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Henri Bergson  Vladimir Jankélévitch
Henri Bergson


Vladimir Jankélévitch
Suhrkamp
EAN: 9783518587911 (ISBN: 3-518-58791-9)
635 Seiten, hardcover, 13 x 20cm, Dezember, 2022

EUR 38,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
„Bei den Dingen des Lebens wird man stets zum Leben selbst als zur letzten Instanz zurückgeführt, gegen die man unmöglich Berufung einlegen kann.“
Rezension
Lässt sich das Leib-Seele-Problem lösen? Existiert der élan vital, eine innere Kraft des Lebens? Ist Dauer (dureé) das gemeinsame Merkmal alles Lebendigen? Kann Intuition als Gegenspieler der Intelligenz angesehen werden? Ist der Mensch vollständig determiniert? Welchen Einfluss besitzen unterschiedliche Gedächtnisarten auf Handlungsoptionen? Was ist Zeit? Ist Religion mit einer offenen Gesellschaft vereinbar? Trägt Lachen zur Dynamisierung des Lebens bei?
Reflektierte Antworten auf diese Fragen der Metaphysik, Ontologie, Erkenntnistheorie, Anthropologie, Philosophie des Geistes und Religionsphilosophie formulierte Henri Bergson (1859-1941) in seinem Œuvre. Von 1900 bis 1921 war er Professor für Griechische Philosophie am Collège de France (Paris). Außerdem gehörte der Denker 1921 zu den Gründungsmitgliedern der Commission Internationale de la Coopération Intellectuelle des Völkerbunds, deren Vorsitz er ein Jahr später übernahm. Bekanntheit erlangte der Philosoph, durch sein Hauptwerk „L`évolution céatrice“(1907) - deutsche Übersetzung unter dem Titel „Die schöpferische Entwicklung“(1921) - für das ihm der Literaturnobelpreis des Jahres 1927 verliehen wurde. Als weitere zentrale Arbeiten des französischen Vertreters der Lebensphilosophie gelten seine Bücher „Materie und Gedächtnis“(1896, deutsche Übersetzung 1908), „Die beiden Quellen der Moral und der Religion“(1932) und „Denken und schöpferisches Werden“(1934, deutsche Übersetzung 1948).
Eine hervorragende Gesamtdarstellung seines philosophischen Œuvres liefert die Monographie „Henri Bergson“, verfasst von Vladimir Jankélévitch (1903-1985). Der französische Philosoph und Musikwissenschaftler, welcher von 1951 bis 1975 eine Professur für Moralphilosophie an der Sorbonne (Paris) innehatte, war Schüler und Freund von Bergson. Dessen Philosophie war Gegenstand von Jankélévitchs erstem philosophischem Buch „Hernri Bergson“ aus dem Jahre 1931. Dieses veröffentlichte Jankélévitch 1959 in einer überarbeiteten und ergänzten Ausgabe. Dem Suhrkamp Verlag kommt das Verdienst zu, 2022 eine deutsche Erstausgabe des philosophischen Klassikers vorgelegt zu haben. Die gut lesbare Übertragung stammt von dem ausgewiesenen Übersetzer Ulrich Kunzmann. Außerdem enthält die deutsche Ausgabe das Vorwort der Ausgabe von 1931 sowie Briefe Bergsons an Jankélévitch.
Dem Schüler Bergsons gelingt es in seiner Monographie sehr gut, das philosophische Œuvre seines Lehrers mit seinen zahlreichen Verästelungen nachzuzeichnen. Jankélévitch betont in seiner Analyse von Bergsons Lebensphilosophie: „Die Philosophie des Werdens ist wirklich der Treffpunkt der versöhnten Widersprüche: Wie sich darin die Andersheit mit dem Kontinuierlichen versöhnt, so auch die Neuheit mit der Immanenz.“(S. 269) Zudem unterlässt es Jankélévitch auch nicht, auf begriffliche und logische Inkohärenzen im Werk Bergsons hinzuweisen, die dessen Schreibstil geschuldet sind. Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Ethik werden durch das vorliegende Buch motiviert, sich in ihrem Fachunterricht mit Textauszügen aus dem umfangreichen Werk von Bergson problemorientiert auseinanderzusetzen, enthält dieses doch bisher ungehobene Schätze, die sich für ein Reflektieren über Grundfragen des Lebens eignen.
