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Historische Gestalten der Antike Rezeption in Literatur, Kunst und Musik Reihe: Der Neue Pauly - Supplemente, 2. Staffel, Band 8
Historische Gestalten der Antike
Rezeption in Literatur, Kunst und Musik


Reihe: Der Neue Pauly - Supplemente, 2. Staffel, Band 8

Peter von Möllendorff, Annette Simonis, Linda Simonis (Hrsg.)

Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476024688 (ISBN: 3-476-02468-7)
602 Seiten, Festeinband im Schuber, 18 x 25cm, Dezember, 2013, 72 s/w Abb., Geb. m. Schutzumsch. i. Schuber

EUR 199,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Große Namen, die faszinieren. Alexander der Große, Caesar, Cicero, Diogenes, Nero, Pythagoras, Sappho, Sokrates, Theoderich, Xanthippe - berühmte Frauen und Männer der Antike, die uns immer wieder begegnen, sei es in Literatur, Kunst, Musik oder auch in Filmen. 96 Beiträge befassen sich mit den historischen Persönlichkeiten, darunter auch einige nicht-europäische Gestalten wie Hannibal und Kleopatra. Von der Antike bis heute: Im Spiegel der Epochen und Kulturen lässt sich klar erkennen, wie unterschiedlich ihr Leben und Tun wahrgenommen und neu gedeutet werden.
Rezension
Der Neue Pauly, die Enzyklopädie der Antike, wird in Zusammenarbeit mit 2000 Wissenschaftlern aus 50 Ländern herausgegeben mit fast 12000 S. Gesamtumfang in 13 Bänden zum Altertum von A - Z zum Preis von 3380,10 € (ISBN: 978-3-476-01470-2), hinzu kommen 5 Bände Rezeptions- und Wissensgeschichte A-Z sowie ein Registerband. - Die Reihe "Reihe: Der Neue Pauly - Supplemente" ergänzt den Neuen Pauly um entsprechende Themenbände und vertieft die enzyklopädische Darstellung. - Das gilt auch für diesen Band, der berühmte Frauen und Männer der Antike in 96 Beiträgen in Rezeption und Interpretation im Spiegel der Epochen und Kulturen vorstellt. Damit fällt neues Licht auf Alexander der Große, Caesar, Cicero, Diogenes, Nero u.a., die im Laufe der Jahrhunderte in der Antikenrezeption sehr unterschiedlich wahrgenommen wurden.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Peter von Möllendorff ist Professor für Klassische Philologie an der Universität Gießen. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Fragen von Intertextualität, Antikerezeption und Erinnerungskulturen.
Annette Simonis hat die Professur für Allgemeine und Vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft an der Universität Gießen inne. Zu Ihren Forschungsschwerpunkten zählen Fragen der Intermedialität, der Mythentheorie und der Wechselbeziehungen der `Künste`.
Linda Simonis hat den Lehrstuhl für Lehrstuhl für Allgemeine Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Bochum inne. Sie ist Stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (DGAVL)

Annette und Linda Simonis fungieren u.a. als Herausgeberinnen der Zeitschrift Comperatio sowie der nternet-Zeitschrift Komparatik Online. Sie habe gemeinsam den Band "Mythen in Kunst und Literatur. Tradition und kulturelle Repräsentation" (2004) herausgegeben.

Hubert Cancik/Helmuth Schneider/Manfred Landfester (Hrsg.)
Der Neue Pauly
Enzyklopädie der Antike
Gesamtwerk
In Zusammenarbeit mit 2000 Wissenschaftlern aus 50 Ländern
CCCXLVI, 11611 S., 1640 s/w Abb., Geb. m. Schutzumsch. i. Schuber, 13 Bände Altertum A-Z, 5 Bände Rezeptions- und Wissensgeschichte A-Z, 1 Registerband, insg. 30.000 Lemmata

Preis: EUR 3380,10
inkl. Mwst., zzgl. Versandkosten
ISBN: 978-3-476-01470-2
Erschienen am: 16.12.2003

Fachgebiet: Antike
Produkttyp: Pauly-Wissowa
lieferbar
Verlag J.B. Metzler
Beschreibung der Ausgabe

Zwei Paketstücke:
Paketstück 1: Bände 1 bis 9
Paketstück 2: Bände 10, 11, 12/1, 12/2, 13, 14, 15/1, 15/2, 15/3, 16

