Gibt es neben dem Kunstschönen und dem Naturschönen auch das Technikschöne? Ja, davon zeugen die Kunstphotographien von Bernd (1931-2007) und Hilla Becher (1934-2015). Auf diesen sind zu finden: Wassertürme, Kühltürme, Hochöfen, Gasometer, Fördertürme, Bergwerke, Hütten, Aufbereitungsanlagen, Kies- und Schotterwerke, Kalköfen, Getreidesilos, Kohlebunker, Kokslöschtürme, Entstaubungsanlagen sowie Detailaufnahmen, u.a. der Georgsmarienhütte. Ein Teil der photographierten Bauten wurde bereits abgerissen. Auf manches schattenfreie Photo warteten die Bechers Jahre.
Bekanntheit erlangten die beiden Fotokünstler, die sich 1957 beim Studium an der Kunsthochschule in Düsseldorf kennenlernten, durch ihr erstes Buch „Anonyme Skulpturen: Formvergleiche industrieller Bauten“(1970) und ihre Arbeiten 1972 auf der documenta 5. Dort wurden ihre am frühen Morgen in Zentralperspektive aufgenommenen Schwarz-Weiß-Fotographien erstmals einem internationalen Publikum präsentiert. 1990 erhielten Bernd und Hilla Becher auf der Biennale in Venedig sogar den Preis für Bildhauerei. Ende der 1970er Jahre begründete das Künstlerpaar die Düsseldorfer Photoschule, die u.a. Andreas Gursky und Thomas Struth besuchten, deren Fotographien mittlerweile weltbekannt sind. Vom 15.7. bis zum 6.11.2022 ist im Metropolitan Museum of Art in New York die große Retrospektive „Bernd & Hilla Becher“ zu sehen, vom 17.12.2022 bis zum 2.4.2023 im San Francisco Museum of Modern Art.
Das photographische Œuvre der beiden Künstler erscheint in Buchform seit 35 Jahren im renommierten Münchner Kunstverlag Schirmer/Mosel. Dort wurde bereits 1993 eine Werksübersicht von ihnen unter dem Titel „Grundformen. Formes Élémentaires“ publiziert, die 61 Duotone-Tafeln enthält und 2020 eine Neuauflage erfuhr. Versehen ist der Band mit einem Text des französischen Kunsthistorikers Thierry de Duve, welcher die Arbeiten des Künstlerpaars als „monumentarische Photographie“ charakterisiert. Lehrkräfte des Faches Bildende Kunst werden durch den ästhetisch ansprechenden Bildband motiviert, sich mit Schüler:innen im Unterricht anhand von Architekturphotographien mit dem Technikschönen auseinanderzusetzen. Zudem bietet der Kunstunterricht die Möglichkeit, dass die Schüler:innen selbst - im Stile der seriellen Aufnahmen des Künstlerpaars - Bildgruppen von bestimmten Artefakten fotografieren.
Fazit: Das Buch „Grundformen“ mit gekonnt ausgewählten Photographien von Bernd und Hilla Becher leistet einen wichtigen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis von Industriekultur.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Neuauflage
In ihrer 40-jährigen Arbeit haben sich Bernd und Hilla Becher (1931–2007/1934–2015) immer wieder auf dieselben Motive – Fördertürme, Hochöfen, Gasbehälter, Wassertürme … – konzentriert und dabei eine heute unschätzbare photographische Enzyklopädie industrieller Bauten erstellt. Dem Konzept der Typologie und des vergleichenden Sehens folgend erfassen die 61 Photographien dieses Buches das ganze Spektrum der Becher’schen Motive repräsentativ und in charakteristischen „Portraits“.
Schirmer/Mosel. Mit einem Text von Thierry de Duve. 160 Seiten, 61 Duotone-Tafeln. Format: 17 x 24 cm, gebunden. Deutsch/französische Ausgabe.