der KrV schrieb Kant von
dem Werk an Herz, wem der Zustand der Metaphysik
einleuchte, der werde es schon nach flüchtigem
Durchlesen des Werkes der Mühe wert
finden, »wenigstens in dieser Art der Bearbeitung
so lange alles liegen zu lassen, bis das, wovon
hier die Frage ist, völlig ausgemacht worden« (11.
5. 1781). Das Werk möge stehen oder fallen, es
werde eine gänzliche Veränderung in der Philosophie
herbeiführen. Kant sah richtig, und er
sprach mit berechtigter Selbstsicherheit. Der Gedanke,
die Fachkollegen würden einhalten und
neu beginnen, zeigt nicht Hochmut, sondern erwartet
Wahrheitssinn und Ehrenhaftigkeit. Kant
dachte wie ein Naturwissenschaftler, dem es
peinlich sein müsste, etwas wesentliches Neues
nicht zu kennen und Veraltetes zu lehren. Aber
auch M. Planck sagte in seiner Wissenschaftlichen
Autobiographie von seinen Arbeiten: »Es gehört
zu den schmerzlichsten Erfahrungen meines wissenschaftlichen
Lebens, daß es mir nur selten, ja,
ich möchte sagen niemals gelungen ist, eine neue
Behauptung, für deren Richtigkeit ich einen vollkommen
zwingenden, aber nur theoretischen Beweis
erbringen konnte, zu allgemeinen Anerkennung
zu bringen. […] Gegen die Autorität von
Männern wie W. Ostwald, G. Helm, E. Mach
war eben nicht aufzukommen« (Leipzig 41967,
S. 19).
Kants Lebensanschauung und Lebensführung
waren durch die Überzeugung von der sanften
Macht des Denkens geprägt. Der unreife Gedanke,
so etwas sei nur Interiorisierung äußeren
Drucks zum Selbstzwang, lag ihm fern. Kants
ganzes Denken war in seinem Schöpfertum Beispiel
kritisch eigenständigen Denkens und zugleich
des Bewusstseins des hohen Wertes der
kulturellen Tradition. Darum war ihm das Ausweichen
vor verbindlichen Übereinstimmungen
und Verantwortungen die »geniemäßige Freiheit«
eitler Selbstbespiegelung; so sehr, dass ihm manche
progressive Linien der aufklärungskritischen
geistigen Bewegungen, wie etwa Lyrik und
Drama des Sturm und Drang, fremd blieben.
Kants Lebensart erfuhr etwa seit der Mitte der
60er Jahre einen Wandel. Er entfernte sich, wie
N. Hinske mit Blick für das Gelehrtenleben hinter
der »Entwicklungsgeschichte« von Begriffen
und Schriften sagte, er entfernte sich, »ohne sich
darüber schon selbst ganz im klaren zu sein, mehr
und mehr von den Grundüberzeugungen und
-stimmungen seiner Generation« (Hinske 1977,
S. 115). Der »elegante Magister« geriet im Gefolge
seiner Bedenken und schließlich der Ablehnung
der gepflegten Schulmetaphysik in die
bald anderthalb Jahrzehnte währende und zunehmende
Konzentration, die Zweifel bei allen
Grundfragen und auf allen Gebieten der Philosophie
zu lösen, die ihn erfüllten. Kant besaß bei
einigen wichtigen Veränderungen der Auffassung
von Raum und Zeit in seiner Inauguraldissertation
zum Antritt der Professur 1770 (inaugurare,
lat. einsetzen, weihen) im Ganzen noch das for-
10 Leben – Zeit – Weg des Denkens
male metaphysische Theoriekonzept einer logisch-
analytisch zu formulierenden realitas obiectiva
hinter den phänomenalen und induktiv zu
beschreibenden Ereignisreihen. Mit dem Begriff
einer intelligiblen Realität im ontischen Sinne
war aber die gesamte Systematik der Verbindung
von Welt- und (moralischer, theologischer) Wertauffassung
verbunden. Die eigentlichen Mühen,
die mit dem Umbruch zur Verbindung von Apriorismus
und Phänomenalismus (ohne die Kompromisskonstruktion
eines monadologischen geistigen
Seins) verbunden waren, und die die allgemeine
und spezielle Metaphysik (Ontologie,
rationale Psychologie, Kosmologie und Theologie)
zum Einsturz brachten und schließlich das
Grundverständnis der alteuropäischen philosophischen
Tradition und der empiristischen aufklärerischen
Hauptströmung auflösten, diese Anspannung
füllte die Jahre von 1770 bis 1780,
Kants fünftes und sechstes Lebensjahrzehnt aus.
Während fast eines Jahrzehnts des Unverständnisses
der KrV, das Kant enttäuschte, erkannte
Kant sich am Ziel seiner theoretischen Entdekkungen
im eigentlichen geistigen Bezirk vereinsamt.
Während der Ausarbeitung seines Werkes
bewegte ihn noch die Erwartung rascher Einsicht
wichtiger Fachgenossen wie Mendelssohn,
Garve, Tetens (Lambert war 1777 verstorben)
und fortführender Zusammenarbeit nach dem
Bild forschender Fortschritte in den Naturwissenschaften.
In der außerordentlichen Klarheit
seines Denkens und in der Treue seiner Lebensdisziplin
vollendete er von 1783 bis 1790, also
etwa vom 60. Jahre seines Lebens an, den ganzen
Bau seiner drei Kritiken und die Grundrisse der
lange geplanten Metaphysik der Sitten und der
Natur. Die stille Besonnenheit des gefühlsreichen,
dem Enthusiasmus für Menschheitsziele
hingegebenen Mannes, eines im Umgang immer
aufgeschlossenen, heiteren Universitätslehrers
und die geistige Welt der Werke, die die Menschheit
sich mit neuem Blick sehen ließen, gehören
zueinander. In den 90er Jahren – die politischen
Auseinandersetzungen intensivierten sich in
Deutschland im Gefolge der Französischen Revolution
– schreibt Kant seine verfassungsrechtlichen,
völkerrechtlichen, religionsphilosophischen
Arbeiten.
Im Bezug auf die unvermittelte Moralität des
Menschen war Kant nicht Optimist. Darum verstand
er reflektierte Rationalität als unentbehrliche
Methode der Selbstführung. Sentimentalität,
gar Empfindelei waren ihm fatal und Indiz
von mangelnder Selbstachtung, im Weiteren
auch Verkleidung autoritärer Ansprüche. Gleichwohl
kannte Kant das taedium vitae. An die religiöse
Seelenscheuerei im Fridericianum, das in
Königsberg die Pietisten-Herberge genannt
wurde, erinnerte er sich mit Bangigkeit, wie Hippel
berichtete. Seine geliebte Mutter verlor er
schon in seinem 13. Lebensjahr. Von seinem Vater
notierte er ins Familienalbum, dass Gott ihm
hinieden nicht viel Freude geschenkt habe, so
dass er sie ihm wohl für das andere Leben aufgespart
haben werde. Der Privatdozent schrieb