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Gottes heimliche Kinder
Töchter und Söhne von Priestern erzählen ihr Schicksal
Annette Bruhns, Peter Wensierski
Deutsche Verlags-Anstalt
EAN: 9783421057723 (ISBN: 3-421-05772-9)
256 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 15 x 22cm, 2004
EUR 19,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
"Ich habe mit fünf angefangen, die Leute zu belügen", sagt Anna. Damals erfuhr sie, dass der Herr Pfarrer ihr Vater war - und dass niemand davon wissen durfte. Das Geheimnis lastete so stark auf ihrer Kindheit, dass sie manchmal denkt, es wäre besser, es gäbe sie nicht: "Dann ginge es allen besser".
Wie ist für ein Kind, wenn sein Vater katholischer Priester ist? Wenn er sonntags auf der Kanzel von Nächstenliebe predigt, aber am Ausgang dem eigenen Sohn nicht in die Augen schaut? Wenn der Vater ein angesehener Mann ist, während seine Tochter mit der Mutter von Sozialhilfe leben muss?
Allein in Deutschland leben mehrere tausend Priesterkinder. Die Kirche behandelt sie wie ein Tabu, obwohl sogar die meisten Katholiken den Zwang zu Ehelosigkeit ihrer Priester für überholt halten.
In diesem Buch brechen Betroffene das Schweigen.
Rezension
"Es ist nicht gut, dass der Mensch (Mann) allein sei", das Gottes Erkenntnis in den Schöpfungserzählungen der Genesis, doch für katholische Priester soll dies angeblich nicht gelten. Sie sind im Gegenteil nach wie vor durch das Zölibat gebunden, das ihnen geschlechtliche Intimität und demzufolge die Ehe grundsätzlich untersagt. Eine Versprechen das junge Männer im Alter von etwa 25 Jahren gegenüber ihrem Bischof abgeben für ein Leben lang. Nach der Überzeugung der kirchlichen Amtsträger weiß anscheinend jeder dieser jungen Männer, auf was er sich da einlässt, wenn er dieses Versprechen ablegt. Als wäre der Mensch und die Entwicklung seiner Persönlichkeit für alle Zeit abgeschlossen. Die Idylle des Priesterseminars und der Priesterausbildung verklären den Blick für die Wirklichkeit des priesterlichen Alltags. In der Idylle dieser Sonderwelt kommt die terminliche und psychische Extrembelastung, Einsamkeit und die Sehnsucht nach menschlicher Näher heutiger Weltpriester praktisch nicht vor.
Die Zölibatsverpflichtung setzt den Priester in der Öffentlichkeit fast immer einem unnötigen Verdacht aus, sobald dieser Frauen und Männer in der zärtlich berührt oder umarmt.
Die Phantasie mancher Zeitgenossen, die solche Zeichen menschlicher Nähe beobachten und von der Zölibatsverpflichtung des Priesters wissen, ist grenzenlos... ob da mehr im Spiel ist ? Obwohl da vielleicht gar nichts ist, außer einer ganz normalen Freundschaftsbeziehung zwischen zwei Menschen, kommt relativ schnell in den Verdacht auf, das hier etwas abnormales und illegales geschehen könnte.
Das Priester und Ordensleute im Hinblick auf ihr Gefühlsleben doch ganz "normale Menschen" sind, für die Gebet und Arbeit kein Ersatz für zwischenmenschliche Gefühle sind, zeigt das vorliegende Buch auf dramatische Weise.
Annette Bruhns und Peter Wensierski zitieren in ihrem Vorwort Schätzungen von Initiativen betroffener Priester und deren Frauen, denen zufolge mindestens die Hälfte aller katholischen Geistlichen sexuelle Beziehungen unterhält. Und das hat nicht selten die so genannten "Folgen".
Das mag zwar lustig klingen, für die Betroffenen -- und das sind neben den Priestern und ihren heimlichen Frauen insbesondere die Kinder aus solchen Beziehungen -- ist es alles andere als dies. Wenn es dazu noch eines Beweises bedurft hätte, dieses bedrückende Buch liefert etliche davon: Porträts und Schicksale von Priestern, Priestersöhnen, -töchtern und -frauen, die den Autoren ihre Geschichte anvertraut haben und die ausführlich auch selbst zu Wort kommen.
Neben dem Mitleid mit den Kindern (denen, die nicht hätten sein sollen, und denen, die tatsächlich nicht sein durften, die also abgetrieben wurden) und den Frauen, die ihr heimliches (Un-)Glück oft still ertragen, nährt manche der hier versammelten wahren Geschichten den Verdacht, dass Priester, die ein solch verlogenes Leben führen, denkbar schlecht geeignet sind, den ihnen anvertrauten Schäfchen den Weg zu Gott zu weisen. Manche freilich sind ihrer Kirche voraus und leben ihre Liebe mit ihrer "Haushälterin" und "deren" Kindern nur "offiziell geheim" -- ein fast schon, aber eben nicht wirklich ganz normales Familienleben. Und manche bekennen sich irgendwann dann doch offen zu ihrer Liebe und geben ihr kirchliches Amt dafür auf. Zu oft aber verstoßen die fruchtbaren Priester Frau und Kind und geben damit dem Zweifel an der Heiligkeit der Kirche jede Nahrung.