Band 1: A-Ari
Band 2: Ark-Ci
Band 3: Cl-Epi
Band 4: Epo-Gro
Band 5: Gru-Iug
Band 6: Lul-Lee
Band 7: Lef-Men
Band 8: Mer-Op
Band 9: Or-Poi
Band 10: Pol-Sal
Band 11: Sam-Tal
Band 12/1: Tam-Ve
Band 12/2: Ven-Z und Nachträge
Band 13: Rezeption Aa-Fo
Band 14: Rezeption Fr-Ky
Band 15/1: Rezeption La-Ot
Band 15/2: Rezeption Pae-Sch
Band 15/3: Rezeption St-Z
Band 16: Register, Listen, Tabellen

Manfred Landfester/Helmuth Schneider (Hrsg.)
Der Neue Pauly - Supplemente 2. Staffel
Reihe: Der Neue Pauly - Supplemente, 2. Staffel, Band 8-14
ca. 4200 S., 450 s/w Abb., 450 s/w-Abbildungen und Karten, 7 Bände. Geb. m. SU im Schuber

Preis: EUR 1399,65
inkl. Mwst., zzgl. Versandkosten

ISBN: 978-3-476-02474-9
Erschienen am: 09.12.2013

Fachgebiet: Antike
Produkttyp: Enzyklopädie
lieferbar
Verlag J.B. Metzler

Band für Band Themenwissen aus 3000 Jahren Geschichte der Antike
Herausgeber und Autoren sind renommierte Experten ihres Fachgebiets
Register, Chronologien, Bibliografien, Glossar, Abbildungen, Karten, Lagepläne

Die Supplemente 8 bis 14: DER NEUE PAULY schreibt weiter Geschichte. Jeder Band bildet ein Konzentrat aus dem gesammelten Themenwissen des NEUEN PAULY. Mit neuen Daten und Zusammenhängen angereichert, bündeln und vertiefen die Supplemente die enzyklopädische Darstellung. Ob Historische Gestalten der Antike, die Germanen und das Römische Reich, die Frühgeschichte der Mittelmeerkulturen, Byzanz oder die Militärgeschichte der griechisch-römischen Antike - es folgen faktenreiche und spannende Exkurse rund um eine jahrhundertelange Antikerezeption.

Beschreibung der Ausgabe

Editionsplan Der Neue Pauly - Supplemente 2. Staffel
Fortsetzungspreis je Band € 179,95, Ladenpreis je Band € 199,95
Band 8, von Möllendorff/Simonis/Simonis (Hrsg.); Historische Gestalten der Antike,
ISBN 978-3-476-02468-8, Dezember 2013
Band 9, Landfester (Hrsg.); Renaissane-Humanismus,
ISBN 978-3-476-02469-5, Oktober 2014
Band 10, Wittke (Hrsg.); Frühgeschichte der Mittelmeerkulturen,
ISBN 978-3-476-02470-1, April 2015
Band 11, Daim (Hrsg.); Byzanz
ISBN 978-3-476-02422-0, Oktober 2015
Band 12, Speidel (Hrsg.); Militärgeschichte der griechisch-römischen Antike,
ISBN 978-3-476-02471-8, April 2016
Band 13, Jacob/Süßmann (Hrsg.); Das 18. Jahrhundert,
ISBN 978-3-476-02472-5, Oktober 2016
Band 14, Vössing/Becher/Bemmann (Hrsg.); Die Germanen und das Römische Reich,
ISBN 978-3-476-02473-2, April 2014
Inhaltsverzeichnis
Verfasserinnen und Verfasser VI
Vorwort VII
Hinweise zur Benutzung des Bandes IX
Transkriptionstabelle IX

Beiträge A–Z 1

Abkürzungsverzeichnis
A. Allgemein 1073
B. Lexika, Zeitschriften, Quelleneditionen,
Standardwerke 1077
C. Antike und mittelalterliche Quellen 1081
Abbildungsverzeichnis 1089
Register 1097


Leseprobe:

Aesop
(Ahrxpoy/Aíso¯pos, lat. Aesopus)
A. Historische Dimension
Zu Ae., der in der Antike als Archeget der Fabel
galt, gibt es keine gesicherten Lebensdaten. Zum
ersten Mal erwähnt wird er in Herodots Historien
(2,134,3) als Zeitgenosse und Mitsklave der Hetäre
Rhodopis, was eine Datierung in die erste Hälfte des
6. Jh.s. v. Chr. nahelegt [1. 134]. Herodot bezeichnet
Ae. als logopoiós (»Schriftsteller, Fabeldichter«) und
erwähnt seinen gewaltsamen Tod in Delphi, auf
den auch Aristophanes in den Wespen (422 v. Chr.)
anspielt (1446–1448). Dieser könnte 564/63 v. Chr.
erfolgt sein (Eusebios, Chronica 2 p. 94 Schoene) und
beruhte vielleicht auf einer falschen Anklage wegen
Hierosylie (Tempelraub), nach welcher Ae. zum
Felsensturz verurteilt wurde (vgl. Plut.mor. 556f–
557a). Ob es sich dabei um einen Teil der bereits
im 5. Jh. v. Chr. einsetzenden Legendenbildung handelt
[17. 117], die aitiologisch begründet sein könnte
[18. 49], oder um Angaben von histor.Wert, ist nicht
zu klären.
Ae. stammte wohl aus Thrakien (vgl. Euagon,
FGrH 535 F4; Aristoteles fr. 573 Rose), wobei spätere
biographische und lit. Zeugnisse auch Phrygien,
Lydien oder Samos (vgl. Suda, Eintrag Aíso¯pos) als
Herkunftsorte nennen. Über seinen möglichen Sklavenstatus
gibt es nur vage Angaben. Neben dem bei
Herodot erwähnten Besitzer Iadmon soll Ae. zuvor
einem Xanthos (Aristoteles fr. 573 Rose) gehört
haben, wobei die Umstände der Versklavung sowie
deren Dauer unklar bleiben. Legendär war Ae.s körperliche
Hässlichkeit, die am ausführlichsten zu Beginn
des frühkaiserzeitlichen biographischen Aesop-
Romans (Bíos Aiso¯´pu) geschildert wird, wo zwölf
körperliche Defizite Ae. selbst als einen »Fehler der
Natur« (hamárte¯ma, § 1) erscheinen lassen.
So schemenhaft Ae. als histor. Person in den ant.
Zeugnissen zu fassen ist, so unsicher ist die Bestimmung
seines OEuvres. Zwar verweist bereits Aristophanes
mehrfach (Vögel 651–653, Frieden 129) auf die
Bekanntheit seiner als lógoi bzw. my´thoi bezeichneten
Fabeln; es ist jedoch unklar, ob bereits im 5. Jh.
v. Chr. eine eigene Ausgabe von Fabeln Ae.s vorlag.
Vielmehr kursierten ›aesopische‹ Fabeln als Einzelerzählungen
in mündlicher oder schriftlicher Form,
wobei es falsche Zuschreibungen schon am Ende des
5. Jh.s v. Chr. gegeben zu haben scheint (vgl. Schol.
zu Aristophanes’ Vögeln 651–653). Die erste sicher
bezeugte Sammlung aesopischer Fabeln wurde von
Demetrios von Phaleron am Ende des 4. Jh.s v. Chr.
zusammengestellt (Diog.Laert. 4,112).
B. Rezeption
B.1. Antike
Vor diesem Hintergrund ist es nicht erstaunlich,
dass die zahlreichen von der ant. biographischen
Ae.-Tradition bereitgestellten Leerstellen Raum für
Spekulationen und Anekdoten gaben, die etwa der
Ae.-Roman zu einem umfassenden Lebensbild verarbeiten
konnte [11. 1]. Damit trat die histor. Person
Ae. hinter einer Kunstfigur zurück, die mit Tieren
redete und in Fabeln auftrat. Dieser Überlagerungsprozess
wurde von Ae. insofern initiiert, als er sich
selbst zum Sprecher und Akteur einzelner Fabeln
machte und damit die eigene Vita mit der Fabelwelt
verknüpfte, die er selbst erschaffen hatte. Entsprechend
schwierig und weder produktions- noch rezeptionsästhetisch
sinnvoll erscheint eine Abgrenzung
der histor. Person Ae. von der fiktiven Gestalt,
die Platzhalter und Projektionsfigur für alle mit der
aesopischen Fabel verbundenen Wirkungsabsichten
