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Erinnerungsorte der DDR Herausgegeben von Martin Sabrow
Erinnerungsorte der DDR
Herausgegeben von Martin Sabrow




Martin Sabrow (Hrsg.)

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406590450 (ISBN: 3-406-59045-4)
620 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 17 x 25cm, 2009, 54 Abbildungen

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die DDR gibt es nicht mehr, aber im Gedächtnis der Ostdeutschen wie der Westdeutschen lebt sie weiter - als totaler Unrechtsstaat ebenso wie in 'ostalgischer' Verklärung und als ferner Nachbar, vor allem aber in Erinnerung an die Mühen eines aufrechten Lebens in gedrückten Verhältnissen. Fünfzig Publizisten und Zeithistoriker aus Ost und West analysiern die wichtigsten Bezugspunkte der Erinnerung an ein untergegagenes Land - vom Trabi bis zur Transitautobahn, von der Stasi bis zum Sandmännchen, vom Intershop bis zur Bückware, von der Jugendweihe bis zu den Montagsdemonstrationen.

In sechs großen Abschnitten befassen sie sich mit Gesichtern der Macht und Herrschaftskulturen, mit dem Leben im Staatssozialismus und den Kleinen Fluchten, den Gemeinsamen Grenzen und schließlich mit dem Aushalten und Aufbegehren in einem Land, das am Anfang die Zukunft versprach und dem seine Bürger am Ende den Rücken kehrten. Entstanden ist auf diese Weise ein ebenso gelehrtes wie spannendes Buch zur Nachgeschichte der DDR.

Martin Sabrow, geb. 1954, ist Professor für Neueste Geschichte und Zeitgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam. Er war Vorsitzender der Expertenkommission der Bundesregierung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. zahlreiche Veröffentlichungen zur Gedächtnis- und Historiographiegeschichte, zur Weimarer Republik und zur DDR.
Rezension
Geschichte von symbolträchtigen 'Erinnerungsorten' her zu erschließen und zu beschreiben ist ein Konzept, das in Frankreich entwickelt wurde. In drei eindrucksvollen Bänden 'Deutsche Erinnerungsorte' haben Etienne Francois und Hagen Schulze es für die deutsche Geschichte adaptiert. Der Band 'Erinnerungsorte der DDR' kann als deren Ergänzung und Weiterführung in die jüngste Geschichte verstanden werden. Von daher ist diese Sammlung einerseits notwendig, um bei den Zeitzeugen die jetzt noch möglichen Recherchen zu betreiben und lebendige Erinnerungen zu fixieren, auf der anderen Seite hat sie aber, vor allem in ihren Wertungen, auch etwas Vorläufiges. Denn die Wiedervereinigung ist eben erst zwanzig Jahre her und was sind zwanzig Jahre in der Geschichte eines Landes und in der Mentalitätsgeschichte der Individuen, die in ihm aufwachsen und sich immer neu auf sie beziehen?
Auch in der Ambivalenz des Titels wird etwas von dieser Problematik greifbar: Die DDR als Staat kann sich nicht mehr an ihre Geschichte erinnern, denn es gibt sie nicht mehr. Es sind also im strengen Sinn nicht Erinnerungsorte der DDR sondern Orte der Erinnerung an die DDR und ihre Strukturen und Besonderheiten, die von 'Westlern' und 'Ostlern' in ganz unterschiedlicher Weise wahrgenommen werden können. Zu (gesamt)-'deutschen' Erinnerungsorten können sie erst werden, wenn deutlich wird, was in der Erinnerung an diese Phase der Geschichte für alle Deutschen jenseits der Unterscheidung von 'Ossis' und 'Wessis' Bestand haben wird.
Die Autoren der zahlreichen Artikel sind sich dieser Vorläufigkeit bewusst, denn immer wieder wird darauf hingewiesen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. So zitiert Konrad Jarausch beispielsweise Etienne Francois, der in einem Interview sagte, es handle sich um "... relativ neue Phänomene, die noch in dem Stadium der Kristallisation sind .. nicht diese Form der Selbständigkeit, der Kohärenz haben, die uns erlauben würde zu sagen: Ja, das ist ein richtiger Erinnerungsort." (527)
Der Bedeutung des Buches tut diese Einschränkung keinen Abbruch, im Gegenteil. Wer die Zeit miterlebt hat, findet einen reichen Fundus an Details, Fakten und Analysen, die eigene Erinnerungen korrigieren und erschließen. Und für die jüngere Generation ist es ein immer wieder verblüffendes und anschauliches Panoptikum, in dem Sandmännchen, Bückware, unbedruckte Plastiktüten und andere Kuriositäten zum Schlüssel für das Verständnis von Lebenswirklichkeiten werden, die mit dem Zusammenbruch der DDR fast schlagartig verschwunden sind. Welcher der vorgeschlagenen und beschriebenen Erinnerungsorte dann tatsächlich Bestand haben wird, ist noch nicht sicher. Der vorliegende Band zeigt jedoch auf überzeugende Weise an, welche dafür in Frage kommen könnten.