Solange in der offiziellen katholischen Kirche die Probleme mit dem Zölibat beschwichtigt und verdrängt werden, braucht sich niemand wundern, wenn auch in diesem Fall ein "psychologisches Urgesetz" greift, Probleme die verdrängt werden sind so lange vorhanden, bis sie offen angesprochen werden können und nach Lösungsmöglichkeiten gesucht wird. Solange dies nicht geschieht, werden sich menschliche Tragödien wie die im Buch beschriebenen wiederholen.
Damit diese Tragödien aber nicht in den "diskreten Schubladen" der Kirchenbürokratie verschwinden, sondern öffentlich werden, ist das Buch von Annette Bruhns und Peter Wensierski ein überfälliges Buch.
Frank Kohl,lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Tausende katholische Priester, zu Keuschheit und Ehelosigkeit verpflichtet, haben Kinder. Für diese wird das Leben oft zur Hölle auf Erden. Ihre Geschichten berichten von Verlorenheit und Verlogenheit, dem Kampf um Anerkennung und immer wieder von der Sehnsucht nach dem Vater.
Priesterkinder sind das bestgehütete Tabu in der katholischen Kirche. Von den 17000 Geistlichen in Deutschland haben schätzungsweise 9000 sexuelle Beziehungen, aus denen einige tausend Kinder hervorgegangen sind. Die Kinder sind meist die hilflosen Opfer: Die Väter verleugnen sie aus Angst um ihre Existenz, und die Kirchenoberen lassen die Kinder, die es nicht geben darf, im Stich. Annette Bruhns und Peter Wensierski haben erschreckende, bewegende Lebensgeschichten recherchiert. Offen reden Betroffene - Kinder, deren Mütter und Priesterväter - über die Heuchelei der katholischen Kirche und ihr Leben in Lüge und Heimlichkeit. Priestertochter Christina, 21, aus Osnabrück: »Damit sich keiner mehr schämen muß.«
Inhaltsverzeichnis
Am besten gäbe es mich nicht" 9
Anna über die Wut auf ihren Vater, die Kirche und ihr Leben
mit Dauerlüge und Versteckspiel
Verschweigen, verleugnen, vertuschen: das Los von Priesterkindern 13
Einleitung
"Ich bin ein Mensch, der ned hat sein sollen" 34
Günter begegnete mit 36 Jahren erstmals seinem Vater.
Die ersten neun Lebensjahre wurde die Schande seiner Existenz versteckt.
Übrig bleibt der Traum vom Vater 55
Katharina kennt ihren Vater nicht.
Der Ordenspriester hat sich aus dem Staub gemacht.
Eine Kindheit hinter Masken 68
Der Vater von Thomas war Benediktinerrnonch.
Thomas wurde depressiv und bekam Krebs.
Die tickende Zeitbombe 100
Pia und Florian sind Kinder einer Familie,
die es im katholischen Pfarrhaus eigentlich nicht geben darf.
Der Verstoßene 111
Christian wurde mit 17 von seinem Priestervater verstoßen -
sein Vater hatte eine neue Geliebte.
Die Stimme von oben 117
Der Vater von Lena darf mit ihr, nicht aber mit seiner Frau,
Lenas Mutter, zusammen sein.
Das Kind, das nicht auf die Welt kommen durfte 123
Maira hat ihr zweites Kind von einern Kaplan abgetrieben.
Zwei Männer und eine kleine Lady 138
Christina wuchs mit zwei Vätern auf - dem Mann ihrer Mutter
und deren Geliebten, einem Priester.
"Diese Kirche wird nicht überleben" 152
Gabriella Loser Friedli über Priesterkinder in der Schweiz
und das Leben mit ihrer heimlichen Familie
Die Lieblingstochter 163
Der Vater von Dorothea, ein evangelischer Pfarrer,
ließ sich zum katholischen Priester weihen. Danach nahm er
den Ehering ab und seine Kinder nicht mehr an die Hand.
"Ich bin ein Kind der Liebe" 178
Miriam ist die Tochter eines Priesters, der seinen Orden
schon vor ihrer Geburt verließ, um ihre Mutter zu heiraten.
"Das ist jetzt dein Kind!" 191
Dorothea wurde im April 2003 als Tochter
eines katholischen Priesters geboren. Weil ihr Vater
sich zu seinem Kind bekannte, wurde er
seinem Vorgesetzten entlassen.
Das Wunder von Dreiborn 203
Matthias und Anne sind als angenommene Kinder
in einern Pfarrhaus in der Eifel aufgewachsen - ganz
wie in einer normalen Familie
Verwaist und verraten 211
Der Vater von Sinione starb, als sie elf Monate alt war.
Die Kirche schob die Verantwortung für den Unterhalt
der Halbwaisen von Schreibtisch zu Schreibtisch.
"Das Trauma wird weitergegeben" 219
Der Berliner Kinder- und Jugendepsychiater Horst Petri
über die seelische Belastung von Priesterkindern und
über Wege, damit umzugehen
Der Streit um den Zölibat 233
Die Geschichte eines weltweiten Konflikts
"Strangulierte Liebe" 243
Der Paderborner Theologe Eugen Drewermann
über Priesterkinder und Kirchenväter
Erfahrungen bei der Arbeit an diesem Buch 247
Anmerkung der Autoren 253
Adressen von Initiativen 254
Dank 256
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