Fazit: Die deutsche Erstausgabe von Vladimir Jankélévitchs Werksmonographie „Henri Bergson“ leistet einen wichtigen Beitrag zur Reaktualisierung der tiefsinnigen Reflexionen des französischen Lebensphilosophen angesichts aktueller Debatten innerhalb der Philosophie des Geistes.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Vladimir Jankélévitch
Henri Bergson
Aus dem Französischen von Ulrich Kunzmann. Mit einem Nachwort von Andreas Vejvar
Der französische Philosoph und Nobelpreisträger Henri Bergson (1859-1941) war einer der Begründer der Lebensphilosophie. Im Zeichen eines neuen Vitalismus und Materialismus wird er gerade wiederentdeckt. Vladimir Jankélévitchs Henri Bergson ist eines der ganz großen philosophischen Bücher, die über Bergson geschrieben wurden. Jankélévitch nimmt darin alle Aspekte von dessen Denken in den Blick, wobei Zeit und Dauer, Körper und Geist, Freiheit, Evolution, Erinnerung, Einfachheit sowie Liebe und Freude im Mittelpunkt stehen. Es sind die Grundbegriffe einer bahnbrechenden Philosophie des Lebens.
Jankélévitch, der Schüler und Freund Bergsons war, veröffentlichte sein Buch zuerst 1931. Knapp dreißig Jahre später unterzog er es einer gründlichen Überarbeitung, um auch Bergsons späten Werken gerecht zu werden. Die nun erstmals in deutscher Sprache vorliegende Übersetzung dieses Klassikers folgt der Ausgabe von 1959, ergänzt um die Einleitung von 1931 sowie um einige Briefe Bergsons an den Autor. Jankélévitch liest Bergson – eine philosophische Entdeckung!
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7
Kapitel I ORGANISCHE TOTALITÄTEN
I. Das Ganze und die Elemente 18
II. Die retrospektive Optik und das Trugbild
der vollendeten Zukunft 32
Kapitel II FREIHEIT
I. Akteur und Zuschauer 59
II. Werden 72
III. Der freie Akt 111
Kapitel III SEELE UND KÖRPER
I. Denken und Gehirn 148
II. Erinnerung und Wahrnehmung 175
III. Intellektion 196
IV. Gedächtnis und Materie 208
Kapitel IV DAS LEBEN
I. Finalität (Zweckmäßigkeit) 238
II. Instinkt und Verstand 259
III. Materie und Leben 296
Kapitel V HELDENTUM UND HEILIGKEIT
I. Plötzlichkeit 326
II. Das Geschlossene und das Offene 333
III. Der Bergson’sche Maximalismus 340
Kapitel VI DIE NICHTHEIT DER BEGRIFFE UND
DIE FÜLLE DES GEISTES
I. Herstellung und Organisation
Das demiurgische Vorurteil 356
II. Über das Mögliche 383
Kapitel VII DIE EINFACHHEIT. ÜBER DIE FREUDE
I. Von der Einfachheit 409
II. Der Bergson’sche Optimismus 440
Anhang
Bergson und das Judentum 459
Mit ganzer Seele 511
Vorwort von Vladimir Jankélévitch und Brief von Henri
Bergson zur Erstausgabe 1931 531
Briefe von Henri Bergson und Vladimir Jankélévitch
1924-1939 535
Andreas Vejvar
»Mystischer Realismus«
Jankélévitch liest Bergson 544
Zeittafel 592
Bibliografie 600
Namenregister 627