lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Hannah Arendt - Wir Juden Schriften 1932 bis 1966
Hannah Arendt - Wir Juden
Schriften 1932 bis 1966




Marie Luise Knott, Ursula Ludz (Hrsg.), Hannah Arendt

Piper Verlag GmbH
EAN: 9783492055611 (ISBN: 3-492-05561-3)
464 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 22cm, November, 2019

EUR 34,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
„Jude sein gehört zu den unbezweifelbaren Gegebenheiten meines Lebens.“ - Hannah Arendt beginnt mit ihrer Arbeit zu Rahel Varnhagen, sich mit der jüdischen Geschichte in Deutschland zu beschäftigen, aber erst nachdem sie Deutschland 1933 verlassen hatte, setzte sie sich verstärkt mit ihrer Identität als Jüdin und der „jüdischen Frage“ auseinander. Dieses Buch versammelt chronologisch alle zu Lebzeiten veröffentlichten Aufsätze Arendts zum Thema und zeigt so auch ihre Entwicklung in den diskutierten Fragen, beispielsweise ihre teilweise sehr wechselnde Haltung zu Israel und dem Zionismus. Herausgegeben, zum Teil neu übersetzt und eingeordnet von Marie Luise Knott und Ursula Ludz schließt der Band eine wichtige Lücke in der Arendt-Literatur.

Hannah Arendt, am 14. Oktober 1906 in Hannover geboren und am 4. Dezember 1975 in New York gestorben, studierte Philosophie, Theologie und Griechisch unter anderem bei Heidegger, Bultmann und Jaspers, bei dem sie 1928 promovierte. 1933 emigrierte sie nach Paris, 1941 nach New York. Von 1946 bis 1948 war sie als Lektorin, danach als freie Schriftstellerin tätig. Sie war Professorin für Politische Theorie in Chicago und lehrte ab 1967 an der New School for Social Research in New York. Zuletzt erschien bei Piper "Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?".

Marie Luise Knott lebt als freie Journalistin, Übersetzerin und Publizistin in Berlin. Unter ihrer Herausgeberschaft erschienen bei Piper "Vor Antisemitismus ist man nur auf dem Monde sicher" und "Was heißt persönliche Verantwortung in einer Diktatur?".