Matthias Wörther, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die DDR gibt es nicht mehr, aber im Gedächtnis lebt sie weiter, als Schreckensort einer Diktatur, in "ostalgischer" Verklärung und vor allem in Erinnerung an die Mühen um ein aufrechtes Leben in gedrückten Verhältnissen.
Fünfzig Publizisten und Zeithistoriker präsentieren die wichtigsten Bezugspunkte der Erinnerung an ein untergegangenes Land.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Martin Sabrow Die DDR erinnern

GESICHTER DER MACHT
Annette Leo Antifaschismus
Silke Klewin Bautzen
Silke Satjukow Die «Freunde»
Anja Tack/Jürgen Danyel Pankow
Bernd Florath Die Partei
Alexander von Plato Sowjetische Speziallager
Jens Gieseke Die Stasi und ihr IM
Siegfried Lokatis Zensur

HERRSCHAFTSKULTUR
Volkhard Knigge Buchenwald
Andreas Ludwig Eisenhüttenstadt
Barbara Könczöl Erster Mai und Fünfzehnter Januar
Regina Mönch Der Frauentag
Emmanuel Droit Frieden
Marina Chauliac Die Jugendweihe
Christoph Stölzl Die Neue Wache
Heinrich Wefing Der Palast der Republik
Martin Sabrow Sozialismus
Rainer Gries Der Tag der Republik

LEBEN IM STAATSSOZIALISMUS
Wolfgang Engler Der Arbeiter
Stefan Wolle Das Blauhemd der FDJ
Peter Hübner Die Brigadefeier
Anna Kaminsky Einkaufsbeutel und Bückware
Nina Leonhard Bei der Fahne
Lutz Niethammer Das Kollektiv
Sandrine Kott Die Kinderkrippe
André Steiner Der Plan
Adelheid von Saldern Die Platte

KLEINE FLUCHTEN
Paul Betts Alltag und Privatheit
Christopher Görlich Die Ostsee
Ilko-Sascha Kowalczuk Die Puhdys
Christoph Classen Das Sandmännchen
Christoph Dieckmann Sparwassers Tor
Ina Merkel Der Trabant

GEMEINSAME GRENZEN
Franka Schneider Der Intershop
Marion Detjen Die Mauer
Hans Otto Bräutigam Die Ständige Vertretung
Axel Doßmann Die Transitautobahn
Dietmar Arnold / Sven Felix Kellerhoff Der Tunnel
David E. Barclay Westberlin
Petra Kabus Das Westpaket
Franziska Augstein Die Zone

AUSHALTEN UND AUFBEGEHREN
Wolfgang Templin Das Helsinki-Abkommen
Ralph Jessen Die Montagsdemonstrationen
Joachim Gauck Ohnmacht
Ulrike Poppe Der Runde Tisch
Rainer Eckert Schwerter zu Pflugscharen
Myriam Renaudot Der Siebzehnte Juni
Konrad H. Jarausch Der Umbruch 1989 /90
Jacques Poumet Die Universitätskirche Leipzig

Anmerkungen
Bildnachweis
Die Autorinnen und Autoren