und Vorstellungswelten ist. Da diese – wie etwa
Philostrat in den Eikónes sagt – das ganze menschliche
Leben betreffen (Philostr.imag. 1,3), tritt Ae. in
ant. Texten mit ganz unterschiedlichen polit., sozialen
oder auch kulturellen Ansichten auf, wobei sich
keine sicheren Rückschlüsse auf die histor. Gestalt
oder ihr mögliches dichterisches Programm ziehen
lassen. Entsprechend zeigt die seit der Antike beliebte
Engführung von Ae.s Fabeln mit den sozialkritischen
Anliegen des vermeintlichen Sklaven Ae.
(vgl. Phaedrus, Prolog III, V. 33–37) auch nur eine
Facette der Figur, die ohne Anspruch auf Historizität
ist und sich zudem anhand des unter Ae.s Namen
überlieferten Fabelcorpus nicht nachweisen lässt
[3. 18 f.].
B.2. Spätantike und mittelalterliche
Überlieferung
Die spärlichen, sehr verstreut zu findenden biographischen
Eckdaten zu Ae., die vielen Anekdoten
sowie das unsichere Textcorpus, in welchem zahlreiche
kreative Nachahmungen seiner Fabeln immer
neue Facetten der Ae.-Gestalt hinzufügten, haben
der nachant. Rezeption den Blick auf den histor.
1 2 Aesop
Ae. weitgehend verstellt. Hinzu kommt, dass vielen
Hss. und frühen Drucken von aesopischen Fabeln
eine romanhafte Vita Ae.s (oft eine gekürzte Version
des Ae.-Romans) als vermeintliche Biographie vorangestellt
war, die zu seiner romanhaften Verklärung
beitrug. Als bes. wirkmächtig erwies sich hierbei die
Ae.-Ausgabe des Byzantiners Maximos Planudes, die
zahlreiche Nachdrucke erfuhr und in fast alle europ.
Sprachen übersetzt wurde [3. 80–84]; nach Richard
Bentley war es sogar die Popularität eben dieser
Ausgabe, welche auch die Ikonographie Ae.s maßgeblich
beeinflusste. Bentley schrieb in seiner Dissertation
on the Fables of Aesop (London 1697) über
Planudes: »But of all his injuries to Ae., that which can
least be forgiven him, is the making such a Monster of him
for Ugliness: an Abuse, that has found credit so universally;
that all the modern Painters, since the time of
Planudes, have drawn him in the worst Shapes and Features,
that Fancy could invent« (zit. nach [10. 31]).
Wahrscheinlich hatte Bentley die zahlreichen Holzschnitte
und Illustrationen Ae.s in den frühen Hss.
und Ae.-Ausgaben im Blick, die häufig Szenen der
romanhaften Vita darstellten. Ein prominentes Beispiel
findet sich in den Holzschnitten der stark rezipierten
Ulmer Ausgabe (1476) von Heinrich Steinhöwel,
welche die Dickbäuchigkeit und die Unförmigkeit
des vermeintlichen Sklaven Ae. zeigen.
B.3. Neuzeit
Über die starke Rezeption illustrierter Fabelausgaben
[1] konnte sich das Bild des dicken, hässlichen
Ae. etablieren, das bis in das ausgehende 17. Jh. in
zahlreichen Kupferstichen umgesetzt wurde (vgl.
Wenzel Hollar zu John Ogilbys Aesopicks, 1668,
oder Francis Barlows Aesop’s Fables with His Life,
1687) und auch in Skulpturen Verbreitung fand (vgl.
die Ae.-Statue am Eingang des Versailler Labyrinths
von Jacques Bailly, ca. 1675). Daneben gibt es unter
den Bildern, die man sich von Ae. machte, jedoch
auch typisierte Darstellungen von Gelehrten, Evangelisten
oder Hofnarren [5. Bd. 1]; [1. 135–147], sodass
man bis in die Moderne von keiner einheitlichen
Ae.-Ikonographie sprechen kann. Vielmehr
schuf sich jeder Künstler seinen eigenen Ae., sei es
den hübschen jungen Mann, den Angelika Kauffmann
darstellte (The Beautiful Rhodope in Love with
Aesop, 1780), sei es Velázquez’ tatkräftige, ironie-verkörpernde