Ursula Ludz, Diplomsoziologin, seit 1980 als Herausgeberin und Übersetzerin mit dem Werk Hannah Arendts befaßt. Lebt in Tutzing.
Rezension
Dieser Band mit dem Titel "Wir Juden" versammelt Hannah Arendts Schriften von 1932 bis 1966 (vgl. Inhaltsverzeichnis) zum Thema "Identität als Jüdin" und "jüdische Frage". Erst nachdem sie Deutschland 1933 verlassen hatte, setzte sie sich verstärkt mit ihrer Identität als Jüdin auseinander und hat im Verlauf der Jahrzehnte auch durchaus differente Positionen zur Thematik vertreten. Damit vervollständigt sich das Bild von Hannah Arendt, die als Totalitarismus-Forscherin bekannt geworden ist: Mit ihrem Buch 'Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft' - zuerst 1951 in New York erschienen, in deutscher Übersetzung 1955 - hat Hannah Arendt eine Geschichte und eine Theorie des Totalitarismus geschrieben, die sie weltberühmt machte. Wie konnte der Holocaust geschehen? Wie war eine solche irrtümliche Blindheit möglich? Warum waren Menschen in der Lage, das radikal Böse in einer zivilisierten Gesellschaft zu tun? Mit ihrem Schlagwort der Banalität des Bösen entdeckte Hannah Arendt einen Schlüssel zur Erklärung dazu. Die jüdische, deutsch-amerikanische politische Theoretikerin und Publizistin und Heidegger-Schülerin Hannah Arendt (1906-1975) war eine überaus einflussreiche Denkerin des 20. Jahrhunderts insbesondere zu Themenfeldern wie Antisemitismus, Das Böse, Macht, Revolution, Republik/Nation, Totalitarismus etc. Die große Hannah-Arendt-Verfilmung des Jahres 2013 durch Margarethe von Trotta mit Barbara Sukowa als Darstellerin der Hannah Arendt hat das Denken, die Biographie und das Engagement Hannah Arendts auch einer breiteren deutschen Öffentlichkeit vor Augen geführt. Arendt wollte herausfinden, wie totalitäre Regime funktionieren und woher sie ihre Macht über das Gewissen der Täter gewannen. Arendt wollte Adolf Eichmann entdämonisieren und prägte dazu die Formel von der "Banalität des Bösen". Brennpunkt des Versuchs des Totalitarismus, die Autonomie des Einzelnen zu zerstören, die menschliche Natur umzuformen, ja den Störfaktor Mensch überflüssig zu machen, ist für Hannah Arendt das System der Lager, einem System des radikal Bösen (Kant). Hannah Arendt war davon überzeugt, dass der sowjetische und der deutsche Totalitarismus stärker von ihrer allgemeinen Organisationsform als von ihren jeweiligen weltanschaulichen Inhalten bestimmt waren. Adolf Eichmann war kein Dämon, kein Teufel, kein satanischer Übermensch sondern ein bieder-bürokratischer Hanswurst. Dass ein solcher Bürokrat zu solchen Verbrechen fähig ist, erklärt Arend mit der moralischen Entlastung des Tätergewissens durch den totalitären Staat; indem die Vernichtung vom Schreibtisch aus organisiert und in viele kleine Schritte aufgeteilt wird, wo sich kein Schritt der eigenen Verantwortung bewußt werden muss. Arendt verwarf die alte Vorstellung aus ihrem Totalitarismusbuch, das Böse sei "radikal" und habe eine metaphysische Tiefendimension. Tatsächlich sei das Böse nur ein Oberflächenphänomen.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Prolog 9

1 Aufklärung und Judenfrage (1932) 11

I Für ein neues kulturelles Selbstbewusstsein 31

2 Martin Buber — ein »leader« der Jugend (1935) 33
3 Wir Flüchtlinge (1943) 37
4 Juden in der Welt von gestern.
Anlässlich Stefan Zweig, The World of Yesterday, an Autobiography (1943/48) 53
5 Franz Kafka (1944/48) 67
6 Privilegierte Juden (1946) 87
7 Die verborgene Tradition (1944/48) /26
8 Eine kulturelle Atmosphäre schaffen (1947) 154
9 Zueignung an Karl Jaspers (1948) 160

II Für ein neues politisches Selbstbewusstsein 165

10 Ein Mittel zur Versöhnung der Völker (1942) 167
11 Der Zionismus aus heutiger Sicht (1945) 175
12 Der Judenstaat — Fünfzig Jahre danach (1946) 217
13 Hiobs Misthaufen — Eine Einführung zu Bernard Lazare (1948) 234
14 Zur Rettung der jüdischen Heimstätte ist es noch nicht zu spät (1948) 240
15 Frieden oder Waffenstillstand im Nahen Osten? (1950) 259

III Zur Erforschung des Holocaust 299

16 Die Saat einer faschistischen Internationale (1945) 301
17 Das Bild der Hölle (1946) 315
18 Sozialwissenschaftliche Methoden und die Erforschung der Konzentrationslager (1950) 326
19 Die Vernichtung von sechs Millionen. Warum hat die Welt geschwiegen? (1964) 346
20 Der Auschwitzprozess in Frankfurt am Main (1963-1965) —
Einleitung zu Bernd Naumanns Buch (1966)
354

Epilog 385

21 Persönliche Verantwortung unter diktatorischer Herrschaft (1964) 387

Anhang 401

1 Zu dieser Ausgabe 403
2 Postskriptum 417
3 Anmerkungen 423
4 Editorische Notiz 457
5 Danksagung 459
6 Namensregister 460