Gestalt (Aesop, 1639/40) [6. 147–149], sei
es Jusepe de Riberas Aesop in Beggar’s Rags (1640–
1650). Da bis heute kein sicher identifiziertes Porträt
Ae.s aus der Antike bekannt ist – die Statuen von
Aristodemos und Lysipp sind nicht erhalten, und die
bekannte Darstellung eines deformierten alten Mannes
mit einem Fuchs auf einer Kylix um 480 v. Chr.
[12. Abb. 264] ist nicht sicher mit Ae. zu identifizieren
–, entzieht sich der ›histor.‹ Ae. auch im Bild
dem Zugriff seiner Rezipienten.
Das Problem der mangelnden Fassbarkeit der
histor. Person Ae. in Wort und Bild wurde bereits
im Humanismus gesehen. Martin Luther bemerkte
in der Vorrede zu seiner 1530 entstandenen Übersetzung
von Fabeln aus dem Aesopus Latinus, einer
Sammlung von Prosafabeln im Stil Ae.s aus dem
4. Jh. n. Chr.: »das mans aber dem Esopo zuschreibet
/ ist meines achtens ein Geticht / und vieleicht nie
kein Mensch auff Erden / Esopus geheissen« (Etliche
Fabeln aus Esopo verdeudscht, Coburg 1530). Gleichwohl
beförderte gerade diese Unbestimmtheit der
Vita Ae.s die kreative Rezeption v. a. in romanhafter
und dramatischer Gestaltung. Dabei spielten bes.
drei Aspekte seines Lebens eine Rolle: die Verkörperung
des schlauen Antihelden, sein vermeintlicher
Sklavenstatus und die Liebe zu Rhodopis.
In der ant. Gestalt(ung) des hässlichen, aber gewitzten
Fabeldichters wurde Ae. zum Prototyp für
den europ. Schelmenroman, wobei er zumeist in
indirekter Rezeption die Vorlage für neue Helden
wie Bertoldo in Giulio Cesare Croces Le sottilissime
astuzie di Bertoldo (1606) oder Lázaro in dem anonymen
span. Roman La vida de Lazarillo de Tormes y de
sus fortunas y adversidades (1552) bildete [10. 44–72].
In dieser Rezeptionslinie des Ae.-Romans steht
auch der dt. Eulenspiegel [4]; [16] sowie Der brave
Soldat Schwejk (1911–1923) des tschech. Autors Jaroslav
Hasˇek. Demgegenüber trat der Aspekt des
Schelmenhaften in der direkten Rezeption der Figur
zurück, die ebenfalls weitgehend auf dem Ae.-Roman
basierte, jedoch stärker die emotionalen und
gesellschaftspolit. Seiten der Figur nutzte.
Der franz. Dramatiker Edme Boursault verfasste
zwei Komödien, Les fables d’Ésope (1690) und Ésope à
la cour (1701), in denen Ae. mithilfe seiner Fabeln
moralische Belehrungen gibt und bes. im zweiten
Stück Gesellschaftskritik übt, indem er die Missstände
am Hof des Kroisos anprangert. Da die fiktive
Handlung in Analogie zu den Verhältnissen am
Hof Ludwigs XIV. gesetzt werden kann, wird Ae.
hier zu einem Protagonisten der Frühaufklärung,
dessen universelles philos. und naturwiss. Wissen
neue Perspektiven eröffnet und zudem gesellschaftliche
Grenzen in Frage stellt. Beide Stücke waren
nicht nur in Frankreich ein großer Erfolg, sondern
Les fables d’Ésope in der engl. Überarbeitung durch
John Vanbrugh (Aesop. A Comedy, 1697) machte Ae.
darüber hinaus populär und ließ ihn zum Sprecher
zahlreicher gesellschaftspolit. Schriften werden, etwa
Thomas Yaldens Old Æsop at White-Hall, Giving
Advice to the Young Æsops at Tunbridge and Bath: or,
Some Fables Relating to Government (London 1698),
Aesop 3 4
vgl. auch die polit. Satire Aesop at Court. Or, State
Fables (London 1702) sowie die anonym erschienene
Sammlung illustrierter Dialoge über aktuelle polit.
Ereignisse Esopus in Europa (Amsterdam 1701 und
1738). Über die Fabel wurde Ae. zu einer wichtigen
Sprecherfigur der Aufklärung und erhielt bei Fabeldichtern
wie Lessing in jener von ihm begründeten
Gattung wieder vermehrt eigene Auftritte.
Basierte die Rezeption der Gestalt in der Aufklärung
noch wesentlich auf Ae. als dem Erfinder
der Fabel und deren aufklärerischem Potential als
Gattung, so wurde in der Romantik eine aus der
ant. Biographie entlehnte Facette Ae.s betont: seine
Beziehung zur Mitsklavin Rhodopis, die bereits in
der Antike (Plin.nat. 36,17) als eine Liebesbeziehung
gedeutet und möglicherweise in einem verlorenen
Gedicht des hell. Dichters Poseidippos von Pella
dargestellt war (Athen. 13,596). Die 1780 anonym
erschienene Novelle The History and Amours of Rhodope
erzählt die Geschichte der ungleichen Liebenden
– Rhodopis wird als sehr schön, Ae. als hässlich
beschrieben –, wobei es am Ende doch zur Trennung
kommt, da die Protagonistin sich mit dem
ägypt. König Psammetichus vermählt. Diese Liebesgeschichte
war äußerst populär; sie inspirierte Angelika
Kauffmanns Ölgemälde The Beautiful Rhodope in
Love with Aesop (1780) sowie Francesco Bartolozzis
Zeichnungen The Loves of Rhodope and Aesopus und
Psammetichus, King of Egypt, Chosing Rhodope for His
Queen (beide 1782), die einigen Ausgaben der Erzählung
als Illustrationen beigegeben waren. Dagegen
tritt das Thema Liebe in den beiden fiktiven
Dialogen zwischen Ae. und Rhodope von Walter
Savage Landor (1844) hinter einer Diskussion von
kulturellen und relig. Aspekten sowie der Umstände
der Versklavung Rhodopes zurück.
B.4. Moderne
Auch im 20. Jh. finden sich mehrere dramatische
Auftritte Ae.s, wobei eine stärkere Mythisierung zu
beobachten ist: In Peter Tersons Drama Aesop’s Fables:
A Play (1983) wird sein Weg zum olympischen
Zeus inszeniert, den Ae. um die Freiheit bitten
möchte, und in Robertson Davies’ Masque of Aesop
(1952) wird der Prozess um den angeblichen Tempelraub
in Delphi in eine Anklage wegen der Falschheit
seiner in den Fabeln transportierten Lehren
umgewandelt und vor den Augen Apolls und der
Parzen entschieden [15. 93–97]. Ae. wird freigesprochen
und aus einem hässlichen Krüppel zu einem
schönen Mann verwandelt. In beiden Dramen fällt
auf, dass die Rezeptionen der histor. Gestalt zugunsten
der Auseinandersetzung mit der aesopischen
Gattung und ihren Wirkungsabsichten zurücktritt
und auf romanhafte Motive zurückgreift: Sowohl
die Fabel vom Adler und Mistkäfer [9] als auch der
Zorn Apolls wegen des angeblichen Tempelraubs
werden im Ae.-Roman erzählt. Ae. wird durch die
Nähe zum Göttlichen wieder stärker in die zeitlose
Welt des Mythos entrückt, in welcher sich seine
möglichen histor. Spuren verlieren.
Die beiden romanhaften Nacherzählungen des
ant. Ae.-Romans von Arnolt Bronnen (Aisopos. Sieben
Berichte aus Hellas, 1956) und Hans Joachim
Schädlich (Gib ihm Sprache. Leben und Tod des Dichters
Äsop, 1999) führen ebenfalls nicht zur histor. Figur
zurück, im Gegenteil: Schädlichs Werk basiert auf
der dt. Übersetzung des Romans von Günther
Poethke (1974) und Bronnen schmückt den Roman
mit zahlreichen in anderen ant. Texten und Kontexten
hinzugedichteten Episoden aus, wobei die
Handlung aus unterschiedlichen Erzählperspektiven
verschiedener (fiktiver) Figuren aus Ae.s Umfeld
(u. a. des Sklavenhändlers Ophelion, des Sklaven
Sosos oder der Hetäre Rhodopis) berichtet wird.
Da wir aber gerade über das Leben dieser Erzähler
aus den ant. Zeugnissen so gut wie nichts wissen,
verklärt sich Ae. nun vollends in eine – zwar vielbetrachtete,
aber dadurch gerade nicht fassbare –
fiktive Figur, woran auch die vermeintlich stärkere
Nähe des ›histor.‹ Romans zu »dokumentarischen
Quellen« (Untertitel) und der beigegebene wiss. Anhang
mit Angaben zur ant. Zeitrechnung sowie
Bibliographie und Kartenmaterial nichts ändern.
Auch in Verfilmungen des Ae.-Stoffes lässt sich
diese Tendenz beobachten: Während der amerikan.
Fernsehfilm Aesop and Rhodope (1953) noch auf der
Spannung zwischen dem ungleichen Paar aufbaut,
wird Ae. in A Night in Paradise (USA, 1946; R:
Arthur Lubin) in einer fiktiven Erzählung als weiser
Berater an den Hof von König Kroisos nach Lydien
versetzt. Zu diesem Zweck schlüpft er in die für die
Weisheit topische Maske eines (hässlichen) alten
Mannes, hinter der sich jedoch ein junger schöner
Ae. verbirgt, der am Ende die pers. Prinzessin Delarai
für sich gewinnt. Hier mischen sich die drei
verschiedenen Rezeptionsstränge, insofern als der
schelmenhafte, junge Ae. die Rolle des hässlichen,
weisen Ae. übernimmt, um sein Liebesglück zu erreichen.
Ae. spielt ganz verschiedene Rollen, wobei die
Offenheit der Figur für immer neue Gestaltungen
bereits in byz. Lebensbeschreibungen symbolisch
vorweggenommen bzw. angestoßen wurde: Wie
der ›histor.‹ Ae. nach seinem Tod eine Wiedergeburt
erlebt haben soll (Photios, Suda), so wird der lit. Ae.
bis heute in kreativen Rezeptionen immer wieder
neu geschaffen.
5 6 Aesop
 Anakreon; Homer; Kroisos
[1] R. Hilpert, Bild und Text in Heinrich Steinhöwels
›Leben des hochberümten Fabeldichters Esopi‹, in:
N. Holzberg (Hrsg.), Der Äsop-Roman. Motivgeschichte
und Erzählstruktur, 1992, 131–154 [2] N. Holzberg, Der
Äsop-Roman. Eine strukturanalytische Interpretation, in:
N. Holzberg (Hrsg.), Der Äsop-Roman. Motivgeschichte
und Erzählstruktur, 1992, 33–75 [3] N. Holzberg, Die
antike Fabel. Eine Einführung, 1993 [4] H. Kunstmann,
»Wie Eulenspiegel vom Parnaß in das Riesengebirge kam«,
in: Jb. der Brüder-Grimm-Gesellschaft 10, 2000, 41–57
[5] Ch.L. Küster, Illustrierte Aesop-Ausgaben des 15. und
16. Jh.s, 2 Bde. (Diss. Hamburg), 1970 [6] F. Lissarrague,
Aesop, between Man and Beast. Ancient Portraits and
Illustrations, in: B. Cohen (Hrsg.), Not the Classical Ideal.
Athens and the Construction of the Other in Greek Art,
2000, 132–149 [7] M.J. Luzzatto, Art. Aisop-Roman, in:
DNP 1, 1996, 359–360 [8] M.J. Luzzatto, Art. Aisopos,
in: DNP 1, 1996, 360–365 [9] P. von Möllendorff, Die
Fabel von Adler und Mistkäfer im Äsoproman, in: RhM 137,
1994, 141–161 [10] J.-Th. A. Papademetriou, Aesop as an
Archetypal Hero, 1997 [11] B. E. Perry, Studies in the Text
History of the Life and Fables of Aesop, 1936
[12] G.M.A. Richter, The Portraits of the Greeks, 1965
[13] M. Schauer / S. Merkle, Äsop und Sokrates, in:
N. Holzberg (Hrsg.), Der Äsop-Roman. Motivgeschichte
und Erzählstruktur, 1992, 85–96 [14] Th. Spoerri, Der
Aufstand der Fabel, in: Trivium 1, 1942–1943, 31–63
[15] S. Stone-Blackburn, Robertson Davies, Playwright.
A Search for the Self on the Canadian Stage, 1985
[16] R. Tenberg, Die deutsche Till-Eulenspiegel-Rezeption
bis zum Ende des 16. Jh.s (Diss. Göttingen), 1996
[17] M.L. West, The Ascription of Fables to Aesop in
Archaic and Classical Greece, in: La Fable. Entretiens sur
l’Antiquité classique 30, 1984, 105–136 [18] A. Wiechers,
Aesop in Delphi (Diss. Köln), 1961.

Manuel Baumbach (Bochum)